Urteil des VG Kassel vom 25.03.2003
VG Kassel: fürsorgepflicht, besoldung, vergütung, hessen, leiter, ausstattung, verordnung, zulage, entscheidungsbefugnis, aufgabenbereich
1
2
3
4
Gericht:
VG Kassel 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 3293/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 42 BBesG, § 92 BG HE
Tatbestand
Der am 12.06.1939 geborene Kläger war vor seiner auf seinen Antrag zum
31.12.2000 erfolgten Versetzung in den Ruhestand seit 01.07.1968 als
Gesundheitsaufseher im Beamtenverhältnis bei dem Beklagten tätig. Nach
Ernennungen zum Sekretär, Obersekretär und Hauptsekretär wurde er am
02.04.1979 zum Amtsinspektor ernannt und mit Wirkung vom 01.04.1979 in eine
Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 BBesO eingewiesen.
Mit Schreiben vom 13.04.1995 beantragte der Kläger die Gewährung einer
Stellenzulage und verwies auf eine Darstellung seiner Aufgaben nach
Sachgebieten. Er arbeite seit Jahrzehnten selbständig und eigenverantwortlich und
erwarte eine seinen Leistungen entsprechende Vergütung. Der Antrag wurde von
der Leitung des Gesundheitsamtes im Hinblick auf die von dem Kläger erbrachten
dienstlichen Leistungen in den zurückliegenden Jahren befürwortet. Der Kläger sei
der dienstälteste Gesundheitsaufseher im Gesundheitsamt des Schwalm-Eder-
Kreises. Aufgabengebiet und Aufgabenwahrnehmung durch die
Gesundheitsaufseher hätten sich in den letzten Jahren weiterhin spezialisiert und
diversifiziert. Nach einer Zwischennachricht des Beklagten erinnerte der Kläger mit
Schreiben vom 24.11.1997 an seinen Antrag und führte u. a. seine Teilnahme an
zahlreichen Fortbildungsveranstaltungen an. Seit dem Ausscheiden der Kollegen L.
und M. würden die Stellenzulagen nicht mehr gewährt. Im mittleren Dienst gebe es
in der Kreisverwaltung nur noch zwei A 9er-Stellen und diese im Gesundheitsamt.
Nach 18 Jahren vergessener Beförderung habe er die Zulage verdient.
Berufskollegen in anderen Landkreisen erhielten eine Amtszulage bzw. die
Vergütung nach BAT IV b. Von den beamteten Gesundheitsaufsehern in Hessen
seien im Jahre 1997 zwei nach Besoldungsgruppe A 9 mit Zulage, vier nach
Besoldungsgruppe A 9 und einer nach Besoldungsgruppe A 8 besoldet worden. Bei
Post und Bahn würden vergleichbare Beamte im mittleren Dienst mit 55
Lebensjahren nach Hause geschickt; bei der Polizei werde der mittlere Dienst bis A
12 geöffnet.
Mit Bescheid des Kreisausschusses des Schwalm-Eder-Kreises vom 16.01.1998
wurde der Antrag auf Gewährung einer Amts- bzw. Stellenzulage abgelehnt. Zur
Begründung wurde dargelegt, nach der Hessischen Verordnung über die Beamten
in Laufbahnen besonderer Fachrichtungen seien Gesundheitsaufseher der
Laufbahn des mittleren Dienstes zuzuordnen. Da der Kläger das Spitzenamt in
dieser Laufbahn bereits seit 02.04.1979 bekleide, werde der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn im Hinblick auf die Gewährung einer funktionsgerechten Besoldung in
jedem Fall Rechnung getragen. Die zusätzliche Gewährung einer Amts- bzw.
Stellenzulage gem. § 42 BBesG könne nach dem Wortlaut der Vorschrift lediglich
bei Ausübung einer herausgehobenen Funktion erfolgen. Nach dem
Geschäftsverteilungsplan für das Gesundheitsamt sowie der Aufgabenverteilung
seien Tätigkeitsfelder, Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse des Klägers
indes mit denen der übrigen Gesundheitsaufseher des Schwalm-Eder-Kreises
identisch. Eine Unterteilung erfolge lediglich nach örtlichen Bezirken.
Am 16.02.1998 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den er mit Schreiben
vom 03.03.1998 damit begründete, dass die Gesundheitsaufseher des Schwalm-
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
vom 03.03.1998 damit begründete, dass die Gesundheitsaufseher des Schwalm-
Eder-Kreises auch hygienische Aufgaben erledigten, die nach der Dienstordnung
des Gesundheitsamtes vom Amtsarzt oder von einem beamteten Arzt
durchzuführen seien.
