Urteil des VG Göttingen vom 14.03.2013

VG Göttingen: ukraine, einzelrichter, stadt, medikament, gerichtsakte, gefahr, medizinische betreuung, auskunft, verfügung, beweisantrag

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Kein Abschiebungsverbot wegen psychischer
Erkrankung - Ukraine
Ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen
psychischer Erkrankung scheidet hinsichtlich der Ukraine in der Regel aus.
VG Göttingen 2. Kammer, Urteil vom 14.03.2013, 2 A 87/11
§ 42 S 1 AsylVfG, § 60 Abs 2 AufenthG, § 60 Abs 7 S 1 AufenthG, § 244 Abs 3 S 2
StPO, § 51 VwVfG
Tatbestand
Die am ... geborene Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige russischer
Volkszugehörigkeit. Sie ist verheiratet und lebt eigenen Angaben zufolge seit
einiger Zeit von ihrem Ehemann E. (F.) B. getrennt; dieser hält sich nach wie vor
in Ivano-Frankivsk (Ukraine) auf. Aus der Ehe sind zwei Töchter
hervorgegangen. Die ältere Tochter der Klägerin G. B. lebt derzeit mit ihrem
Freund und ihrer kleinen Tochter in H.. Die jüngere Tochter der Klägerin I. soll
ausweislich der im Klageverfahren vorgelegten Stellungnahme vom 1. April
2012 (Bl. 82 der Gerichtsakte) wegen eines an der Freien Universität H.
aufgenommenen Studiums bei ihrer großen Schwester in H. wohnen. Die
Klägerin hat ausweislich ihrer Angaben im Asylerstverfahren zwei Geschwister,
die in Russland wohnen, und zwei weitere Schwestern, die in Charkov (Ukraine)
leben. Die Klägerin verfügt nach eigenen Angaben im Asylerstverfahren sowie
des zur Sozialleistungsakte gereichten Lebenslaufes vom September 2010 (Bl.
22 der Beiakte E) über ein abgeschlossenes Hochschulstudium der
Germanistik. Sie arbeitete nach Abschluss ihres Studiums zunächst als
Dolmetscherin und Englischlehrerin, anschließend für die Dauer von mehr als
zehn Jahren als Übersetzerin am J. K.. Nach einer kurzen Tätigkeit als
Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Deutsch an der Hochschule in Ivano-Frankivsk
war die Klägerin von Oktober 1999 bis Mai 2007 als Übersetzerin im
Übersetzungsbüro des Staatlichen Kleinunternehmens „L.“ als Leiterin der
dortigen Ausbildungsabteilung (Fremdsprachenkurse) tätig. Daneben ist sie
eigenen Angaben zufolge von August 2000 bis November 2008 freiberuflich als
amtlich vereidigte Übersetzerin für Deutsch bei der Justizverwaltung des
Gebietes Ivano-Frankivsk tätig gewesen. In diesem Zeitraum fällt auch eine
kurzzeitige Beschäftigung als Übersetzerin an der M. Publikumsgesellschaft „N.“
im Gebiet Ivano-Frankivsk. Von November 2008 bis November 2009 war die
Klägerin als freiberufliche Übersetzerin und als Küchenhilfe in einem Restaurant
in Prag (Tschechien) tätig.
Die Klägerin reiste mit ihrem Ehemann und ihrer ältesten Tochter erstmals am
17. bzw. 18. Oktober 2002 zum Zwecke der Asylantragstellung nach
Deutschland ein. Im Rahmen ihrer damaligen Anhörung vor dem Bundesamt für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFl) trug sie vor, sie fühle sich von
den ukrainischen Behörden seit 2001 psychisch und moralisch verfolgt. Sie sei
mit der Politik und den leitenden Personen dieser Politik in der Ukraine nicht
einverstanden. Der ukrainische Sicherheitsdienst habe ihr etwas anhängen
wollen und ihr gedroht. Ihr sei u.a. vorgeworfen worden, als Dolmetscherin falsch
übersetzt zu haben, wodurch ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei. Sie
habe jedoch beweisen können, dass sie korrekt übersetzt habe. Daraufhin sei
ihr die gesamte Buchhaltung gestohlen worden. Aufgrund fortlaufender
Drohungen habe sie ihre Firma an einen Freund ihres Ehemannes verkaufen
müssen. Sie sei deshalb gezwungen gewesen, in der ukrainischen
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Justizverwaltung als beeidigte Übersetzerin tätig zu sein. Hierbei habe sie
jedoch gemerkt, dass Unterschriften gefälscht würden. Sie habe sich deshalb
entschlossen auszureisen. Seit 1999 sei in der Ukraine ein Gerichtsverfahren
gegen sie anhängig, in dem es um das Eigentum an ihrem Haus gehe.
Den Asylerstantrag lehnte das BAFl mit Bescheid vom 2. Januar 2003 als
offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass auch die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich und Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG nicht vorlägen. Der Klägerin wurde die Abschiebung in die Ukraine oder
einen anderen zu ihrer Übernahme bereiten Staat angedroht. Die hiergegen
zum erkennenden Gericht - 4. Kammer - am 10. Januar 2003 erhobene Klage -
4 A 2/03 - blieb ohne Erfolg. Zur Klagebegründung hatte die Klägerin seinerzeit
erstmals geltend gemacht, sie sei psychisch krank. Ausweislich einer im
Klageverfahren vorgelegten Bescheinigung des Städtischen Klinikums O. vom
6. November 2002 leide sie unter einer paranoid-halluzinatorischen Episode.
Daneben legte die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung des Nds.
Landeskrankenhauses P. vom 15. Mai 2003 vor, in der ihr eine stationäre
Behandlung seit dem 16. April 2003 wegen der eben genannten paranoid-
halluzinatorischen Psychose attestiert wurde. Aus weiteren Attesten des Nds.
LKH vom 16. Mai 2003 und des Facharztes für Nervenheilkunde und
Psychotherapie Q. in P. vom 7. Juli 2003 ergab sich ferner, dass die psychische
Erkrankung der Klägerin länger andauere und diese in Zukunft auf regelmäßige
psychiatrische Behandlung und die Einnahme diverser Medikamente
(„atypische Neuroleptika“) angewiesen sei. Die letzte Medikamentation wurde für
das Klageverfahren 4 A 2/03 mit Solian 400 mg (2 x 1 Tabletten) und Akineton
retard (1 x 1 Tabletten) angegeben. Zur Begründung ihres damaligen
Begehrens auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gem. § 53 Abs. 6 Satz
1 AuslG machte die Klägerin u.a. geltend, die eben genannten Medikamente
seien in der Ukraine nicht erhältlich. Sie sei auf die Einnahme dieser modernen
Präparate noch zwei weitere Jahre angewiesen.
Die 4. Kammer des erkennenden Gerichtes wies die Klage mit Urteil vom 1. April
2004 u.a. mit der Begründung ab, ein zielstaatsbezogenes
Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG liege nicht vor. Die im
Klageverfahren eingeholte Auskunft der Deutschen Botschaft in Kiew vom 2.
März 2004 - RK 518.80 SE - bestätige, dass die bei der Klägerin diagnostizierte
paranoid-halluzinatorische Psychose in der Ukraine behandelbar sei. In der
Ukraine werde psychiatrische Hilfe von psychiatrischen Kliniken sowohl
ambulant als auch stationär geleistet. Das Arzneimittel Solian solle ab Ende
März 2004 in die Ukraine exportiert werden und werde deshalb für die Klägerin
erhältlich sein. Dass das weiterhin von ihr benötigte Arzneimittel Akineton retard
in der Ukraine nicht gelistet sei, sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung
der Sach- und Rechtslage am Schluss der mündlichen Verhandlung unerheblich
geworden, nachdem die Klägerin ausgereist sei und damit zu erkennen
gegeben habe, dass sie auf eine kontinuierliche und sichere
Medikamentenversorgung in der Bundesrepublik nicht mehr angewiesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Asylerstverfahrens wird auf den
Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils der 4. Kammer des
erkennenden Gerichts vom 1. April 2004 - 4 A 2/03 - Bezug genommen.
Noch vor Abschluss des Klageverfahrens reiste die Klägerin mit ihrem Ehemann
im September 2003 nach Belgien aus und begab sich mit ihm von dort aus
wieder in die Ukraine nach Ivano-Frankivsk (vgl. Vermerk über die Vorsprache
der Ausländerbehörde vom 22. Juni 2010, Bl. 158 der Beiakte B, sowie der
Lebenslauf der Klägerin vom September 2010, Bl. 22 der Beiakte E).
Ausweislich des Anwaltsschreibens an die Ausländerbehörde der Stadt P. vom
21. Mai 2010 (Bl. 137 f. der Beiakte B), mit dem die damaligen
Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter Vorlage diverser ärztlicher Atteste
die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 bis 5 AufenthG
beantragten, reiste die Klägerin „vor Weihnachten 2009“ mit einem
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tschechischen Visum zum Zwecke des Besuches ihrer ältesten, seinerzeit noch
in P. lebenden Tochter G. erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach
ihrer Ankunft wurde sie am 21. Dezember 2009 aufgrund eines Beschlusses
des Amtsgerichts P. zum Zwecke der stationären Behandlung ihrer psychischen
Erkrankung in das R. Universitätsklinikum eingewiesen und dort untergebracht.
Ausweislich des Arztbriefes der Klinik und Polyklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) vom 15. Februar 2010
(Bl. 141 f. der Beiakte B) wurde die Klägerin dort bis zum 27. Januar 2010
aufgrund einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie stationär behandelt.
