Urteil des VG Koblenz vom 10.10.2005
VG Koblenz: grundstück, sanierung, satzung, gemeinde, öffentlich, wertsteigerung, inkraftsetzung, datum, vergleich, verwaltungsakt
VG
Koblenz
10.10.2005
8 K 3415/04.KO
Sanierungsrecht
Verwaltungsgericht Koblenz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
...
wegen Ausgleichsabgaben
hat die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
10. Oktober 2005, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Bayer
Richter am Verwaltungsgericht Müller-Rentschler
Richterin am Verwaltungsgericht Schorkopf
ehrenamtlicher Richter Rentner Deimling
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Debrich
für Recht erkannt:
Der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.
November 2004 wird geändert und die Streitsache zur Ermittlung der Höhe des festzusetzenden
Ausgleichsbetrages an die Beklagte zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu Sanierungsausgleichsbeträgen.
Er ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung S., Flur 36, Parzelle Nr. 135. Das 265 qm große
Grundstück grenzt an die O.-Straße und wird sowohl gewerblich als auch zu Wohnzwecken genutzt.
Am 3. April 1979 beschloss der Rat der Beklagten, vorbereitende Untersuchungen über die Notwendigkeit
einer Sanierung im Stadtkern von S. durchführen zu lassen. Das Untersuchungsgebiet wurde mit
Beschluss vom 9. September 1979 auf die gesamte Innenstadt erweitert.
Im April 1980 erstellte die von der Beklagten beauftragte ...-Planungsgruppe den Bericht über die
vorbereitende Untersuchung für die Stadtsanierung S. Darin wurde festgestellt, dass insbesondere im
gesamten Verlauf des innerstädtischen Hauptstraßenzuges O.-Straße-M.-Straße-Sch.-Straße
Funktionsstörungen aufgrund sehr starker Verkehrsbelastung auftreten. Es wurde eine Reihe von
Maßnahmen zur Durchführung der Sanierung sowie zur städtebaulichen Neuordnung vorgeschlagen,
insbesondere zur Verkehrsberuhigung im Verlauf von O.-, M.- und Sch.-Straße. Außerdem wurde ein Vor-
schlag zur Abgrenzung des Sanierungsgebiets gemacht.
Am 2. Dezember 1980 beschloss der Rat der Beklagten die Satzung über die förmliche Festlegung des
Sanierungsgebietes „Stadtmitte“ in der Stadt S. § 1 der Satzung enthält eine verbale Umschreibung des
Sanierungsgebietes, die dem Vorschlag des Berichts über die vorbereitende Untersuchung entspricht und
im Wesentlichen das Gebiet zwischen der S.-Bachbrücke im Westen, dem S.-Bach im Norden, der H.-
Straße im Osten und der L 218 im Süden umfasst. In § 2 sind die im Sanierungsgebiet gelegenen
Grundstücke aufgelistet, darunter auch das Grundstück des Klägers unter seiner damaligen
Grundbuchbezeichnung. Die Satzung wurde am 21. Januar 1981 genehmigt. Der in den
Verwaltungsakten befindliche Satzungstext enthält die mit dem Datum 5. Februar 1981 und dem
Dienstsiegel versehene Unterschrift des damaligen Bürgermeisters B. Am 13. Februar 1981 wurde die
Satzung im Mitteilungsblatt veröffentlicht. Der veröffentlichte Text enthält am Ende neben der Unterschrift
des Bürgermeisters die Datumsangabe „09. Februar 1981“.
Am 24. Februar 1987 beschloss der Rat der Beklagten die Satzung über die Erweiterung des
Sanierungsgebiets „Stadtmitte“, die nach Durchführung des Anzeigeverfahrens am 3. Dezember 1987
ausgefertigt und am 11. Dezember 1987 öffentlich bekannt gemacht wurde. Das Erweiterungsgebiet
berührt das Grundstück des Klägers nicht.
Unter dem 13. September 1994 erstellte der Gutachterausschuss für Grundstückswerte des ...-Kreises ein
Gutachten über die Anfangs- und Endwerte im Sanierungsgebiet. Darin wurde das
Vergleichswertverfahren nach Bodenrichtwerten angewendet. Zum Wertermittlungsstichtag heißt es, da
der für Anfangs- und Endwerte maßgebliche Zeitpunkt, an dem die Sanierung abgeschlossen ist, noch
nicht vorliege, werde ein geeigneter aktueller Stichtag zugrunde gelegt, und zwar der 31. Dezember 1994.
Gegebenenfalls seien die ermittelten Werte später fortzuschreiben. Der durchschnittliche Anfangswert
betrage 300 DM/qm. Für die Ermittlung des Endwertes seien folgende sechs Tatbestände, anhand deren
eine sanierungsbedingte Werterhöhung festgestellt werden könne, geprüft worden: Allgemeiner
Sanierungsvorteil, Ausbauvorteil Block, Ausbauvorteil Fußgängerzone, Umstrukturierungsvorteil,
Aufzonungsvorteil und objektbezogene Besonderheiten. Für jeden dieser Tatbestände werden nähere
Erläuterungen gegeben und entweder keine oder prozentuale oder absolute DM-Werte pro qm als
Erhöhungsfaktoren des Anfangswertes genannt. Die durchschnittliche Höhe des Sanierungsvorteils
betrage 33 DM/qm bzw. 8 % des Anfangswertes. Aus dem dem Gutachten beigefügten Karten ergibt sich,
dass für das Grundstück des Klägers ein Anfangswert von 500 DM/qm und ein Endwert von 545 DM/qm
angenommen wurde. Diese Karten teilen das Sanierungsgebiet in Anfangswertzonen mit einer
Bandbreite von 180 DM/qm bis 800 DM/qm sowie in Endwertzonen mit einer Bandbreite von 200 DM/qm
bis 850 DM/qm ein. Nähere Angaben zum fiktiven Bodenrichtwertgrundstück und zur Vergleichbarkeit des
Klägergrundstücks mit diesem enthält das Gutachten nicht.
