Urteil des VG Koblenz vom 24.05.2007
VG Koblenz: firsthöhe, bebauungsplan, befreiung, genehmigung, wohnhaus, ausschuss, geschoss, eingriff, strasse, planungsverfahren
VG
Koblenz
24.05.2007
7 K 1001/06.KO
Baurecht, Bauplanungsrecht
Verwaltungsgericht Koblenz
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn K.
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Krist, Deller, v. Ulmenstein & Partner, Clemensstraße 26-30,
56068 Koblenz,
gegen
den
Rhein-Hunsrück-Krei
,
vertreten durch den Landra
, Ludwigstraße 3 -
, 55469
Simmern
,
- Beklagter -
beigeladen:
Stadt Oberwese
,
vertreten durch den Bürgermeister de
Verbandsgemeinde St. Goar-Oberwese
, Rathausstraße
6
, 5543
Oberwese
,
wegen Baugenehmigung
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai
hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai
2007, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Fritz
Richter am Verwaltungsgericht Karst
Richter am Verwaltungsgericht Theobald
ehrenamtlicher Richter Transportunternehmer Spreier
ehrenamtliche Richterin Hausfrau Thomzik
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, welche diese selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung.
Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flur 26, Flurstück-Nr. 188, in O. Die Parzelle liegt im
Geltungsbereich des am 6. November 1997 öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplanes „Auf F.“. Der
Bebauungsplan wurde in der Folgezeit mit Wirkung vom 25. Januar 2001, 6. Januar 2005 und vom
31. März 2005 dreimal geändert. Er enthält – von den Änderungen unberührt geblieben – u. a.
Festsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse, zur Firsthöhe (maximal 9 m, gemessen ab Oberkante des
Erdgeschoss-Fußbodens) und zu den Traufhöhen.
Der Beklagte erteilte unter dem 24. Mai 2004 (Az.: 366/04) dem Kläger im vereinfachten Verfahren gemäß
§ 66 Abs. 1 LBauO die Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses auf der Parzelle 188. Die
genehmigten Pläne weisen eine Firsthöhe von ca. 8,34 m ab Erdgeschoss-Fußboden aus. In der Folgezeit
stellte der Beklagte eine abweichende Bauausführung fest und ordnete mit Bescheid vom 23. November
2004 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Baueinstellung an. Zur Begründung wurde auf fünf
Abweichungen von der Baugenehmigung sowie den Festsetzungen des Bebauungsplanes „Auf F.“ hin-
gewiesen. U. a. betrage die tatsächliche Firsthöhe 9,70 m und überschreite damit die genehmigte
Firsthöhe um 1,36 m. Das hiergegen beim Verwaltungsgericht angestrengte Eilverfahren hatte lediglich
insoweit Erfolg, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baueinstellungsverfügung
hinsichtlich des Untergeschosses und des Kellergeschosses des Bauvorhabens wiederhergestellt wurde
(Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 30. März 2005 ‑ 1 B 10232/05.OVG – und Beschluss des
VG Koblenz vom 31. Januar 2005 ‑ 7 L 18/05.KO –).