Mit Schreiben vom 28.05.1998 hielt der Beklagte an seiner ablehnenden
Entscheidung fest. Im Hinblick auf die von dem Kläger geschilderte Praxis sei eine
grobe Missachtung dienstlicher Vorschriften festzustellen und der Leiter des
Gesundheitsamtes angewiesen worden, unverzüglich die Arbeitseinsätze der
Gesundheitsaufseher zu überprüfen und sie ausschließlich an den gesetzlichen
Vorgaben zu orientieren.
Mit Widerspruchsbescheid des Kreisausschusses des Schwalm-Eder-Kreises vom
09.09.1998 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung
wurde dargelegt, entgegen der Auffassung des Klägers höben sich die Funktionen
eines Gesundheitsaufsehers im Gesundheitsamt nicht dergestalt von den
Funktionen eines Amtsinspektors nach Besoldungsgruppe A 9 BBesO ab, dass die
Ausbringung einer Amtszulage gemäß Fußnote 3 hierzu gerechtfertigt sei. Der
Kläger habe mit der Besoldungsgruppe A 9 BBesO das höchste Beförderungsamt
im mittleren Dienst erreicht, womit die von ihm ausgeübten Arbeiten angemessen
vergütet würden. Die von dem Kläger dargestellten Aufgabenbereiche entsprächen
dem allgemeinen Aufgabenbereich eines Gesundheitsaufsehers. Er übe sein Amt
zwar weitgehend selbständig aus, die Entscheidungsbefugnis eines Amtsarztes
obliege ihm allerdings nicht. Der Kläger nehme auch keine herausgehobene
Funktion in der Weise war, dass er die übrigen Gesundheitsaufseher im
Kreisgesundheitsamt überwachen müsse. Alle drei dort beschäftigten
Gesundheitsaufseher übten die gleichen Aufgaben aus, lediglich unterschiedliche
örtliche Bezirke seien ihnen zugewiesen. Darüber hinaus seien in den
Stellenplänen für den Bereich des Gesundheitsamtes auch keine
Amtsinspektorenstellen mit Amtszulage ausgewiesen.
Am 09.10.1998 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren
weiterverfolgt. Zur Begründung wird vorgetragen, die Tätigkeit des Klägers hebe
sich durch weitergehende Selbständigkeit und hohe Anforderungen an die
fachliche Qualifikation von der Tätigkeit eines anderen Amtsinspektors ab. Trotz
der Anweisung des Beklagten gegenüber dem Leiter des Gesundheitsamtes im
Schreiben vom 28.05.1998 hätten die Gesundheitsaufseher auch weiterhin die
Aufgabenfelder auch insoweit bearbeitet, als sie regelmäßig Ärzten vorbehalten
sein sollen. Im Vogelsbergkreis seien Berufskollegen des Klägers seit 1996 so
beurteilt worden, dass eine Vergütungszulage zur Vergütungsgruppe IV b des BAT
gezahlt worden sei. Nach Bewährungsaufstieg führe dies zu einer Vergütung in der
Vergütungsgruppe IV a BAT.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Kreisausschusses des
Schwalm-Eder-Kreises vom 16.01.1998/26.01.1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 09.09.1998 zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit
vom 01.05.1995 bis 31.12.2000 eine Amtszulage nach Anlage IX BBesG gemäß
Fußnote 3 zu Besoldungsgruppe A 9 BBesO zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid Bezug und trägt ferner
vor, es sei unzutreffend, dass die Tätigkeit eines Gesundheitsaufsehers sich
regelmäßig von der Tätigkeit eines Amtsinspektors, der in anderen
Aufgabenbereichen eingesetzt sei, derart hervorhebe, dass regelmäßig eine
Amtszulage zu gewähren sei. Stellungnahmen, die die Ausbildung zum
Gesundheitsingenieur erfordern, würden von den Gesundheitsaufsehern des
Schwalm-Eder-Kreises nicht erbracht und auch nicht erwartet.
Mit Beschluss der Kammer vom 02.09.2002 ist der Rechtsstreit dem
Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten verwiesen, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind.
15
16
17
18
19
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg, weil der Kläger keinen Anspruch auf die
begehrte Amtszulage hat.