Am 15. November 1995 beschloss der Rat der Beklagten den Bebauungsplan „Innenstadt S.“ als Satzung,
der nach Durchführung des Anzeigeverfahrens und Ausfertigung am 18. April 1996 öffentlich bekannt
gemacht wurde. Darin wird u. a. in der O.-Straße und in der M.-Straße ein Fußgängerbereich festgesetzt.
Für den Bereich, in dem das Grundstück des Klägers liegt, wird ein Kerngebiet festgesetzt.
Im Laufe der Sanierung wurden im Sanierungsgebiet insbesondere folgende Maßnahmen durchgeführt:
- Verkehrsberuhigung durch Schaffung einer Fußgängerzone
- Modernisierung der Bausubstanz durch Abbruch alter Gebäude und Neubebauung
- Verbesserung des Parkplatzangebotes durch Bau einer Tiefgarage
- Begrünung und Neugestaltung von Erschließungsstraßen.
Am 7. Juli 2000 fand eine weitere Sitzung des Gutachterausschusses statt, in der der Ausschuss nach
ausgiebiger Diskussion der inzwischen durchgeführten Sanierungsmaßnahmen feststellte, dass die 1994
ermittelten Anfangs- und Endwerte weiterhin Gültigkeit hätten.
Am 9. August 2000 beschloss der Rat der Beklagten die Satzung über die teilweise Aufhebung der
förmlichen Festlegung des Sanierungsgebietes „Innenstadt S.“. Die Satzung umfasst auch den Teilbereich
des Sanierungsgebiets, in dem das Grundstück des Klägers liegt. Die Satzung wurde am 18. September
2000 ausgefertigt und am 29. September 2000 öffentlich bekannt gemacht.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins zog die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 6. Dezember
2000 zu einem Ausgleichsbetrag i. H. v. 11.925 DM heran. Bei der Berechnung wurden ein Anfangswert
von 500,- DM/qm und ein Endwert von 545 DM/qm zugrunde gelegt; die Differenz i. H. v. 45 DM/qm wurde
mit der qm-Fläche des Grundstücks multipliziert.
Am 20. November 2001 bestätigte der Gutachterausschuss erneut die Anfangs- und Endwerte.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger am 10. März 2003 bei dem erkennenden
Gericht Klage gegen den Bescheid vom 6. Dezember 2000. Er trug vor, die Sanierungssatzung vom 2.
Dezember 1980 sei fehlerhaft zustande gekommen und nichtig, weil sie nicht ordnungsgemäß
ausgefertigt worden sei: Der Unterschrift des Bürgermeisters sei ursprünglich kein Datum beigefügt ge-
wesen; dieses müsse erst später hinzugefügt worden sein.
Nachdem die Frage der ordnungsgemäßen Ausfertigung der Sanierungssatzung nicht geklärt werden
konnte, hob die Beklagte den Bescheid vom 6. Dezember 2000 mit Bescheid vom 9. Januar 2004 auf.
Daraufhin erklärten die Beteiligten das damalige Klageverfahren (8 K 566/03.KO) in der Hauptsache für
erledigt.
Die Sanierungsatzung vom 2. Dezember 1980 wurde am 29. Januar 2004 erneut ausgefertigt und am 13.
Februar 2004 unter rückwirkender Inkraftsetzung zum 9. Februar 1981 erneut öffentlich bekannt gemacht.
Mit neuem Bescheid vom 8. März 2004 zog die Beklagte den Kläger zu einem Ausgleichsbetrag i. H. v.
