Urteil des VG Karlsruhe vom 12.02.2010
VG Karlsruhe: stiftskirche, verjährung, staat und kirche, finanzielle beteiligung, wrv, öffentlich, unterhaltung, auflösung der stiftung, entstehung, stiftungsurkunde
VG Karlsruhe Urteil vom 12.2.2010, 7 K 1669/07
Erstattungsanspruch für Aufwendungen für die Instandsetzung des Chorbereichs der Stiftskirche in Baden-Baden
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 616.738,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden
Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Aufwendungen für die Instandsetzung des Chorbereichs der Stiftskirche in Baden-
Baden.
2
Die Klägerin - eine rechtlich selbständige juristische Person des öffentlichen Rechts - ist Eigentümerin des mit der Stiftskirche bebauten
Grundstücks in Baden-Baden. Die Stiftskirche ist ihre Pfarrkirche; sie besteht aus dem Langhaus und dem sich anschließenden Chor, der
Sakristei und dem Marien- sowie Johanneschörle. Die Beklagte wurde 1976 errichtet (§ 113 Abs. 2 des Schulgesetzes vom 23.03.1976); in ihr
wurden 12 öffentlich-rechtliche Stiftungen, darunter der Studienfonds Rastatt, zusammengefasst. Dieser brachte als Vermögen Grundstücke
(angesetzte Grundstücksversicherungswerte und Einheitswerte) und Kapitalien in Höhe von ca. 1,4 Mio. DM in die Schulstiftung ein
(Ministervorlage v. 13.10.1980).
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Der Studienfonds Rastatt entstand im Jahr 1808 durch den Zusammenschluss der Studienfondsverrechnung Baden-Baden mit der Oberschaffnei
des Kollegiatstifts Baden-Baden und der Verlegung dieser vereinigten Verwaltungen nach Rastatt. Die Studienfondsverrechnung Baden-Baden
war 1796 aus dem dortigen Exjesuitenfonds hervorgegangen, der das Vermögen des 1773 aufgelösten Baden-Badener Jesuitenkollegs (gegr.
1642) verwaltete. Das Kollegiatstift zu Baden war 1453 durch Markgraf Jakob I durch Verschmelzung der Spital-, Pfarr- und Benefiziatpfründe der
Stadt Baden und der Weitenunger Benefizien gegründet und mit entsprechendem Grundvermögen ausgestattet worden. Dabei wurde die
ehemalige Pfarrkirche St. Peter und Paul in Baden in eine Stiftskirche umgewandelt. Die badischen Besitzungen des Kollegiatstifts wurden durch
die Pflegen bzw. Unterschaffneien Sulz bei Lahr verwaltet. Die Oberschaffnei hatte ihren Sitz in Baden-Baden. Im Jahr 1800 wurde das
Kollegiatstift in ein Schulstift umgewandelt und der Stiftsschule Name und Rang eines Lyzeums beigelegt. Nach der Verlegung des durch das
Schulstift unterhaltenen Badener Lyzeums nach Rastatt im Jahr 1808 durch Beschluss des damaligen Geheimen Polizeidepartements vom
19.07.1808 Nr. 3976 wurde die Badener Studienfondsverrechnung mit der Oberschaffnei des Kollegiatstifts Baden unter dem Namen
„Studienfondsverwaltung“ vereinigt und nach Rastatt verlegt. Der Studienfonds Rastatt war damit auch zuständig für die Verwaltung des
Vermögens des aufgelösten Piaristenkollegs in Rastatt. 1817/1818 wurden folgende Rastatter Stiftungsfonds aufgelöst und dem Studienfonds
einverleibt: Prinzessin-Elisabeth-Anniversarienstiftungsfonds, Maria-Einsiedel-Kapellenfonds, Maria-Loretto-Kapellenfond, Hofkreuzkirchenfond,
Hofkreuzkirchenbaufond. In Baden-Baden bestand bis 1835 eine Studienfondsverrechnung fort, die einen Teil des Vermögens der Rastatter
Studienfondverwaltung verwaltete. Ein weiterer Teil des Vermögens wurde bis 1838 durch die ehemalige Schaffnei Sulz in Mahlberg verwaltet.
Im Vermögen des Studienfonds Rastatt gingen noch weitere ältere Schulstiftungen auf. Das Rechnungswesen des Studienfonds Rastatt - wie
das der gesamten Schulverwaltung im Großherzogtum Baden - oblag der Zentralschulfondsverwaltung Karlsruhe, bis 1932 die
Landeshauptkasse diese Aufgabe übernahm (Findbuch zum Bestand 436 des Generallandesarchivs Karlsruhe; Vorbericht zur Rechnung des
ehemaligen Studienfonds Rastatt). Zum Zweck des Studienfonds ist in den Unterlagen der Stiftungsverwaltung (z. B. Oberschulamt Nordbaden,
Schreiben vom 16.06.1964 an die Oberfinanzdirektion Freiburg; Beiheft zur Stiftungsrechnung Vorbericht Studienfond Rastatt 2.) vermerkt:
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„Die Bestimmung dieses auf vorgeschriebene Weise gebildeten Fonds ist hauptsächlich: Zahlung der Besoldungen der Beamten und
des Lehrpersonals am Gymnasium Rastatt, Zahlung von Kompetenzen an mehrere Pfarreien und Fonds, Verabreichung gestifteter
Stipendien und Almosen, Zahlung eines Unterhaltsbeitrags, der Bau und die Unterhaltung des Gymnasiumsgebäudes, der
Gymnasiumskirche, der Maria-Einsiedel-Kapelle sämtlich zu Rastatt und des Chores der katholischen Stadtpfarrkirche zu Baden, die
Anschaffung und Unterhaltung der inneren Einrichtung der Gymnasiumskirche in Rastatt sowie die Zahlung der Gebühren für gestiftete
Messen und Anniversarien.“
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Nach den Akten der Zentralschulfondsverwaltung - als Verrechnung der Staatsschulanstalten (Studienfonds Rastatt) - leistete der ehem.
Studienfonds Rastatt zur Unterhaltung des Chores der Stiftskirche zu Baden folgende Zahlungen: 1945-1956, 29.184 DM; 1959, 10.000 DM;
1960-1961, 16.000 DM; 1962-1965, 29.000 DM; 1968, 185.000 DM und 1974, 56.800 DM. Mit Schreiben vom 20.09.1976 teilte die Beklagte dem
Erzb. Ordinariat u.a. mit, dass auf dem in die Schulstiftung eingegangenen früheren Studienfonds Rastatt die Baulast „des Chores der
katholischen Stadtpfarrkirche zu Baden“ ruhe und fragte gleichzeitig an, ob die zuständigen kirchlichen Stellen einer Ablösung der Baulast nach
den Ablösungsrichtlinien von 1962 grundsätzlich zugeneigt seien. Eine entsprechende Ablösung lehnte der Stiftungsrat der Stiftskirche Baden-
Baden trotz Befürwortung des Erzb. Ordinariats jedoch ab (Schreiben vom 09.04.1979). Im Rahmen der Sitzung des Stiftungsbeirats der
Schulstiftung am 21.05.1979 wurde laut Sitzungsprotokoll festgehalten, dass die Schulstiftung die Bauunterhaltungspflicht für 3 Kirchen habe,
und zwar für die Schlosskirche Rastatt, die Maria-Einsiedel-Kapelle in Rastatt und den Chor und die Sakristei der Stiftskirche Baden-Baden. Der
Stiftungsrat erklärte sich einstimmig damit einverstanden, dass eine jährliche Rücklage in der Höhe von 50.000 DM zur Bestreitung der
Bauaufwendungen für die Kirchen gemacht wird. Mit Schreiben vom 10.07.1979 teilte die Beklagte der Stadt Rastatt mit, dass die
Bauunterhaltungspflicht für die Schlosskirche auf die Schulstiftung übergegangen sei. Unter dem 18.01.1979 führte das Oberschulamt Karlsruhe
in einem Bericht an das Kultusministerium unter dem Punkt „Baulasten“ aus, dass die Baupflicht der Schulstiftung zu dem Chor und der Sakristei
der Stiftskirche in Baden-Baden unbestritten und gegenüber der Kath. Kirchengemeinde Baden-Baden zu erfüllen sei. In Schreiben an die Stadt
Rastatt vom 10.07.1979, 12.01.1981 und 26.11.1981 sowie vom 01.02.1982 an das Finanzministerium Baden-Württemberg wies die Beklagte auf
ihre Baupflicht für die Schloßkirche Rastatt hin. In ihrem Schreiben vom 09.02.1982 an das Kultusministerium Baden-Württemberg verwies sie auf
die laut Beschluss des Stiftungsbeirats jedes Jahr vorgenommenen Rückstellungen in Höhe von 50.000 DM für die Renovierung der Kirchen.
6
Nachdem das Oberschulamt Karlsruhe - Stiftungsverwaltung - unter dem 14.10.1988 eine ausführliche Stellungnahme (Aktenvermerk) zur Frage
der Baulast für die Schlosskirche Rastatt erstellt hatte, teilte es der Klägerin mit Schreiben vom 15.10.1990 und 04.05.1994 unter Hinweis auf den
gesetzlich neu formulierten Zweck des § 113 Abs. 2 SchulG mit, dass es jegliche finanzielle Beteiligung an der Bauunterhaltung der Stiftskirche
mangels entsprechender Rechtsgrundlagen ablehne. Auch die Anerkennung eines Kostenanteils an den Sanierungskosten der Stiftskirche in
Höhe von 916.080 DM, die das Erzb. Ordinariat mit Schreiben vom 17.10.1996 von der Beklagten gefordert hatte, lehnte diese am 05.12.1996
ab. Leistungen des Studienfonds an den Eigentümer der Stiftskirche seien nicht aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung, sondern in Form von
Zuwendungen im Sinne des Stiftungszwecks des Studienfonds Rastatt erfolgt. Die Schulstiftung habe die gesetzliche Regelung des § 113 Abs. 2
SchulG zu vollziehen. Mit Schreiben vom 12.02.1997 und 13.01.1998 forderte das Erzb. Ordinariat die Beklagte erneut ohne Erfolg (Schreiben
der Beklagten vom 21.01.1998) zur Bereitstellung von 898.652 DM zur Finanzierung von Baumaßnahmen auf.
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Während das Kultusministerium Baden-Württemberg die dargelegte Rechtsauffassung der Beklagten teilte, gingen das Finanzministerium
Baden-Württemberg (Schreiben vom 12.11.1987 und 15.08.1988), das Staatliche Liegenschaftsamt Karlsruhe (Schreiben vom 11.06.1979) und
der Rechnungshof Baden-Württemberg (Schreiben vom 13.04.1978) - weiterhin - von einer Bauunterhaltungspflicht für die genannten Kirchen
aus. Das Innenministerium Baden-Württemberg teilte dem Finanzministerium Baden-Württemberg im Hinblick auf die anstehenden
Erhaltungsmaßnahmen an der Schlosskirche in Rastatt mit Schreiben vom 22.03.1990 mit, dass entsprechend der historischen
Rechtsentwicklung davon ausgegangen werden müsse, dass die mit der Baulast verknüpften Verbindlichkeiten vom früheren Studienfonds
Rastatt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unverändert nach § 4 Schulstiftungsverordnung vom 07.11.1977 i. V. m. § 113 SchulG 1976 auf die
Schulstiftung Baden-Württemberg übergegangen seien. Im September/November 1990 schlossen die Beteiligten bezüglich der im Eigentum des
Landes Baden-Württemberg stehenden Schlosskirche Rastatt einen Vergleich (die Maria-Einsiedeln Kapelle - Eigentum der Beklagten - wurde
am 05.12.1997 zum Kaufpreis von 1 DM an das Land Baden-Württemberg veräußert).