Die Prognose bei Compliance und Einhaltung der Medikation sei gut. Ein
Rückfall sei nicht ausgeschlossen, aber bei regelmäßigem Besuch der
Nachsorgeambulanz und strikter Adhärenz der Neuroleptika die
Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs sehr gering. Zur damaligen Medikamentation
wird in dem Arztbrief vom 15. Februar 2010 weiter ausgeführt, die Klägerin
werde auf ein orales Neuroleptikum wie Amisulprid (Solian) wieder umgestellt, da
die Klägerin bereits 2003 mit einer Dosierung dieses Medikaments behandelt
worden sei und dieses sehr toleriert habe. Hinzu komme als Medikament zur
Behandlung von extrapyramidalen Nebenwirkungen, die gelegentlich mit
Amisulprid aufträten, das Medikament Akineton retard. Neben der regelmäßigen
Einnahme der genannten Medikamente seien bei Patienten mit Schizophrenie
präventive ärztliche Untersuchungen besonders notwendig. Aus einem weiteren
Attest der UMG vom 27. April 2010 (Bl. 144 der Beiakte B) ergibt sich, dass die
Klägerin damals neben der paranoiden Schizophrenie begleitend unter einer
schweren depressiven Episode litt und sich deshalb in fortlaufender ambulanter
Behandlung befand. Ausweislich des Arztberichtes der UMG vom 27. Januar
2010 (Bl. 11 ff. der Beiakte A) nahm die Klägerin nach ihrem zweiten Rezidiv und
der hierauf notwendigen stationären Behandlung im Nds. Landeskrankenhaus
P. vom 16. April bis 6. Juni 2003 seit etlichen Jahren keine Medikamente zur
Behandlung ihrer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie ein. Zum Zeitpunkt
der damaligen Entlassung aus dem Universitätsklinikum am 27. Januar 2010
bestanden keine Gefährdungsmomente, jedoch sei eine medizinische
Nachsorge indiziert.
Seit dem 13. August 2010 erteilte die Ausländerbehörde der Klägerin fortlaufend
Duldungen im Hinblick auf die Annahme fortdauernder Reiseunfähigkeit. Aus
einer von der Ausländerbehörde zum Zwecke der Klärung der Reisefähigkeit der
Klägerin beim Gesundheitsamt P. eingeholten amtsärztlichen Stellungnahme
vom 30. September 2010 (Bl. 166 ff. der Beiakte B) ergibt sich, dass die Klägerin
unter einer chronischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet.
Die Erkrankung sei erstmalig im Jahre 2002 im Rahmen des stationären
Aufenthalts im Klinikum in O. diagnostiziert und behandelt worden. Seit dieser
Zeit sei es zu zwei weiteren Rezidiven der psychotischen Erkrankung
gekommen. Die Klägerin befinde sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung der
Institutsambulanz der UMG. Ferner werde sie engmaschig durch den
sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt P. betreut. Nach mittlerweile drei
Rezidiven der Erkrankung und Fortbestehen der Restsymptomatik handele es
sich bei der Klägerin um eine chronische Erkrankung, zu deren Behandlung sie
auf die dauerhafte Einnahme von Medikamenten (Amisulprid, Biperiden sowie
Trimipramin) angewiesen sei. Reisefähigkeit sei aufgrund der aktuell
andauernden schweren depressiven Symptomatik, teilweise gepaart mit
gedanklicher Ausgestaltung konkreter Suizidpläne, nicht gegeben. Über die
Dauer der Reiseunfähigkeit könne aktuell keine Aussage getroffen werden.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 (Bl. 169 f. der Beiakte B) bat die
Ausländerbehörde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) um
Stellungnahme zum Vorliegen von zielstaatsbezogenen
Abschiebungshindernissen. Das Bundesamt nahm dies zum Anlass, am 6.
Oktober 2010 von Amts wegen ein Verfahren zum Wiederaufgreifen des
Verfahrens hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach §
60 Abs. 2 bis 7 des AufenthG einzuleiten. Hiergegen verwahrte sich die Klägerin
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mit Anwaltsschreiben vom 5. und 17. November 2011 mit der Begründung, sie
habe selbst keinen Wiederaufnahmeantrag gestellt.
Mit Bescheid vom 21. März 2011, als Einschreiben am 25. März 2011 zur Post
aufgegeben, lehnte das BAMF die Abänderung des nach altem Recht
ergangenen Bescheides vom 2. Januar 2003 bezüglich der Feststellungen zu §
53 Abs.1 bis 6 des AuslG ab. Ein Anspruch der Klägerin auf erneute
Sachprüfung nach § 51 VwVfG bestehe nicht. Der Sachvortrag der Klägerin
beschränke sich darauf, die bereits früher vorgebrachten Gründe zu
wiederholen. Ihrem Vorbringen sei somit nicht zu entnehmen, dass sich die
Sachlage nachträglich zu ihren Gunsten geändert habe. Bereits im
Asylerstverfahren seien von der Klägerin hinsichtlich der von ihr geltend
gemachten psychischen Erkrankung entsprechende ärztliche Atteste vorgelegt
worden. Diese habe das erkennende Gericht im Klageverfahren gewürdigt. Es
habe festgestellt, dass die Krankheit der Klägerin in der Ukraine behandelbar
sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung dieser Entscheidung wird
auf den Bescheid des BAMF vom 21. März 2011 (Bl. 34 ff der Beiakte A) Bezug
genommen.
Hiergegen hat die Klägerin am 8. April 2011 die vorliegende Klage erhoben. Zu
deren Begründung führt sie im Wesentlichen aus, ihr sei eine Rückkehr in ihr
Heimatland gegenwärtig nicht möglich und auch nicht zumutbar. Sie leide seit
Jahren an einer schweren psychischen Erkrankung, die einer engmaschigen
fachärztlichen Behandlung sowie der regelmäßigen Einnahme von in der
Ukraine nicht erhältlichen Medikamenten bedürfe. Es bestehe bei ihr eine
konkrete Suizidgefahr und daher keine Reisefähigkeit. Im Falle ihrer
Abschiebung sei eine Verschlimmerung ihrer Symptome zu erwarten. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reiche es für die Zuerkennung
eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus, dass im
Falle der Rückführung die Gefahr bestehe, dass sich die Krankheit des
ausreisepflichtigen Ausländers im Heimatstaat verschlimmere, wenn dort die
Behandlungsmöglichkeiten faktisch unzureichend seien. Die ihr gegenwärtig in
Deutschland zu Teil werdende fachärztliche und medikamentöse Behandlung
stehe ihr im Heimatland nicht zur Verfügung. Sie sei dort arbeits- und mittellos.
Sie sei krankheitsbedingt erwerbsunfähig und mangels Einkommen und
Vermögen nicht in der Lage, die erforderliche fachärztliche und medikamentöse
Behandlung in der Ukraine zu erlangen. Jedenfalls seien die von ihr aktuell
benötigten Medikamente in der Ukraine durch sie nicht finanzierbar. In der
Ukraine sei die Versorgung psychisch Kranker geprägt von den finanziellen und
wirtschaftlichen Nöten dieses Landes. Ein weitergehendes sozialpsychiatrisches
Netz fehle völlig. Auch unter stationären Bedingungen seien psychisch Kranke
häufig unterversorgt, da die Ukraine nur über eine geringe Eigenproduktion an
Psychopharmaka verfüge und für den Import neuerer Psychopharmaka nicht
genügend finanzielle Mittel vorhanden seien. Zur Glaubhaftmachung ihres
aktuellen gesundheitlichen Zustandes sowie der weiteren
Behandlungsbedürftigkeit ihrer psychischen Erkrankung legt die Klägerin
folgende Atteste und medizinische Stellungnahmen vor:
- ärztliches Attest der UMG vom 9. Juni 2011 (Bl. 28 f. der
Gerichtsakte),
-
sozialpsychiatrische
Stellungnahme
des
Fachdienstes
sozialpsychiatrischer Dienst der Stadt P. vom 26. September 2011 (Bl.
41 der Gerichtsakte),
- ärztliches Attest der UMG ohne Datum (Bl. 44 der Gerichtsakte),
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- ärztliche Stellungnahme der UMG vom 13. Februar 2012 (Bl. 84 der
Gerichtsakte),
- ärztliche Stellungnahme der UMG vom 2. März 2012 (Bl. 85 der
Gerichtsakte),
- fachärztliche Stellungnahme der UMG vom 28. Februar 2013 (Bl. 107
f. der Gerichtsakte),
- ärztliche Stellungnahme der UMG vom 4. März 2013 (Bl. 120 der
Gerichtsakte), danach nimmt die Klägerin die Medikamente Solian,
Trevilor retard, Akineton retard und Seroquel 300 mg/d ein,
-
sozialpsychiatrische
Stellungnahme
des
Fachdienstes
sozialpsychiatrischer Dienst der Stadt P. vom 1. März 2013 (Bl. 121 der
Gerichtsakte).