6095 € heran. Dabei wurden die bisher angenommenen Anfangs- und Endwerte – umgerechnet in Euro,
also 255,65 € bzw. 278,65 € – zugrunde gelegt und die sich ergebende Differenz von 23 € mit der qm-
Fläche des Grundstücks multipliziert.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 1. April 2004 wies der Kreisrechtsausschuss
des ...-Kreises mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 2004 als unbegründet zurück.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung macht er geltend:
Eine sanierungsbedingte Werterhöhung seines Grundstücks sei nicht oder jedenfalls nicht in der
festgesetzten Höhe eingetreten. Das Gutachten vom 13. September 1994 sei zu einer genauen
Bestimmung der sanierungsbedingten Werterhöhungen einzelner Grundstücke nicht geeignet; hierzu
hätte es vielmehr der Erstattung von Einzelgutachten bedurft. Auch hätte der Gutachterausschuss bei der
Ermittlung der Endwerte zusätzlich das Ertragswertverfahren berücksichtigen müssen, zumindest in Form
einer Plausibilitätskontrolle. Tatsächlich sei nämlich bei den geschäftlich genutzten Liegenschaften in der
O.-Straße aufgrund der Sanierung ein enormer Wertverfall eingetreten: In Folge der durchgeführten
Sanierungsmaßnahmen sei die Innenstadt von S. wirtschaftlich „tot“, mehr als 1/3 der Geschäfts- und
Verkaufsflächen stünden leer und die Mieten seien sanierungsbedingt drastisch gefallen. Im Übrigen
seien die einzelnen Bewertungskriterien des Gutachtens überhöht angesetzt worden. Der allgemeine
Sanierungsvorteil sei mit 3 DM/qm bezogen auf das Grundstück des Klägers zu hoch, weil durch die
Sanierung die Einkaufssituation in der O.-Straße nicht verbessert, sondern durch Fehlleitung der
Verkehrsströme verschlechtert worden sei. Der Ausbauvorteil Block sei mit 12 DM/qm überhöht, denn die
Erschließungssituation des Kläger-Grundstücks habe sich verschlechtert, weil es über die neu
geschaffene Tiefgarage nicht mit größeren Lieferfahrzeugen angefahren werden könne. Bei der
Bemessung des Ausbauvorteils Fußgängerzone mit 25 DM/qm habe sich der Gutachterausschuss zwar zu
Recht an der Höhe fiktiver Ausbaubeiträge orientiert, hätte aber einen höheren Gemeindeanteil
berücksichtigen müssen. Ein Umstrukturierungsvorteil von 20 DM/qm sei im Block 7, in dem das Kläger-
Grundstück liege, nicht eingetreten, weil die Sanierung insoweit keine Lageverbesserung bewirkt habe:
Der neu geschaffene, sozial geförderte Wohnraum sei einer wenig konsumfreudigen Bevölkerungsgruppe
zugewiesen worden; kaufkraftstärkere Bevölkerungskreise hätten sich neu orientiert und würden nun die
großflächigen Einzelhandelsmärkte am Stadtrand aufsuchen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 8. März 2004 sowie den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom
10. November 2004 aufzuheben,
hilfsweise, eine Entscheidung nach § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO zu treffen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die Anfangs- und Endwertermittlung des Gutachterausschusses nach dem
Bodenrichtwertverfahren und führt ergänzend aus: Entgegen der Ansicht des Klägers sei der
Sanierungsvorteil nicht an einer Zunahme der Kaufkraft, sondern ausschließlich an der
sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung zu messen. Objektiv betrachtet sei ein erheblicher allgemeiner
Sanierungsvorteil dadurch eingetreten, dass der Verkehrslärm in der O.-Straße durch die Schaffung einer
Fußgängerzone beseitigt und eine erhebliche Verbesserung des Wohnumfeldes durch Um- und
Fußgängerzone beseitigt und eine erhebliche Verbesserung des Wohnumfeldes durch Um- und
Neugestaltung von Straßen und Plätzen, Sanierung bzw. Beseitigung alter, unansehnlicher Bausubstanz
und Schaffung neuer Parkflächen in der Tiefgarage bewirkt worden sei. Die Erschließungssituation des
Kläger-Grundstücks sei verbessert worden, weil in der neuen Tiefgarage ein grundstücksnahes Parken
möglich sei; mit Lieferfahrzeugen könne das Grundstück weiterhin über die Fußgängerzone angefahren
werden. Die Anlegung einer Fußgängerzone sei für das Grundstück schon als solche vorteilhaft, weil sie
der Erwartungshaltung der Kunden in Deutschland entspreche und die Sicherheit der dort wohnenden
und arbeitenden Menschen erhöht habe.
Der Gutachterausschuss hat sich in einer weiteren Sitzung am 8. Juli 2005 zur Einzelbewertung des
Grundstücks des Klägers geäußert und ausgeführt, durch die Beseitigung städtebaulicher Missstände im
Sanierungsgebiet sei eine Bodenwertsteigerung von durchschnittlich 12 % eingetreten; da das
Klägergrundstück bezüglich der „Lagegunst“ eher unterdurchschnittlich einzustufen sei, sei eine
sanierungsbedingte Wertsteigerung von 9 %, wie sie dem erhobenen Ausgleichsbetrag entspreche,
angemessen.
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Gerichtsakten dieses
Verfahrens und des Verfahrens 8 K 566/03.KO sowie den beigezogenen Verwaltungs- und
Widerspruchsvorgängen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist lediglich mit dem Hilfsantrag begründet.
Zwar erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 8. März 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. November 2004 dem Grunde nach als rechtmäßig (I.). Er ist jedoch der
Höhe nach rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen bezüglich der Höhe des
festzusetzenden Sanierungsausgleichsbetrages nicht fehlerfrei ausgeübt hat (II.). Insoweit liegen die
Voraussetzungen des § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO vor, so dass das Gericht von der ihm in dieser Vorschrift
eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht, der Beklagten die Neuberechnung des Ausgleichsbetrages
mit bestimmten Maßgaben zu überlassen (III.).
I. Der angefochtene Bescheid ist zunächst dem Grunde nach rechtmäßig. Er findet insoweit
seine Rechtsgrundlage in § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
Nach dieser Vorschrift hat der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen
Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu
entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwertes seines Grundstücks
entspricht.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Grundstück des Klägers liegt im Geltungsbereich der
Satzung der Beklagten über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebietes „Stadtmitte“
– Sanierungssatzung – vom 5. Februar 1981. An der Wirksamkeit dieser Satzung bestehen inzwischen
keine Zweifel mehr. Die Beklagte hat eine ordnungsgemäße Ausfertigung der Satzung, die von ihr im
Vorprozess 8 K 566/03.KO nicht nachgewiesen werden konnte, am 29. Januar 2004 nachgeholt und die
Satzung am 13. Februar 2004 unter rückwirkender Inkraftsetzung zum 9. Februar 1981 erneut öffentlich
bekannt gemacht.