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Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 24.06.1999 wandte sich die Klägerin unter ausführlicher Darlegung der Sach- und Rechtslage
erneut an die Beklagte, um diese zur Erfüllung der nach ihrer Auffassung bestehenden Baulastverpflichtung zu bewegen. In der Folgezeit
entfaltete Bemühungen der Beteiligten um eine außergerichtliche Einigung hatten keinen Erfolg. Mit Schreiben vom 27.09.2001 teilte die
Klägerin der Beklagten mit, dass sich die Kostenrechnung für Innen- und Außeninstandsetzung auf insgesamt 3.516.000 DM brutto belaufe; die
Restaurierung der markgräflichen Grabmale belaufe sich auf 650.000 DM. Die Außenfassade des Langhauses war von der Klägerin bereits in
den Jahren 1997/1998 renoviert worden.
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Mit Schreiben vom 19.02.2002 teilte der Vorsitzende des Beirats der Beklagten der Klägerin mit, dass sich aus dem Wortlaut der vorliegenden
Stiftungsurkunde Markgraf Jacobs I vom 10.04.1453 nicht einmal ansatzweise eine Verpflichtung des ehemaligen Kollegiatstifts Baden zur
Erfüllung einer Baulastverpflichtung ableiten lasse. Eine diesbezügliche rechtliche Verpflichtung könne daher auch nicht am 01.08.1976 mit
Inkrafttreten der Neufassung des Schulgesetzes auf die Schulstiftung Baden-Württemberg übergegangen sein. Leistungen des Kollegiatstifts
Baden und des späteren Studienfonds Rastatt zur Bauunterhaltung des Chores der Stiftskirche Baden-Baden seien als Leistungen im Rahmen
des Stiftungszwecks dieser öffentlich-rechtlichen Stiftungen erfolgt. Das Land Baden-Württemberg habe durch die Neuregelung des § 113 Abs. 2
Schulgesetz die dort aufgeführten Einzelstiftungen mit Wirkung vom 01.08.1976 zu einer öffentlich-rechtlichen Schulstiftung Baden-Württemberg
zusammengefasst, deren Zweck die Förderung des Schulwesens und der Elternvertretungen in Baden-Württemberg sei. Die ergänzende
Formulierung in § 113 Abs. 2 Schulgesetz „wobei die bisher Begünstigten besonders zu berücksichtigen sind“ beziehe sich nicht auf frühere
Leistungen an die Kirche. § 2 Abs. 2 der Schulstiftungsverordnung führe aus, dass Begünstigte im Sinne dieser Bestimmung die bisher
begünstigten Gemeinden und das Land seien. Der Gesetzgeber habe für die bisherigen Leistungen der Einzelstiftungen für kirchliche Gebäude
keine Entschädigungsregelung vorgesehen. Die Stiftungsverwaltung habe die gesetzliche Regelung des § 113 Abs. 2 des Schulgesetzes zu
vollziehen. Ein finanzieller Beitrag zur Sanierung der Stiftskirche Baden-Baden könne aus den dargelegten Gründen daher nicht geleistet
werden. Dies gelte umso mehr als die geforderte Summe ein Mehrfaches des Jahresertrags der Schulstiftung betrage. Im Rechnungsjahr
2002/2003 setzte sich das Stiftungsvermögen der Beklagten aus angelegtem Kapital, 12 Gebäuden mit insgesamt 59 Wohnungen, 43
Erbbaugrundstücken, landwirtschaftlichen Grundstücken (ca. 140 ha), Wald (ca. 265 ha) und dem Eigentum am Schulbauernhof in Niederstetten-
Pfitzingen zusammen.
10 Als Ergebnis eines Gesprächs der Beteiligten am 02.07.2002 gab die Beklagte unter dem 07.08.2002 folgende schriftliche Erklärung ab: „Ohne
eine diesseitige Baulastpflicht dem Grunde und der Höhe nach anzuerkennen, erklärt sich die Schulstiftung Baden-Württemberg mit einem
sofortigen Beginn der Außenrenovierung der Stiftskirche Baden-Baden einverstanden und wird diesen Umstand in einem möglichen späteren
Rechtsstreit der Katholischen Kirchengemeinde Baden-Baden nicht entgegenhalten“. Außerdem wurde zwischen der Klägerin und der Beklagten
im Dezember 2003 ein Gutachtervertrag geschlossen, um den Streit über das Bestehen der Baulastverpflichtung der Schulstiftung Baden-
Württemberg für den Chor, die Sakristei und das Marien- und Johanneschörle der Stiftskirche in Baden-Baden zu klären. Festgelegt wurde, dass
das Gutachten keine verbindliche Wirkung für die Beteiligten habe, eine Präjudizierung nicht getroffen werde und der Rechtsweg eröffnet bleibe.
Das vom Gutachter Hans Georgii (Landgerichtspräsident a. D. Mitglied des Staatsgerichtshofs a. D.) unter dem 01.08.2004 erstellte Gutachten
kommt nach umfangreicher Auswertung von Urkunden (1453 bis zum Beginn der 80-iger Jahre) zu dem abschließenden Ergebnis, dass die
Beklagte die Baulast an Chor und Sakristei der Stiftskirche in Baden-Baden zu tragen habe. Im Rahmen eines Gesprächs am 24.11.2004 erklärte
die Beklagte, dass das Gutachten keinen Anlass gebe, die ablehnende Haltung zu ändern; die Baulast werde nicht anerkannt. Weitere
Bemühungen zur Herbeiführung einer vergleichsweisen Einigung scheiterten.
11 Mit Erlass vom 30.01.2006 genehmigte das Erzb. Ordinariat Freiburg für die Außenrenovation des Chorbereichs der Stiftskirche Baukosten
einschl. Baubeitrag in Höhe von 677.800 EUR. In der unter dem 02.05.2007 erstellten Kostenfeststellung - Kostengegenüberstellung
Bruttosummen - des Erzb. Bauamts Heidelberg - Außenstelle Karlsruhe - werden für dieses Projekt verausgabte Baukosten und Baunebenkosten
in Höhe von insgesamt 616.738,61 EUR aufgeschlüsselt dargestellt.
12 Am 21.05.2007 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie beantragt,
13
die Beklagte zu verurteilen, an sie 616.738,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden
Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14 Zur Begründung trägt sie vor, dass die Beklagte zu Unrecht ihre Baulastverpflichtung für den Chor, die Sakristei und das Marien- sowie
Johanneschörle der Stiftskirche in Baden-Baden bestreite, obwohl sie noch unmittelbar nach ihrer Gründung gegenüber dem Erzbischöflichen
Ordinariat die Rechtsnachfolge des Studienfonds Rastatt angezeigt und mitgeteilt habe, dass auf diesem Fonds die Baulast ruhe. Aus den von ihr
in einem Anlagenheft vorgelegten Urkunden ergebe sich, dass die Baulast in den vorangegangen Jahrhunderten nie zur Diskussion gestanden
habe. Der Gutachter Georgii habe in seinem Gutachten vom 01.08.2004 nach Heranziehung zahlreicher weitergehender Akten festgestellt, dass
sich aus allen Urkunden ohne Ausnahme ergebe, dass sämtliche Beteiligten mindestens seit 1582 bis mindestens 1982, also über 400 Jahre,
von einer Baulastverpflichtung der Schulstiftung Baden-Württemberg und ihrer Rechtsvorgänger Kollegiatstift Baden-Baden und Studienfonds
Rastatt für Chor, Sakristei sowie Marien- und Johanneschörlein der Stiftskirche in Baden-Baden ausgegangen seien. Die Kirchenbaulast der
Beklagten beruhe auf Herkommen bzw. Observanz und Anerkenntnis. Die Baulast aufgrund Herkommens bzw. Observanz habe den
ursprünglichen Rechtsgrund, den Stiftungszweck des Kollegiatstifts, abgelöst. Die Stiftungsurkunde aus dem Jahr 1453 spiegele den
unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Gründung des Kollegiatstifts und dem Bau des Chores wider. Wenn es in der Stiftungsurkunde
heiße, dass der „Chorgang löblich zu halten und zu vollbringen“ sei, beinhalte dies auch, dass die Bausubstanz so zu erhalten sei, dass die
Kulthandlungen in dem ihnen angemessenen Rahmen vollzogen werden könnten. Der ursprüngliche Rechtsgrund der Baulast, der
Stiftungszweck, sei durch Herkommen als gewohnheitsrechtlicher Anspruch abgelöst worden. Dem Schriftverkehr sei zu entnehmen, dass die
Leistung nie als freiwillige verstanden, sondern stets in Erfüllung einer Rechtspflicht erbracht worden sei. Auch die Voraussetzungen eines
Gewohnheitsrechts aufgrund Observanz lägen vor und führten zum Anspruch auf Erfüllung der Baulast. Sowohl die Kirchengemeinde vor Ort als
auch der Studienfonds seien von einer rechtlich notwendigen, fortdauernden und gleichmäßigen Übung und der gemeinsamen Vorstellung von
einer Baulastverpflichtung des Studienfonds Rastatt ausgegangen. Dieses Rechtsbewusstsein sei auch nicht auf den engen Kreis vor Ort in
Baden beschränkt gewesen. Er habe sich ebenfalls auf staatliche und kirchliche Behörden wie den katholischen Oberkirchenrat, den
katholischen Oberstiftungsrat Karlsruhe, das Erzbischöfliche Ordinariat, das Badische Ministerium des Kultus und Unterrichts, das
Kultusministerium Baden-Württemberg, den Großherzoglichen Oberschulrat in Karlsruhe, das Regierungspräsidium Südbaden und das
Regierungspräsidium Nordbaden sowie auf die Oberschulämter Karlsruhe und Freiburg und die Stadtverwaltung Baden-Baden erstreckt. Auch
die Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung seien angesichts der Tatsache, dass die Baulast über einen Zeitraum von 400 Jahren
unbestritten ausgeübt worden sei, erfüllt. Eine besondere Bedeutung komme zudem dem Übereinkommen zwischen dem Großherzoglichen
Oberschulamt in Karlsruhe als der oberen Verwaltungsbehörde des Stiftungsfonds Rastatt und dem Kath. Stiftungsrat in Baden vom
14.11./27.11.1899 zu. Denn es sei eine gemeinsame Urkunde erstellt worden, in der zumindest das deklaratorische Anerkenntnis der Baulast
enthalten sei. Die Baulast bestehe auch unverändert in vollem Umfang und unabhängig vom heutigen Stiftungszweck fort. Sie sei weder abgelöst
worden noch durch die Inkorporation des Studienfonds Rastatt an die Schulstiftung entfallen. Mit Schreiben vom 10.03.1966 habe sich das Erzb.
Ordinariat allein mit der Ablösung der Kultkompetenzen einverstanden erklärt, die gegen Zahlung von 810.000 DM abgelöst worden seien. Die
Baulast sei auch nicht mit der Gründung der Schulstiftung aufgrund § 113 Abs. 2 SchulG 1976 entfallen. Die Änderung des Stiftungszwecks sei
für den Fortbestand der Baulast belanglos. Sie könne bestehendes Recht nicht derogieren. § 113 Abs. 2 SchulG habe keine Regelung über den
Fortbestand oder die Aufhebung von Ansprüchen aus Baulast getroffen, die unabhängig vom Stiftungszweck der inkooperierten Stiftungen
bestanden hätten. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung sei auch entbehrlich gewesen. Denn der Rechtsanspruch aus Baulast richte sich
unabhängig vom jeweiligen Stiftungszweck gegen die Stiftungen als juristische Personen. Gehe die baupflichtige Stiftung in einer anderen auf,
werde die Rechtsnachfolgerin ohne weiteren Rechtsakt zugleich Verpflichtete des Anspruchs. Mit dem Fortbestand oder dem Wechsel des
Stiftungszwecks habe der Übergang der Verpflichtung nichts zu tun. Die Änderung des Stiftungszwecks sei kein Mittel zur Befreiung von
Rechtsverbindlichkeiten. Dies werde auch durch § 113 Abs. 1 SchG bestätigt, der zeige, dass der Landesgesetzgeber selbst der Auffassung sei,
dass kirchliche Ansprüche auf den Rechtsnachfolger bei einer Auflösung der Stiftung übergingen. Erst recht müsse dies bei einer bloßen
Inkorporation in eine andere Stiftung gelten. Der Wegfall der Baulast durch § 113 Abs. 2 SchulG würde auch der Verfassung widersprechen, da
diese durch Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 2 Weimarer Reichsverfassung verfassungsrechtlich geschützt sei. Baulasten seien darüber hinaus
in gleichem Umfang durch die Landesverfassung nach Art. 5 i. V. m. Art. 140 GG und Art. 139 Abs. 2 WRV sowie Art. 7 Abs. 1 Landesverfassung
geschützt. Eine Enteignung sei nicht möglich. § 113 Abs. 2 SchG bedürfe daher zwingend eine verfassungskonformen Auslegung. Die Baulast
sei eine Kostendeckungs- und Bedarfsleistungspflicht. Sämtliche in der Kostenberechnung aufgeführten Arbeiten seien erforderlich, um die
bauliche Anlage zu erhalten.
