Urteil des VG Karlsruhe vom 18.04.2008
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VG Karlsruhe Urteil vom 18.4.2008, 1 K 4144/07
Anfechtung eines Wahlergebnisses wegen Wahlbeeinflussung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich als unterlegener Bewerber gegen die Gültigkeit der Bürgermeisterwahl am ... in ....
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Neben dem Stelleninhaber, Bürgermeister ... ..., nahmen mit dem Kläger weitere drei Kandidaten an der Wahl
teil, die Marsch mit 3.628 von 7.124 gültigen Stimmen, also mit einer Mehrheit von 50,9 % gewann. Der Kläger
erhielt 67 Stimmen. Das Wahlergebnis wurde am ... öffentlich amtlich bekannt gemacht.
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Am ... erhob der Kläger beim Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis Einspruch gegen die Wahl. Er rügte unzulässige
Wahlbeeinflussung durch Wegnahme seiner Wahlprospekte und die Zerstörung einer Vielzahl seiner
Wahlplakate. Dies sei dem Vernehmen nach durch Wahlhelfer des Mitbewerbers ... ... geschehen, der
rechtsradikal und ausländerfeindlich aufgetreten sei. 90 % seiner 5.400 Prospekte seien aus den Briefkästen
genommen worden, auf seinen Wahlplakaten sei geklebt worden: „Sozialstaat statt Einwanderung“. Er fühle
sich auch benachteiligt, weil örtliche Parteien Wahlempfehlungen abgegeben hätten, weil auf den Stimmzetteln
der Gewählte als Bürgermeister bezeichnet worden sei, weil er seine dienstliche Telefonnummer auf einem
Wahlflyer angegeben habe und auch sonst während des Dienstes mit unerlaubten Methoden Wahlkampf
betrieben habe. So sei er mit sehr lauter Marschmusik im Oldie durch die Straßen gefahren, habe 100 betende
Muslime aus den Räumen der islamischen Gemeinde rausgeschmissen, auch sonst, ohne Urlaub zu nehmen,
Dienstzeit für Wahlzwecke genutzt.
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Mit Bescheid vom 22.10.2007 wies das Landratsamt als kommunale Aufsichtbehörde den Einspruch als
unbegründet zurück. Die Behörde könne keine unzulässige Wahlbeeinflussung zum Nachteil des Klägers
feststellen. Zum einen hätten sich die behaupteten Störungen seines Wahlkampfes nicht unmittelbar auf die
Stimmabgabe ausgewirkt, sie hätten auch das Wahlergebnis nicht entscheidend beeinflusst.
Wahlempfehlungen seien zulässig. ... ... habe im Übrigen nichts Gesetzwidriges getan. Er habe den Beruf des
Bürgermeisters, der deshalb auf den Stimmzetteln genannt werden dürfe. Die angeblich benutzte
Dienstnummer sei in Wahrheit seine Privatnummer. Er habe auch niemanden aus einem Gebetshaus
rausgeschmissen, sondern nur versucht zu vermitteln, als es wegen einer noch nicht genehmigten Nutzung
einer Produktionshalle als religiösen Treffpunkt einer islamischen Gemeinde Nachbarbeschwerden gegeben
habe. Schließlich könne nicht beanstandet werden, dass nach der Wahl der Sieger von Freunden mit einem
Oldie von seiner Wohnung zum Rathaus gefahren worden sei. Der Einspruchsbescheid wurde zur Zustellung an
den Kläger am 05.11.2007 zur Post gegeben.
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Am 05.12.2007 hat er Klage erhoben. Er trägt vor, er sehe nach wie vor unzulässige Wahlbeeinflussung durch
Behinderung seines Wahlkampfes, in dem Wahlmaterial nahezu flächendeckend vernichtet oder beschädigt
worden sei. Er beanstande auch weiter den Wahlkampf des Bürgermeisters, der gegen seine Neutralitätspflicht
verstoßen habe, als er gegen die islamische Gemeinde vorgegangen sei, um Wähler mit ausländerfeindlichen
Einstellungen dadurch zu gewinnen, dass er sich als starker Mann darstelle, der hart durchgreife.