Der rückwirkenden Inkraftsetzung steht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht
entgegen, dass die Sanierung inzwischen in Teilbereichen bereits abgeschlossen und die förmliche
Festsetzung des Sanierungsgebiets insoweit bereits aufgehoben wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom
03.12.1998 – 4 C 14/97 –, NVwZ 1999, Seite 419 f.). Die Beklagte war auch nicht allein wegen des
Verstreichens eines erheblichen Zeitraums seit der ursprünglichen Beschlussfassung über die Satzung
und der inzwischen eingetretenen Änderung der Rechtslage (Inkrafttreten des 2. Kapitels des BauGB
anstelle des früheren Städtebauförderungsgesetzes) an einer rückwirkenden Inkraftsetzung der wegen
eines Ausfertigungsmangels ungültigen Sanierungssatzung gehindert (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom
10.11.1998 – 4 BN 38/98 –, NVwZ 1999, Seite 420 f.).
Die Beklagte ist auch dem Grunde nach berechtigt, den Ausgleichsbetrag von dem Kläger zu fordern, weil
die Sanierung in dem Teilbereich, in dem das Grundstück des Klägers liegt, im Sinne des § 154 Abs. 3
Satz 1 BauGB abgeschlossen ist. Die Satzung über die teilweise Aufhebung der förmlichen Festlegung
des Sanierungsgebiets „Innenstadt A-Stadt“ vom 9. August 2000, die mit der öffentlichen Bekanntmachung
vom 29. September 2000 in Kraft trat, umfasst auch das Quartier 5 des Sanierungsgebiets, in dem das
Grundstück des Klägers gelegen ist.
II. Anders als dem Grunde nach erweist sich die Festsetzung des Ausgleichsbetrages der Höhe
nach als ermessensfehlerhaft.
Gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss die Höhe des Ausgleichsbetrages der sanierungsbedingten
Erhöhung des Bodenwertes des veranlagten Grundstücks entsprechen. § 154 Abs. 2 BauGB bestimmt
hierzu näher, dass die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwertes des Grundstücks aus
dem Unterschied zwischen dem Bodenwert besteht, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn
eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert,
der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten
Sanierungsgebiets ergibt (Endwert).
In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass die Höhe des Ausgleichsbetrages nicht das
Ergebnis einer exakten Rechenoperation, sondern der Betätigung des regelmäßig durch gutachterliche
Feststellungen gestützten gemeindlichen Wertermittlungsermessens ist, welches gerichtlich nur
eingeschränkt (§ 114 VwGO) überprüfbar ist (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2005
– 6 A 12246/04.OVG –, Seite 15, m.w.N.). Andererseits muss die Ausübung dieses Wertermitt-
lungsermessens in Übereinstimmung mit den im Baugesetzbuch und den Bestimmungen der
Wertermittlungsverordnung niedergelegten allgemein anerkannten Grundsätzen für die Ermittlung des
Verkehrswertes stehen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O., m.w.N.). Ist Letzteres wegen einer Verkennung
der tatsächlichen Verhältnisse, der rechtlichen Maßstäbe oder ihrer fehlerhaften Umsetzung im
Bodenwertgutachten nicht gewährleistet, fehlt es an der hinreichenden Determinierung des
Wertermittlungsermessens, was regelmäßig mit Verwerfungen bei der Feststellung der
Bodenwertsteigerung verbunden ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Zu einer rechtlichen Beschwer des
Abgabenschuldners führt dies jedenfalls dann, wenn bei einer fehlerfreien Betätigung des
Wertermittlungsermessens eine geringere Abgabenbelastung erwartet werden kann (vgl. OVG Rheinland-
Pfalz, a.a.O.).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Wertermittlung der Beklagten für das Grundstück des Klägers
steht in mehrfacher Hinsicht mit den anerkannten allgemeinen Wertermittlungsgrundsätzen nicht im
Einklang, woraus sich die Möglichkeit einer geringeren Abgabenbelastung des Klägers bei fehlerfreier
Betätigung des Wertermittlungsermessens ergibt.
1. Als fehlerhaft erweist sich bereits die Festlegung des Stichtages für die Ermittlung des
Anfangswertes, den die Beklagte offenbar aus dem Wertermittlungsgutachten vom 13. September 1994
übernommen hat.
Zwar wird in dem Gutachten grundsätzlich zutreffend zwischen dem Stichtag für die Ermittlung der
Preisverhältnisse (§ 3 Abs. 1 Satz 1 der Wertermittlungsverordnung – WertV –) und dem Stichtag für die
Anfangswertqualität des betroffenen Grundstückes unterschieden. Doch fehlt es an einer eindeutigen und
hinreichend begründeten Festlegung des Stichtages für die Anfangswertqualität.
Nach der Rechtsprechung sind die für die Anfangswertqualität des Grundstückes bestimmenden
Maßstäbe aufgrund der Verweisung des § 28 Abs. 1 WertV auf die Tatbestände des § 26 Abs. 1 WertV auf
einen Zeitpunkt zu beziehen, in dem sich auf dem Grundstücksmarkt noch keine sanierungsbedingten
Einflüsse bemerkbar gemacht haben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2005, Seite 16, m.w.N.).