15 Die Beklagte beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17 Sie trägt vor, dass eine Baulast hinsichtlich der Unterhaltung von Chor und Sakristei der Stiftskirche in Baden-Baden weder ursprünglich durch
den Stifter, Markgraf Jakob von Baden, noch später durch Herkommen, Observanz, unvordenkliche Verjährung oder Anerkenntnis zu Lasten des
Kollegiatstifts Baden bzw. des Studienfonds Rastatt begründet worden sei. Spätestens mit der Auflösung des Studienfonds Rastatt und der
Zusammenfassung dieser Altstiftung mit 11 weiteren Altstiftungen zur Schulstiftung Baden-Württemberg sei eine etwaige Baulastverpflichtung
entfallen. Aus der erwähnten Formulierung in der Stiftungsurkunde von 1453 „Gottesdienst, und den Chorgang löblich halten und vollbringen [...]
mit Nahmen die frohnmess und seelmess sollen durch den Chor gehen“ könne, wie der Sachverständige Georgii auch ausgeführt habe, keine
Baulast an dem Chor der Stiftskirche hergeleitet werden. Der Stiftungszweck sei auch in der Folge weder zu Lasten des Kollegiatstifts noch zu
Lasten des 1808 an seine Stelle getretenen Studienfonds Rastatt in dieser Weise ausdrücklich auf die Übernahme der Baulast für Chor und
Sakristei der Stiftskirche in Baden-Baden erweitert worden. Aus vertragsersetzendem Herkommen könne die Baulast nicht hergeleitet werden.
Das auf das II. Konstitutionsedikt vom 14.07.1807 zurückgehende und 1870 erstmals in die Form eines umfassenden Gesetztes gebrachte
badische Stiftungsrecht sei maßgeblich vom Grundsatz der Unabänderbarkeit des Stifterwillens bestimmt. Nur unter ganz eingeschränkten
Umständen sei es möglich gewesen, das Vermögen einem anderen öffentlichen Zweck zu widmen. Auch die Neufassung des Stiftungsgesetzes
im Jahr 1919 habe an der ausschlaggebenden Bedeutung von Stifterwille, Stiftungsvermögen und Stiftungszweck nichts geändert. Der
Stifterwille beanspruche absolute Geltung gegenüber jedermann, auch gegenüber der Staatsgewalt. Eine Ersetzung/Ergänzung des
Stifterwillens durch vertragsersetzendes Herkommen sei deshalb ausgeschlossen. Die fragliche Kirchenbaulast sei auch nicht aufgrund von
Observanz begründet worden. Auch der Gutachter Georgii setze sich insoweit über die Voraussetzung hinweg, dass sich die Übung über den
engen Kreis eines nur zwischen zwei Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnisses hinaus erstrecken und der fragliche Rechtssatz aus
rechtserheblichen Vorgängen außerhalb dieses Kreises gewonnen werden muss. Es gehe hier aber nicht um eine allgemeine
Baulastverpflichtung bezüglich kirchlicher Gebäude im Wirkungsbereich des Studienfonds Rastatt. Selbst wenn von Seiten der damit befassten
Behörden und von Seiten der Klägerin über viele Jahre hinweg rechtsirrig angenommen worden sein sollte, der Studienfonds sei für die
Übernahme der Kosten für die Instandsetzung und Unterhaltung von Chor und Sakristei der Stiftskirche verpflichtet, sei keine Observanz
begründet, sondern seien überobligatorische, freiwillige Leistungen erbracht worden. Auch die Voraussetzungen einer unvordenklichen
Verjährung seien aus den Gründen, die gegen ein vertragsersetzendes Herkommen sprächen, nicht gegeben. Außerdem habe zum Zeitpunkt
der Klageerhebung die letzte Kostenübernahme zu Gunsten der Stiftskirche durch den Studienfonds Rastatt mehr als 30 Jahre zurückgelegen.
Die 1976 gegründete Schulstiftung habe seit ihrer Gründung keine Mittel mehr für die Unterhaltung von Chor und Sakristei der Stiftskirche zur
Verfügung gestellt. Damit könne für die zurückliegenden 40 Jahre keine positive Erinnerung an die Erfüllung entsprechender Verpflichtungen
durch die Beklagtenseite bestehen. Auch die von der Klägerin angestellten Erwägungen im Zusammenhang mit der Schulgesetznovelle von
1976 seien unzutreffend. Eine Gesamtrechtsnachfolge, vermittels derer ein ganzes Vermögen nebst aller Rechte und Pflichten auf den Erwerber
übergehen solle, könne nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen unter den dort tatbestandlich bestimmten Voraussetzungen kraft
ausdrücklicher Anordnung eintreten. An einer solchen ausdrücklichen Anordnung fehle es. § 113 Abs. 2 SchulG sage nichts zur Rechts- oder
Funktionsnachfolge. Alle ursprünglichen Stiftungen seien daher durch ihre Zusammenlegung aufgelöst worden und untergegangen. Gleichzeitig
sei eine neue Stiftung entstanden. Eine Gesamtrechtnachfolge sei bezüglich der Altstiftungen erst durch § 4 Abs. 1 der SchulstiftungsVO des
Kultusministeriums vom 07.11.1977 vorgesehen worden. Zu diesem Zeitpunkt seien die Altstiftungen aber bereits aufgelöst gewesen und nicht
etwa in die Schulstiftung inkorporiert worden. Die Widmung des in der Schulstiftung vereinigten Vermögens sei unter gleichzeitigem Wegfall der
Stiftungszwecke der in der Schulstiftung zusammengefassten Altstiftungen abschließend erfolgt, und zwar mit der Formulierung „Förderung des
Schulwesens und der Elternvertretungen in Baden-Württemberg“. Wenn es im gleichem Zusammenhang heiße, die von den bisherigen
Stiftungen Begünstigten seien dabei besonders zu berücksichtigen, so seien damit nicht etwa bestehende Rechtspositionen wie der hier
behauptete Baulastanspruch der Klägerin gemeint. Die verfassungsrechtliche Würdigung des § 113 Abs. 2 SchulG sei nicht relevant oder
entscheidungserheblich, da weder dem früheren Kollegiatstift Baden-Baden noch dem an seine Stelle getretenen Studienfonds Rastatt die
Baulast für Chor und Sakristei oblegen habe.
18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze (nebst
Anlagenheft der Klägerin) und die der Kammer vorliegenden Akten der Beklagten (22 Bände) verwiesen. Die Gerichtsakte des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg Az.: 9 S 164/83 (Normenkontrollsache Stadt Rastatt ./. Land Baden-Württemberg) wurde
beigezogen.
Entscheidungsgründe
19 Die Klage ist zulässig.
20 Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da die zwischen den Beteiligten streitige Kirchenbaulast als öffentlich-
rechtliche Verpflichtung zu qualifizieren ist (vgl. hierzu Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 90 mit einer ausführlichen Darstellung der
Entwicklung des Meinungsstandes, S. 69 ff; BVerwG, Urt. v. 03.11.1967, BVerwGE 28, 179, Urt. v. 23.04.1971, BVerwGE 38, 76 und Beschl. v.
31.08.1978, Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 24). Die Klage, mit der die Klägerin als kirchliche Rechtsträgerin ein Zahlungsbegehren gegenüber der
Beklagten als Baulastträgerin verfolgt (zur Baulastverpflichtung als Geldleistungspflicht, vgl. Lindner, a. a. O., S. 324 ff ) ist als allgemeine
Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Dem Erfordernis eines der Klageerhebung vorausgehenden Antrags bei der Beklagten
(vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Aufl. 2009, § 42 Abs. 1 Rdnr. 156 m.w.N.) ist in Anbetracht der
schriftlichen Erklärung der Beklagten vom 07.08.2002 genügt, mit der diese sich mit einem sofortigen Beginn der Außenrenovierung der
Stiftskirche Baden-Baden einverstanden erklärt hat, ohne eine ihr obliegende Baulastpflicht dem Grunde und der Höhe nach anzuerkennen.
Dem vom Gutachter Georgii unter dem 01.08.2004 erstellten Gutachten kommt nach dem zwischen den Beteiligten im Dezember 2003
geschlossenen Gutachtervertrag keine verbindliche Wirkung zu; der Rechtsweg bleibt danach eröffnet, so dass das Rechtsschutzbedürfnis für
die vorliegende Leistungsklage nicht entfallen ist.
21 Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Aufwendungen in Höhe
von 616.738,61 EUR für die Instandsetzung des Chorbereichs der Stiftskirche in Baden-Baden aus einer zu ihren Gunsten bestehenden
Kirchenbaulast zu. Die Baulast für den Chor der Stiftskirche ist wirksam begründet worden (I.). Sie ist auch nicht durch spätere Ereignisse
verändert worden oder untergegangen (II.). Schließlich bestehen auch gegen die Höhe des geltend gemachten Anspruchs aus der
Kirchenbaulast keine Bedenken (III.).
I.
22 Unter dem Begriff Kirchenbaulast versteht man die rechtliche Verpflichtung einer natürlichen oder juristischen Person, kirchliche Gebäude
erstmals zu errichten, zu erweitern, instandzusetzen oder wieder zu errichten (zur Definition vgl. Böttcher, Baulast an Kirchengebäuden,
HdbStKirchR II, 2 Aufl. 1995, § 39 S. 20; Lindner, a. a. O. S. 6). Kennzeichnend für alle Objekte der Kirchenbaulast ist der unmittelbare oder
mittelbare Bezug zur Religionsausübung. Die primäre Baulast obliegt regelmäßig den Kirchenstiftungen (frühere Bezeichnung: u. a.
„Kirchenfabrik“). Sie sind daher zunächst verpflichtet, für den baulichen Unterhalt der kirchlichen Gebäude aufzukommen. Aufgrund allgemeiner
oder besonderer Rechtstitel kann aber auch Dritten - entweder ganz oder nur an Teilen des Kirchengebäudes - eine primäre Baulast auferlegt
sein (Böttcher, a. a. O., S. 22).