Daneben macht die Klägerin geltend, das erkennende Gericht gehe selbst
davon aus, dass die benötigten Medikamente sowie die ärztliche Behandlung ihr
in der Ukraine nicht kostenlos zur Verfügung stünden. Sie verfüge jedoch nicht
über die finanziellen Mittel, um die erforderlichen Behandlungen und
Medikamente selbst bezahlen zu können. Es gebe auch keine
Familienangehörigen, die sie entsprechend finanziell unterstützen könnten. Sie
sei in der Ukraine auf staatliche Leistungen angewiesen, da sie
krankheitsbedingt nicht in der Lage sei, zu arbeiten und Erwerbseinkommen zu
erzielen. Sie verfüge in der Ukraine über keinerlei Verwandte oder Bekannte,
welche sie finanziell oder anderweitig unterstützen könnten. Sie habe lediglich
Kontakt zu ihren beiden, in Deutschland lebenden Töchtern. Beide verfügten
ausweislich ihrer schriftlichen Erklärung vom 26. September 2011 und 1. April
2012 über keine finanziellen Mittel, die ihre – der Klägerin – Unterstützung vom
Ausland her erlauben könnten. Die von der Ausländerbehörde für die Dauer von
zwei Jahren zugesagte Übernahme der Kosten für Behandlungen und
Medikation in der Ukraine genüge nicht, da sie seit mehreren Jahren psychisch
erkrankt und deshalb nicht zu erwarten sei, dass sie innerhalb dieser Zeitspanne
genese. Zudem sei eine solche Kostenübernahme naturgemäß nicht
hinreichend, weil die inoffiziellen Behandlungskosten, die in der Ukraine
üblicherweise entstünden, nicht beziffert werden könnten. Nach der
Rechtsprechung etwa der 4. Kammer des erkennenden Gerichts könne eine
solche befristete Kostenübernahme das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7
Satz 1 des AufenthG nur entfallen lassen, wenn mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, dass nach Ablauf des Übernahmezeitraums
die weitere erforderliche medizinische und medikamentöse Versorgung dem
betroffenen Ausländer im Zielstaat zur Verfügung stehe. Diese Erwartung sei in
ihrem Fall nicht gerechtfertigt. Sie sei chronisch erkrankt und deshalb dauerhaft
auf die in Deutschland verabreichte Medikation angewiesen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Bescheid der Beklagten vom 21. März 2011 aufzuheben und diese
zu verpflichten festzustellen, dass in Abänderung des Bescheides vom
2. Januar 2003 Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 des
AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid des
Bundesamtes vom 21. März 2011 und führt ergänzend aus, nach einer Auskunft
des Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 2011 sei u.a. der von der Klägerin aktuell
benötigte Wirkstoff Amisulprid in der Ukraine zu einem Preis von ca. 70,00 € für
30 x 200 mg erhältlich. Danach erfolge die Erbringung psychotherapeutischer
Leistungen in der Ukraine innerhalb der Beschränkungen des medizinischen
und psychologischen Modells. Die Behandlung von Patienten erfolge durch
Allgemeinärzte, Psychiater in Polikliniken, spezialisierten Krankenhäusern,
Stationen und Krankenhausapotheken. Das Sozialsystem umfasse Pflegeheime
für Menschen mit chronischen psychischen Krankheiten. Es existierten keine
Regelungen zur langfristigen Behandlung von Patienten mit schweren
psychischen Störungen. Die grundlegende Einheit in der
psychotherapeutischen Behandlung sei der Psychotherapieplatz. In der Ukraine
stünden 223 Einheiten zur Verfügung, davon 134 im psychiatrischen und 189 im
somatischen Netzwerk. Psychiatrische Patienten fänden besondere
Berücksichtigung und erhielten grundlegende Medikamente kostenfrei. Die
Kosten für spezielle Medikamente müsse jeder Patient jedoch selbst
übernehmen. Mittel für Medikamente stammten aus lokalen öffentlichen
Haushalten und gewährleisteten daher oftmals noch nicht einmal die
grundlegende Versorgung, auch wenn diese eigentlich verfassungsmäßig
vorgeschrieben sei. Antipsychotika seien lokal erhältlich, darunter auch neuere
wie beispielsweise Amisulprid. Die Behandlung von Depressionen könne
sowohl auf stationärer als auch auf ambulanter Basis erfolgen. Darüber hinaus
würden kognitive Verhaltenstherapie und tiefenorientierte Psychotherapie
praktiziert. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Fluoxetin
seien am Markt erhältlich.
Über diese Auskunft des Auswärtigen Amtes hinaus ergänzt die Beklagte, die
Klägerin habe auch im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG keinen
Anspruch auf Versorgung mit bestimmten, in ihrem Heimatland möglicherweise
nicht vorhandenen oder nicht kostenfrei erhältlichen Wirkstoffen, denn diese
Norm gewährleiste nicht den in Deutschland üblichen Standard bei
medizinischer Versorgung. Es müssten lediglich konkrete erhebliche Gefahren
für Leib und Leben des Betroffenen ausgeschlossen sein. Dass eine Umstellung
der Medikation der Klägerin auf einen in der Ukraine kostenfrei oder
kostengünstig vorhandenen Wirkstoff nicht erfolgen könne, ohne dass es zu
einer erheblichen konkreten Gefährdung für Leib und Leben komme, sei
ärztlicherseits nicht festgestellt worden. Die der Klägerin aktuell verordneten
Wirkstoffe hätten eine Haltbarkeit von mindestens 2 1/2 Jahren, so dass es ihr
problemlos möglich wäre, sich vor einer Rückkehr in die Ukraine entsprechend
zu bevorraten. Alternativ könne auf die von der Ausländerbehörde abgegebene
Kostenübernahmeerklärung verwiesen werden. Ein Zeitraum von mindestens 2
1/2 Jahren sei ausreichend, damit die Klägerin in der Ukraine sozial und
wirtschaftlich wieder Fuß fassen und sich ihre in Deutschland lebenden Töchter
darauf einstellen könnten, ihre Mutter anschließend - sofern noch notwendig -
finanziell zu unterstützen. Insoweit werde auf die Rechtsprechung des 8.
Senates des Nds. Oberverwaltungsgerichts Bezug genommen.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 4. August 2011 den ersten Antrag der
Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender
Erfolgsaussichten der Klage u.a. mit der Begründung abgelehnt, nach dem
Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. März 2003 existierten in der
Ukraine zahlreiche Krankenhäuser, in denen auch psychische Krankheiten
behandelt werden könnten. Die medizinische Versorgung sei grundsätzlich
kostenlos, wenngleich einige Medikamente vom Patienten auf eigene Kosten
beschafft werden müssten. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, dass
ihr die hierfür notwendigen finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stünden, etwa
weil sie diese auch nicht von Familienangehörigen erhalten könne. Es sei auch
zu berücksichtigen, dass die Beklagte oder die Ausländerbehörde der Klägerin
für einen Übergangszeitraum nach ihrer Rückkehr in die Ukraine die notwendige
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medizinische Versorgung durch Kostenübernahme zusichere.
Die Kammer hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes (vgl. Anfrage vom 7.
November 2011, Bl. 51 ff. der Gerichtsakte) eine amtliche Auskunft des
Auswärtigen Amtes u.a. zu folgenden Fragestellungen eingeholt: Sind die
Medikamente bzw. Wirkstoffe Trevilor retard (Wirkstoff: Venlafaxin), Solian
(Wirkstoff: Amisulprid) und Akineton retard (Wirkstoff: Biperiden) in der Ukraine
regelmäßig erhältlich und wenn ja, zu welchen Kosten? Unter welchen
Voraussetzungen steht einem Patienten eine kostenlose
Medikamentenversorgung in der Ukraine zur Verfügung? Wegen des
Ergebnisses der Ermittlungen der Kammer wird auf die Antwort der Botschaft der
Bundesrepublik Deutschland in Kiew vom 3. Januar 2012 und die ihr
beigefügten Stellungnahme der Kooperationsärztin, Frau Dr. S. T. (Bl. 57 ff. der
Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Stadt P. hat als zuständige Ausländerbehörde mit Schreiben vom 8. Februar
2012 (Bl. 76 der Gerichtsakte) und vom 8. März 2013 (Bl. 129 der Gerichtsakte)
zugesagt, die Kosten der aktuellen Medikation und der ärztlichen Behandlung
der Klägerin in der Ukraine für die Dauer von 2 Jahren i.H.v. 410,00 € monatlich,
d.h. gesamt i.H.v. 9.840,00 €, zu übernehmen. Wegen der Einzelheiten der
Anfrage des Bundesamtes vom 7. Februar 2012 (Bl. 71 der Gerichtsakte) und
der Kammer vom 8. März 2013 (Bl. 117R, 125 der Gerichtsakte) sowie der
Antworten der Ausländerbehörde wird auf die genannten Schreiben Bezug
genommen.
Die Klägerin hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom
18. März 2013 geltend gemacht, sie lebe nach wie vor mit ihrer jüngsten Tochter
in P. zusammen und sei auf deren tägliche Pflege, Betreuung und Unterstützung
angewiesen. Ihre Tochter habe seit Oktober 2012 ein Studium in U.
aufgenommen und pendele täglich zum Studienort. Zur Glaubhaftmachung hat
sie eine schriftliche Stellungnahme ihrer Tochter, eine Bescheinigung des
Hausmeisters der gemeinsam bewohnten Unterkunft und
Studienbescheinigungen der Universität U. für das WS 2012/2013 und SS 2013
vorgelegt.
Wegen des weiteren Sachverhaltes, insbesondere des Vortrags der Beteiligten,
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakten des
Bundesamtes über das Asylerst- (Beiakte C) und –folgeverfahren (Beiakte A),
der Ausländerakten der Stadt P. (Beiakten B und d), der Sozialleistungsakte der
Stadt P. (Beiakte E) und des Auszugs aus der Akte über Krankenhilfe gem. § 4
AsylbLG der Stadt P. (Bl. 143 ff. der Gerichtsakte) verwiesen, die in der
mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der
Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Einzelrichter konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. März
2013 in dem vorliegenden Rechtsstreit entscheiden. Der mit Schriftsatz des
Prozessbevollmächtigten vom 14. März 2013, in der mündlichen Verhandlung
als Anlage zur Niederschrift überreicht, angekündigte und in der mündlichen
Verhandlung gestellte Antrag, „die Hauptverhandlung wegen fehlender
Akteneinsicht und Besprechungsmöglichkeit mit der Klägerin betreffend die so
gewonnenen Erkenntnisse auszusetzen“, hinderte den Einzelrichter nicht an
einer Entscheidung des Rechtsstreits.
Soweit die Klägerin mit ihrem Antrag eine Aussetzung des Verfahrens erstrebte,
bestand für dieses Begehren kein prozessualer Anspruch. Als
Anspruchsgrundlage käme insoweit einzig § 94 VwGO in Betracht. Nach dieser
Vorschrift kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder
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zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses
abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet
oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die
Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur
Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Diese
Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Insbesondere fehlte es an einem für das
vorliegende Klageverfahren vorgreiflichen Rechtsstreit, der bei einem anderen
oder dem erkennenden Gericht anhängig ist, alternativ hierzu an einem
vorgreiflichen Verfahren einer Verwaltungsbehörde.
