Urteil des VG Koblenz vom 22.11.2005
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VG
Koblenz
22.11.2005
7 K 1036/05.KO
Verwaltungsgericht Koblenz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
...
wegen Landespflegerechts
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
22. November 2005, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Fritz
Richter am Verwaltungsgericht Karst
Richter am Verwaltungsgericht Müller-Rentschler
ehrenamtlicher Richter Bankkaufmann Drumm
ehrenamtlicher Richter Lehrer Hohenstein
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung eines Damwildgeheges.
Das unter dem 8. Juli 2004 zur Genehmigung gestellte Gehege soll aus einem 2 m hohen Wildschutzzaun
bestehen und eine Fläche von ca. 1,1 ha umfassen. Die Fläche besteht aus den Grundstücken
Gemarkung H., Flur 11, Flurstück-Nrn. 21/1, 20, 19, 18, 14, 13, 12, 11 und teilweise 23/1 sowie Gemarkung
K. Flur 10, teilweise Flurstück-Nr. 43/3. Bis auf die angepachteten Teilflächen der Parzellen 23/1 und 43/3
sind die Grundstücke im Eigentum der Kläger. In der einzuzäunen beabsichtigten Fläche verläuft der
Karbach/Thalbach, ein Gewässer 3. Ordnung. Ausweislich der vorgelegten Planunterlagen wird der
Karbach im Norden und im Osten des Geheges vom Wildschutzzaun durchquert.
Mit Bescheiden vom 23. November 2004 lehnte der Beklagte die Erteilung einer landespflegerischen
Genehmigung für das Tiergehege ab. Abgelehnt wurde ferner der Antrag auf Errichtung eines im
vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlichen Holzunterstandes; der diesbezügliche Antrag wurde
in der Sitzung des Kreisrechtsausschusses vom 3. Mai 2005 zurückgestellt bis zur unanfechtbaren
Entscheidung über die Errichtung des Damwildgeheges. Zur Begründung der Ablehnungsbescheide
wurde u. a. ausgeführt: Es liege ein erheblicher und nachhaltiger Eingriff in Natur und Landschaft vor, der
nicht ausgeglichen werden könne. Der angrenzende „Trockenwald am Mühlenberg“ sowie das „Mittlere
Thalbachtal“ seien in der Biotopkartierung für Rheinland-Pfalz als wertvolle Biotope kartiert. Beim
Thalbachtal handele es sich um ein naturnahes, unverbautes Bachtal. Im Biotop seien zahlreiche
bestandsbildende und gefährdete und/oder besonders erwähnenswerte Pflanzen- und Tierarten kartiert.
Darüber hinaus sei der Bach einschließlich der naturnahen Uferbereiche nach § 24 Abs. 2 Ziffer 10 LPflG
gesetzlich geschützt. Errichtung und Betrieb des Damwildgeheges würden insbesondere im Uferbereich
zu einer Beeinträchtigung des noch naturnahen und ökologisch besonders wertvollen Feuchtbiotops
führen. Darüber hinaus habe die Maßnahme auch negative Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Auch
wasserwirtschaftliche und gewässerökologische Belange sprächen gegen das Vorhaben. Durch
Vieheintritt- und Verbissschäden seien nachhaltige Beeinträchtigungen auf die derzeit natürliche
Gewässerentwicklung zu erwarten.
Die Kläger machten mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch im Wesentlichen Folgendes geltend: In
dem Bereich des Geheges sei früher ein Mühlenbetrieb ansässig gewesen, der nach dem Krieg
abgebrochen worden sei und das Gelände sei als Tierweide genutzt worden. Rund 50 m höher bestehe
bereits ein Wildgehege und es habe auch nie überwiegender Waldbereich vorgelegen. Das
Landschaftsbild sei nicht beeinträchtigt und die Ablehnung der Genehmigung stelle eine Enteignung dar.
Erst auf Aussagen der Landespflegebehörde hin habe man Gelände gepachtet und angekauft mit Kosten
von rund 6.000,00 €.
Durch Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2005, zugestellt am 20. Mai 2005, wurden die Widersprüche
zurückgewiesen.
