Urteil des VG Karlsruhe vom 30.07.2010
VG Karlsruhe (antragsteller, einstellung, befristung, stelle, benachteiligung, begründung, aug, bewerber, mitbestimmung, zustimmung)
VG Karlsruhe Beschluß vom 30.7.2010, PL 12 K 902/10
Mitbestimmung des Personalrats bei befristet eingestellten Beschäftigten
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Gründe
I.
1
Die Beteiligten streiten über die Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Antragstellers aus Anlass der
befristeten Einstellung eines Mitarbeiters durch die beteiligte Dienststellenleiterin.
2
Mit Schreiben vom 20.01.2010 - eingegangen beim Antragsteller am 04.02.2010 - beantragte die weitere
Beteiligte die Zustimmung des Antragstellers zu der auf den Zeitraum 01.04.2010 bis 30.04.2011 befristeten
Einstellung des Mitarbeiters ... für die Abteilung Neuroradiologie des Universitätsklinikums ....
3
Mit Schreiben vom 11.02.2010 stimmte der Antragsteller der beantragten Einstellung gem. § 76 Abs. 1 Nr. 1
LPVG zu, verweigerte aber nach § 79 Abs. 3 Nr. 15b LPVG seine Zustimmung zu der beantragten Befristung
des Arbeitsverhältnisses. Zur Begründung ist in diesem Schreiben ausgeführt, im Bereich der MTRAs bestehe
immer noch Personalmangel. Auch hier werde nicht nur dringend Personal gesucht, sondern es komme auch
darauf an, dass den neugewonnenen Mitarbeiterinnen eine unbefristete Stelle (Arbeitsplatzsicherheit) als
Perspektive angeboten werden könne.
4
Mit weiterem Schreiben vom 18.02.2010 teilte die Personalabteilung dem Antragsteller mit, dass die Befristung
des Arbeitsverhältnisses gesetzeskonform auf der Grundlage des Teilzeit- und Befristungsgesetzes erfolge
und der vorgebrachte Verweigerungsgrund gem. § 82 LPVG aus dortiger Sicht unbeachtlich sei. Es bestehe
daher keine Veranlassung zur Einleitung eines Stufenverfahrens. Im Wege der einvernehmlichen
Zusammenarbeit werde dem Antragsteller die Einstellung jedoch noch einmal vorgelegt. Nachrichtlich sei
darauf hingewiesen, dass die neue Stelle für die Neuroradiologie aufgrund der Übernahme der Orthopädie vom
Klinikumsvorstand vorerst nur befristet gewährt worden sei.
5
Mit Schreiben vom 05.03.2010 teilte der Antragsteller mit, dass er nach erneuter Beratung an seiner Ablehnung
gem. § 79 Abs. 3 Nr. 15b LPVG i.V.m. § 82 LPVG festhalte. Zur Begründung führte er u.a. aus, in einem
Bereich, in dem immer noch dringend Fachpersonal gesucht werde, sei eine Befristung weder nachvollziehbar
noch sinnvoll und kontraproduktiv für eine erstrebte Personalbindung. Die Befristung stelle in diesem Falle eine
Benachteiligung für Herrn ... dar, weil das Normalarbeitsverhältnis unbefristet und nicht befristet angelegt sei.
Auch stelle es eine Benachteiligung für Herrn ... dar, wenn zum 01. April eine weitere MTRA unbefristet
eingestellt werden solle. Grundsätzlich obliege die Beurteilung der Ablehnungsgründe und deren Beachtlichkeit
der Einigungsstelle. Nur wenn die Verweigerungsgründe offensichtlich unbeachtlich seien, könne der
Dienststellenleiter darüber hinwegsehen. Dies treffe jedoch auf die vorliegende Angelegenheit nicht zu.
6
Mit Arbeitsvertrag vom 17.03.2010 stellte die weitere Beteiligte den Bewerber wie vorgesehen ein.
7
Mit Schriftsatz vom 19.04.2010 - eingegangen beim Verwaltungsgericht am 20.04.2010 - hat der Antragsteller
ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren eingeleitet. Er beantragt,
8
festzustellen, dass die weitere Beteiligte durch die befristete Einstellung des Mitarbeiters ... das
Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt hat.
9
Zur Begründung trägt der Antragsteller u.a. vor, er habe in seinem Schreiben vom 11.02.2010 auf die Tatsache
hingewiesen, dass im Bereich der Medizinisch-Technischen Radiologieassistenten Personalmangel herrsche.