Soweit der Antrag der Klägerin gemäß §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO sachdienlich
dahingehend auszulegen war, dass sie mit ihm eine Vertagung der mündlichen
Verhandlung auf einen späteren Termin begehrte, konnte dem so verstandenen
Antrag ebenfalls kein Erfolg beschieden sein. Ein Anspruch auf
Terminsaufhebung, -änderung oder -verlegung kann sich nur nach § 173 Satz 1
VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO ergeben (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur
VwGO, 17. Auflage, § 102 Rn 4 m.w.N.). Gemäß § 227 Abs. 1 ZPO kann ein wie
vorliegend rechtzeitig bestimmter Termin zur mündlichen Verhandlung - die
Ladungsfrist von mindestens 2 Wochen gemäß § 102 Abs. 1 VwGO ist hier
ausweislich des Empfangsbekenntnisses des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin vom 20. Februar 2013 (Bl. 98 GA) eingehalten worden - nur aus
erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt
werden. Gemäß § 227 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind erhebliche Gründe insbesondere
nicht das Ausbleiben einer Partei (Nr. 1), die mangelnde Vorbereitung einer
Partei, wenn die Partei dies nicht genügend entschuldigt (Nr. 2) und das
Einvernehmen der Parteien allein (Nr. 3). Der Einzelrichter hat mit
Ladungsverfügung vom 18. Februar 2013 die Klägerin gemäß § 102 Abs. 2
VwGO darauf hingewiesen, dass auch im Falle ihres Ausbleibens ohne sie
verhandelt und entschieden werden kann. Es ist auch nicht erkennbar, dass die
Klägerin ohne ihr Verschulden an der Teilnahme an der mündlichen
Verhandlung gehindert war. Soweit der Prozessbevollmächtigte in seinem
Schriftsatz vom 14. März 2013 geltend macht, die Klägerin sei weder in der
Lage, an einer kurzfristig anberaumten Besprechung mit ihm noch an der
mündlichen Verhandlung teilzunehmen, und dies lediglich mit dem Hinweis auf
die vorgelegte fachärztliche Stellungnahme der UMG vom 28. Februar 2013
begründet, ist dem entgegenzuhalten, dass sich aus dieser ärztlichen
Stellungnahme nicht plausibel entnehmen lässt, dass die Klägerin bis auf
Weiteres verhandlungsunfähig oder transportunfähig in dem Sinne ist, dass ihr
aus gesundheitlichen Gründen schon ein Verlassen ihrer Wohnung und das
Aufsuchen des Gerichtsgebäudes gegenwärtig nicht möglich ist. Zur
Glaubhaftmachung einer Verhandlungsunfähigkeit oder Transportunfähigkeit in
dem eben bezeichneten Sinne, um die der Einzelrichter im Rahmen der
Erörterung des klägerischen Aussetzungsantrags in der mündlichen
Verhandlung gem. § 227 Abs. 2 ZPO gebeten hat, hätte es der Vorlage eines
aktuellen und insoweit aussagekräftigen ärztlichen Attestes spätestens zu
Beginn der mündlichen Verhandlung bedurft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.
Juni 1991 - 5 ER 644/91 -, zit. nach juris Rn. 7); dies hat die Klägerin jedoch
versäumt. Besagtes gilt auch für die von ihrem Prozessbevollmächtigten mit
selber Begründung geltend gemachte fehlende Besprechungsmöglichkeit im
Vorfeld des Termins. Auch diesbezüglich ist der Schriftsatz vom 14. März 2013
und der darin enthaltene Hinweis auf die Stellungnahme der UMG vom 28.
Februar 2013 nicht geeignet, die Unfähigkeit der Klägerin aktuell und
nachvollziehbar zu attestieren, eine Besprechung mit ihrem
Prozessbevollmächtigten - ggf. kurzfristig in ihrer Wohnung oder aber
fernmündlich - nicht durchführen zu können.
Einen Anspruch auf Terminsverlegung oder Vertagung der mündlichen
Verhandlung hatte die Klägerin auch nicht wegen fehlender Möglichkeit, die vom
Gericht zur Entscheidungsfindung angeforderten und beigezogenen
Verwaltungsakten des Bundesamtes, der Ausländerbehörde und des
28
Fachbereiches Soziales der Stadt P. über ihren Prozessbevollmächtigten
einsehen und zu dem darin enthaltenen Inhalt sachgerecht Stellung nehmen zu
können. Das in § 100 Abs. 1 und 2 VwGO geregelte Akteneinsichtsrecht der
Verfahrensbeteiligten besteht nicht um seiner selbst willen oder gar als Mittel zur
Verzögerung des Rechtsstreits. Sein Zweck besteht ausschließlich in der
Verwirklichung des durch Art. 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten
Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Es gewährleistet die
Waffengleichheit der Beteiligten und soll ihnen zugleich die effektive Mitwirkung
bei der Wahrheitsfindung des Gerichts ermöglichen (BVerwG, Urteil vom 3.
November 1987 - 9 C 235/86 -, NJW 1988, S. 1280 f, zit. nach juris Rn. 12).
Ausgehend von dieser Prämisse hatte der Einzelrichter der Klägerin hinreichend
Gelegenheit gegeben, zum Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten
rechtliches Gehör gewährt zu bekommen. Soweit es die beigezogenen Akten
des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sowie den ersten Teil der
Ausländerakte der Stadt P. (Blatt 1-198) betrifft, sind diese Akten dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Verfügung vom 28. April 2011 zur
Einsichtnahme übersandt worden. Diesbezüglich bestand bis zur mündlichen
Verhandlung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zum Akteninhalt.
Soweit es den weiteren Teil der Ausländerakte der Stadt P. (Seiten 199-282)
betrifft, die der Einzelrichter zur Sitzungsvorbereitung am 19. Februar 2013
angefordert hat, ist dem Prozessbevollmächtigten mit Verfügung vom 27.
Februar 2013 der Eingang dieser Teile der Ausländerakte mitgeteilt worden. Auf
sein unter dem 1. März 2013 angebrachtes Akteneinsichtsgesuch hat der
Einzelrichter mit Verfügung vom 7. März 2013 (per Telefax am 8. März 2013
übermittelt) die beantragte Akteneinsicht mit der Maßgabe bewilligt, dass diese
wegen der unmittelbar bevorstehenden mündlichen Verhandlung und der damit
verbundenen notwendigen Sitzungsvorbereitung (ausnahmsweise) nur in den
Räumen des Verwaltungsgerichts gewährt werden könne. Der Einzelrichter hat
damit das ihm gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO eingeräumte Ermessen
hinsichtlich der Bestimmung des Ortes der Akteneinsicht im Hinblick auf die
Unabkömmlichkeit des aktuellen Teils der Ausländerakten zwischen dem 7. und
14. März 2013 sachgerecht ausgeübt, denn eine Versendung, Einsichtnahme
und Rücksendung dieser Verwaltungsakten war angesichts der Kürze der Zeit
bis zur mündlichen Verhandlung auf dem üblichen Versandweg (per Post bzw.
Paketdienst) logistisch ausgeschlossen und über einen Botendienst für diese
Zwecke verfügt das erkennende Gericht nicht. Dem Prozessbevollmächtigten
war es angesichts seines Kanzleisitzes im Stadtgebiet, mithin nur wenige
Kilometer vom Sitz des erkennenden Gerichtes entfernt, auch zumutbar, diesen
überschaubaren Teil der Ausländerakten (weniger als 100 Seiten)
ausnahmsweise auf der Geschäftsstelle der Kammer einzusehen (zu diesen
Aspekten der Ermessensausübung vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 100 Rn. 7
unter Hinweis auf BFH, Beschluss vom 31. August 1993 - XI B 31/93 -, NJW
1994, S. 751 f. m.w.N., zit. nach juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 3. November
1987, a.a.O., Rn. 13). Der Einzelrichter hat bei seiner nach freiem Ermessen zu
treffenden Entscheidung über den Ort der Gewährung von Akteneinsicht zudem
berücksichtigt, dass die aktuellen Teile der Ausländerakte im Wesentlichen das
von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingeleitete
Verwaltungsverfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und den hierüber
mit der Ausländerbehörde geführten Schriftwechsel umfasst, der dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin somit schon bekannt war.
Nichts anderes gilt für die vom Einzelrichter beigezogene Leistungsakte des
Fachbereiches Soziales der Stadt P. betreffend die Klägerin, die trotz
Anforderung durch richterliche Verfügung vom 27. Februar 2013 erst am 12.
März 2013 beim erkennenden Gericht eingegangen ist und lediglich mit dem Ziel
der Überprüfung der Gewährung von Krankenhilfe gem. § 4 AsylbLG
beigezogen wurde. Angesichts der Kürze der verbleibenden Zeit bis zur
mündlichen Verhandlung (ein Arbeitstag) war eine Übersendung dieser Akte zu
Zwecken der Einsichtnahme in die Kanzleiräume des Prozessbevollmächtigten
der Klägerin ohne die Gefahr, dass diese zur mündlichen Verhandlung nicht zur
29
30
31
Verfügung steht, schlichtweg unmöglich. Soweit die Klägerin diesbezüglich ihren
Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung vom 14. März 2013 lediglich
damit begründet, die Richtig- und Vollständigkeit der Nachweise der gewährten
Krankenhilfe durch die Stadt P. nicht (mehr) überprüfen zu können, greift diese
Begründung schon deswegen ins Leere, weil sich aus der Leistungsakte die
genaue Art und Dauer der gewährten Krankenhilfe für die Zeit ab 2011 gerade
nicht ergibt, sondern diese Unterlagen vom Einzelrichter durch gesonderte
Verfügung nachgefordert werden mussten. Die einzelnen Nachweise über die
Gewährung von Krankenhilfe durch die Stadt P. sind, soweit sie dort überhaupt
einzelfallbezogen vorliegen, erst mit Schriftsatz vom 13. März 2013 dem
erkennenden Gericht zur Kenntnis gelangt und noch am selben Tage dem
Prozessbevollmächtigten der Klägerin per Telefax übermittelt worden. Insofern
hätte die Gewährung von Akteneinsicht in die Leistungsakte der Stadt P. durch
Übersendung in die Kanzleiräumlichkeiten der Klägerin ohnehin keine
weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten verschafft; die unterlassene
Versendung ist damit von vorn herein nicht kausal für die klägerseits gerügte
fehlende Überprüfungsmöglichkeit. Es kommt hinzu, dass der Einzelrichter mit
begleitender Verfügung vom 13. März 2013 der Klägerin und ihrem
Prozessbevollmächtigten angeboten hat, in die eben genannten
Verwaltungsakten (aktueller Teil der Ausländerakte sowie die Leistungsakte),
Akteneinsicht unmittelbar vor Beginn der mündlichen Verhandlung zu nehmen.