23 Das Baulastrecht beruht auf vielfältigen Rechtsquellen. Geistliches und weltliches Recht, geschriebenes Recht und Gewohnheitsrecht bilden die
Grundlagen. Sofern das primär anzuwendende Recht keine einschlägige Regelung trifft, ist das subsidiär geltende Recht heranzuziehen, von
dem es wiederum durch die örtliche Baulastübung Abweichungen geben kann (Böttcher, a. a. O., S. 27). Anspruchsgrundlagen der kirchlichen
Baulast können danach neben materiellen Gesetzen (landesrechtlichen Regelungen) und gemeinem Recht u. a. Verträge, Anerkenntnisse und
Vergleiche (Baulasten aufgrund Rechtsgeschäfts), Gewohnheitsrecht, (Lokal-)Observanz und Herkommen (Baulasten aufgrund eines
gewohnheitsrechtlichen oder gewohnheitsrechtsähnlichen Tatbestands) sowie rechtskräftige Entscheidungen von Verwaltungsbehörden oder
Gerichten (Baulasten aufgrund Hoheitsakts) sein (vgl. Böttcher, a. a. O., S. 27 ff;. Lindner, a. a. O., S. 100 ff). Unter Gewohnheitsrecht wird die
Gesamtheit derjenigen Normen verstanden, deren Geltung darauf beruht, dass sie tatsächlich geübt werden, ohne von einem Hoheitsträger im
Wege eines förmlichen Rechtsetzungsverfahrens verbindlich erlassen worden zu sein. Rechtliche Verbindlichkeit erlangt eine derartige
tatsächliche Übung dadurch, dass sie in dem Bewusstsein erfolgt, „damit einem Gebot des Rechts nachzukommen“, mithin Ausdruck einer sie
begleitenden Rechtsüberzeugung der „Rechtsgenossen“ ist. Die Entstehung von Gewohnheitsrecht setzt also ein Doppeltes voraus: eine
langjährige, kontinuierliche und allgemeine Übung unter den Rechtsgenossen, zum anderen eine entsprechende Überzeugung der
Rechtsgenossen dahingehend, dass diese Übung rechtens sei (Lindner, a. a. O., S. 120). Unter (Lokal-)Observanz - als besondere Ausprägung
des allgemeinen Gewohnheitsrechts - ist das auf das Gebiet einer politischen oder kirchlichen Gemeinde oder einen auf andere Weise eng
begrenzten örtlichen Bereich beschränkte Gewohnheitsrecht im Sinne einer objektiven Rechtsnorm zu verstehen, dass aus einer „auf Grund
innerer Überzeugung gepflogenen fortdauernden und gleichmäßigen Übung“ hervorgegangen ist (vgl. RG, Urt. v. 14.03.1921 - VI 484/20 -, RGZ
102, 12). Dabei setzt die Bildung einer Observanz, die als Rechtsnorm erkennbar sein muss, voraus, dass „die Übung sich über den engen Kreis
eines Rechtsverhältnisses und zweier Beteiligter hinaus erstrecken“ und der „Rechtssatz aus rechtserheblichen Vorgängen außerhalb dieses
Kreises gewonnen“ werden muss (RG a. a. O., S. 13/14). Im Gegensatz zur Observanz genügt für das Vorliegen einer tatsächlichen Übung im
Falle des Herkommens, dass diese Übung sich auf ein zwischen zwei Beteiligten bestehendes Rechtsverhältnis bezieht. Wie bei der Observanz
ist eine ständige oder zumindest langjährige und kontinuierliche Übung erforderlich, für die auch hier eine bestimmte Zeitdauer nicht
vorausgesetzt wird. In dieser beständigen Übung wird durch gegenseitige Anerkennung eine vertragsmäßige Abmachung ersetzt (vgl.
Staudinger/Detlef Merten, BGB, 2005 Art. 132 EGBGB I. c Rdnr. 8 m. w. N.; Lindner, a. a. O., S. 124). Auch im Falle des Herkommens muss zur
tatsächlichen Übung als Voraussetzung die Überzeugung der beteiligten Personen treten, zu dieser Übung von Rechts wegen verpflichtet zu
sein (Lindner, a. a. O., S. 125).
24 Zu den gewohnheitsrechtsähnlichen besonderen Baulasttiteln gehören auch die erwerbende und die unvordenkliche Verjährung. Diese werden
zum Teil mit dem Herkommen gleichgesetzt und bilden dann lediglich eine andere Bezeichnung für dasselbe Rechtsinstitut (so in der
bayerischen Rechtsprechung; vgl. Böttcher, a. a. O., S. 32). Ansonsten wird die unvordenkliche Verjährung als eigenständige Rechtsfigur
angesehen. Ihr liegt der im Rechtskreis des gemeinen Rechts allgemein anerkannte Gedanke zugrunde, dass ein Zustand, der seit
„unvordenklicher Zeit“ wie ein dem Recht entsprechender Zustand bestanden hat, Anerkennung und Schutz der Rechtsordnung verdient. Das gilt
gleichermaßen für den Erwerb wie für den Verlust subjektiver Rechte und Pflichten. Die unvordenkliche Verjährung findet im Rechtskreis des
gemeinen Rechts auch auf kirchliche Baulasten Anwendung, unabhängig davon, ob diese im betreffenden Fall dinglicher oder schuldrechtlicher
Natur sein mögen (Lindner, a. a. O. unter Hinweis auf RG, Urt. v. 22.04.1890, RGZ 26, 170 [171]). Fraglich ist, ob die unvordenkliche Verjährung -
sofern man sie nicht ohnehin mit dem Herkommen gleichsetzt - ein selbständiges, rechts- und pflichtbegründendes Institut darstellt, oder ob es
sich bei ihr um eine bloße Beweisregel im Sinne einer Vermutung für das Bestehen der lange Zeit anerkannten Rechte und Pflichten handelt.
Während die Rechtsprechung des Reichsgerichts die unvordenkliche Verjährung teils als Beweisregel, teils als selbständigen
Erwerbstatbestand auffasste (Urt. v. 08.07.1887, RGZ 18, 256 [259] einerseits; Urt. v. 12.03.1889, RGZ 23,147 [152 f.] andererseits), ließ der
Bundesgerichtshof die Frage zwar offen, neigte aber der von ihm als „herrschend“ bezeichneten Ansicht zu, die unvordenkliche Verjährung sei
kein selbständiger Erwerbstitel, sondern begründe nur eine Rechtsvermutung (vgl. hierzu Lindner, a. a. O. S. 133 unter Hinweis auf das Urteil des
BGH vom 14.01.1955, ZevKR 7 - 1959/60 -, S. 84 ff.). Nach heutiger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum dürfte unbestritten sein, dass
dann, wenn die Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung erfüllt sind, eine Vermutung dafür besteht, dass das geltend gemachte Recht
tatsächlich entstanden ist. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die unvordenkliche Verjährung eine Beweisregel und keine
selbständige Anspruchsgrundlage für kirchliche Baulasten darstellt (vgl. hierzu Staudinger/Detlef Merten, BGB, 2005 Art. 132 EGBGB I. d Rdnr. 9
m. w. N.; Lindner, a. a. O., S. 134).
25 Ausgehend von den genannten möglichen Anspruchsgrundlagen der kirchlichen Baulast nimmt die Kammer an, dass sich eine - auf die Beklagte
übergegangene - primäre Baulastverpflichtung des Kollegiatstifts und/oder des Studienfonds Rastatt zur baulichen Instandhaltung des Chores
der Stiftskirche Baden-Baden gegenüber der Klägerin nicht aus geschriebenem Recht, einer bestimmten stiftungsmäßigen Widmung, einem
Vertrag, einem Anerkenntnis oder einer sonstigen rechtsverbindlichen (Vergleichs-)Vereinbarung ergibt. Der Annahme, dass einer dieser
Baulasttitel zugunsten der Klägerin eingreift, dürfte entgegenstehen, dass hierfür sprechende, hinreichend gesicherte, tragfähige Tatsachen
weder dargetan noch sonst ersichtlich sind. Sie lassen sich insbesondere nicht den im Gutachten vom 01.08.2004 wiedergegebenen - von den
Beteiligten nicht angezweifelten - (Teil-)Inhalten der vom Gutachter Georgii herangezogenen zahlreichen Urkunden entnehmen und sind auch
nicht in den von der Klägerin ergänzend - in Kopie - vorgelegten Unterlagen (Anlagenheft) oder den von der Beklagten vorgelegten Akten (die
sich ohnehin im Wesentlichen auf Vorgänge nach 1976 beschränken) enthalten.
26 Einer Auseinandersetzung mit der weiteren Frage, ob sämtliche, vom Gutachter Georgii angenommenen Tatbestandsvoraussetzungen einer
kirchlichen Baulast aus Observanz erfüllt sind, was die Beklagte bestreitet, bedarf es nicht. Auch für eine Abgrenzung des besonderen
Baulasttitels Observanz von dem seitens des Gutachters - hilfsweise - angenommenen gemeinrechtlichen Institut des Herkommens und für eine
Prüfung der Entstehungsvoraussetzungen des vertragsersetzenden Herkommens besteht im vorliegenden Fall kein Bedürfnis. Denn nach
Auffassung der Kammer greift hier jedenfalls die Beweisregel der unvordenklichen Verjährung ein und begründet - zunächst - die Vermutung,
dass zugunsten der Klägerin ein Baulastanspruch rechtswirksam entstanden ist, der ursprünglich das Kollegiatstift und später den Studienfonds
Rastatt zur baulichen Instandhaltung des Chores der Stiftskirche Baden-Baden verpflichtete. Unvordenkliche Verjährung erzeugt eine Vermutung
für die ordnungsgemäße Entstehung eines Rechts, so dass der Nachweis irgend eines besonderen Rechtstitels nicht mehr erforderlich ist (vgl.
Hess. VGH, Urt. v. 25.10.1961 - OS II 80/59 -, ESVGH 12, 165 m. w. N.).
27 Die im Mittelalter im kanonischen Recht entstandene unvordenkliche Verjährung (vgl. hierzu Staudinger/Frank Peters, BGB, 2004,
Vorbemerkungen zu §§ 194 ff) hat zur Voraussetzung, dass das geltend gemachte Recht ohne Unterbrechung über Menschengedenken hinaus
ausgeübt bzw. die geltend gemachte Leistungspflicht während dieser unvordenklichen Zeit nicht freiwillig erfüllt wurde. Erforderlich ist insoweit in
der Regel eine (widerspruchslose) Rechtsausübung während 80 Jahren. Das Recht muss während der letzten 40 Jahre in diesem Sinne
ausgeübt worden sein; im Übrigen muss feststehen, dass ein anderer Rechtszustand auch in den 40 Jahren davor nicht bekannt gewesen ist. Auf
Unvordenklichkeit kann jedes Rechtsverhältnis gestützt werden, bei dem eine fortdauernde Rechtsausübung möglich und eine rechtmäßige
Entstehung denkbar ist (vgl. hierzu Gröpper, Gewohnheitsrecht, Observanz, Herkommen und Unvordenkliche Verjährung - Eine
Zusammenstellung des Schrifttums und der Rechtsprechung -, DVBl. 1969, 945 m. w. N.). Der Anspruchsteller hat demnach zweierlei zu
beweisen: das ununterbrochene Bestehen des als Recht beanspruchten Zustands über einen Zeitraum von mindestens vierzig Jahren und das
Fehlen einer Erinnerung an einen gegenteiligen Zustand für einen weiteren Zeitraum von vierzig Jahren zuvor. Macht demgegenüber der
Anspruchsgegner das Nichtbestehen des Zustands bzw. der Übung für einen mehr als achtzig Jahre zurückliegenden Zeitpunkt geltend - wofür
ihm seinerseits der Beweis obliegt - so vermag dies die in der Unvordenklichkeit zum Ausdruck kommende Vermutung nur dann zu widerlegen,
wenn der fragliche Zustand nachweislich unrechtmäßig entstanden war und zwischen dieser Unrechtmäßigkeit und dem späteren Zustand ein
ununterbrochener Zusammenhang besteht (Lindner, a. a. O., S. 135).
28 Maßgeblicher zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Vollendung der unvordenklichen Verjährung und die daran anknüpfende Vermutung, dass
eine Baulastverpflichtung entstanden ist, ist vorliegend - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht der Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr
2007. Bezogen auf das Kirchenbaulastrecht kann es insoweit auch nicht entscheidend darauf ankommen, wann zuletzt die Leistungspflicht durch
Zahlung angefallener Kosten erfüllt worden ist, oder ob der bestehende Zustand zwischen den Beteiligten stets unumstritten war (vgl. zu
letzterem BGH, Urt. v. 04.02.1955, BGHZ 16, 234 zu einem wasserrechtlichen Fall). Denn bei einer solchen Vorgehensweise hätte es der
Anspruchsgegner mit einer „Zurückrechnung“ von vornherein in der Hand, ohne Rücksicht auf einen - wie hier - sich über mehrere Jahrhunderte
hinweg erstreckenden Zustand, bestimmte, sehr lange zurückliegende Zeiträume der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung zu entziehen.