Dies wird in der Regel der Zeitpunkt des Beschlusses der Gemeinde über die Durchführung
vorbereitender Untersuchungen sein (vgl. z.B. OVG Sachsen, Urteil vom 17.06. 2004 – 1 B 854/02 –, Juris,
Rdnr. 34, m.w.N.). Doch kann sich je nach Lage der Dinge auch ein früherer Zeitpunkt ergeben.
Vorliegend ist bereits zu beanstanden, dass das Gutachten vom 13. September 1994 hinsichtlich des
Zeitpunkts für die Anfangswertqualität keine eindeutige Festlegung trifft. Auf Seite 10, Ziffer 4.1 des
Gutachtens ist bei dem Stichwort Wertermittlungsstichtag lediglich andeutungsweise davon die Rede,
dass insoweit das „Jahr 1979“ maßgeblich sei. Soweit damit der Zeitpunkt des Ratsbeschlusses über die
Durchführung vorbereitender Untersuchungen vom 3. April 1979 gemeint gewesen sein sollte, bleibt zu
bemängeln, dass sich das Gutachten nicht mit dem Hinweis im Bericht über die vorbereitende Unter-
suchung (Bl. 10 VA Band 1) auseinandersetzt, wonach der Stadtrat bereits am 26. Juni 1977 einen
Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes für den gesamten Altstadtbereich mit dem Ziel einer
städtebaulichen Neuordnung aufgestellt hatte und die Voruntersuchungen zu dieser Planung „sehr
schnell“ zu dem Ergebnis geführt hätten, dass die tiefgreifenden Veränderungen in der baulichen
Substanz und der städtebaulichen Funktion nur mit einem Sanierungsverfahren nach dem damaligen
Städtebauförderungsgesetz realisiert werden könnten. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass
bereits der Planaufstellungsbeschluss vom 26. Juni 1977 oder jedenfalls das Ergebnis der nachfolgenden
Untersuchungen und die daraus resultierende Aufhebung des Planaufstellungsbeschlusses zu relevanten
Bewegungen auf dem Grundstücksmarkt in Erwartung einer bevorstehenden Sanierung geführt haben.
Dies hat das Gutachten vom 13. September 1994 offenbar nicht erkannt und daher auch nicht gewürdigt.
Noch schwerer wiegt allerdings, dass das Gutachten auch keinerlei Feststellungen zu dem wertbildenden
Zustand (§ 3 Abs. 2 WertV) der Grundstücke im Sanierungsgebiet in dem für die Bestimmung der An-
fangswertqualität maßgeblichen Zeitpunkt enthält. Auch die späteren Äußerungen des
Gutachterausschusses enthalten hierzu nichts Verwertbares.
2. Zu bemängeln ist weiter, dass die Beklagte die Wahl des konkreten Wertermittlungsverfahrens nicht
ermessensfehlerfrei begründet hat.
Zwar steht den Gemeinden grundsätzlich ein Wahlrecht innerhalb des nicht abschließenden Kanons der
nach § 7 Abs. 1 WertV zugelassenen Bewertungsverfahren zu (vgl. § 7 Abs. 2 1. Halbsatz WertV). Dies be-
deutet jedoch nicht, dass die Gemeinde bei der Wahl ihrer Bewertungsmethode freie Hand hätte, sondern
sie ist auch insoweit auf die Beachtung der allgemein anerkannten Grundsätze der Wertermittlung zu
verweisen. Hierzu gehört die in § 28 Abs. 3 Satz 1 WertV geregelte methodische Vorgabe, wonach bei der
Ermittlung des Anfangs- und Endwertes der Bodenwert „durch Vergleich“ mit dem Wert „vergleichbarer“
unbebauter Grundstücke zu ermitteln ist. Aus dem Zusammenspiel dieser Vorschrift mit den §§ 13 und 7
WertV leitet die Rechtsprechung einen methodischen Vorrang zu Gunsten des Vergleichswertverfahrens
ab, der sich im Anwendungsbereich des § 13 WertV grundsätzlich im Sinne einer Subsidiarität des in
Abs. 2 dieser Vorschrift geregelten Richtwertverfahrens auswirkt. In Anbetracht dieser Rechtslage obliegt
es der Gemeinde bzw. dem von ihr mit der Wertermittlung zu beauftragenden Gutachterausschuss (vgl.
dazu § 8 Abs. 2 und 5 Gutachterausschuss-Verordnung), nach § 7 Abs. 2, 2. Halbsatz WertV nicht nur die
Entscheidung zu Gunsten des Richtwertverfahrens speziell zu begründen, sondern auch darzulegen,
weswegen die Bodenwertermittlung bei Anwendung des Richtwertverfahrens nicht unter Einbeziehung
sämtlicher der in den §§ 3 Abs. 2, 13 Abs. 2 Satz 2 WertV geregelten Wertfaktoren erfolgt ist. Ein
diesbezüglicher Begründungsmangel stellt mehr als einen bloßen Ordnungsverstoß dar, denn er bewirkt
zumindest eine Einschränkung der Verwertbarkeit des Gutachtens, weil die nach § 7 Abs. 2 WertV
vorgegebenen Begründungserwägungen zu den das behördliche Wertermittlungsermessen
determinierenden Faktoren gehören, denen im Falle ihres Fehlens eine Relevanz in Bezug auf die Höhe
des Ausgleichsbetrages nicht abgesprochen werden kann (vgl. zum Ganzen: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 12.04.2005, a.a.O., Seite 22 f.).