Mit Antrag vom 30. Mai 2005 in der geänderten Fassung vom 10. Oktober 2005 beantragte der Kläger die
Erteilung der Baugenehmigung für eine geänderte Bauausführung. Wesentliches Merkmal dieser
Änderung ist eine Erhöhung des Erdgeschoss-Fußbodens unterhalb des Firstes durch seitliche
Abmauerung und Herstellung einer verlorenen Schalung. Deren Höhe beträgt 70 cm, die Breite variiert
zwischen 82 cm und 2,14 m.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 (Az.: 288/05) lehnte der Beklagte die Erteilung der beantragten
Baugenehmigung ab und führte zur Begründung aus, dass die zulässige maximale Firsthöhe von 9 m um
ca. 0,70 m überschritten werde. Ferner sei im Bereich des Dachgeschosses die straßenseitige Baugrenze
mit einer Gebäudeecke überschritten. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB scheide mangels
Vorliegens der dortigen Tatbestandsvoraussetzungen aus. Der Kläger machte mit seinem hiergegen
eingelegten Widerspruch im Wesentlichen geltend, dass die festgelegte Firsthöhe keinerlei Auswirkungen
auf die tatsächliche Gebäudestellung und Höhe habe; denn als Bezugspunkt sei der veränderbare
Erdgeschoss-Fußboden, nicht aber ein außenstehender Fixpunkt genommen worden. Die
Firsthöhenfestsetzung habe keine städtebauliche Bedeutung im vorliegenden Plan, so dass eine
Befreiung städtebaulich vertretbar sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2006 (W 05/275), dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers
zugestellt am 15. Mai 2006, wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch mit der
Begründung zurück, dass der Kreisrechtsausschuss aufgrund seiner fehlenden Verwerfungskompetenz
die ‑ nicht offensichtlich funktions- bzw. bedeutungslose – Firsthöhen-Festsetzung anzuwenden habe. Die
Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 BauGB seien nicht gegeben und im Übrigen werde auf die
Erwägungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
Der Kläger hat am 14. Juni 2006 Klage erhoben. Er hält einen Anspruch auf Erteilung der
Baugenehmigung bereits deshalb für gegeben, weil die Firsthöhe von 9 m aufgrund des geänderten
Bauantrages eingehalten werde. Die Prüfung der Zulassung einer geringfügigen Abweichung nach § 18
Abs. 2 BauNVO sei unterblieben. Ungeachtet dessen erweise sich die Festsetzung der Firsthöhe als
unwirksam. Als unterer Bezugspunkt für die Festsetzung der Höhe einer baulichen Anlage dürfe nicht die
Oberkante des Erdgeschoss-Fußbodens gewählt werden. Ferner sei diese Festsetzung abwägungswidrig,
da sie aus städtebaulichen Gründen keine Bedeutung habe; der mit der Festsetzung erstrebte Zweck
könne nicht erreicht werden. Sofern die Bestimmung der Firsthöhe sich als eine gestalterische
Festsetzung erweise, fehle es an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 88 LBauO. Der
Bebauungsplan sei auch ansonsten in verschiedener Hinsicht fehlerhaft. Das gelte beispielsweise für
eine nicht ausreichende landespflegerische Abwägung, eine unzureichende äußere sowie innere
Erschließung oder das Offenlassen der Frage, wie die Firsthöhe zu ermitteln sei, wenn der Erdgeschoss-
Fußboden aus versetzten Ebenen bestehe. Bei Annahme einer Gesamtunwirksamkeit des
Bebauungsplanes sei das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Oktober 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 26. April
2006 (W 05/275) den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung nach dem Stand der
mündlichen Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist dem Vorbringen des Klägers unter Darlegung seiner Rechtsansicht im Einzelnen entgegengetreten.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sie trägt vor, dass die Festlegung der Firsthöhe städtebaulich bedeutsam sei und eine wirksame
Höhenbegrenzung erreiche, wenn diese auch nicht in jeder Fallgestaltung greife. Sie hält auch im
Übrigen den Bebauungsplan für wirksam.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen
den Beteiligten gewechselten Schriftsätze dieses Verfahrens sowie der Verfahren 7 K 1002/06.KO und
7 K 1003/06.KO, die Gerichtsakte 7 L 18/05.KO sowie 8 Hefte Verwaltungsakten nebst dem Bebau-
ungsplan „Auf F.“ (3 Ordner und 2 Heftungen); diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Versagungsbescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Beklagte hat die Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu Recht
abgelehnt, da der Kläger keinen Anspruch hierauf hat.
Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine
baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Hier steht Baurecht
entgegen, wobei es nicht darauf ankommt, ob man den Bebauungsplan „Auf F.“ für wirksam oder
unwirksam hält. Eine abschließende Erörterung und Entscheidung der Frage seiner Wirksamkeit kann
daher unterbleiben.