Die Kläger haben hiergegen am 9. Juni 2005 Klage erhoben, mit der sie ihr Genehmigungsbegehren
weiterverfolgen. Zur Begründung ihrer Klage tragen sie u. a. vor: Es bestehe nicht nur, wie von dem
Beklagten angenommen, eine Hobbytierhaltung. Vielmehr hätten sie, die Kläger, im Nebenerwerb das
Gewerbe Wildzucht und -handel angemeldet. Das Vorhaben selbst laufe weder dem durch die
Landschaftsschutzverordnung bezweckten Schutz des Landschaftshaushaltes und des Landschaftsbildes
zuwider noch werde das Wohl der Allgemeinheit in wasserwirtschaftlicher Hinsicht beeinträchtigt. Die
Belange der Landespflege hätten keinen Vorrang vor dem Interesse der Kläger an der Nutzung ihres
Eigentums. Das geplante Damwildgehege liege nicht auf Flächen der vom Beklagten genannten Biotope;
allenfalls seien Randbereiche des Biotops „K.“ betroffen. Aus der Qualifizierung als Biotop könne noch
nicht auf eine Beeinträchtigung von Naturhaushalt oder Landschaftshaushalt geschlossen werden. Was
§ 24 Abs. 2 Ziffer 10 LPflG anbelange, so werde der geschützte Bachlauf weder beseitigt, zerstört,
beschädigt oder in seinem charakteristischen Zustand verändert. Im Eintritt von Wild liege noch keine
Beschädigung und außerdem bestehe die Möglichkeit eines Wildeintritts bei jedem Bach. Abgesehen
davon, dass nicht erkennbar sei, inwieweit ein etwaiger Verbiss den Bachlauf beeinträchtigen oder
verändern könne, seien klägerseits Maßnahmen zur Verhinderung von Wildeintritt und Verbiss
vorgeschlagen worden. Es sei nicht dargelegt, welche Funktionen des Naturhaushalts beeinträchtigt
würden und inwieweit die natürliche Gewässerentwicklung beeinträchtigt werde. Ein erheblicher Eingriff in
das Landschaftsbild durch einen überwiegend im Wald verlaufenden Zaun sei nicht nachvollziehbar,
zumal die Flächen durch landwirtschaftliche Vornutzung und eine nördlich des geplanten Geheges
bestehende Anlage vorbelastet seien.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 23. November 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2005 den Beklagten zu verpflichten, den Antrag vom 8. Juli 2004
hinsichtlich des Wildschutzzaunes positiv zu bescheiden,
hilfsweise,
über diesen neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist dem Vorbringen der Kläger unter Aufrechterhaltung seines Standpunktes im Einzelnen
entgegengetreten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie 2 Hefte Behördenakten, die vorgelegen haben
und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet. Denn die Ablehnung der beantragten
Genehmigung erweist sich als rechtmäßig (siehe § 113 Abs. 5 VwGO). Den Klägern steht kein Anspruch
auf die Genehmigung zu.
Hinsichtlich der anzuwendenden materiell-rechtlichen Normen lässt die Kammer das auch im
Verwaltungsverfahren nicht geprüfte Bauplanungsrecht außen vor (siehe hierzu OVG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 25. Oktober 2001 ‑ 1 A 10987/01.OVG) und beschränkt die Prüfung auf Vorschriften des
Urteil vom 25. Oktober 2001 ‑ 1 A 10987/01.OVG) und beschränkt die Prüfung auf Vorschriften des
Landespflege- bzw. Landesnaturschutzrechts. Was die naturschutzrechtliche Prüfung anbelangt, dürfte
statt des bisher geprüften Landespflegegesetzes in der Fassung vom 5. Februar 1979 (GVBl., Seite 36,
zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 5. April 2005 [GVBl., Seite 98]) nunmehr das
Landesnaturschutzgesetz – LNatSchG – vom 28. September 2005 (GVBl. vom 12. Oktober 2005,
Seite 387) anwendbar sein. Denn mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 54 ist dieses Gesetz am
Tage nach der Verkündung in Kraft getreten (§ 67 LNatSchG) und bei Inkrafttreten anhängige Verfahren
werden von der nach dem Landesnaturschutzgesetz zuständigen Naturschutzbehörde nach den
Bestimmungen dieses Gesetzes fortgeführt (§ 55 LNatSchG). Dies hat indes keine Auswirkungen auf den
geltend gemachten Genehmigungsanspruch, da die hier einschlägigen Vorschriften des
Landespflegegesetzes denen des Landesnaturschutzgesetzes grundsätzlich entsprechen.
Die Frage der Erforderlichkeit einer wasserrechtlichen Genehmigung nach § 76 LWG bedarf keiner
Entscheidung, da auch eine verfahrensrechtliche Zuständigkeit der Unteren Wasserbehörde zur Prüfung
naturschutzrechtlicher bzw. landespflegerischer Vorschriften führte (siehe § 13 Abs. 1 LNatSchG und § 6
Abs. 1 LPflG).
Hier steht der Zulässigkeit des Wildschutzzaunes materiell-rechtlich die Vorschrift des § 28 Abs. 3 Satz 1
Nr. 7 LNatSchG entgegen. Nach dieser Vorschrift „ist verboten, folgende Biotope zu beseitigen, zu
zerstören, zu beschädigen oder deren charakteristischen Zustand zu verändern: ... naturnahe und
unverbaute Bach- und Flussabschnitte.“ Eine vergleichbare Regelung enthielt § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10
LPflG, wonach verboten ist u. a. die Veränderung des charakteristischen Zustands von naturnahen und
unverbauten Bach- und Flussabschnitten. Dieses Verbot steht einer Genehmigung der beantragten Ein-
zäunung entgegen, selbst wenn die Kläger sich aufgrund ihrer in der mündlichen Verhandlung
vorgelegten Gewerbeanmeldung auf eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB berufen könnten.