Dies bedeutet nicht, dass zu Vorgängen in der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit keine Feststellungen zu treffen und diese nicht zu
bewerten sind. Sie sind vielmehr für die Frage von Bedeutung, ob eine in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bereits vollendete
unvordenkliche Verjährung dauerhaft unterbrochen worden ist oder durch eine andersartige dauernde Übung geendet hat. Auf diese Art und
Weise wird auch den sich aus der schuldrechtlichen Natur der Kirchenbaulastverpflichtung (die in der Regel vorliegt) ergebenden
Besonderheiten Rechnung getragen. Da sich die aus der Kirchenbaulast ergebenden Leistungspflichten nicht in ihrer einmaligen Erbringung
erschöpfen, sondern - über einen theoretisch unbestimmten Zeitraum hinweg - wiederkehrend immer dann wahrzunehmen sind, wenn eine
„Baufallwendung“ (also ein konkretes Baubaubedürfnis) eingetreten ist, ist mit der Erbringung einer solchen Leistung grundsätzlich keine
Erfüllungswirkung verbunden, die das Schuldverhältnis (entsprechend § 362 BGB) zum Erlöschen brächte. Bei den danach regelmäßig als
Dauerschuldverhältnisse zu behandelnden Kirchenbaulastverpflichtungen ist deshalb zwischen den mit der jeweiligen „Baufallwendung“ fällig
werdenden Einzelansprüchen und der den Baulastpflichtigen zur generellen Übernahme der Baulast verpflichtenden Gesamtanspruch als
„Stammrecht“ zu unterscheiden (vgl. hierzu Lindner, a.a.O., S. 95 u. 98).
29 Ausgehend von diesen Grundsätzen bildet die unvordenkliche Verjährung im vorliegenden Fall - zunächst - einen Beweisgrund dafür, dass eine
Kirchenbaulastverpflichtung des Kollegiatstifts zur Instandhaltung des Chors der Stiftskirche zugunsten der Klägerin spätestens Anfang des 19.
Jahrhunderts ordnungsgemäß entstanden war. Bereits das vom Gutachter Georgii unter II: Nr. 1 seines Gutachtens vom 01.08.2004 genannte
Libell von 1582, das beschreibt, wer „in der Markgrafschaft Baaden die Gottes- und Pfarrhäuser zu erhaltten hatt“, geht bezüglich des
„Kirchenbaus zu Baaden“ nach seinem Wortlaut klar und unmissverständlich von einer entsprechenden verbindlichen Erhaltenspflicht des
Kollegiatstifts für den Chor aus und verdeutlicht diese Verpflichtung insbesondere durch die Abgrenzung zu dem von der „Fabric“ gehaltenen
„langen Werkh und Thurm“. Auch in der nach den Angaben des Gutachters (II. Nr. 2, Seite 4) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt nach
1769 gefertigten, u. a. den Bau und die Unterhaltung der Kirchen und Pfarrhäuser in der Stadt Baden betreffenden Tabelle des „Amts Baden“, ist
u. a. mit dem Hinweis auf das Amtslagerbuch von 1627 die Verpflichtung des Kollegiatstifts zur Erhaltung des Chores der Stifts- und Pfarrkirche
und - im Gegensatz dazu - die der Kirchenfabrik für das Langhaus samt Turm, Glocke und Orgel festgehalten. Einem in den Unterlagen des
Generallandesarchiv Karlsruhe im Bestand 195 (Baden Stadt) enthaltenen Schriftwechsel des Jahres 1711 ist nach den - unbestrittenen -
Angaben des Gutachters (II. Nr. 3, S. 4) ebenfalls zu entnehmen, dass für die Unterhaltung der Kirche und des Turms der Stiftskirche die
Kirchenfabrik zuständig war, während nach einem Visitationsprotokoll von 1701 „die Herren Kanoniker“ den Chor des Kollegiatstifts zu
unterhalten hatten. Weiterhin wird in einem Beschluss des „Großherzoglichen Katholischen Ober-Kirchenraths“ vom 06.08.1852 zur Feststellung
der Baupflicht des Studienfonds Rastatt gegenüber dem „Verwaltungsrathe für den Lyceumsfond in Rastatt“ Bezug genommen „auf die im
Großherzoglichen Generallandesarchiv beruhende Beschreibung der Markgräflichen Rechte in Ecclesiasticis aus dem 16 Jahrhundert“, wo es
heiße, es müsse „das Stift den Chor und die Fabrik das Langwerkh unterhalten“, auch müsse „das Stift das Salvechörlein und die Sakristei“ im
Bau erhalten“ (Gutachten Georgii II. Nr. 7, S. 4).
30 Eine Gesamtwürdigung dieser eindeutigen und übereinstimmenden Urkundeninhalte begründet nach den Grundsätzen der unvordenklichen
Verjährung die Vermutung, dass - schon - dem Kollegiatstift die rechtsverbindliche Baupflicht zur Instandhaltung des Chores der Stiftskirche
Baden-Baden oblag. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass entsprechende Leistungen nur auf freiwilliger Grundlage zu erbringen waren oder dass
die Annahme einer rechtlich verbindlichen Baulastverpflichtung auf einem Irrtum der Beteiligten beruhte, finden sich nicht. Auch der Umstand,
dass für den relativ langen Zeitraum von über 300 Jahren, in dem das Kollegiatstift bestanden hat, nur wenige schriftliche Zeugnisse vorhanden
sind, die eine Vermutung für eine ordnungsgemäße Entstehung der Kirchenbaulast bezüglich des Chores der Stiftskirche kraft unvordenklicher
Verjährung erzeugen können, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Bedeutung und Aussagekraft der vorliegenden Urkunden ist nur dann
sachgerecht und zutreffend zu erfassen, wenn auch die bei ihrer Entstehung jeweils maßgeblichen historischen, sozialen und kulturellen
Gegebenheiten Berücksichtigung finden. Im Hinblick auf das in die Geschichte und Entwicklung der Markgrafschaft Baden-Baden eingebundene
Kollegiatstift sind in dieser Hinsicht insbesondere zu erwähnen: die politische Teilung der Markgrafschaften 1535 unter Markgraf Ernst und
Markgraf Bernhard III, die Zeit der Reformation und der Gegenreformationen (erste und zweite Rekatholisierung) während der Zeit der
Vormundschaftsregierungen für Markgraf Philibert und Philipp II ab 1569 und - nach der oberbadischen Okkupation (1594 bis 1622) - durch
Markgraf Wilhelm, die Reorganisation und Wiederherstellung des Kollegiatstifts 1634 und nach dem dreißigjährigen Krieg, der pfälzische
Erbfolgekrieg ab 1688 und die Zerstörung der Markgrafschaft Baden-Baden 1689, der anschließende Wiederaufbau des Landes durch Markgraf
Ludwig Wilhelm ab 1697, das Aussterben der katholischen Linie Baden-Baden mit Markgraf August Georg Simpert 1771 sowie der Übergang
des Erbes auf die evangelische Linie Baden-Durlach (vgl. zu den geschichtlichen Einzelheiten, Trenkle, Geschichte der Pfarrei und des
Collegiatstiftes zu Baden-Baden, Freiburger Diözesan-Archiv Band 20, 1889, S. 65f; Andermann, Die Urkunden des Kollegiatstifts Baden,
Freiburger Diözesan-Archiv Band 117, S. 5 -10; Bühler, Baden-Baden, Die Residenz der Markgrafen von Baden, 2009, Landeskundlicher
Exkursionsführer, S. 2 -7).
31 Das im Jahr 1800 in ein Schulstift umgewandelte Kollegiatstift hat diese nur beispielhaft angeführten, mit für die Markgrafschaft Baden-Baden
weitreichenden Folgen verbundenen historischen Ereignisse alle überdauert. Sein - in den Zeiten der Entbehrungen allerdings geringes -
Vermögen wurde von den Landesherren, den Markgrafen von Baden, im Verlauf der Reformation nicht eingezogen. Es war auch grundsätzlich
nicht von den einschneidenden Eingriffen der Säkularisation nach dem Frieden von Lunéville (1801) und nach dem
Reichdeputationshauptschluss vom 25.02.1803 betroffen. Belegt wird dies insbesondere durch einen Erlass des Markgrafen Karl Friedrich zum
IV. Organisationsedikt vom 14.02.1803 (abgedruckt bei Hermann Schmid, Die Säkularisation der Klöster in Baden 1802-1811, Freiburger
Diözesan-Archiv, Band 99, S. 330), in dem dieser unter Hinweis auf die Bedeutung des Chores der Stiftskirche als Grablege der markgräflichen
Familie und der erworbenen Verdienste des Kollegiatstifts um das „gemeine Wesen“ ausdrücklich verfügte, dass das Kollegiatstift erhalten bleibt.
Sichtbares Zeichen der Bedeutung des Chores der Stiftskirche in dieser Zeit war auch, dass Markgraf Karl Friedrich - noch - 1808 die Leiche des
Sohnes Markgraf Christophs, des Erzbischofs und Kurfürsten von Trier, Markgraf Jacob II (gestorben 1531), überführen und im Chor der
Stiftskirche bestatten ließ (vgl. Trenkle, a. a. O., S. 67). Ein gewichtiges Indiz für die - entstandene und fortbestehende Baupflicht - des
Kollegiatstifts zur Instandsetzung des Chores der Stiftskirche stellt schließlich auch das Bauedikt Karl Friedrichs vom 26.04.1808 (Gesetz, die
Kirchen- und Schulbaulichkeiten betreffend, Reg.Bl. S. 114ff) dar, dass als Auslegungsregel „für unaufgeklärte und streitige Fälle“ gilt (Art. 31
Bauedikt) und mit der in Art. 1 Bauedikt definierten Rechtsfigur des Baufaktums („dass jemand einmal einen Bau oder eine Hauptausbesserung
desselben in seinen Kosten hergestellt habe“), ebenso wie der hier anwendbare Baulasttitel der unvordenklichen Verjährung, eine widerlegliche
Vermutung für das Bestehen einer in der Vergangenheit begründeten Baupflicht erzeugt (vgl. Lindner, a. a. O., S. 110).
32 Eine Widerlegung der hiernach begründeten Vermutung, dass der materiell-rechtliche Anspruch auf Tragung der Baupflicht durch das
Kollegiatstift entstanden ist, ist der Beklagten nicht gelungen. Sie kann sich zunächst nicht mit Erfolg darauf berufen, dass schon aufgrund des
Inhalts der Stiftungsurkunde Markgraf Jacobs I von 1453 zu keinem - späteren - Zeitpunkt eine Baulastverpflichtung rechtswirksam entstehen
konnte. Allerdings geht die Kammer in Übereinstimmung mit der Beklagten und dem Gutachter Georgii davon aus, dass sich der
Stiftungsurkunde von 1453 selbst weder ausdrücklich noch sinngemäß eine Regelung darüber entnehmen lässt, dass die Baulast am Chor der
Stiftskirche Baden-Baden - zukünftig - das Kollegiatstift zu tragen hat. Die von der Klägerin angeführten Formulierungen, dass der „Chorgang
löblich“ zu halten und zu vollbringen ist und ....mit „Nahmen die Frohmess und seelmess durch den Chor gehen sollen“ können, wie der
Gutachter Georgii und die Beklagte ausführlich und überzeugend dargelegt haben, nur als die religiöse Ordnung bzw. die kultische Handlungen
betreffende Anweisungen begriffen werden.
33 Dass sich der Stiftungsurkunde von 1453 keine Festlegungen zum Bau und zur Erhaltung der Bausubstanz des Chores der Stiftskirche Baden-
Baden entnehmen lassen, belegt entgegen der Auffassung der Beklagten indes nicht, dass eine entsprechende Baulastverpflichtung des
Kollegiatstifts nicht begründet werden sollte und nicht begründet werden konnte. Der (Neu-) Bau der Stiftskirche Baden-Baden fiel in eine Zeit, in
der Staat und Kirche zur geistlich-weltlichen Einheit verbunden und staatlich-weltliches und kirchliches Recht nicht zu trennen waren (vgl. im
Einzelnen, Lindner, a. a. O. S. 35 f.). Aus dem Umstand, dass das gottesdienstliche Leben religiöses Fundament des Daseins war, resultierte
auch das Selbstverständnis des Staates, der Gemeinden und der Stiftungen entweder primär oder subsidiär für den baulichen Unterhalt der
Kirchen aufzukommen. Zur Festlegung einer Unterhaltspflicht in Form der Instandhaltung bestand sowohl vor diesem Hintergrund als auch
angesichts der konkreten Entstehungs- und Baugeschichte des Stifts zum Zeitpunkt seiner Gründung im Jahr 1453 keine Veranlassung. Zwar
kam den - zu diesem Zeitpunkt bereits begonnenen - Baumaßnahmen (vgl. hierzu Bühler, a. a. O., S. 5) - besondere Bedeutung zu. Denn
Markgraf Jacob hatte die - bereits von seinen Vorgänger, Markgraf Bernhard I von Baden, zu Beginn des 15. Jahrhundert verfolgte - Absicht,
seine Residenz durch Umwandlung der alten Pfarrkirche zu Baden in eine Stifts- bzw. Kollegiatkirche aufzuwerten und damit seiner Dynastie in
deren Residenz eine angemessene Grablege sowie dem Land ein geistig-geistliches Zentrum zu schaffen (vgl. Trenkle, a. a. O., S. 69;
Andermann, a. a. O., S. 6; Bühler, a. a. O., S. 5).