Dieses Angebot haben die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter nach freier
Entscheidung nicht wahrgenommen sodass im Ergebnis die mangelnde
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung - soweit es die gerügte fehlende
Akteneinsicht betrifft - der Klägerin gem. §§ 85 Abs. 2, 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
ZPO als selbst verschuldet zuzuschreiben ist.
Die Klage ist gem. §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass mit
ihr von Beginn an nur die Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes gem. § 60
Abs. 2 bis 7 AufenthG geltend gemacht wurde; die Feststellung der
Flüchtlingseigenschaft gem. § 60 Abs. 1 AufenthG hat die Klägerin hingegen
nicht begehrt. Gegenstand der Klage ist danach die Feststellung subsidiären
unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auf der Grundlage der
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG sowie die
Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz auf der Grundlage der
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Angesichts des
jeweils einheitlichen, nicht teilbaren Streitgegenstandes kommt eine
Beschränkung der Klage allein auf die Feststellung des Vorliegens der
Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG nicht in Betracht (vgl. BVerwG,
Urteil vom 8. September 2011 - 10 C 14/10 -, BVerwGE 140, S. 319 ff., zit. nach
juris Rn. 9, 17).
Die zulässige Klage ist unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Feststellung eines subsidiären
unionsrechtlichen oder nationalen Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 2 bis
7 AufenthG bezüglich des Zielstaates Ukraine und damit auf Abänderung des
nach altem Recht (§ 53 Abs. 1 bis 6 AuslG) ergangenen Bescheides des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 2. Januar
2003. Der hier angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und
Flüchtlinge vom 21. März 2011 ist somit rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der im vorliegenden
Verfahren maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Bescheides ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§
77 Abs. 1 AsylVfG).
Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. März 2011 ist nicht formell
rechtswidrig, weil es vorliegend an einem Antrag der Klägerin auf
Wiederaufgreifen des Verfahrens fehlt, vgl. § 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG. Für
Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ist das Bundesamt
nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG berechtigt, ohne Antrag des
32
33
Betroffenen von Amts wegen das Verfahren auch dann wieder aufzugreifen und
einen Zweitbescheid zu erlassen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
bis 3 VwVfG nicht vorliegen (vgl. zu § 53 AuslG: BVerfG, Beschluss vom 21.
Juni 2000 - 2 BvR 1989/97 -, NVwZ 2000, S.907 ff., zit. nach juris Rn. 16). Auch
wenn die Ausländerbehörde der Stadt P. vorliegend verkannt hat, dass ein
Beteiligungserfordernis gem. § 72 Abs. 2 AufenthG schon deshalb nicht
gegeben war, weil die originäre Zuständigkeit des Bundesamtes für die
Feststellung von Abschiebungsverboten aufgrund des früheren Asylantrags der
Klägerin gem. § 42 Satz 1 AsylVfG fortbestand, mithin der Antrag der Klägerin
vom 21. Mai 2010 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 2 bis
5 AufenthG wegen Vorliegens zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse
vorrangig als isoliertes Folgeschutzgesuch zu werten und zuständigkeitshalber
an das Bundesamt zur Prüfung weiterzuleiten war (vgl. BVerwG, Beschluss vom
3. März 2006 - 1 B 126/05 -, NVwZ 2006, S. 830 ff., zit. nach juris Rn. 10), gab
die Anfrage der Ausländerbehörde dem Bundesamt zureichend Anlass, ein
Wiederaufgreifen des früheren Verfahrens zur Feststellung von
Abschiebungsverboten von Amts wegen zu prüfen und das Ergebnis der
Prüfung der Klägerin zu bescheiden.
Gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die
Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu
entscheiden, wenn sich die der ersten Sachentscheidung zugrundeliegende
Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat (Nr.
1), wenn neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere
Entscheidung herbeigeführt hätten (Nr. 2) oder wenn Wiederaufnahmegründe
entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (Nr. 3). Erforderlich ist weiter, dass der
Betroffene nicht ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das
Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen (§ 51 Abs. 2
VwVfG). Der Betroffene muss den Antrag zudem binnen 3 Monaten seit
Kenntniserlangung von dem Grund für das Wiederaufgreifen stellen (§ 51 Abs. 3
VwVfG), sofern er nicht aus besonderen Gründen daran gehindert gewesen ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier bezüglich der im Bescheid des
Bundesamtes vom 2. Januar 2003 getroffenen (negativen) Feststellungen zum
Vorliegen von Abschiebungshindernissen bezüglich der Ukraine nicht vor. Das
Bundesamt hat daneben ermessensfehlerfrei entschieden, die bestandskräftige
Entscheidung nicht nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG
aufzuheben und das Verfahren nicht wiederaufzugreifen. Eine
Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor, die Aufrechterhaltung des
Erstbescheids ist nicht schlechthin unerträglich. Die Klägerin hat weiterhin
keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60
Abs. 2 bis 7 AufenthG. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin einen Anspruch
auf subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 oder
7 Satz 2 AufenthG hat, sind in keiner Weise erkennbar. Daneben besteht auch
kein Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60
Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass
aktuell für die Klägerin bei einer Rückkehr in die Ukraine wegen ihrer
psychischen Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben
i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.
Bei der Frage, ob einem Ausländer wegen einer Erkrankung bei einer Rückkehr
in die Heimat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des
§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht, ist der richtige Gefahrenmaßstab
anzuwenden. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des
Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in
der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7
Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom
17. Oktober 2006 - 1 C 18/05 -, BVerwGE 127, S. 33 ff., zit. nach juris Rn. 15).
Eine „erhebliche konkrete Gefahr“ im Falle einer zielstaatsbezogenen
Verschlimmerung einer Erkrankung ist daher gegeben, wenn sich der
34
Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat wegen der
dortigen Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich
verschlechtern würde. Gründe hierfür können nicht nur fehlende
Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat sein, sondern etwa auch, dass eine an
sich vorhandene medizinischen Behandlungsmöglichkeit aus finanziellen oder
sonstigen persönlichen Gründen rein tatsächlich nicht erlangt werden kann (vgl.
BVerwG, a.a.O., Rn. 20). Dementsprechend kann von einer
abschiebungsschutzrelevanten Verschlechterung des Gesundheitszustands
nicht schon dann gesprochen werden, wenn "lediglich" eine Heilung eines
Krankheitszustandes des Ausländers im Zielstaat nicht zu erwarten ist.
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer
nämlich nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes der
Bundesrepublik Deutschland sichern, sondern vor einer gravierenden
Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren. Eine
wesentliche Verschlimmerung des Gesundheitszustands ist dementsprechend
auch nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des
Gesundheitszustands anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich
schweren körperlichen oder psychischen Schäden (vgl. OVG NRW, Beschluss
vom 30. Oktober 2006 - 13 A 2820/04.A -, AuAS 2007, S. 20 ff., zit. nach juris
Rn. 32 m.w.N.). Konkret ist eine Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG, wenn die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach
der Einreise des Betroffenen in den Zielstaat eintritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.
Oktober 2006, a.a.O.). Aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG -
"dort" - folgt zudem, dass die ein mögliches Abschiebungshindernis
begründenden Umstände an Gegebenheiten im Zielland der Abschiebung
anknüpfen müssen (zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse).
Abschiebungshindernisse nach dem früher geltenden § 53 AuslG bzw.
Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG leiteten/leiten sich der Sache nach
aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland der Abschiebung für einen
ausreisepflichtigen Ausländer her und müssen damit in Gefahren begründet
sein, die im Zielstaat der Abschiebung drohen. Das gilt auch dann, wenn die im
Abschiebungszielstaat zu erwartende Rechtsgutbeeinträchtigung in der
Verschlimmerung einer Krankheit besteht, unter welcher der Ausländer bereits in
Deutschland leidet (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 1997, - 9 C 58.96 -,
DVBl. 1998, S. 284, und vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, NVwZ 1998, S.
526). Dementsprechend können in Verfahren vor dem Bundesamt nur
zielstaatsbezogene Gefahren als Abschiebungshindernis geltend gemacht
werden, nicht aber Gegebenheiten und Vorgänge, die im Aufenthaltsland
Deutschland begründet sind oder mit der geplanten Rückreise des
ausreisepflichtigen Ausländers zusammenhängen. Auch bei einer als
Abschiebungshindernis geltend gemachten Gesundheitsverschlechterung muss
es sich demnach um eine solche handeln, die durch Gegebenheiten im Zielland
der Abschiebung - hier der Ukraine - ausgelöst und verursacht wird. Hieraus
folgt, dass die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg einwenden
kann, sie sei ausweislich der amtsärztlichen Stellungnahme des
Gesundheitsamtes P. vom 30. September 2010 auf absehbare Zeit
reiseunfähig. Reiseunfähigkeit stellt kein zielstaatsbezogenes
Abschiebungshindernis, sondern ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis
dar, dessen Vorliegen die Ausländerbehörde der Stadt P. selbständig zu prüfen
und beim Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu beachten hat und ggf.
einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5
AufenthG begründen kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29. März 2011 - 8 LB
121/08 -, zit. nach juris Rn. 47 m.w.N), über den im vorliegenden, gegen die
Bundesrepublik Deutschland gerichteten Klageverfahren indes nicht zu befinden
ist.
Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Kriterien und unter
zusammenfassender, bewertender Betrachtung aller entscheidungsrelevanten
Umstände und Aspekte, insbesondere des aktuellen Gesundheitszustandes der
Klägerin, ist nach Auffassung des Einzelrichters die Zuerkennung eines
35
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Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der
Ukraine nach wie vor nicht gerechtfertigt. Der psychisch erkrankten Klägerin
droht bei einer Rückkehr in ihre Heimat keine erhebliche konkrete Gefahr für
Leib und Leben.