Vorliegend fehlt es schon an einer nachvollziehbaren Begründung im Gutachten vom 13. September
1994, weshalb anstelle des direkten Vergleichswertverfahrens nach § 13 Abs. 1 WertV das
Richtwertverfahren nach § 13 Abs. 2 WertV gewählt wurde. Vielmehr deutet die Formulierung auf Seite 10,
Ziffer 4.1, Stichwort „Vergleichswertverfahren“ des Gutachtens, wonach daneben oder anstelle von
Vergleichspreisen auch geeignete Bodenrichtwerte zur Wertermittlung herangezogen werden können,
darauf hin, dass der Gutachterausschuss nicht von der Nachrangigkeit des Richtwertverfahrens, sondern
von einer Gleichrangigkeit der in § 13 Abs. 1 und 2 WertV genannten Verfahren ausgegangen ist. Auch in
den ergänzenden Äußerungen des Gutachterausschusses ist die erforderliche Begründung der Wahl des
Richtwertverfahrens nicht nachgeholt worden.
Soweit in der Klageerwiderung (Bl. 59 GA) behauptet wird, mit Ausnahme der im Gutachten auf Seite 11
aufgeführten Kauffälle habe es keine Verkaufsfälle von unbebauten Bauland und somit keine Ver-
gleichsgrundstücke gegeben, bezieht sich diese Äußerung ersichtlich auf Verkaufsfälle im
Sanierungsgebiet nach 1979 und damit ohnehin auf potentiell sanierungsbeeinflusste Verkaufsfälle,
enthält also keine Aussage zu vergleichbaren sanierungsunbeeinflussten Verkaufsfällen außerhalb des
Sanierungsgebiets.
3. Doch auch, wenn man einmal unterstellt, dass die Beklagte im Ergebnis zu Recht das
Bodenrichtwertverfahren gewählt hat, weil es keine ausreichende Zahl von sanierungsunbeeinflussten
Verkaufspreisen gab, fehlt es jedenfalls an einer zutreffenden Handhabung des Richtwertverfahrens.
Bei der Ermittlung des Anfangswertes nach dem Bodenrichtwertverfahren leitet sich dessen Höhe aus
einem Vergleich der wertbestimmenden Merkmale des streitgegenstandlichen Grundstückes mit den-
jenigen des (fiktiven) Richtwertgrundstücks ab (indirekter Preisvergleich), für das die gebietsspezifischen
Maßstäbe des § 26 Abs. 1 WertV in gleicher Weise Geltung beanspruchen wie für Objekte des direkten
Preisvergleichs (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.09.2004 – 6 A 10530/04.OVG –, Seite 25).
Dieses fiktive Richtwertgrundstück ist nur dann als Vergleichsobjekt zur Ermittlung des Bodenwertes
geeignet, wenn es in Bezug auf die in § 13 Abs. 2 Satz 2 WertV bezeichneten Qualitätsmerkmale
hinreichend bestimmt ist. Rechtlicher Maßstab für die Geeignetheit des Bodenwertes im Sinne von § 13
Abs. 2 Satz 1 WertV sind Lage und Entwicklungszustand des Grund und Bodens, Art und Maß der
baulichen Nutzung, Erschließungszustand und die vorherrschende Grundstücksgestalt. Diese rechtlichen
Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften kennzeichnen die Qualität des Richtwertobjektes und
eröffnen erst die Möglichkeit eines aussagekräftigen Quervergleichs mit dem eigentlichen Gegenstand der
Wertermittlung (vgl. zum Ganzen OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2005, a.a.O., Seite 20). Dabei ist
weiter zu beachten, dass sich Richtwertgrundstücke aus einer Richtwertzone innerhalb des
Sanierungsgebietes grundsätzlich nicht als Vergleichsmaßstab im Wertermittlungsverfahren eignen (vgl.
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.09.2004, a.a.O., Seite 25).
Diesen Anforderungen genügt das Gutachten vom 13. September 1994 nicht. Es fehlt bereits an jeglichen
Darlegungen zur hinreichenden Bestimmung des fiktiven Richtwertgrundstückes anhand der
wertbildenden Faktoren der §§ 13 Abs. 2 Satz 2 WertV i.V.m. 3 Abs. 2, 4 bis 7 WertV. Zusätzlich ist darauf
hinzuweisen, dass die auf Seite 11 des Gutachtens aufgelisteten, als Vergleichsfälle herangezogenen
„Kauffälle für die Bodenrichtwertzone 250 DM/qm“ offenbar alle im Sanierungsgebiet liegen und auch von
den Kaufvertragsdaten (6. März 1985 bis 28. Februar 1994) her kaum sanierungsunbeeinflusst gewesen
sein können.
Darüber hinaus wird die Vergleichbarkeit des Bewertungsobjekts mit dem Richtwertgrundstück im
Gutachten (Seite 12, Stichwort Bodenrichtwerte) zwar behauptet, aber nicht nachvollziehbar dargelegt.
Generell fehlt es an der Nachvollziehbarkeit der ermittelten Anfangswerte: So spricht das Gutachten
einerseits von einem durchschnittlichen Anfangswert von 300 DM/qm (Seite 16, 3. Absatz), wobei sich aus
den herangezogenen Kauffällen (Seite 11) rein rechnerisch allerdings nur eine Durchschnittswert von
251,97 DM/qm ergibt; andererseits werden im Sanierungsgebiet Anfangswerte in einer Bandbreite von
150 DM/qm bis 800 DM/qm festgelegt (vgl. die Karte 6.2, Blatt 184 VA Band 3), ohne dass diese breite
Streuung und die Festlegung der konkreten Werte für die einzelnen Teilbereiche des Gebiets irgendwo
nachvollziehbar begründet würden.