34 Eine Vollendung des Baus der Stiftskirche war jedoch im Jahr 1453, dem Todesjahr Jacob I, noch gar nicht absehbar; der vollständige Ausbau
erfolgte erst um 1500, also 47 Jahre später (vgl. Trenkle, a. a. O., S. 70). In der Zeit nach 1453 war zunächst Markgraf Karl (gest. 1473) und
sodann Markgraf Christoph (gest. 1527) bestrebt, das Bauwerk zu vollenden und - auch mit päpstlicher Hilfe - weitere Geldmittel zum Umbau der
Kirche St. Peter und Paul zu beschaffen (vgl. hierzu Göller, Zur Geschichte der Kollegiatkirche in Baden-Baden, FDA 50 (1922), S. 147 -149 unter
Hinweis auf die Bulle „Salvator noster“ Sixtus IV vom 10.01.1477). Umso weniger bedurfte es - unter Berücksichtigung der sich aus der Natur von
kirchlichen Baumaßnahmen ergebenden zeitlichen Dimensionen - bereits 1453 der Regelung von Maßnahmen zur Bauunterhaltung.
35 Auch der Einwand, dass eine vom Willen des Stifters Markgraf Jacob I abweichende, zur baulichen Unterhaltung des Chores der Stiftskirche
verpflichtende Änderung oder Erweiterung des Stiftungszwecks rechtlich unzulässig gewesen sei bzw. eine derartige Verpflichtung zu Lasten
des Vermögens des Kollegiatstifts auf einer anderen, von dieser stiftungsmäßigen Widmung losgelösten Rechtsgrundlage nicht wirksam habe
entstehen können, greift nicht durch.
36 Es ist bereits fraglich, ob das Kollegiatstift im Sinne des Stiftungsrechts als Stiftung des öffentlichen Rechts qualifiziert werden kann. Denn in dem
in der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg 9 S 164/83 enthaltenen Vorbericht des „Beihefts“ (Nachweisung über die
Entstehung des Studienfonds Rastatt mit Vermögensübersichten) wird es unter „I. Entstehung des Fonds“ als „eine mit geistlichen Rechten
begabte, zu kirchlichen und religiösen Zwecken bestimmte und einer geistlichen Korporation anvertraute Anstalt“ (Unterstreichung nur hier)
bezeichnet. Unabhängig hiervon ist das von der Beklagten angeführte, erstmals 1870 in die Form eines umfassenden Gesetzes gebrachte und
auf das II. Konstitutionsedikt vom 14.07.1807 („die Verfassung der Gemeinheiten, Körperschaften und Staatsanstalten betreffend“)
zurückgehende badische Stiftungsrecht nicht maßgeblich für die bezüglich des Kollegiatstifts - insbesondere ab 1582 bis in das letzte Jahrzehnt
des 18. Jahrhunderts hinein - in den Blick zu nehmende Zeitperiode nach 1453.
37 Das in diesem Zeitraum in der Markgrafschaft Baden-Baden geltende Recht war vielmehr maßgeblich durch das landesherrliche
Dispositionsrecht über Stiftungen geprägt, dass den Markgrafen - auch - die Möglichkeit zur Auflösung und Umgestaltung von Stiftungen ohne
Beachtung des Stiftungszwecks aus Zweckmäßigkeitsgründen eröffnete. Stiftungszweckumwandlungen waren danach ohne Beschränkung auf
den Fall der Unmöglichkeit einer ferneren Zweckerfüllung sowohl durch Gewohnheitsrecht (Herkommen) als auch durch staatliche Verfügung
zulässig (vgl. hierzu Heimberger, Die Veränderung des Stiftungszwecks, Deutschrechtliche Beiträge, Band VIII, Heft 5, S. 433 u. 434 unter
Hinweis auf die Hofratsinstruktion vom 28.07.1794). Dies belegt auch der bereits erwähnte Erlass des Markgrafen Karl Friedrich zum IV.
Organisationsedikt vom 14.02.1803, der zwar ausdrücklich regelt, dass das Kollegiatstift bestehen bleiben soll, jedoch außerdem verschiedene -
im Einzelnen aufgeführte - vermögensrelevante Umwandlungen seines Zwecks verfügt. Hinzuweisen ist ferner auf mehrere markgräfliche
Änderungen bzw. Erneuerungen der Statuten des Kollegiatstifts in den Jahren 1652, 1746 und 1799 sowie auf die im Jahr 1800 durch
markgräfliches Reskript erfolgte Umwandlung des Kollegiatstifts in ein Schulstift (vgl. hierzu Andermann, a. a. O., S. 8 u. 9).
38 Die oben bejahten und von der der Beklagten nicht widerlegten Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung, die auf die Entstehung bzw.
den Fortbestand der Baulastverpflichtung zur Instandhaltung des Chores der Stiftskirche schließen lassen, waren auch nach der Entstehung des
Studienfonds Rastatt gegeben. Auch die Beklagte nimmt an, dass der Studienfonds Rastatt im Jahr 1808 die Rechtsnachfolge des zuvor in ein
Schulstift umgewandelten ehemaligen Kollegiatstifts angetreten hat. Entgegen ihrer Ansicht ist zugunsten der Klägerin im Zuge dieser
Rechtsnachfolge aber auch mit dem gesamten Vermögen des Kollegiatstifts die hieran gekoppelte öffentlich-rechtliche Baulastverpflichtung zur
Instandhaltung des Chores der Stiftskirche auf den Studienfonds Rastatt übergegangen.
39 Die Kammer geht - wohl anders als der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Normenkontrollbeschluss vom 12.03.1984 - 9 S
164/83 - davon aus, dass aus dem zum Zweck des Fonds im Beiheft zur Stiftungsrechnung enthaltenen Vermerk (Vorbericht Studienfond Rastatt
2. Zweck des Fonds) „Die Bestimmung dieses auf vorgeschriebene Weise gebildeten Fonds ist hauptsächlich.....die Unterhaltung des Chores der
katholischen Stadtpfarrkirche zu Baden,....“ nicht darauf geschlossen werden kann, dass die Klägerin nur als bloße Destinatärin eines
Stiftungszwecks begünstigt war, der - auch - Kirchenbaulasten enthält. Schon die eingehenden Ausführungen unter „I. Entstehung des Fonds“
dürften verdeutlichen, dass der Studienfonds Rastatt nicht als eigenständige öffentlich-rechtliche Stiftung mit selbständiger Rechtspersönlichkeit
durch einen bestimmten Stiftungsakt zustande gekommen ist. Er ist danach vielmehr zu Beginn des 19. Jahrhunderts und in der Folgezeit aus
einer Zusammenfassung ganz verschiedener geistlicher und landesherrlicher älterer Schul- und Kirchenbaufonds (einschließlich deren
jeweiligen Vermögens) hervorgegangen, die ihren Sitz, wie u. a. das Kollegiatstift, sowohl ursprünglich in Baden-Baden als auch in Rastatt
hatten. Aus dieser umfänglich dargestellten und wenig übersichtlichen „Bildungsgeschichte“ des Studienfonds Rastatt lässt sich ebenso wie aus
den ansonsten vorliegenden Akten und Unterlagen weder ein konkreter Stifterwille des Studienfonds Rastatt entnehmen, noch ist eine
Stiftungssatzung nachweisbar. Dies rechtfertigt nach Auffassung der Kammer den Schluss, dass die im Vorbericht des „Beihefts“ unter 2.
wiedergegebene, nicht abschließend aufgeführte „Bestimmung“ des Studienfonds bezüglich der Unterhaltung des Chores der katholischen
Stadtpfarrkirche zu Baden kein Beleg für eine stiftungsmäßige, eine Kirchenbaulast betreffende Widmung ist, sondern (zusammengefasst mit der
Unterhaltspflicht für die Maria-Einsiedel-Kapelle und die Gymnasiumskirche in Rastatt) eine von einem bestimmten Stiftungszweck unabhängige,
auf dem Vermögen des Studienfonds Rastatt weiterhin ruhende konkrete Baulastverpflichtung dokumentiert. Gestützt wird diese Sichtweise auch
dadurch, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in den Gründen seines Beschlusses vom 12.03.1984, a. a. O. (unter A. Nr. 3) sich
bezüglich der Rechtsform des Studienfonds Rastatt auf die Angabe beschränkt, dass dieser „zuletzt als Stiftung des öffentlichen Rechts
angesehen“ wurde (Unterstreichungen nur hier).
40 Dass die Beteiligten die Kirchenbaulastverpflichtung des Studienfonds Rastatt tatsächlich auch in dem dargestellten Sinne verstanden haben
und hiervon in einer kontinuierlichen und beständigen Übung während eines Zeitraums von über 170 Jahren zugunsten der Klägerin
ausgegangen sind, wird durch die zahlreichen vom Gutachter Georgii herangezogenen und analysierten bzw. ausgewerteten Unterlagen (II. Nr.
1 bis 45 des Gutachtens vom 01.08.2004) sowie die von der Klägerin hierzu ergänzend vorgelegten Dokumente (Anlagenheft) nachdrücklich
belegt. Die Kammer nimmt auf diese im Gutachten vom 01.08.2004 wiedergegebenen Urkundeninhalte, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein
Anlass besteht, Bezug. Auch die Beklagte hat nicht substantiiert in Abrede gestellt, dass seitens des Studienfonds Rastatt und der mit der
Baulastverpflichtung jeweils befassten Behörden - jedenfalls - bis zu Beginn der 80iger Jahre des 20. Jahrhunderts eine die Instandsetzung und
Unterhaltung des Chores der Stiftskirche Baden-Baden betreffende Baulastpraxis zugunsten der Klägerin bestanden hat, und dass vom
Studienfonds Rastatt in diesem Zusammenhang auch mehrfach erhebliche Zahlungen (zuletzt im Jahr 1974) geleistet wurden (vgl. hierzu das
Gutachten Georgii unter II. sowie oben S. 3). Die Beklagte hat sich erstmals 14 Jahre nach ihrer Entstehung im Jahr 1976 im Oktober 1990 und -
wiederholt - im Mai 1994 auf der Grundlage einer vom Oberschulamt Karlsruhe - Stiftungsverwaltung - unter dem 14.10.1988 erstellten
Stellungnahme (Aktenvermerk) zur Frage der Baulast für die Schlosskirche ausdrücklich gegenüber der Klägerin darauf berufen, dass eine
finanzielle Beteiligung an der Bauunterhaltung der Stiftskirche Baden-Baden mangels entsprechender Rechtsgrundlagen nicht in Betracht
komme. Soweit die Beklagte im Rahmen des Klageverfahrens geltend macht, dass alle - zuvor getätigten - Zahlungen an die Klägerin auf
freiwilliger Basis bzw. rechtsirrig erfolgt seien, ist dies angesichts der Urkundenlage nicht nur nicht nachvollziehbar sondern widerlegt.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das Übereinkommen zwischen dem Großherzoglichen Oberschulamt in Karlsruhe als der oberen
Verwaltungsbehörde des Studienfonds Rastatt und dem Katholischen Stiftungsrat in Baden 14.11./27.11.1899 (Anlage K 10 im Anlagenheft der
Klägerin), in dem u. a. ausdrücklich festgestellt wurde (Nr. 1 b), dass der Studienfonds Rastatt für den Chor und die beiden Chorkapellen
unterhaltspflichtig ist. Besonders hinzuweisen ist außerdem auf den Bericht des Oberschulamts Karlsruhe an das Kultusministerium Baden-
Württemberg in dem - noch - am 18.01.1979 unter dem Punkt „Baulasten“ ausgeführt wird, dass die Baupflicht der Schulstiftung zu dem Chor und
der Sakristei der Stiftskirche in Baden-Baden unbestritten (Unterstreichung nur hier) und gegenüber der Katholischen Kirchengemeinde Baden-
Baden zu erfüllen sei. Schließlich hat sich die Beklagte sogar im Herbst 1990 dazu veranlasst gesehen, die Baulast für die (im Vorbericht des
„Beihefts“ des Studienfonds Rastatt unter 2. „gleichrangig“ genannte) Schlosskirche/Gymnasiumskirche Rastatt im Rahmen eines Vergleichs
abzulösen.