Besoldung und damit gem. § 1 Abs. 2 Nr. 4 BBesG auch die Amtszulage gemäß
Fußnote 3 zu Besoldungsgruppe A 9 BBesO darf nur gewährt werden, wenn der
Haushaltsplan einschließlich des Stellenplans die entsprechenden Mittel zur
Verfügung stellt (BVerwG, Urteil vom 13.09.2001 - 2 C 39/00 -, ZBR 2002, 178,
179; Beschluss vom 19.08.1986 - 2 B 15/86 -, n. v.; Beschluss vom 08.03.1976 - VI
B 56/75 -, ZBR 1976, 148 f.). An einer derartigen haushaltsrechtlichen
Berechtigung fehlt es vorliegend, da der Haushaltsgesetzgeber von der ihm in
Fußnote 3 zu Besoldungsgruppe A 9 BBesO eingeräumten Möglichkeit, für
Funktionen, die sich von denen der Besoldungsgruppe A 9 abheben, nach
Maßgabe sachgerechter Bewertung jeweils bis zu 30 % der Stellen mit einer
Amtszulage nach Anlage IX auszustatten, für die Stelle des Klägers keinen
Gebrauch gemacht hat. Eine Ausstattung in diesem Sinne ist ausweislich der
seitens des Beklagten vorgelegten Stellenpläne der Haushaltsjahre 1995 bis 2000
lediglich für die Jahre 1995 und 1996 hinsichtlich der der Kreiskasse zugeordneten,
besetzten Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 vorgenommen worden. Die
Besoldung des Klägers konnte und durfte hingegen mangels entsprechender
Ausstattung nur aus Besoldungsgruppe A 9 (ohne Amtszulage) erfolgen, nachdem
der Kläger aufgrund seiner Ernennung zum Amtsinspektor rückwirkend zum
01.04.1979 in eine solche Planstelle eingewiesen worden war (§ 3 Abs. 1 Satz 3
BBesG).
Das Zahlungsbegehren des Klägers ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines
Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 92 HBG) des
Dienstherrn begründet.
Die rechtliche Bewertung von Dienstposten, d. h. ihre Zuordnung zu
statusrechtlichen Ämtern einer bestimmten Besoldungsgruppe, erfolgt im Rahmen
der gesetzlichen Vorgaben des Besoldungs- und des Haushaltsrechts durch den
Dienstherrn gemäß dessen organisatorischer Gestaltungsfreiheit. Weder die
Fürsorgepflicht noch der Gleichheitsgrundsatz geben dem Beamten einen
Anspruch auf eine bestimmte Bewertung des ihm übertragenen Dienstpostens.
Mit der im Rahmen des Besoldungsrechts vorzunehmenden Ausbringung von
Planstellen entscheidet der Haushaltsgesetzgeber über die - insbesondere
qualitativen - Anforderungen an die Erfüllung der auf den jeweiligen Dienstposten
wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben. Diese Entscheidung einschließlich einer
möglichen Abwägung der Prioritäten im Verhältnis zu anderen Aufgaben dient
allein dem öffentlichen, nicht auch dem beruflichen Fortkommensinteresse des mit
der Wahrnehmung der Aufgaben betrauten Beamten. Sie erfolgt damit auch nicht
in Wahrnehmung der dem Beamten gegenüber obliegenden Fürsorgepflicht. Dies
gilt auch mit Blick auf den allgemeinen Grundsatz sachgerechter Bewertung und
funktionsgerechter Besoldung (§ 18 BBesG), der auf der Grundlage des § 42
BBesG in der Fußnote 3 zu Besoldungsgruppe A 9 BBesO (mittlerer Dienst)
aufgegriffen ist. Daher kann ein Beamter das Außerachtlassen bestimmter
Gesichtspunkte oder seiner Ansicht nach unzutreffende Wertungen im Rahmen
derartiger Organisationsakte nicht als Verletzung eigener Rechte geltend machen
(BVerwG, Beschluss vom 14.09.1999 - 1 WB 27/99 -, ZBR 2000, 133, 134; Urteil
vom 28.11.1991 - 2 C 7/89 -, ZBR 1992, 176, 177; Urteil vom 24.01.1985 - 2 C
39/82 -, DVBl. 1985, 746 f.). Eine andere Beurteilung käme nach der
höchstrichterlichen Rechtsprechung allenfalls dann in Betracht, wenn sich die
Bewertung des vom Kläger bekleideten Dienstpostens als Missbrauch der
organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Beklagten und damit als Manipulation
zum Nachteil des Klägers darstellen würde, d. h. wenn sich der Beklagte bei der
Bewertung des Dienstpostens nicht von sachbezogenen Erwägungen hätte leiten
lassen (BVerwG, Urteil vom 28.11.1991 - 2 C 7/89 -, a. a. O.). Hierfür ist jedoch
auch eingedenk des Umstandes, dass Gesundheitsaufseher nach der Hessischen
Verordnung über die Beamten in Laufbahnen besonderer Fachrichtungen der
Laufbahn des mittleren Dienstes zugeordnet sind und der Kläger bereits im April
1979 zum Amtsinspektor ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9
BBesO eingewiesen wurde, nichts ersichtlich. Die von dem Kläger mit Schreiben
vom 24.11.1997 im Verwaltungsverfahren vorgelegte Übersicht über die
Besoldung bzw. Vergütung der Gesundheitsaufseher in Hessen spricht schließlich
20
21
Besoldung bzw. Vergütung der Gesundheitsaufseher in Hessen spricht schließlich
ebenfalls dafür, dass der Beklagte seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger
erfüllt hat.
Da der Kläger mithin unterliegt, hat er nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.