Personalmangel beschreibe den Zustand, dass aufgrund der vorhandenen Arbeitsmenge mehr Personal
eingesetzt werden müsste, dies aber offensichtlich nicht vorhanden sei, das vorhandene Personal mithin
überproportional belastet sei. Mit diesem Schreiben bringe er zum Ausdruck, dass für den Fall, dass
Mitarbeiter neu gewonnen werden könnten, diesen ein sicherer Arbeitsplatz in Form einer unbefristeten Stelle
angeboten werden müsse, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass der Personalmangel sich nicht beheben
lasse. Aus einer Befristung resultierten demnach Nachteile für den betroffenen Bewerber (und sicherer
Arbeitsplatz) wie auch für die betroffenen Mitarbeiter der Abteilungen, da der Personalmangel nicht dauerhaft
behoben werden könne und damit der Nachteil der überproportionalen Belastung bestehen bleibe. Mit diesem
Widerspruch habe der Personalrat die Voraussetzungen des § 82 LPVG erfüllt. Es wäre nun an der weiteren
Beteiligten gelegen, das Verfahren nach § 69 Abs. 3 LPVG fortzusetzen. Durch Abschneiden dieses
Verfahrensganges habe die weitere Beteiligte dem Antragsteller die weitere Durchsetzung seines Standpunktes
unmöglich gemacht.
10 Die weitere Beteiligte beantragt,
11
den Antrag abzulehnen.
12 Sie trägt u.a. vor, mit seinem Schreiben vom 11.02.2010 habe sich der Antragsteller weder auf § 82 LPVG
berufen noch habe er einen danach in irgendeiner Form beachtlichen Verweigerungsgrund benannt. Er habe
weder dargelegt, dass die Maßnahme (Befristung des Arbeitsvertrages) gegen ein Gesetz, eine Verordnung,
etc. nach § 82 Nr. 1 LPVG verstoßen habe noch habe er dargelegt, dass die Maßnahme gem. § 82 Nr. 2 LPVG
den betroffenen Beschäftigten oder andere Beschäftigte benachteilige, ohne dass dies aus dienstlichen oder
persönlichen Gründen gerechtfertigt sei. Er habe lediglich allgemein dargelegt, dass Personalmangel bestehe.
Dies sei nicht ausreichend. Eine Einstellung bringe dem Arbeitnehmer keinen Nachteil, sondern es sei immer
ein „Mehr“ gegenüber der Nichteinstellung. Darüber hinaus liege auch kein Versagungsgrund nach § 82 Nr. 3
LPVG vor, da der Antragsteller Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift nicht vorgebracht habe. Die vom
Antragsteller vorgebrachten Versagungsgründe für die Ablehnung der Befristung seien damit völlig
unbeachtlich. Sinn und Zweck des § 79 Abs. 3 Nr. 15b LPVG sei es, dass der Personalrat prüfe, ob die
Dienststelle einen Befristungsgrund für die Befristung des Arbeitsvertrages des Mitarbeiters habe. Ob ein
Arbeitsverhältnis unbefristet oder im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten befristet sein solle, liege aber
ausschließlich in der Entscheidungsbefugnis der Dienststelle und sei nicht Gegenstand der Mitbestimmung des
Personalrats. Der Klinikumsvorstand habe die mit Herrn ... besetzte Stelle nur als befristete Stelle genehmigt,
so dass auch nur eine befristete Einstellung in Frage gekommen sei. An dieser Entscheidung der Dienststelle
könne der Personalrat nicht mitbestimmen, da es sich um eine unternehmerische Entscheidung handele.
13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze der
Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.
II.
14 Der gem. § 86 Abs. 1 Nr. 3 LPVG zulässige Antrag ist nicht begründet.
15 Die weitere Beteiligte hat durch die befristete Einstellung des Mitarbeiters ... in der Abteilung Neuroradiologie
des Universitätsklinikums ... nicht das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gem. § 79 Abs. 3 Nr. 15b
LPVG verletzt, wonach der Personalrat bei der Zeitbefristung des Arbeitsverhältnisses mitzubestimmen hat;
vielmehr gilt diese Personalmaßnahme gem. § 69 Abs. 2 S. 5 LPVG als vom Antragsteller gebilligt, da dessen
Zustimmungsverweigerung unbeachtlich ist.