Der Einzelrichter geht in Übereinstimmung mit den von der Klägerin vorgelegten
ärztlichen Attesten, namentlich der jüngsten ärztlichen Stellungnahme der
Universitätsmedizin Göttingen - Oberarzt Dr. V. - vom 4. März 2013 davon aus,
dass die Klägerin an paranoider Schizophrenie (ICD-10 F20.0) sowie einer
rezidivierenden depressiven Störung leidet, die zuletzt mit einer schweren
depressiven Episode (F33.2) einherging, somit differentialdiagnostisch als
postschizophrene Depression (F20.4) zu klassifizieren ist. Anhand des
bisherigen Verlaufs ist ferner von einer chronischen Erkrankung der Klägerin
auszugehen mit rezidivierendem Verlauf sowie kompletter Remission mit
Residualsymptomatik. Aufgrund dieser Erkrankung besteht die medizinische
Notwendigkeit einer dauerhaften, voraussichtlich lebenslangen
medikamentösen Therapie sowie begleitender psychotherapeutischer und
sozialtherapeutischer Maßnahmen. Die aktuelle, für die Klägerin hinreichend
verträgliche Medikation umfasst zum einen die Medikamente Solian 800 mg/d
(Wirkstoff: Amisulprid), Trevilor retard 300 mg/d (Wirkstoff: Venlafaxin), Akineton
retard 4 mg/d (Wirkstoff: Biperiden) sowie das Medikament Seroquel 300 mg/d
(Wirkstoff: Quetiapin). Hinsichtlich der begleitend zu dieser Medikation
erforderlichen psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen
ergibt sich aus der fachärztlichen Stellungnahme der Universitätsmedizin
Göttingen - Dr. W. - vom 28. Februar 2013, dass die Klägerin regelmäßige
ambulante Kontakte zu psychotherapeutischen Behandlungen benötigt. Aus der
sozialpsychiatrischen Stellungnahme des Gesundheitsamtes für die Stadt und
den Landkreis P. - Fachdienst Sozialpsychiatrischer Dienst, Herr X. - vom 1.
März 2013 ergibt sich, dass die Klägerin regelmäßig zu sozialpsychiatrischen
Gesprächen in die Dienststelle des Gesundheitsamtes kommt, um akute
suizidale Krisen zu vermeiden bzw. abzuwenden. Alle Stellungnahmen
unterstreichen dabei die stützende Wirkung des familiären Umfelds der Klägerin
hier in Deutschland, das im Wesentlichen aus den Kontakten bzw. der Pflege
durch ihre Töchter besteht und dessen Wegfall wahrscheinlich zu einer
erneuten, schweren Destabilisierung mit Suizidalität führen würde. Dem Aspekt
der drohenden Suizidalität braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden,
weil - wie vorstehend bereits ausgeführt - die damit einhergehende Reise- und
Transportunfähigkeit der Klägerin aus Anlass aufenthaltsbeendender
Maßnahmen zu einem inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis führen
würde, dem die Ausländerbehörde mit geeigneten Maßnahmen begegnen
müsste. Die Klägerin wäre für die Dauer ihrer Reise- und/oder
Transportunfähigkeit gem. § 60a Abs. 2 AufenthG zu dulden; ihr wäre bei
längerfristiger Reise- und/oder Transportunfähigkeit ggf. eine
Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen.
Der Einzelrichter ist davon überzeugt, dass die Erkrankung der Klägerin in ihrem
Heimatland Ukraine angemessen behandelbar ist und sie dort die begleitend
erforderlichen sozialen und familiären Kontakte nicht missen wird. Bereits im
Asylerstverfahren der Klägerin hat die 4. Kammer des erkennenden Gerichtes
eine Auskunft des Auswärtigen Amtes über die Deutsche Botschaft in Kiew vom
2. März 2004 - RK 516.80 SE - eingeholt, wonach die bei der Klägerin erstmals
2003 diagnostizierte paranoid-halluzinatorische Psychose in der Ukraine
behandelbar ist. Psychiatrische Hilfe wird in der Ukraine von psychiatrischen
Kliniken sowohl ambulant als auch stationär geleistet. Ab April 2004 ist das von
der Klägerin u.a. benötigte Arzneimittel Solian in der Ukraine erhältlich. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils der 4.
Kammer vom 1. April 2004 - 4 A 2/03 - verwiesen. Daneben hat die Beklagte in
ihrer Stellungnahme vom 28. Oktober 2011 auf eine aktuelle Auskunft des
Auswärtigen Amtes vom 14. Juni 2011 hingewiesen, wonach
psychotherapeutische Leistungen in der Ukraine durch Allgemeinärzte-
37
Psychiater in Polikliniken, spezialisierten Krankenhäusern, Stationen und
Krankenhausapotheken angeboten werden. Zudem umfasse das Sozialsystem
der Ukraine Pflegeheime für Menschen mit chronischen psychischen
Krankheiten. Psychiatrische Patienten finden besondere Berücksichtigung und
erhalten grundlegende Medikamente kostenfrei. Lediglich die Kosten für
spezielle Medikamente müsse jeder Patient selbst übernehmen. Medikamente
wie Antipsychotika seien lokal erhältlich, darunter auch neuere Antipsychotika
wie Amisulprid (Preis für 30 Tabletten à 200 mg ca. 70 €). Die Behandlung von
Depressionen könne sowohl auf stationärer als auch auf ambulanter Basis
erfolgen. Darüber hinaus würden kognitive Verhaltenstherapie und
tiefenorientierte Psychotherapie in der Ukraine praktiziert. Selektive Serotonin-
Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie beispielsweise Fluoxetin seien am Markt
erhältlich. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Auskunft wird auf den
Schriftsatz der Beklagten vom 28. Oktober 2011 (Bl. 46 GA) verwiesen.
Schließlich ergibt sich aus der vom Einzelrichter eingeholten Auskunft der
Deutschen Botschaft in Kiew vom 3. Januar 2012 nebst beigefügter
Stellungnahme der Kooperationsärztin Frau Dr. S. T., dass neben dem
Medikament Solian 200 mg (Preis für 30 Tabletten ungefähr 60 €) auch das
Medikament Trevilor retard 150 mg (Preis für 28 Kapseln ungefähr 50 €) und das
Medikament Akineton - wenn auch nicht in retardierender Form, so doch in
Tablettenform 2 mg und 4 mg - (Preis für 50 Tabletten bis zu 25 €) in der Ukraine
erhältlich sind. Da das seinerzeit von der Klägerin vorgelegte fachärztliche Attest
der UMG eine Medikation mit Seroquel 300 mg/d noch nicht dokumentierte,
konnte der Einzelrichter zur Verfügbarkeit dieses atypischen Neuroleptikas
keine Auskunft einholen. Der Einzelrichter ist jedoch davon überzeugt, dass
auch dieses Medikament in der Ukraine erhältlich ist, sofern die Klägerin zum
Zeitpunkt ihrer Rückkehr damit überhaupt noch behandelt werden muss. Bereits
eine einfache Internetrecherche nach dem Hersteller vom Seroquel, der britische
Pharmakonzern AstraZeneca, ergibt, dass dieser über eine Niederlassung in
Kiew, 15/15, V.Khvoyki Str., verfügt, um am ukrainischen Arzneimittelmarkt
präsent zu sein (vgl. http://www.astrazeneca.com/About-Us/Worldwide-
locations/Country/Ukraine, abgerufen am 13. März 2013). Es kommt hinzu, dass
die Klägerin erst seit Anfang 2013 mit diesem Medikament zusätzlich behandelt
wird und sich aus dem Attest vom 4. März 2013 nicht ergibt, dass sie hierauf
dauerhaft angewiesen sein wird. Im Übrigen wird auf die nachstehenden
Ausführungen zur Ablehnung des Beweisantrags der Klägerin, Ziffer II.,
verwiesen. Die Kooperationsärztin der Deutschen Botschaft in Kiew hat ferner
ausgeführt, dass zur Behandlung von psychiatrischen Krankheiten in jedem
Bezirk der Ukraine psychoneuralgische Medikamentenabgabenstellen und
psychiatrische Kliniken existieren, die über gut ausgebildetes Personal verfügten
und der Klägerin eine adäquate medizinische Betreuung gewährleisteten.
Gemäß der ukrainischen Verfassung sei die medizinische Betreuung für die
ukrainischen Patienten garantiert kostenlos, wenngleich in der Realität aufgrund
der Verarmung des Staates, insbesondere des Gesundheitssektors, die
kostenlose Behandlung schwer erhältlich sei. Da die Gehälter des
medizinischen Personals sehr gering seien, müsse der Patient nach einer weit
verbreiteten Praxis informelle Zusatzzahlungen („Schmiergelder“) leisten.
Patienten müssten auch bei ambulanter Behandlung für ihre Medikamente
zahlen, nur wenige Patientengruppen könnten einen staatlichen Zuschuss zur
Deckung ihrer Kosten für Medikamente erhalten.
Trotz dieser Schwierigkeiten ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass die
Klägerin bei ihrer Rückkehr in die Ukraine die von ihr benötigte medizinische
Behandlung auch erlangen kann. Zur Überbrückung der Startschwierigkeiten ist
die von der Stadt P. als zuständiger Ausländerbehörde mit Schreiben vom 8.
Februar 2012 und vom 8. März 2013 gegebene rechtsverbindliche Zusage, die
Kosten der aktuellen Medikation und der ärztlichen Behandlung der Klägerin in
der Ukraine für die Dauer von 2 Jahren in Höhe der erforderlichen Kosten (so ist
die jüngste Kostenübernahmeerklärung vom 8. März 2013 zu verstehen) zu
übernehmen, uneingeschränkt geeignet, um einen Zugang zu den in der
Ukraine vorhandenen Medikamenten und ärztlichen Leistungen zu erlangen.