Bei Auslegung der Tatbestandsmerkmale eines naturnahen und unverbauten Bach- und Flussabschnittes
orientiert sich die Kammer an der Kommentierung zum Landespflegegesetz Rheinland-Pfalz von
Louis/Engelke, 1997, § 24 Rdnr. 67. Hiernach sind folgende Kriterien maßgeblich: Die Sohle ist
weitgehend naturbelassen und der Untergrundkontakt ist ungestört; der Übergangsbereich zwischen
Wasser und Land ist abwechslungsreich gegliedert; künstliche Uferböschungen treten nur untergeordnet
in Erscheinung; ein durchgängiges Normböschungsprofil ist nicht vorhanden; die Gewässerqualität
erreicht mindestens Güteklasse III. Nach der aus den Verwaltungsakten ersichtlichen und in der
mündlichen Verhandlung durch Vorlage von Fotografien und Erläuterungen näher beschriebenen
Örtlichkeit liegt ein naturnaher und unverbauter Bachabschnitt des Karbaches bzw. Thalbaches im
vorbezeichneten Sinne vor. Der Bach gehört auch nach der Stellungnahme der SGD Nord (Regionalstelle
Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft, Bodenschutz) vom 30. Juli 2004 zur Gewässerstrukturgüteklasse 2 bis
Gewässerstrukturgüteklasse 3.
Der „charakteristische“ Zustand des Bachabschnittes wird maßgeblich geprägt durch seine Eigenschaft
als Teil der freien Natur. Dieser äußere Eindruck (s. hierzu Louis/Engelke, a.a.O. § 24 Rdnr. 54) wird
maßgeblich verändert durch die Schaffung einer künstlichen Anlage wie der hier beabsichtigten Ein-
zäunung. Hierdurch wird der Bach auf einer Länge von mehr als 100 m in einer Entfernung von teilweise
weniger als 10 m bis zu einem Abstand von ca. 25 m eingezäunt. Hinzu kommen die beiden Stellen, an
denen der Zaun den Bach überqueren soll. Damit erhält der Bach eine deutlich sichtbare Begrenzung, die
ihn künstlich aus der Landschaft abhebt, was seinem charakteristischen Zustand widerspricht. Ein
eingezäunter Bachlauf ist nicht mehr charakteristisch.
Dem steht nicht entgegen, dass sich nördlich an das von den Klägern geplante Gehege bereits eine
Anlage mit Damwild befindet. Denn ungeachtet der Beschaffenheit dieses Geheges im Einzelnen ist durch
seine Existenz keine Vorbelastung der übrigen Landschaft um den Karbach dergestalt zu erkennen, dass
der hier streitige Bereich nicht mehr schutzbedürftig wäre. Insoweit ist auch zu beachten, dass § 28 Abs. 3
Satz 1 Nr. 7 LNatSchG auf Bach
abschnitte
Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 LPflG.
Die Bedeutung einer möglichen Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB im Rahmen des Naturschutz-
bzw. Landespflegerechts bedarf hier keiner Vertiefung. Denn auch bei Annahme eines nach § 35 Abs. 1
Nr. 1 BauGB privilegierten landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs oder einer Privilegierung nach § 35
Abs. 1 Nr. 4 BauGB wäre damit nicht automatisch die Berechtigung verbunden, eine ‑ unterstellte –
bauliche Anlage im Sinne des § 29 BauGB an jeder vom Privilegierten gewünschten Stelle zu errichten.
Vielmehr gilt auch beispielsweise für einen Landwirt das Gebot der größtmöglichen Schonung des
Außenbereichs, das ihn rechtlich daran hindern kann, an einer bestimmten Stelle des Außenbereiches ein
Bauvorhaben zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang ist nämlich auch ein gesetzlicher Schutz, wie er
nach § 28 LNatSchG besteht, zu beachten.
Ungeachtet der Frage der Zuständigkeit sind keine Anhaltspunkte für eine Ausnahme nach § 28 Abs. 3
Satz 2 bis 4 LNatSchG oder eine Befreiung nach § 48 LNatSchG gegeben.
Soweit die Kläger die Ablehnung einer Genehmigung für eine unzulässige Enteignung halten, vermag
dies der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn auch eine Überschreitung der Sozialbindung des
Eigentums führt zu keinem Anspruch auf Genehmigung, wie die Regelung des § 49 LNatSchG zeigt.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 159, 167 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Fritz gez. Karst gez. Müller-Rentschler
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden.
gez. Dr. Fritz gez. Karst gez. Müller-Rentschler