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Der Kläger beantragt,
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den Einspruchsbescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 22.10.2007 aufzuheben und das
beklagte Land zu verpflichten, die Bürgermeisterwahl in der Gemeinde ... für ungültig zu erklären.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
10 Er trägt vor, der Kläger übertreibe und bewerte die behaupteten Vorkommnisse falsch. Von flächendeckender
Vernichtung und Beschädigung seines Wahlkampfmaterials könne sicher keine Rede sein. Leider seien in
vielen Wahlkämpfen Sachbeschädigungen üblich geworden, träfen aber erfahrungsgemäß alle Bewerber. Im
Übrigen habe Bürgermeister ... nach den Ermittlungen der Kommunalaufsicht nur zum Zwecke der Klärung und
Konfliktvermeidung die Räume der islamischen Gemeinde in Edingen am Abend des 26.09.2007 aufgesucht.
Polizeiliche Maßnahmen habe er dabei nicht ergriffen. Die Absicht unzulässigen Stimmenfangs könne ihm
nicht unterstellt werden.
11 Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
12
die Klage abzuweisen.
13 Sie trägt vor, der Kläger stütze sich mit seinem Vortrag, der Wahlausgang sei beeinflusst worden, lediglich auf
Vermutungen. Die nicht nachvollziehbaren Behauptungen, Wahlgrundsätze seien verletzt, seien völlig
unsubstantiiert.
14 Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Kommunalrechtsamts des Rhein-Neckar-Kreises vor.
Entscheidungsgründe
15 Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
16 Der Kläger kann nicht verlangen, dass der Beklagte die Bürgermeisterwahl in ... vom ... für ungültig erklärt (§
113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises hat in dem angefochtenen Bescheid
vom 22.10.2007 zu Recht festgestellt, dass entgegen den Behauptungen des Klägers keine gegen das Gesetz
verstoßende Wahlbeeinflussung vorliegt, die auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein kann.
17 Nach § 32 Abs. 2 Nr. 1 Kommunalwahlgesetz ist die Wahl für ungültig zu erklären, wenn ihr Ergebnis dadurch
beeinflusst werden konnte, das der Bewerber oder Dritte bei der Wahl eine strafbare Handlung im Sinne der §§
107 f. des Strafgesetzbuchs oder eine andere gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen
haben. Der Kläger beruft sich auf eine solche andere gegen das Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung, wobei
er im gerichtlichen Verfahren seine Einspruchsgründe zum einen auf die Behauptung beschränkt, unbekannte
Dritte hätten Wahlprospekte und Wahlplakate von ihm vernichtet oder beschädigt, zum anderen noch weiter
vorträgt, der Mitbewerber ... hätte seine Neutralitätspflicht als Bürgermeister verletzt, als er vor der Wahl die
Gebetsräume der Islamischen Gemeinde in ... besucht habe. Auch diese noch aufrechterhaltenen Rügen
stellen die Gültigkeit der Wahl am ... nicht in Frage.
18 Eine Wahlbeeinflussung ist ein zielgerichtetes Verhalten, das seiner Natur nach geeignet ist, die
Entscheidungsfreiheit des Wählers ernstlich zu beeinträchtigen. Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn
einzelne Wahlplakate in der Öffentlichkeit von Unbekannten beschädigt, übermalt oder mit unpassenden
Sprüchen versehen werden oder wenn der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Wahlprospekte nicht an die
Adressaten gelangen, weil sie zweckentfremdet oder vernichtet werden. Dies ist im Wahlkampf nicht zu
verhindern und in eingeschränktem Maße bei allen für wichtig erachteten politischen Wahlen zu verzeichnen.