16 Die Weigerung der Personalvertretung, einer von der Dienststellenleitung beabsichtigten Personalmaßnahme
gem. § 79 Abs. 3 Nr. 15b LPVG zuzustimmen, ist nur dann beachtlich, wenn es sich bei den zur Begründung
der Ablehnung geltend gemachten Gründen um solche i.S.v. § 82 LPVG handelt. Denn die zeitlich befristete
Einstellung eines neuen Beschäftigten unterliegt keiner unbegrenzten Mitbestimmung. Vielmehr müssen die
vom Personalrat gegen eine befristete Einstellung vorgebrachten Gründe es nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt Beschl. v. 07.04.2010 - 6 P 6/09 -, juris, m.w.N.)
zumindest als möglich erscheinen lassen, dass einer der in § 82 Nr. 1 bis 3 LPVG abschließend aufgezählten
Verweigerungsgründe gegeben ist. Die geltend gemachten Verweigerungsgründe müssen von solchem Gewicht
sein, dass sie nicht ohne weiteres als nicht nachvollziehbar von der Hand gewiesen werden können, sondern
als möglicherweise beachtlich einer näheren Prüfung zu unterziehen sind (st. Rspr. der beschließenden
Kammer; vgl. etwa Beschl. v. 21.09.2007 - PL 14 K 2149/07 - u. zuletzt Beschl. v. 27.08.2009 - PL 14 K
1062/09 - unter Verweis auf den Beschl. des VGH Baden-Württemberg v. 30.09.2004 - PL 15 S 693/04 -). Eine
Begründung, die offensichtlich auf keinen der Verweigerungsgründe des § 82 Nr. 1 bis 3 LPVG gestützt ist,
vermag nicht die Verpflichtung der Dienststellenleitung auszulösen, das Stufenverfahren gem. § 69 Abs. 3
LPVG einzuleiten.
17 Die vom Antragsteller gegen die befristete Einstellung des Mitarbeiters vorgebrachten Gründe liegen
offensichtlich außerhalb der Verweigerungsgründe des § 82 LPVG. Dies ergibt sich aus Folgendem:
18 Soweit der Antragsteller in seinem die Zustimmung verweigernden Schreiben vom 11.02.2010, dem weiteren
Schreiben vom 05.03.2010 und zuletzt in der Antragsbegründung - sinngemäß und zusammengefasst - geltend
macht, für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses fehle es angesichts des herrschenden Mangels an
Fachpersonal im Bereich der medizinisch-technischen Radiologieassistenten an einem nachvollziehbaren
Grund und eine solche Befristung stelle eine Benachteiligung des Einzustellenden (kein sicherer Arbeitsplatz)
und der betroffenen Mitarbeiter der Abteilungen dar, da der Personalmangel nicht dauerhaft behoben werde, ist
dieses Vorbringen offensichtlich keinem der in § 82 Nr. 1 bis 3 LPVG aufgezählten Verweigerungsgründe
zuzuordnen (siehe nachfolgend 1.); außerdem überschreitet der Antragsteller mit diesem Vorbringen eindeutig
die ihm als Personalvertretung durch § 79 Abs. 3 Nr. 15b LPVG zugewiesenen Kompetenzen (2.).
1.
19 Den Verweigerungsgründen des Antragstellers kann ersichtlich nicht entnommen werden, er mache geltend, die
Maßnahme verstoße gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Bestimmung in einem Tarifvertrag, eine
gerichtlichen Entscheidung oder eine Verwaltungsanordnung oder verstoße gegen eine Richtlinie i.S.d. § 79
Abs. 3 Nr. 7 LPVG (§ 82 Nr. 1 LPVG). Auch ist diesem Vorbringen nicht einmal ansatzweise zu entnehmen,
die beabsichtigte personelle Maßnahme werfe die durch Tatsachen begründete Besorgnis auf, „dass der
Beschäftigte oder Bewerber den Frieden in der Dienststelle durch unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten
stören werde“ (§ 82 Nr. 3 LPVG). Soweit der Antragsteller eine Benachteiligung des Einzustellenden geltend
macht, weil dieser wegen der Befristung des Arbeitsverhältnisses keinen sicheren Arbeitsplatz erhalte, kommt
eine Anwendung des § 82 Nr. 2 LPVG schon deshalb nicht in Betracht, weil der (erst) einzustellende Bewerber
kein „Beschäftigter“ im Sinne dieser Vorschrift ist (Leuze/Wörz/Bieler, Das Personalvertretungsrecht in Baden-
Württemberg, Komm., § 82 Rdnr. 18 mit zutreffendem Hinweis auf die Unterscheidung zwischen dem
„Beschäftigten“ und dem „Bewerber“ in § 82 Nr. 3 LPVG; Ilbertz/Widmaier, BPersVG, Komm., § 77 Rdnr. 21a).