Geht man von der Wirksamkeit des Bebauungsplanes aus, so muss das zur Genehmigung gestellte
Vorhaben die Regelung unter Ziffer 2 der textlichen Festsetzungen (Maß der baulichen Nutzung, § 9
Abs. 1 Ziffer 1 BauGB) einhalten, wonach die Firsthöhe maximal 9 m betragen darf, gemessen ab
Oberkante des Erdgeschoss-Fußbodens. Diese Höhe wird hier nicht eingehalten. Das ergibt sich bereits
daraus, dass es sich bei dem unterhalb des Firstes im Erdgeschoss errichteten schmalen Sockel
begrifflich nicht um einen Erdgeschoss-Fußboden handelt. Dem Begriff des Fußbodens ist eine größere
räumliche Ausdehnung eigen als eine lediglich streifenartige Erhöhung des eigentlichen Fußbodens, wie
sie im Tatbestand beschrieben wurde. Davon abgesehen erweist sich die Erhöhung auch aus einem
weiteren Grund als rechtlich unbeachtlich, so dass nicht auf deren Oberkante abgestellt werden kann, um
die Firsthöhe zu ermitteln.
Die teilweise Erhöhung des Erdgeschossfußbodens ist nämlich für die Bestimmung der Firsthöhe
bedeutungslos, weil es sich insoweit um eine reine Scheinplanung handelt, welcher kein objektiv
sinnvoller Zweck innewohnt außer demjenigen, die im Bebauungsplan festgesetzte Firsthöhe von 9 m zu
umgehen. Der Bauherr bestimmt in seinem Bauantrag zwar grundsätzlich den Inhalt des Bauvorhabens.
Das bedeutet indes keine vollständige Bindung der Baubehörde an eine vom Antragsteller angegebene
Zweckbestimmung oder die Bezeichnung einzelner Teile des Bauvorhabens. Die Bauaufsichtsbehörde
hat nach § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO u. a. bei der Errichtung von baulichen Anlagen darüber zu wachen,
dass die baurechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Diese Aufgabe umfasst auch das Verhindern
einer Umgehung geltenden Baurechts. Hiernach ist ein zur Genehmigung gestelltes Vorhaben auch
dahingehend zu beurteilen, ob es mit Blick auf das Gesamtnutzungskonzept des Hauses bei gebotener
objektiver Betrachtung eine sinnvolle Funktion zu erfüllen vermag oder ob es entscheidend auf eine
Umgehung gesetzlicher Vorschriften ankommt. Wesentliches Kriterium für diese Beurteilung ist bei
Fußbodenerhöhungen die Frage, ob es für die Überdimensionierung der Fußbodenkonstruktion einen
sachlichen Grund gibt. Grundsätzlich wird bei der Bestimmung der Fußbodenoberkante als maßgeblichem
unteren Bezugspunkt ein üblicher Bodenaufbau über der Rohdecke, bestehend aus Dämmschicht, Estrich
und Belag zugrunde gelegt. Höhere Fußbodenaufbauten führen nur dann zu einer maßgeblichen
Verlagerung der Fußbodenoberkante, wenn ein sachlich begründeter Sonderfall gegeben ist. Dies kann
der Fall sein bei aufgrund besonderer technischer Anforderungen notwendigen Installationskanälen.
Ansonsten kann die Bauaufsichtsbehörde eine einheitliche, fiktive Fußbodenhöhe von bis zu 15 cm
zugrunde legen.
Diese in der Literatur für die Ermittlung der Vollgeschoss-Höhe vertretene Ansicht (siehe Jeromin,
Kommentar zur LBauO, 2005, § 2 Rdnr. 68 und Simon/Busse, Kommentar zur BayBauO,
Loseblattsammlung, Stand: November 2004, Art. 2 Rdnr. 1324) ist nach Ansicht der Kammer in gleicher
Weise auf die vorliegende Fallgestaltung anzuwenden, in der bei der Berechnung der Firsthöhe eines
Gebäudes die im Bebauungsplan als unterer Bezugspunkt festgelegte Fußbodenoberkante durch eine
Ausgestaltung von Fußbodenteilflächen als Podest umgangen werden soll. Ein anderer Grund, der bei
objektiver Betrachtung mit Blick auf die Nutzung des Vorhabens des Klägers als Wohnhaus für seine
Familie in Betracht käme, ist nicht ersichtlich. Durch die teilweise künstliche Erhöhung des eigentlichen
Erdgeschossfußbodens besitzt eine Teilfläche des Erdgeschosses nur noch eine Raumhöhe von 2,05 m.