Somit erweist sich bereits die Ermittlung des Anfangswertes aus mehreren Gründen als
ermessensfehlerhaft.
4. Was die Festlegung des sowohl für die Bestimmung des Anfangs- als auch des Endwertes
maßgeblichen Stichtags für die Ermittlung der Preisverhältnisse (§ 28 Abs. 2 WertV) angeht, leidet das
Gutachten vom 13. September 1994 von vornherein an dem Mangel, dass es bereits ungefähr sechs
Jahre vor dem hier allein in Betracht kommenden Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung der
Teilaufhebungssatzung vom 9. August 2000 am 29. September 2000 erstellt wurde. Deshalb stellt das
Gutachten „notgedrungen“ auf einen wesentlich früher gelegenen fiktiven Zeitpunkt ab, nämlich den
31. Dezember 1994 (Seite 20, Stichwort „Wertermittlungsstichtag“). Zwar hat der Gutachterausschuss
dieses Problem erkannt und in seiner ergänzenden Äußerung vom 20. November 2001 versucht, dem
Rechnung zu tragen. Die knappe Feststellung, dass die 1994 ermittelten Anfangs- und Endwerte auch für
den „richtigen“ Stichtag des Wirksamwerdens der Teilaufhebung der Sanierungssatzung Gültigkeit haben,
ist angesichts der dargestellten fehlerhaften Ermittlung gerade der Anfangswerte letztlich unbehelflich.
5. Schließlich ist aber auch die Feststellung des Endwertes aufgrund der Ermittlung der
sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen nicht ermessensfehlerfrei erfolgt.
Zwar steht der Gemeinde auch insoweit ein verfahrensbezogener Ermessensspielraum zur Verfügung.
Auch ist die Anwendung des so genannten „additiven Verfahrens (auch Komponentenlösung nach dem
Modell Niedersachsen genannt), das vorliegend zur Anwendung gelangte, nach der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz nicht grundsätzlich zu beanstanden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 14.09.2004, a.a.O., Seite 29, m.w.N.). Bei diesem Verfahren wird der Endwert ausgehend vom
Anfangswert durch Addition der einzelnen maßnahmenbedingten Bodenwerterhöhungen errechnet.
Dabei wird der Gemeinde in Bezug auf den Umfang der Erhöhung oder Minderung des Bodenwertes ein
Schätzungsspielraum zugebilligt (vgl. z.B. OVG Schleswig Holstein, Beschluss vom 09.07.2001
– 1 M 22/00 ‑, Juris). Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf eine Plausibilitätskontrolle der
Auswahl und der Bewertung der als Wertaufschläge ausgewählten „Komponenten“ (vgl. OVG Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 14.09.2004, a.a.O., Seite 30).
Vorliegend erscheint zwar die Auswahl der Werterhöhungskomponenten „Allgemeiner Sanierungsvorteil“,
„Ausbauvorteil Block“, „Ausbauvorteil Fußgängerzone“, „Umstrukturierungsvorteil“, „Aufzonungsvorteil“
und „Objektbezogene Besonderheiten“ grundsätzlich nachvollziehbar. Es fehlt jedoch in mehrfacher
Hinsicht an einer hinreichenden Plausibilisierung der Bewertung der einzelnen Komponenten.
So ist zwar die Bewertung des allgemeinen Sanierungsvorteils mit 1 % des Anfangswertes – vom
Prozentsatz her – kaum zu beanstanden, da ohnehin an der untersten Grenze gelegen. Indessen setzt
sich in der Bewertung dieser Werterhöhungskomponente als Prozentsatz des Anfangswertes letztlich die
fehlerhafte Ermittlung des Anfangswertes fort.
Gleiches gilt für die Bewertung des Umstrukturierungsvorteils, weil sich diese aus der – wie dargelegt –
nicht nachvollziehbaren Annahme eines durchschnittlichen Anfangswertes von 300 DM/qm ableitet.
Darüber hinaus erscheint aber auch die eine Bandbreite von 5 DM/qm bis 20 DM/qm umfassende
Differenzierung des Umstrukturierungsvorteils nach Blöcken nicht ausreichend plausibilisiert (vgl.
Gutachten Seite 16).