Kommt somit nach dem Gesetzeswortlaut des § 82 Nr. 2 LPVG nur eine Benachteiligung von (bereits)
beschäftigten Mitarbeitern in Betracht, so kann von einer Benachteiligung aber nur dann die Rede sein, wenn
der bestehende Zustand durch die beabsichtigte Maßnahme zu Lasten eines Beschäftigten bzw. der anderen
Beschäftigten verändert wird. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerwG (Beschl. v. 07.04.2010, a.a.O.)
können zwar für eine Benachteiligung auch rein tatsächliche Belastungen ausreichen und ein Nachteil auch
schon in bloß tatsächlichen, für die Arbeitnehmer ungünstigen Auswirkungen liegen; dazu zählen
„vorhersehbare tatsächliche Erschwerungen der Arbeit von nicht unerheblichem Gewicht, die von der
Belegschaft abgewendet werden sollen“ (BVerwG, a.a.O.). Ein in diese Richtung gehendes Vorbringen lässt
sich den vom Antragsteller vorgebrachten Verweigerungsgründen jedoch nicht einmal ansatzweise entnehmen.
Dieser macht mit seiner Zustimmungsverweigerung nicht etwa geltend, die zeitlich befristete Einstellung führe
zu vorhersehbaren tatsächlichen Erschwerungen der Arbeit der bereits beschäftigten Mitarbeiter, sondern er
rügt im Kern, die zeitlich befristete Einstellung eines neuen Mitarbeiters reiche zur Behebung des vorhandenen
Personalmangels nicht aus. Damit wird aber eine Benachteiligung zu Lasten der Beschäftigten i.S.d. § 82 Nr. 2
LPVG - wie ausgeführt - nicht dargetan.
2.
20 Vielmehr sind die Einwendungen des Antragstellers gegen die Begründung eines befristeten
Arbeitsverhältnisses personalwirtschaftlich bzw. personalorganisatorisch motiviert und stehen damit von
vornherein außerhalb der durch den Mitbestimmungstatbestand des § 79 Abs. 3 Nr. 15b LPVG begrenzten
Kompetenzen des Personalrats. Die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis unbefristet oder im Rahmen der rechtlichen
Möglichkeiten befristet sein soll, liegt ausschließlich in der Entscheidungsbefugnis der Dienststelle und ist
nicht Gegenstand der Mitbestimmung. Der Personalrat kann die Rahmenbedingungen für eine Einstellung nicht
angreifen (VG Oldenburg, Beschl. v. 17.03.2006 - 9 A 3257/05 - sowie OVG NRW, Beschl. v. 25.02.2004 - 1 A
225/02.PVL -, jeweils juris; Ilbertz/Widmaier, § 77 Rdnr. 14a: „außerhalb des Rahmens der Mitbestimmung“
liegt die Verweigerung der Zustimmung mit arbeitsmarkt-/haushaltspolitischen Erwägungen; m.w.N. zur
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Da die Befristung des Arbeitsverhältnisses somit nicht zur
(Mitbestimmungs-) Disposition des Antragstellers stand, sondern ausschließlich dem personalwirtschaftlichen
Ermessen der Dienststelle oblag, war die weitere Beteiligte berechtigt, die Zustimmungsverweigerung des
Antragstellers zu der beabsichtigten Personalmaßnahme als unbeachtlich anzusehen und von der Einleitung
eines Stufenverfahrens abzusehen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedurfte es auch nicht einer
ausdrücklichen Feststellung der Unbeachtlichkeit der Zustimmungsverweigerung durch den Dienststellenleiter.
Eine derartige Verpflichtung sieht § 69 Abs. 2 S. 5 LPVG nicht vor. Danach gilt - eo ipso - die Maßnahme als
gebilligt, wenn nicht der Personalrat innerhalb der genannten Frist die Zustimmung unter Angabe der Gründe
schriftlich verweigert. Diese Rechtsfolge gilt entsprechend in Fällen, in denen - wie hier - die
Zustimmungsverweigerung unbeachtlich ist.
21 Der Antrag war daher abzulehnen. Eine Kostenentscheidung war im personalvertretungsrechtlichem
Beschlussverfahren nicht zu treffen. Das Verfahren ist gebührenfrei. Auslagen werden nicht erhoben und nicht
erstattet.