Der Einzelrichter teilt die von der Klägerin im Schriftsatz vom14. März 2013
diesbezüglich geäußerten Bedenken nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die
Ausländerbehörde ihre Kostenübernahmeerklärung vom 8. Februar 2012 durch
Schreiben vom 8. März 2013 auf die Kosten der erforderlichen Medikation
beschränken und die Kosten der ärztlichen Behandlung („Schmiergelder“)
ausschließen wollte. Vielmehr ist das Schreiben der Ausländerbehörde vor dem
Hintergrund der Anfrage des Einzelrichters vom 8. März 2013 („bitte ich unter
Bezugnahme auf Ihre Kostenübernahmeerklärung vom 08.02.2012 gegenüber
dem BAMF um kurze Bestätigung bis 13.03.2013, dass Sie ggf. auch die Kosten
eines weiteren, in der Stellungnahme der UMG vom 04.03.2013 (siehe Anlage)
bekannten Medikaments/Wirkstoffs übernehmen würden“, Bl. 117 R GA)
dahingehend auszulegen, dass die Kostenübernahmeerklärung nunmehr auch
die Kosten des Medikaments Seroquel zusätzlich umfassen soll. Diese
Kostenübernahmeerklärung rechtfertigt nach der Rechtsprechung des Nds.
Oberverwaltungsgerichts die Annahme, dass sich eine erhebliche konkrete
Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für die Zeit nach Ablauf von 2 Jahren
seit der Rückkehr der Klägerin in ihre Heimat derzeit nicht prognostizieren lässt
(vgl. Beschluss des 8. Senates vom 21. Dezember 2009 - 8 LA 19/09 -, zit. nach
juris Rn. 6, und des 10. Senates vom 23. März 2009 - 10 LA 315/08 -, AuAS
2009, S. 160 ff., zit. nach juris Rn. 9). Selbst wenn man dieser Auffassung nicht
zu folgen vermag, wäre die Mitgabe eines Medikamentenvorrates oder die
Zusage, die Kosten für erforderliche Medikamente im Heimatland des
Betroffenen für eine gewisse Dauer zu übernehmen, nur dann nicht zum
Ausschluss einer Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geeignet, wenn
schon heute mit hinreichender Sicherheit erwartet werden kann, dass die nach
Erschöpfung des Medikamentenvorrates oder Ablauf der Dauer der zugesagten
Kostenübernahme weiterhin erforderliche medizinische Behandlung dem
Betroffenen nicht zur Verfügung stehen wird, etwa weil er seine eigene
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder aber familiäre und/oder staatliche
Unterstützung nicht (wieder-)erlangt hat (vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 20.
Oktober 2009 - 6 A 109/08 -, zit. nach juris Rn. 28 m.w.N.; Urteil der 4. Kammer
des erkennenden Gerichtes vom 6. Dezember 2011 - 4 A 96/11 -, UA S. 6; Urteil
der erkennenden Kammer - Einzelrichter - vom 4. September 2012 - 2 A 35/11 -,
UA S. 9). Eine solche negative Erwartung rechtfertigt sich im Falle der Klägerin
nicht. Die Klägerin leidet ausweislich der im Asylerstverfahren vorgelegten
ärztlichen Atteste bereits seit 2002 an der geltend gemachten psychischen
Grunderkrankung (chronische Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis,
vgl. amtsärztliche Stellungnahme vom 30. September 2010), die indes bei
regelmäßiger Einnahme der verordneten Medikamente und begleitender
psychotherapeutischer Maßnahmen offenbar in den Griff zu bekommen ist, wie
sich aus den vorgelegten ärztlichen Attesten ergibt (vgl. etwa Arztbrief der UMG
vom 27. Januar 2010). Offenbar konnte die Klägerin nach ihrer Ausreise aus
dem Bundesgebiet im September 2003 und ihrer Rückkehr in die Ukraine trotz
(vorübergehender) Einstellung der medikamentösen Weiterbehandlung ohne
erhebliche Beeinträchtigungen leben (vgl. ärztlicher Bericht der UMG vom 27.
Januar 2010) und sogar einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie arbeitete trotz
psychischer Grunderkrankung nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatstadt Ivano-
Frankivsk als Übersetzerin und von November 2008 bis zu ihrer erneuten
Einreise im November oder Dezember 2009 in Prag als Küchenhilfe (vgl.
Lebenslauf der Klägerin, Bl. 22 Beiakte E). Es ist somit nicht von vorn herein
auszuschließen, dass die Klägerin als Akademikerin unter Beibehaltung der
heutigen Medikation in einem für ihren Gesundheitszustand verträglichen
Umfang einer solchen Erwerbstätigkeit als freiberufliche Übersetzerin auch in
Zukunft wieder nachgehen und sich dadurch eine Lebensgrundlage aufbauen
kann. Daneben hat der Einzelrichter berücksichtigt, dass die Klägerin auf die
Unterstützung von Familienangehörigen in der Ukraine zurückgreifen kann.
Zwar hat sie vorgetragen, sie habe schon vor ihrer Wiedereinreise in das
Bundesgebiet von ihrem Ehemann getrennt gelebt, von ihm geschieden ist sie
offenbar bis heute nicht. Eine Teilung des ehelichen Güterstandes ist demnach
38
bis heute - soweit ersichtlich - nicht vollzogen worden. Dies ist umso mehr
beachtlich, als die Klägerin im Asylerstverfahren u.a. ausgeführt hat, sie sei
Eigentümerin eines Hauses; diesbezüglich sei seit 1999 ein Gerichtsverfahren in
der Ukraine anhängig. Es ist von ihr auch nicht substantiiert vorgetragen
worden, dass sie bei ihrer Rückkehr von ihrem Ehemann keinerlei Unterstützung
oder Abfindung im Hinblick auf gemeinsam geschaffene Vermögenswerte zu
erwarten hätte. Zudem hat die Klägerin im Asylerstverfahren angegeben, es
lebten zwei Schwestern von ihr in Charkov (Ukraine); dass von diesen keinerlei
Unterstützung zu erwarten sei, hat die Klägerin ebenfalls nicht substantiiert
vorgetragen. Schließlich darf nicht aus den Augen verloren werden, dass ihre in
Deutschland lebenden Töchter - wenn auch während der Zeit des Studiums
oder des Mutterschutzes bzw. der Elternzeit nur eingeschränkt - in der Lage
sind, die Klägerin in ihrer Heimat finanziell zu unterstützen (vgl. dazu Nds. OVG,
Beschluss vom 24. März 2011 - 8 LA 38/11 -, v.n.b.). Das erkennende Gericht
hat bereits in seinem PKH-Beschluss vom 4. August 2011 darauf hingewiesen,
dass insoweit keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin bei ihrer
Rückkehr in die Ukraine auf sich allein gestellt wäre und die für eine adäquate
medizinische Versorgung notwendigen finanziellen Mittel auch nicht durch die
Unterstützung von Familienangehörigen aufbringen kann (vgl. zu diesem Aspekt
BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2001 - 1 B 185/01 -, Buchholz 402.240 § 53
AuslG Nr. 51, zit. nach juris Rn. 2; Nds. OVG, Urteil vom 28. Juni 2011 - 8 LB
221/09 -, zit. nach juris Rn. 27). Die Wiedererlangung des persönlichen Kontakts
zu ihrem Ehemann und ihren Geschwistern gewährleistet nach Auffassung der
Kammer auch die in den vorgelegten ärztlichen und therapeutischen
Stellungnahmen beschriebenen sozialen Kontakte, die zur Bewältigung der
psychischen Erkrankung der Klägerin dienlich sind. Letztlich darf bei der vom
Einzelrichter anzustellenden Prognose auch nicht gänzlich außer Acht gelassen
werden, dass es auch nach Auskunft der Kooperationsärztin Dr. T. nicht von
vorn herein ausgeschlossen ist, dass die Klägerin zur Finanzierung ihrer
Medikamente teilweise staatliche Zuschüsse erhält. Die in der mündlichen
Verhandlung eingeführte Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 8.
August 2011 mit dem Titel „Ukraine: Behandlung von Posttraumatischer
Belastungsstörung / Rolle der Korruption“ quantifiziert den Teil der Begünstigten,
der von der staatlichen Finanzierung der benötigten Medikamente i.H.v. bis zu
80 % der Kosten profitiere, zwar auf weniger als 1 Prozent. Es ist aus heutiger
Sicht indes nicht ausgeschlossen, dass sich das Gesundheitssystem der
Ukraine infolge einer Erholung von der weltweiten Wirtschaftskrise 2008 in den
nächsten Jahren positiver entwickelt und ein höherer Versorgungsgrad mit
kostenfreien Medikamenten erzielt wird, sodass auch die Klägerin hiervon
finanziell profitieren kann. Jedenfalls hätte die Klägerin bei vollständiger oder
teilweiser Erwerbsunfähigkeit wegen dauerhafter psychischer Erkrankung einen
Anspruch auf finanzielle staatliche Unterstützung in Form von Rente (vgl. die in
die mündliche Verhandlung eingeführte Analyse des Bundesasylamtes der
Republik Österreich vom 20. Dezember 2010 mit dem Titel „Soziale Absicherung
in der Ukraine, S. 9 ff.). E steht zusätzlich zu erwarten, dass die Klägerin bei ihrer
Rückkehr in ihre Heimat zeitnah auf kostengünstigere Generika umgestellt
werden wird, die die von ihr benötigten Wirkstoffe Venlafaxin, Amisulprid und
Biperiden (ggf. auch Quetiapin) ebenfalls enthalten, jedoch die Kosten für die
Beschaffung der Medikamente, die mit den Marktpreisen in Deutschland
ohnehin nicht vergleichbar sind, erheblich reduzieren.