41 Zusammenfassend ist danach festzustellen, dass eine nach dem Wesen der unvordenklichen Verjährung erforderliche, über
Menschengedenken hinausgehende und von der Beklagten nicht widerlegte Rechtsausübung hinsichtlich der Kirchenbaulastverpflichtung für
den Chor der Stiftskirche Baden-Baden seit mindestens 1582 bis in die jüngste Gegenwart hinein stattgefunden hat. Diese Rechtsausübung ist,
wie bereits dargelegt, nicht dadurch dauernd und wirksam unterbrochen worden, dass der Studienfonds Rastatt zuletzt im Jahr 1974 eine
Zahlung in Höhe von 56.000 DM zur Unterhaltung des Chores der Stiftskirche Baden-Baden geleistet hat. Denn es liegt im Wesen der
Kirchenbaulast, dass sie nur in größeren Abständen anfällt, so dass ihre bloße Nichtinanspruchnahme über eine längere Zeit die Wirkungen der
unvordenklichen Verjährung nicht entfallen lässt (vgl. BayVGH, Urt. v. 27.07.1994 - 7 B 91.1929 -, BayVBl 1996, 564).
II.
42 Die Baulast besteht auch gegenwärtig unverändert fort. Sie wurde weder abgelöst noch ist sie durch die Entstehung der Beklagten als öffentlich-
rechtliche Schulstiftung Baden-Württemberg im Jahr 1976 untergegangen.
43 Ansprüche aus Kirchenbaulasten genießen den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 140 GG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 (Staatsleistungen) bzw.
Abs. 2 WRV (Kirchengutsgarantie) bzw. der einzelnen Bestimmungen in den Länderverfassungen (vgl. Art. 7 der Verfassung des Landes Baden-
Württemberg). In seinem Urteil vom 05.02.2009 (- 7 C 11/08 -, Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 78 m.w.N.) zum Fortbestand überkommener
kommunaler Kirchenbaulasten hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass sich die auf Ablösung (d.h. zwangsweise Aufhebung gegen
Entschädigung) der Staatsleistungen zielende Bestimmung des Art. 138 Abs. 1 WRV in eine Bestandsgarantie für diese Staatsleistungen
gewandelt hat. Aus ihr ergibt sich, dass die Weimarer Reichsverfassung zwar auch anstrebte, die finanziellen Beziehungen zwischen Staat und
Kirche zu entflechten, insoweit aber Leistungen an die Kirche nicht untersagte, sondern die vorhandenen Ansprüche anerkannte und damit ihre
weitere Erfüllung garantierte. Art. 138 Abs. 1 WRV bezieht sich allerdings nicht auf die gemeindlichen Kirchenbaulasten, jedoch fallen die Rechte
einer Kirche aus einer gemeindlichen Kirchenbaulast unter den Schutz der Kirchengutsgarantie aus Art. 140 GG, Art. 138 Abs. 2 WRV.
Überkommene gemeindliche Kirchenbaulasten hat der Verfassungsgeber der Weimarer Reichsverfassung in Art. 138 Abs. 2 WRV zwar nicht
eigens erwähnt. Da sich aber, wie Art. 138 Abs. 1 WRV zeigt, der Weimarer Reichsverfassung kein generelles Verbot finanzieller Leistungen der
öffentlichen Hand an die Kirchen entnehmen lässt, erfasst Art. 138 Abs. 2 WRV die bei seinem Inkrafttreten bestehenden vermögensrechtlichen
Ansprüche und garantiert diese (BVerwG, a.a.O.). Nach Auffassung der Kammer galten diese Grundsätze auch für die den Studienfonds Rastatt
verpflichtende Kirchenbaulast, wobei dahingestellt bleiben kann, ob sich der verfassungsrechtliche Schutz aus Art. 138 Abs. 1 oder Abs. 2 WRV
ergibt. Mithin konnte und kann auch diese Baulast nicht einseitig vom Verpflichteten aufgehoben werden, sondern nur durch gegenseitige
Vereinbarung (Ablösung der Baulast). Zu einer solchen Ablösung ist es vorliegend nicht gekommen, da sich das Erzbischöfliche Ordinariat mit
Schreiben vom 10.03.1966 (Anlage K 23 des Anlagenheftes der Klägerin) allein mit der Ablösung der Kultkompetenzen einverstanden erklärt,
hinsichtlich der auf dem Studienfonds gelegenen Baulasten aber ausdrücklich mitgeteilt hatte, dass diese bestehen bleiben (vgl. Anlage K 26).
44 Als historisch gewachsene Verpflichtungen verstoßen Kirchenbaulasten nicht gegen die Grundsätze der Parität und Neutralität und sind auch
nicht durch die Möglichkeit der Kirchen, Kirchensteuern zu erheben, weggefallen (BVerwG, Urt. v. 23.04.1971- VII 4.70 -, BVerwGE 38, 76 zu
einer kommunalen Kirchenbaulast). Die Kirchensteuergesetzgebung stellt lediglich eine Neuregelung hinsichtlich des kirchlichen Einkommens
dar, kann aber Verpflichtungen Dritter nicht berühren. Sie kann insbesondere nicht anderweitig bestehende Gewährleistungen (Art. 140 GG i. V.
m. Art. 138 Abs. 1 und 2 WRV) aufheben. Wegen der völlig anderen Voraussetzungen von Baulastansprüchen und solcher für Zuschüsse und
Entschädigungen nach den Denkmalschutzgesetzen, lässt auch diese Möglichkeit den Bestand einer Baulast unberührt (vgl. hierzu Böttcher, a.
a. O. S. 40 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und der Literatur).
45 Keiner näheren Ausführungen bedarf es zu der ausdrücklich nur auf Kommunalbaulasten bezogenen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, dass Baulasten ganz oder zumindest teilweise entfallen können, wenn die für die Begründung dieser Verpflichtung
maßgeblichen Verhältnisse in der Folgezeit völlig weggefallen sind oder sich grundlegend verändert haben (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v.
05.02.2009, a.a.O., und v. 23.04.1971, a. a. O. m.w.N.). Unabhängig von der Frage, ob bzw. inwieweit diese Rechtsprechung auf die vorliegende
Baulastkonstellation überhaupt übertragbar bzw. anwendbar sein kann, hat der Gutachter Georgii in seinem Gutachten vom 01.08.2004
ausführlich und überzeugend dargelegt (S. 17 bis 20), dass hier insbesondere ein Wegfall oder grundlegender Wandel der Zweckbestimmung,
eine grundlegende Veränderung der konfessionellen Zusammensetzung der Gemeindebevölkerung oder eine fehlende wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit (vgl. hierzu auch Böttcher, a. a. O., S. 40-43 m.w.N.) den Wegfall oder die Reduzierung der Baulast nicht rechtfertigen können.
Hierauf nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 05.02.2009, a.
a. O., zudem betont, dass die Wertentscheidung des Verfassungsgebers der Weimarer Reichsverfassung in Art. 138 Abs. 2 WRV zu Gunsten
eines Schutzes überkommener Kirchenbaulasten es rechtfertigt, die gleichzeitig durch Art. 137 Abs. 1 WRV bewirkte Beseitigung der hoheitlichen
Religionsfürsorge nicht als einen Umstand zu bewerten, der den verpflichteten Gemeinden ein Festhalten an den hergebrachten Verpflichtungen
im Verständnis von § 60 Abs.1 Satz 1 LVwVfG (Anpassung und Kündigung öffentlich-rechtlicher Verträge in besonderen Fällen) unzumutbar
macht. Dass die Beklagte aufgrund ihrer - zu Unrecht geänderten - Rechtsauffassung auf die ursprünglich vom Stiftungsbeirat beschlossenen
jährlichen Zurückstellungen in Höhe von 50.000 DM für die Renovierung der Kirchen (vgl. hierzu das Schreiben vom 09.02.1982 an das
Kultusministerium Baden-Württemberg) verzichtet hat, kann sich - zumal sie 1980 über ein Vermögen von ca. 1, 4 Millionen EUR verfügte -
ebenfalls nicht zu ihren Gunsten bzw. zu Lasten der Klägerin auswirken.
46 Die Baulast ist schließlich nicht mit der gesetzlichen Errichtung der Beklagten aufgrund § 113 Abs. 2 SchG in der Fassung des am 01.08.1976 in
Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens vom 10.02.1976, GBl. S. 126, 147
(dort noch § 81 Abs. 2 SchVOG; in der Neubekanntmachung des Änderungsgesetzes als Schulgesetz vom 23.03.1976, GBl. S. 410, § 113 Abs. 2)
entfallen.
47 Nach § 113 Abs. 2 Satz 1 SchulG werden die nachfolgend unter Nr. 1 bis 12 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Stiftungen - darunter der unter
Nr. 12 genannte Studienfonds Rastatt - zu einer öffentlich-rechtlichen „Schulstiftung Baden-Württemberg“ zusammengefasst. Nach § 113 Abs. 2
Satz 2 SchulG sind die Erträge der Schulstiftung für die Förderung des Schulwesens und der Elternvertretungen in Baden-Württemberg zu
verwenden, wobei die von den bisherigen Stiftungen Begünstigten besonders zu berücksichtigen sind. Das Nähere regelt das Kultusministerium
durch Rechtsverordnung (§ 113 Abs. 2 Satz 3 SchulG); diese Rechtsverordnung hat das (damalige) Kultusministerium Baden-Württemberg mit
der am 07.11.1977 verkündeten Verordnung über die Schulstiftung Baden-Württemberg (GBl. S. 701) - SchulstiftVO - erlassen.
48 Der Beklagten ist zuzugeben, dass dem Wortlaut des § 113 Abs. 2 SchulG keine ausdrückliche Regelung zum Übergang von mit den Vermögen
der genannten Altstiftungen verbundenen bzw. auf diesen ruhenden (Bau-)Lasten auf die Schulstiftung Baden-Württemberg als deren
Rechtsnachfolgerin zu entnehmen ist. Auch § 113 Abs. 2 Satz 2 SchulG sieht nur im Rahmen des neuen Stiftungszwecks (Förderung des
Schulwesens und der Elternvertretungen in Baden-Württemberg) bezüglich der Erträge der Stiftung die besondere Berücksichtigung der von den
bisherigen, in § 113 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 12 genannten Stiftungen Begünstigten vor.
49 Gleichwohl geht die Kammer - anders als die Beklagte - davon aus, dass aufgrund der vom Gesetzgeber in § 113 Abs. 2 Satz 1 SchulG bei der
Errichtung der bisher nicht vorhandenen Schulstiftung Baden-Württemberg gewählten Art der gesetzlichen Fusion und in Anbetracht des Gehalts
der dieser Vorschrift vorangestellten Regelung des § 113 Abs. 1 SchulG die Vermögen der jeweiligen Altstiftungen, darunter das seiner Höhe
nach bedeutende des Studienfonds Rastatt, bei der Neuschaffung der Schulstiftung kraft Gesetzes unangetastet blieben, mit der Folge, dass
auch die hieran anknüpfenden Rechte und Pflichten der Altstiftungen fortbestanden.