Damit wird dem Erdgeschoss als einer zentralen Etage des Wohngebäudes zum Wohnen nutzbare
Fläche genommen, die nicht in das Nutzungskonzept des Hauses passt. Bei objektiver Betrachtung wird
ein Bauherr keine Erhöhung des Erdgeschossfußbodens vornehmen, wenn er dadurch wertvolle
Wohnfläche verliert und sich zudem die Notwendigkeit des Einbaus weiterer Treppenstufen ergibt. Der
Kläger hat in seinem Schreiben vom 30. November 2005 an das Finanzministerium auch auf die Größe
seiner Familie (5 Personen) hingewiesen. In Anbetracht dessen wäre es besonders unverständlich, einem
Wohngebäude im Erdgeschoss Teil-Wohnflächen zu entziehen.
Das Vorhaben des Klägers erweist sich auch nicht nach § 18 Abs. 2 BauNVO als zulässig. Nach dieser
Vorschrift können geringfügige Abweichungen zugelassen werden, wenn die Höhe baulicher Anlagen als
zwingend festgesetzt ist. Hier liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der
Norm nicht vor. Denn der Bebauungsplan „Auf F.“ setzt die Firsthöhe nicht als zwingend im Sinne des § 16
Abs. 4 Satz 2 BauNVO fest. Im Gegensatz zu Satz 1 der Vorschrift geht es hier nicht um die Festsetzung
eines Höchstmaßes u. a. der Höhe baulicher Anlagen, sondern um eine diesbezügliche zwingende
Regelung des Inhalts, dass die so festgesetzte Höhe weder über- noch unterschritten werden darf (siehe
Fickert/Fieseler, BauNVO, Kommentar, 10. Aufl. 2002, § 16 Rdnr. 52). Eine derartige Festsetzung liegt hier
nicht vor. Vielmehr setzt der Bebauungsplan „Auf F.“ zur Firsthöhe fest, dass diese „maximal 9,00 m“
betragen darf. Damit sind Unterschreitungen zulässig, was der Annahme einer zwingenden Festsetzung
im Sinne der §§ 18 Abs. 2, 16 Abs. 4 Satz 2 BauNVO entgegensteht. Im Übrigen erscheint eine
Überschreitung der Firsthöhe von 9 m um 70 cm auch nicht mehr als geringfügig. Hierbei sind die
Auswirkungen der Abweichung auf die mit der (zwingenden) Festsetzung der Höhe verfolgten Ziele und
Zwecke der Planung zu berücksichtigen. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan „Auf F.“
(Seite 13) soll durch die Firsthöhenbestimmung auf die Gesamthöhe der Baukörper im Plangebiet
gestalterisch Einfluss genommen werden. Eine Abweichung um rund 8 % steht diesem von der Planung
verfolgten Zweck entgegen.
Auch die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Nach dieser
Vorschrift kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der
Planung nicht berührt werden und 1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder 2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 3. die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer
offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung
nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Hier scheitert eine Befreiung bereits
daran, dass mit ihr ein Grundzug der Bebauungsplanung berührt würde.
Die Grundzüge der Planung bildet die den Festsetzungen des Bebauungsplanes zugrunde liegende und
in ihnen zum Ausdruck kommende planerische Konzeption. Es scheiden Abweichungen von solchen
Festsetzungen aus, welche die Grundkonzeption des Bebauungsplanes berühren, also vor allem den
Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung und auch nach dem Maß der baulichen Nutzung
sowie den Festsetzungen zur Baudichte, d. h. der Bauweise oder überbaubaren Grundstücksfläche (vgl.
Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblattsammlung Stand: September 2004, § 31 Rdnr. 36). Je tiefer
die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine
Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Befreiung
kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu
schieben und eine defizitäre oder sonst fehlerhafte Planung im Nachhinein zu korrigieren. Sie darf
‑
jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind – nicht aus Gründen erteilt werden, die
sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung
betroffenen Grundstücke anführen ließen (zum Vorstehenden siehe: BVerwG, Beschluss vom 5. März
1999 ‑ 4 B 5/99 –, NVwZ 1999, 1110 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen bedürfte das Abweichen von der bestehenden Planungskonzeption einer
Änderung des Bebauungsplanes und es verbietet sich deshalb eine Befreiung. Aus dem Bebauungsplan
und seiner Begründung ergibt sich ein Zusammenwirken von verschiedenen Festsetzungen, das ein
planerisches Grundkonzept erkennen lässt. Die Beigeladene hat das Neubaugebiet in einem
Gemeindeteil ausgewiesen, der durch eine sensible Hanglage gekennzeichnet ist und in dem die
Bebauung deshalb einen erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild darstellt (siehe Seiten 14 und 30 der
Begründung zum Bebauungsplan). Hier soll die Entstehung zu mächtiger Baukörper verhindert werden.
Zur Erreichung dieses Zieles dient u. a. eine Kombination von Festsetzungen, welche die Zahl der Voll-
geschosse, die berg- und talseitigen Traufhöhen sowie die maximale Firsthöhe betreffen. Durch eine
Befreiung von der Firsthöhe würde mit einer Änderung des Maßes der Nutzung ein wesentliches Element
der planerischen Grundkonzeption angetastet. Ein derartiger Einschnitt in das Planungskonzept kann
nicht durch eine Befreiung eingeleitet werden. Hierbei geht die Kammer davon aus, dass der planerischen
Festsetzung der maximalen Firsthöhe auch tatsächliche Bedeutung zukommt. Auch wenn diese sich nicht
in allen Fällen auszuwirken vermag, zeigen der Fall des Klägers oder die im Schriftsatz der Beigeladenen
vom 10. Oktober 2006 genannten Beispiele die praktische Bedeutsamkeit der Festsetzung.
Ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung besteht auch dann nicht, wenn der
Bebauungsplan für unwirksam erachtet wird. In diesem Falle beurteilt sich das Vorhaben entgegen der
Rechtsansicht des Klägers nicht nach § 34 BauGB, sondern als Außenbereichsvorhaben nach § 35
BauGB und ist planungsrechtlich unzulässig.
Außenbereich sind diejenigen Gebiete, die weder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines
Bebauungsplanes im Sinne des § 30 Abs. 1, Abs. 2 BauGB noch innerhalb der im Zusammenhang
bebauten Ortsteile gemäß § 34 BauGB liegen. Wenn von der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes aus-
gegangen wird, kommt es lediglich darauf an, ob das Grundstück des Klägers noch innerhalb eines im
Zusammenhang bebauten Ortsteiles im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB liegt. Für den
Bebauungszusammenhang ist maßgebend, ob eine tatsächlich aufeinanderfolgende,
zusammenhängende Bebauung besteht, die trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der
Geschlossenheit vermittelt. Ein Bebauungszusammenhang endet in der Regel mit dem „letzten Haus“.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt das Grundstück des Klägers im Außenbereich. Die Parzelle 188
liegt in einer Entfernung von ca. 60 m von der nächsten Bebauung, die sich im Süden und im Osten
anschließt. Nach Westen sowie Norden hin findet sich keinerlei Bebauung. Die Voraussetzung einer
Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil sich auf
der Parzelle 188 das vom Kläger entgegen der ursprünglichen Baugenehmigung errichtete Wohnhaus
befindet. Dieses ist aus Rechtsgründen nicht geeignet, den notwendigen Bebauungszusammenhang
darzustellen. Denn der Beklagte hat durch den Erlass der Beseitigungsverfügung vom 5. Dezember 2005
(siehe hierzu das Gerichtsverfahren 7 K 1003/06.KO) deutlich gemacht, dass er sich nicht mit dem
Vorhandensein dieses Gebäudes abfindet und es im derzeitigen Zustand dulden wird (vgl. hierzu:
BVerwG, Urteil vom14. September 1992 – 4 C 50/90 –, NVwZ 1993, 985; Urteil vom 6. November 1968
‑
IV C 31.66 ‑, BVerwGE 31, 22).