Vor allem aber ist die Orientierung des „Ausbauvorteils Fußgängerzone“ an der Höhe eines fiktiven
ersparten Straßenausbaubeitrags zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat
entschieden, dass der gesetzliche Ausschluss der Beitragspflicht nach § 154 Abs. 1 Satz 2 BauGB jeder
rechtlichen Konstruktion entgegen steht, mit der die durch Erschließungsmaßnahmen bewirkte
Wertsteigerung eines im förmlichen Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks in Analogie zum
Beitragsrecht geltend gemacht wird (vgl. Urteil vom 14.09.2004, a.a.O., Seite 31). Zwar hat das
Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung, mit der die Revisionsnichtzulassungsbeschwerde gegen
dieses Urteil zurückgewiesen wurde, zu erkennen gegeben, dass fiktiv ermittelte Ausbaubeiträge wegen
des rechtlichen Unterschieds zwischen Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 BauGB einerseits und
Erschließungs- und Ausbaubeiträgen andererseits lediglich „nicht ohne weiteres“ zur Bemessung der
durch den Ausbau der Erschließungsanlagen bedingten Bodenwertsteigerung angesetzt werden dürfen;
andererseits sei aber nicht ausgeschlossen, dass fiktive Ausbaubeiträge je nach den Umständen des
Einzelfalls als Anhaltspunkte bei der Ermittlung einer sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung mit
herangezogen werden können. Je nach Art und Umfang des Erschließungsvorteils, der Höhe der
Erschließungskosten im Verhältnis zum absoluten Grundstückswert und den Gegebenheiten des
Grundstücksmarktes könne die Annahme gerechtfertigt sein, dass ersparte Aufwendungen für
Erschließungs- oder Ausbaubeiträge zu einer Wertsteigerung des Grundstücks in entsprechender Höhe
führen. Insoweit sei es jedoch erforderlich, die tatsächlichen Umstände, die den Rückschluss von fiktiven
Ausbaubeiträgen auf entsprechende Bodenwerterhöhungen tragen sollen, konkret und nachvollziehbar
darzulegen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom 21.01.2005 – 4 B 1/05 –, Juris, Rndr. 12).
Zumindest an einer solchen konkreten und nachvollziehbaren Begründung, weshalb vorliegend ein
Rückschluss von der Höhe fiktiver Ausbaubeiträge auf entsprechende Bodenwerterhöhungen möglich ist,
fehlt es hier. Darüber hinaus ist die angenommene Höhe der ersparten fiktiven Ausbaubeiträge von
30 DM/qm bisher nicht rechnerisch nachvollziehbar begründet worden.
Zudem fällt auf, dass Sanierungsvorteile durch den Ausbau zur Fußgängerzone gleich mehrfach
berücksichtigt wurden, und zwar außer bei der Werterhöhungskomponente „Ausbauvorteil
Fußgängerzone“ auch schon beim „Allgemeinen Sanierungsvorteil“ und noch einmal beim „Ausbauvorteil
Block“. Dabei wird nicht deutlich, ob der mehrfachen Berücksichtigung durch entsprechende Abschläge
bei der Einbeziehung in die einzelnen Komponenten Rechnung getragen wurde.
Letztendlich bleibt anzumerken, dass das Gutachten zwar die Möglichkeit so genannter
„Pionierabschläge“ mit einem Abzinsungssatz von 5,5 % (§ 28 Abs. 3 Satz 2 WertV) andeutet (Seite 17),
aber dann nicht weiter ausführt, weshalb keinerlei Abschläge vorgenommen wurden.
III. Die festgestellten, sich ausschließlich auf die Höhe des Ausgleichsbetrages auswirkenden
Bewertungsmängel zwingen nicht dazu, den angefochtenen Bescheid – wie vom Kläger mit seinem
Hauptantrag begehrt – vollständig aufzuheben. Vielmehr ist seinem Rechtsschutzziel schon dadurch
genügt, dass der Bescheid – entsprechend seinem Hilfsantrag – lediglich nach Maßgabe des § 113 Abs. 2
Satz 2 VwGO geändert und die Rechtssache zur ermessensfehlerfreien Neuberechnung des
Ausgleichsbetrages an die Beklagte zurückverwiesen wird.
Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO liegen hier vor. Bei dem angefochtenen Bescheid
handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der einen Geldbetrag festsetzt; die Ermittlung des
Festsetzungsbetrages ist aus den oben dargelegten Gründen fehlerhaft erfolgt. Die korrekte Ermittlung
des festzusetzenden Betrages bedarf hier eines nicht unerheblichen Aufwands. Im Einzelnen bedarf es
der Konkretisierung des Stichtages für die Anfangswertqualität, einer tragfähigen Begründung für die Wahl
des Bodenrichtwertverfahrens, einer hinreichenden Bestimmung der Eigenschaften des
Richtwertgrundstücks, Feststellungen zur Vergleichbarkeit des Grundstücks des Klägers mit dem fiktiven
Richtwertgrundstück und einer Neubewertung einzelner Komponenten der Bodenwerterhöhung im
Rahmen des additiven Verfahrens unter Zugrundelegung des zutreffenden Stichtags für die
Preisverhältnisse. Dabei schließt sich die Kammer der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts
Rheinland-Pfalz an, wonach die Neuermittlung des festzusetzenden Betrages gerade dann eines nicht
unerheblichen – letztlich allein vom Gericht gar nicht zu leistenden – Aufwandes im Sinne von § 113 Abs.
2 Satz 2 VwGO bedarf, wenn die konkrete Forderungshöhe von der (erneuten) Betätigung eines
behördlichen Wertermittlungsermessens abhängt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.04.2005,
Seite 25 f.).
Die Beklagte wird daher nunmehr den Ausgleichsbetrag unter Berücksichtigung der sich aus Ziffer II.
Nrn. 1 bis 5 dieses Urteil ergebenden konkreten Maßgaben neu zu ermitteln haben. Gemäß § 113 Abs. 2
Satz 3 VwGO hat sie sodann den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos
mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist der Verwaltungsakt mit dem
geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sie berücksichtigt, dass derzeit
noch offen ist, wie sich die Neuberechnung auf das Grundstück des Klägers konkret auswirken wird.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Bayer gez. Müller-Rentschler gez. Schorkopf
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.095 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden.
gez. Dr. Bayer gez. Müller-Rentschler gez. Schorkopf