50 Mit dem in § 113 Abs. 2 Satz 1 SchulG verwendeten Begriff der „Zusammenfassung“ der nachfolgend aufgeführten öffentlich-rechtlichen
Stiftungen, wird - in Abgrenzung zu der in § 113 Abs. 1 Satz 1 durchgeführten Aufhebung von örtlichen Schulstiftungen und Schulpfründen - zum
Ausdruck gebracht, dass ein bisher nicht bestehender Rechtsträger (Schulstiftung Baden-Württemberg) durch die Vereinigung dieser Stiftungen
mitsamt ihres jeweiligen Vermögens und deren vermögensrechtlich relevanter Rechte und Pflichten neu gegründet werden soll bzw. kraft
Gesetzes neu geschaffen wird. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber sein zentrales Anliegen verdeutlicht, das insbesondere beim Studienfonds
Rastatt vorhandene beträchtliche Vermögen ungeschmälert zu erhalten und nicht etwa im allgemeinen Staatshaushalt „untergehen“ zu lassen
oder zu „zerschlagen“ (vgl. hierzu die Landtagsdrucksachen 6/8522 vom 10.11.1975 und 6/8906 vom 29.01.1976 sowie das Sitzungsprotokoll
des Landtags von Baden-Württemberg über die 105. Sitzung vom 29.01.1976 S. 7343 bis 7345). Dokumentiert wird dies auch durch § 4 Abs. 1
SchulstiftVO, wonach das Stiftungsvermögen aus dem Vermögen der Einzelstiftungen besteht, das auf die Schulstiftung übergeht. Die Art der hier
gewählten gesetzlichen Fusion hatte danach auch die gewollte Folge, dass alle auf dem Vermögen der bisherigen öffentlich-rechtlichen
Rechtsträger bereits ruhenden Lasten mit übernommen wurden und sich hieran auch nichts durch die anschließende Verschmelzung der
Vermögensmassen bei dem neuen Rechtsträger, der Schulstiftung Baden-Württemberg, änderte. Das gerade auch die von der Klägerin in
Anspruch genommene Kirchenbaulast zu diesen auf die Schulstiftung Baden-Württemberg übergegangenen Lasten zählte und zählen sollte,
verdeutlicht eine Zusammenschau bzw. bestätigt der systematische Vergleich des § 113 Abs. 2 SchulG mit § 113 Abs. 1 SchulG. Durch § 113
Abs. 1 SchulG, der bereits als § 81 durch das Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens - SchVOG - v. 05.05.1964 (GBl. S.
235) erlassen worden war, sind alle örtlichen Schulstiftungen und Schulpfründe aufgelöst, deren Erträge öffentlichen Volksschulen oder
kirchlichen Zwecken zufließen. Ihr Vermögen fällt, wenn nicht durch Stiftungsurkunde oder Herkommen etwas anderes bestimmt ist, der
Gemeinde zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1 u. 2 SchulG). § 113 Abs. 1 Satz 3 SchulG verpflichtet die jeweilige Gemeinde jedoch, die von den Stiftungen
bisher erbrachten Leistungen für kirchliche Zwecke, die auf besonderem Rechtstiteln oder Herkommen beruhen weiter zu erbringen. Damit hat
der Gesetzgeber insbesondere Baulasten erfasst und - sogar - für den Wegfall der ursprünglichen Rechtsträger durch Aufhebung angeordnet,
dass diese weiterhin gegenüber den jeweiligen Trägern des materiell-rechtlichen Anspruchs zu erfüllen sind.
51 Da es zu einer solchen Aufhebung bei den in § 113 Abs. 2 SchulG genannten öffentlich-rechtlichen Stiftungen, wie ausgeführt, nicht gekommen
ist, sondern deren Vermögen durch Zusammenfassung ungeschmälert erhalten blieb, bestand dort gerade keine Veranlassung mehr, den (Bau-
)Lastenübergang ausdrücklich im Gesetzeswortlaut zu verankern. Der fortbestehende, zum Vermögen der Klägerin gehörende Anspruch aus der
Kirchenbaulast blieb danach auch von der in § 113 Abs. 2 Satz 2 SchulG getroffenen (Neu-) Regelung des Stiftungszwecks unberührt.
52 Dass diese Auslegung zu einem mit Sinn und Zweck der Regelung des § 113 Abs. 2 SchulG unvereinbaren Ergebnis führt, ist für die Kammer
nicht ersichtlich. Wie dargelegt, war es das Hauptziel des Gesetzgebers, das insbesondere beim Studienfonds Rastatt vorhandene Vermögen zu
erhalten; die Erträge sollten für die Förderung des Schulwesens und der Elternvertretungen verwendet werden. Dass sich diese Ziele im Falle
eines Vermögensübergangs im Sinne eines Übergangs sämtlicher Rechte und Pflichten nicht hätten verwirklichen lassen, lässt sich - auch mit
Blick auf die zum Zeitpunkt der „Zusammenfassung“ gegebene finanzielle Lage der Schulstiftung - nicht feststellen. Dies wurde im Übrigen auch
von den damaligen mit dieser Angelegenheit befassten Akteuren nicht angenommen. Vielmehr sind das damalige Kultusministerium Baden-
Württemberg und die Schulstiftung Baden-Württemberg selbst in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Bildung der Schulstiftung von einer
fortbestehenden Baulast am Chor der Stiftskirche Baden-Baden ausgegangen. Verwiesen sei insoweit z. B. auf die Sitzung des Stiftungsbeirats
der Schulstiftung am 21.05.1979, in der laut Sitzungsprotokoll festgehalten wurde, dass die Schulstiftung die Bauunterhaltungspflicht für 3
Kirchen habe, und zwar die Schlosskirche Rastatt, die Maria-Einsiedel-Kapelle in Rastatt und den Chor und die Sakristei der Stiftskirche Baden-
Baden; der Stiftungsrat erklärte sich ferner einstimmig damit einverstanden, dass eine jährliche Rücklage in der Höhe von 50.000 DM zur
Bestreitung der Bauaufwendungen für die Kirchen gemacht wird. Auch in dem bereits oben erwähnten Bericht des Oberschulamts Karlsruhe an
das Kultusministerium vom 18.01.1979 wurde die Auffassung zum Fortbestehen der Baulast an der Stiftskirche als unbestritten bezeichnet; dem
wurde von Seiten des Kultusministeriums auch nicht widersprochen. Auch diese zum damaligen Zeitpunkt kundgetane eindeutige Haltung der
Schulstiftung Baden-Württemberg und des Kultusministeriums Baden-Württemberg, die im Übrigen vom Finanzministerium Baden-Württemberg,
dem Staatlichen Liegenschaftsamt Karlsruhe und dem Rechnungshof Baden-Württemberg geteilt wurde, ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass sich
der Gesetzgeber bei der Novellierung des Schulgesetzes von der Vorstellung leiten ließ, dass Kirchenbaulastverpflichtungen fortbestehen sollen.
53 Für diese Interpretation sprechen schließlich auch verfassungsrechtliche Erwägungen. Wie bereits dargelegt, genießen die Rechte der Klägerin
aus der Kirchenbaulast den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 bzw. Abs. 2 WRV. Hätte die durch § 113 Abs. 2
SchulG erfolgte Einbeziehung des Studienfonds Rastatt in die Bildung der Schulstiftung Baden-Württemberg und die Einführung des
Stiftungszwecks zu einem Untergang der auf dem Vermögen des Studienfonds Rastatt ruhenden Kirchenbaulast geführt, wäre der Klägerin
entschädigungslos ein Recht entzogen worden, das den verfassungsrechtlichen Garantien des Art. 138 Abs. 1 bzw. Abs. 2 WRV unterlag. Dieses
verfassungswidrige Ergebnis kann nach Auffassung der Kammer mit einer auch im Lichte der genannten verfassungsrechtlichen
Gewährleistungen vorgenommenen Auslegung des § 113 Abs. 2 SchulG in dem oben dargestellten Sinne vermieden werden. Dabei ist darauf
hinzuweisen, dass die Beibehaltung der (schon als § 81 SchVOG v. 05.05.1964 erlassenen) besonderen Aufhebungsbestimmung des § 113
Abs. 1 Satz 3 SchulG in diesem Zusammenhang nahe legt, dass dem Gesetzgeber durchaus die Tragweite der Garantien aus Art. 140 GG i. V. m.
Art. 138 Abs. 1 bzw. Abs. 2 WRV bewusst war, und dass er den verfassungsrechtlichen Vorgaben auch bei den nicht ausdrücklich aufgehobenen,
in § 113 Abs. 2 SchulG genannten öffentlich-rechtlichen Stiftungen Rechnung tragen wollte.
54 Mit dem dargelegten Verständnis der Bestimmung des § 113 Abs. 2 SchulG werden die Grenzen verfassungskonformer Interpretation nicht
überschritten. Weder wird einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz ein entgegengesetzter Sinn verliehen, noch der normative Gehalt
der auszulegenden Norm grundlegend neu bestimmt noch das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt (zu diesem Maßstab
vgl. BVerfGE 71, 81, 105; Jarass/Pieroth, 10. Aufl., Art. 20 Rn. 34 m.w.N.).
55 Die somit fortbestehende Baulast ist im vorliegenden Fall - wie auch sonst in der Regel - eine Kostendeckungspflicht; die Beklagte hat sich
außerdem, wie bereits ausgeführt, mit der - zwischenzeitlich vorgenommenen - Außenrenovierung des Chores der Stiftskirche (als
Naturalleistung) einverstanden erklärt und - nur - die Kostenübernahme für diese Maßnahme verweigert.
III.
56 Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. In der von ihr vorgelegten, unter dem
02.05.2007 erstellten Kostenfeststellung - Kostengegenüberstellung Bruttosummen - des Erz. Bauamts Heidelberg - Außenstelle Karlsruhe -
werden die für die Außenrenovation des Chorbereichs der Stiftskirche Baden-Baden verausgabten Baukosten und Baunebenkosten in Höhe von
insgesamt 616.738, 61 EUR aufgeschlüsselt dargestellt (Anlagenheft zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 17.05.2007, Anlage K 27). Die
Außenrenovation des Chorbereichs dient der Erhaltung des Bauwerks an sich und ist damit von der oben festgestellten
Kirchenbaulastverpflichtung der Beklagten gegenständlich umfasst. Die Beklagte hat weder substantiiert dargetan noch ist sonst ersichtlich, dass
- einzelne - in der Kostenrechnung aufgeführte Arbeiten nicht erforderlich waren oder mit den jeweils angesetzten Beträgen unzutreffend
berechnet worden sind.
57 Die Frage, ob die Beklagte ohne Gefährdung ihres Stiftungszwecks in der Lage ist, die der Klägerin zugesprochene Geldsumme - in einem
Betrag - zu zahlen, ist nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens; sie sollte außerhalb desselben von den Beteiligten einvernehmlich geregelt
werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.02.2009, a.a.O.). Gelingt dies nicht, wäre die Verwirklichung des Zahlungsanspruchs Gegenstand eines etwaigen
Vollstreckungsverfahrens.
58 Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus dem im öffentlichen Recht analog anwendbaren § 291 BGB (vgl. BVerwG, Urt. vom 18.04.2007 - 6
C 25/06 -; Urt. vom 28.06.1995 - 11 C 22/94 -, NJW 1995, 3135). Die Klägerin kann hiernach Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz gegen die Beklagte seit Rechtshängigkeit der Klage beanspruchen, § 187 Abs. 1, § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 und §
247 BGB entsprechend (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.2004 - 3 C 23/03 -, NVwZ 2004, 992, sowie vom 04.12.2001 - 4 C 2/00 -, NVwZ 2002, 718,
722).
59 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. § 709
ZPO.
60 Ein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegt nicht vor. Insbesondere
weist die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung auf. Dies gilt auch, soweit die Beklagte Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit des §
113 Abs. 2 SchulG erhebt. Denn bei dieser Norm handelt es sich - atypisch - nicht um eine abstrakt-generelle Regelung, sie betrifft vielmehr
einen bestimmten Einzelfall und richtet sich an einen bestimmten Adressatenkreis. Mithin ist auch nicht erkennbar, dass die Frage ihrer Gültigkeit
über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hätte.
61
Beschluss
62 Der Streitwert wird gemäß §§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG auf EUR 616.738,61 festgesetzt.
63 Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.