Das nach § 35 BauGB zu beurteilende Vorhaben erweist sich als unzulässig. Es handelt sich um kein
nach Absatz 1 der Vorschrift privilegiertes, sondern um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2
BauGB. Solche Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder
Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Hier sind öffentliche
Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Das gilt – ohne dass auf sonstige Belange einzugehen
wäre – für den öffentlichen Belang nach Nr. 5 der Vorschrift. Das Vorhaben des Klägers beeinträchtigt
nämlich die natürliche Eigenart der Landschaft. Alle Vorhaben, die nicht einer privilegierten Nutzung des
Außenbereichs dienen, beeinträchtigen regelmäßig die natürliche Eigenart der Landschaft. Die
Außenbereichslandschaft ist für die naturgegebene Bodennutzung und als Erholungsfläche für die
Allgemeinheit bestimmt und soll grundsätzlich von allen nicht unmittelbar ihrem Wesen und ihrer Funktion
entsprechenden Baulichkeiten freigehalten werden (siehe Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 35
Rdnrn. 96 f. m.w.N.). Zu einer derart wesensfremden Bebauung gehört auch ein Wohnhaus im
Außenbereich.
Bei dieser Rechtslage kann offen bleiben, ob und inwieweit die vom Kläger gegen die Wirksamkeit des
Bebauungsplanes „Auf F.“ vorgetragenen Bedenken heute noch geltend gemacht werden können und,
davon abgesehen, in der Sache zu überzeugen vermögen.
Zu Gunsten des Klägers kann auch keine bloße Teilnichtigkeit des Bebauungsplanes „Auf F.“ hinsichtlich
der Festsetzung einer maximalen Firsthöhe von 9 m angenommen werden. Selbst wenn lediglich diese
Festsetzung unwirksam wäre, führte dies zur Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplanes.
Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht die Kammer davon aus, dass Mängel, die
einem Bebauungsplan anhaften, dann nicht zur Gesamtnichtigkeit führen, wenn die übrigen Regelungen,
Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne
des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum
Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen
hätte (BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 – 4 NB 30/96 –, NVwZ 1997, 896; Beschluss vom 6. April
1993 – 4 NB 43/92 –; NVwZ 1994, 272; siehe ferner: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2002
– 8 A 10036/02.OVG –). Ungeachtet des Vorliegens einer objektiven Teilbarkeit des Bebauungsplanes
kann jedenfalls eine subjektive Teilbarkeit ausgeschlossen werden. Aus der Begründung zum Bebau-
ungsplan lässt sich entnehmen, dass die Beigeladene den Plan nicht in einer eingeschränkten Version
ohne Firsthöhenbegrenzung beschlossen hätte. Aus der Begründung unter 3.3 (Bebauung) wird deutlich,
dass ein wesentliches Merkmal der Planungskonzeption die Verhinderung zu mächtiger Baukörper
darstellt. Dies wird durch aufeinander abgestimmte Maßfestsetzungen erreicht, nämlich die Begrenzung
der Anzahl der Vollgeschosse, eine tal- sowie bergseitige Traufhöhenbegrenzung und schließlich die
Bestimmung einer maximalen Firsthöhe von 9 m. Die drei Festsetzungen sind in ihrer Kumulation
besonders geeignet, der Entstehung überdimensionierter Baukörper entgegenzuwirken und den
erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild abzumildern. Angesichts der sensiblen Hanglage kommt jeder
der drei Maßbeschränkungen eine besondere Bedeutung zu. Daher kann nach dem im
Planungsverfahren der Beigeladenen zum Ausdruck gekommenen Willen nicht angenommen werden,
dass der Bebauungsplan „Auf F.“ auch ohne die Festsetzung einer Firsthöhenbegrenzung beschlossen
worden wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Der Kläger ist nicht mit den
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da diese keinen Antrag gestellt und sich somit
nicht dem Risiko einer eigenen Kostenpflicht gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167
VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
...
gez. Dr. Fritz gez. Karst gez. Theobald
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 9.1.1
des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden.
gez. Dr. Fritz gez. Karst gez. Theobald
2, Artikel
2, Nachname
2, Name2
2, Strasse
2, Plz
2, Ort
3, Nachname
3, Name2
3, Name3
3, Strasse
3, Plz
3, Ort