Demokratische Wahlen werden durch solche Vorkommnisse nicht entschieden. Der Kläger behauptet
demgegenüber jedoch, sein Wahlmaterial sei gezielt nahezu flächendeckend vernichtet oder beschädigt
worden. Er verzichtet allerdings insoweit auf eine nähere Schilderung eines konkreten, belegbaren
Sachverhalts, etwa wie es gelungen sein soll, fast 5.000 Wahlprospekte aus geschlossenen Briefkästen zu
entwenden. Damit geht diese Wahlbeanstandung über nicht belegte Vermutungen und fantastische, in den
Raum gestellte Behauptungen nicht hinaus. Sie enthält keinen der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag
und muss daher im Wahlprüfungsverfahren als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (vgl. VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 02.12.1991, ESVGH 42, 162 f. m.w.N.).
19 Der Kläger beruft sich des Weiteren auf einen angeblichen Verstoß des Mitbewerbers Bürgermeister ... gegen
dessen Neutralitätspflicht. Damit macht er das Recht aller Bewerber auf Chancengleichheit geltend. Dieses
Recht ist verletzt, wenn Amtsträger zugunsten oder zu Lasten eines Bewerbers in den Wahlkampf eingreifen
und dabei gegen ihre Pflichten zu unparteiischer Amtsführung verstoßen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.1997,
BVerwGE 104, 326 f.). Diese Pflicht hatte auch ... ..., er war gehalten, zwischen seiner Funktion als
Amtsträger und seiner Eigenschaft als Bewerber um die eigene Nachfolge zu unterscheiden.
20 Es ist jedoch auch hier eine nicht verifizierte Vermutung des Klägers geblieben, dass Herr ... hier nicht
unterschieden und sein Amt als Bürgermeister vor der Wahl am ... zu Lasten der übrigen Bewerber
missbraucht hat. Zum einen ist es eine reine Unterstellung, dass der Bürgermeister im September 2007 zu
Wahlkampfzwecken eine Versammlung der örtlichen islamischen Gemeinde besucht hat. Es bestand damals
durchaus Anlass, den in seiner Gemeinde entstandenen Streit um die Nutzung einer ehemaligen
Produktionshalle als Gebetsraum zu entschärfen und sich als Bürgermeister um eine einvernehmliche Lösung
und um ein friedliches Verhalten der Betroffenen zu bemühen. Insoweit lag es durchaus im Rahmen seines
Amtes als Bürgermeister, die neuen Besitzer gewerblicher Räume auf die Rechtslage hinzuweisen und vor
Gesetzesverstößen zu bewahren. Andere Absichten sind bei dem im Wahlprüfungsverfahren vom Landratsamt
festgestellten Verhalten des Bürgermeisters ... nicht feststellbar, auch keineswegs naheliegend. Inwieweit
durch das festgestellte Verhalten des Bürgermeisters zu Lasten des Klägers unzulässig in den Wahlkampf
eingegriffen worden sein soll, bleibt unerfindlich. Wenn der Kläger meint, dieser Besuch sei wenig
migrantenfreundlich gewesen und habe der ausländerfeindlich eingestellten Mehrheit der Wähler gefallen sollen,
so kann in dieser im Wahlanfechtungsverfahren geäußerten Ansicht nur eine üble Nachrede der ... Wähler
gesehen werden, die nicht objektivierbar ist. Dem Bewerber ..., der sich tatsächlich ausländerfeindlich geäußert
haben soll, hat dies offensichtlich bei der Wahl nicht geholfen, da er nur 0,76 % der gültigen Stimmen erhielt.
Geht man auch hier darauf zurück, was tatsächlich belegbar ist, so fehlt der erforderliche eindeutige Bezug zur
anstehenden Bürgermeisterwahl. Ebenso wenig ist es möglich und gerechtfertigt, den Besuch des
Bürgermeisters bei der Islamischen Gemeinde als Missbrauch der Amtsgewalt anzusehen.
21 Die Klage konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
22 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Berufung ist nicht zuzulassen, denn
die Voraussetzung des § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht erfüllt.
23
B E S C H L U S S
24 Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 7.500,-- festgesetzt.
25 Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3
GKG verwiesen.