Nach alledem war der Einzelrichter nicht gehalten, den hier
entscheidungserheblichen Sachverhalt weiter aufzuklären und dazu dem in der
mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag des Prozessbevollmächtigten
der Klägerin in einzelnen Punkten stattzugeben. Soweit die Klägerin beantragt
hat, zum Beweis dafür, dass sie an einer paranoiden Schizophrenie, einer
rezidivierend depressiven Störung, zuletzt einer schweren depressiven Episode,
differentialdiagnostisch postschizophrenen Depression erkrankt ist (Ziffer I. 1.
des Beweisantrages), dass sie wegen dieser Erkrankung auf eine lebenslange
mehrdimensionale psychopharmakologische sowie
psychiatrisch/psychotherapeutische Behandlung angewiesen ist (Ziffer I. 2. des
Beweisantrags) und ohne diese fachärztliche und medikamentöse Behandlung
unter anderem schwere Gesundheitseinbußen und ein Suizid erleiden würde
(Ziffer I. 3. des Beweisantrags), war die beantragte Beweiserhebung durch
Einholung eines Sachverständigengutachtens schon deshalb nicht (mehr)
geboten, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen aufgrund der von der
Klägerin im Klageverfahren vorgelegten ärztlichen Atteste vom Einzelrichter
bereits als erwiesen unterstellt wurden (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 Alternative 3
StPO). Soweit dem e.g. Beweisantrag zu Ziffer I. 2. die weitergehende
Behauptung der Klägerin entnommen werden kann, sie sei auf eine lebenslange
medikamentöse Behandlung u.a. mit dem Medikament Seroquel 300 (Wirkstoff:
Quetiapin) angewiesen, war der Beweisantrag allerdings abzulehnen, weil es
diesbezüglich an einer hinreichenden Substantiierung dieser Behauptung fehlt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts braucht die
Tatsacheninstanz unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachzugehen.
Unsubstantiiert sind nicht nur Beweisanträge, die das Beweisthema nicht
hinreichend konkretisieren, sondern auch Beweisanträge, die dazu dienen
sollen, unsubstantiierte Behauptungen zu stützen, etwa solche, die erkennbar
ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden sind. Einem
Prozessbeteiligten ist es nicht erlaubt, unter formalem Beweisantritt
Behauptungen aufzustellen, deren Wahrheitsgehalt nicht eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für sich haben könnte (BVerwG, Beschluss vom 29. März
1995 - 11 B 21/95 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266, zit. nach juris Rn.
4 m.w.N.). So verhält es sich hier. Die Klägerin hat diese Behauptung offenbar
allein aufgrund der Stellungnahme der UMG vom 4. März 2013 aufgestellt. Aus
dieser ärztlichen Stellungnahme ergibt sich indes lediglich die „aktuelle,
hinreichend verträgliche Medikation“, die erstmals das Medikament Seroquel
aufzählt, sowie die Empfehlung, diese unverändert fortzuführen, um den
Therapieerfolg nicht zu gefährden. Die vom Fachbereich Soziales der Stadt P.
mit Schriftsatz vom 13. März 2013 vorgelegten Unterlagen über die der Klägerin
gewährte Krankenhilfe bestätigen angesichts der einzig unter dem 7. Januar
2013 ausgestellten Verordnung über Seroquel 300 mg (N3) den Befund, dass
es sich hierbei nur um eine aktuelle Beigabe handelt, die Grundmedikation mit
Trevilor/Venlafaxin, Solian und Akineton indes gleich blieb. Für Zeiträume vor
diesem Datum ist von der Klägerin weder dargelegt, noch für das erkennende
Gericht erkennbar geworden, dass das Medikament Seroquel zur Behandlung
der psychischen Erkrankung der Klägerin erforderlich war und
dementsprechend verordnet wurde. Weder der Stellungnahme der UMG noch
dem Beweisantrag der Klägerin lassen sich zudem entnehmen, dass das
Medikament Seroquel bzw. der darin enthaltene Wirkstoff Quetiapin ab jetzt und
auf Dauer unverzichtbarer Bestandteil der Grundmedikation der Klägerin sein
wird, ohne den die psychische Erkrankung der Klägerin schlichtweg nicht
behandelbar ist und dass bei einem Wegfall dieses Medikaments im Heimatland
eine wesentliche Verschlimmerung der Beschwerden der Klägerin im Sinne
einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eintritt. Der Einzelrichter versteht die
vorgelegte Stellungnahme der UMG vom 4. März 2013 dahingehend, dass mit
dem zusätzlichen Einsatz von Seroquel bei der Klägerin eine bessere
Wirksamkeit und Verträglichkeit im Hinblick auf die Vermeidung von
unerwünschten Nebenwirkungen der übrigen Medikamente beabsichtigt ist. Das
Medikament Seroquel mit seinem Wirkstoff Quetiapin gehört zur Gruppe der
atypischen Neuroleptika und wird in Deutschland erst seit 2010 als
Zusatztherapie bei Patienten eingesetzt, bei denen eine Monotherapie mit einem
Antidepressivum nicht oder nur unzureichend wirkt (Quelle: www.wikipedia.de zu
„Quetiapin“, abgerufen am 12. März 2013). Wegen seiner schlafanstoßenden
Wirkung (Quelle: www.diagnosia.com zu „Seroquel“, abgerufen am 13. März
2013) kommt es etwa zur Beseitigung von Durchschlafstörungen neuerdings
offenbar auch bei der Klägerin zusätzlich zur Anwendung. Die bisherige
Behandlung der Klägerin seit ihrer zweiten Einreise in die Bundesrepublik bis
Ende 2012 war ausweislich der von ihr vorgelegten ärztlichen Atteste jedoch
auch ohne diese Zusatzmedikation erfolgreich. Die Klägerin ist in den
39
vergangenen 10 Jahren seit erstmaligem Auftritt ihrer psychischen Erkrankung
mit diesem neuen Medikament nicht behandelt worden; die bisherige Medikation
aus Solian, Trevilor und Akineton genügte für eine adäquate Behandlung. Bei
dieser Sachlage spricht trotz der fachärztlichen Stellungnahme der UMG vom 4.
März 2013 derzeit nichts für eine zwingende medizinische Indikation dieses erst
seit November 2008 auf dem deutschen Arzneimittelmarkt erhältlichen
Medikaments (Quelle: www.wikipedia.de zu „Quetiapin“, abgerufen am 12. März
2013), zumal zur Bestimmung einer Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
ohnehin nicht auf den medizinischen Behandlungsstandard in Deutschland
abgestellt werden darf. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass
der Anspruch aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auf Zugang zu adäquater
medizinischer Versorgung im Heimatland nicht unter Berücksichtigung der in
Deutschland üblichen medizinischen Behandlungsstandards zu bestimmen ist.
Auf die vom Beklagten im Schriftsatz vom 11. März 2013 zitierte
Rechtsprechung wird zur weiteren Begründung verwiesen.
Soweit die Klägerin beantragt hat, zum Beweis dafür, dass sie ohne den
regelmäßigen persönlichen Kontakt zu ihren in Deutschland lebenden beiden
Töchtern eine schwere Destabilisierung mit Suizidalität erleiden würde (Ziffer I. 4.
des Beweisantrags), bestand für den Einzelrichter ebenfalls keine Pflicht zur
weiteren Sachverhaltsaufklärung durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens, denn die hierfür in Bezug genommenen
Ausführungen in den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen der UMG sind
insoweit schon nicht schlüssig und nachvollziehbar begründet; das
Beweisthema damit unzureichend substantiiert. Die Klägerin hat nicht
ansatzweise glaubhaft machen können, dass sie tatsächlich seit ihrer erneuten
Einreise, insbesondere während der Dauer des vorliegenden gerichtlichen
Verfahrens tatsächlich durch ihre jüngere Tochter stetig umfassend betreut
wurde. Die Klägerin hat durch Vorlage einer schriftlichen Stellungnahme ihrer
jüngeren Tochter I. vom 1. April 2012 (Bl. 82 GA) vielmehr geltend gemacht,
dass diese „momentan“ in H. studiere und deshalb bei ihrer älteren Schwester Y.
wohne. Diese Aussage der Klägerin steht im Widerspruch zu der offenbar von
der UMG (Dr. W.) nicht hinterfragten Angabe in der fachärztlichen
Stellungnahme vom 28. Februar 2013, die Klägerin lebe mit einer ihrer Töchter
zusammen und die Tochter unterstütze und betreue sie im Alltag. Eine andere
Wertung ist auch nicht im Hinblick auf den nach Schluss der mündlichen
Verhandlung am 18. März 2013 eingegangenen Schriftsatz der Klägerin nebst
Anlagen (Studienbescheinigung der Universität U. und Bescheinigung des
Hausmeisters über das gemeinsame Bewohnen der Wohnung der Klägerin)
geboten. Da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung zu diesem Themenkreis keinen Antrag auf Schriftsatznachlass
gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 ZPO gestellt (vgl. dazu BVerwG,
Beschluss vom 29. Februar 2000 - 4 B 13/00 -, Buchholz 310 § 104 VwGO Nr.
29, zit. nach juris LS 2 und Rn. 3) und der Einzelrichter antragsgemäß
entschieden hat, hätte dieses nachträgliche Vorbringen nur im Rahmen der
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §
156 ZPO, § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO in das Verfahren eingeführt werden
können (Kopp/Schenke, a.a.O., § 103 Rn. 11 a.E.). Dies hat die Klägerin nicht
beantragt und war auch von Amts wegen nicht zu veranlassen. Das verspätete
schriftsätzliche Vorbringen liefert keinen Grund für eine zwingende
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 Abs. 2 ZPO. Der
Einzelrichter hat deshalb eine Entscheidung hierüber nach freiem Ermessen
gem. § 156 Abs. 1 ZPO getroffen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 11. April 1989 -
9 C 55/88 -, NVwZ 1989, S. 857 ff., zit. nach juris Rn. 11; Kopp/Schenke, a.a.O.,
§ 104 Rn. 11); auch danach war eine Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung nicht angezeigt. Die mit dem verspätet eingereichten Schriftsatz in
das Verfahren einzuführende Tatsache, dass sich die jüngere Tochter der
Klägerin offenbar nunmehr doch zur Beibehaltung ihrer gemeinsamen Wohnung
in P. und für ein Studium in U. mit der Möglichkeit des täglichen Pendelns
zwischen beiden Orten entschieden hat, reicht im Ergebnis nicht aus, um eine
40
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42
medizinisch begründete Prognose zumindest ansatzweise darzutun, dass bei
einem Wegfall dieses täglichen persönlichen Kontaktes der Klägerin mit ihrer
jüngeren Tochter eine konkrete Gefahr für deren Leib oder Leben droht. Die
Annahme einer solchen Gefahr ergibt sich nämlich nicht aus der fachärztlichen
Stellungnahme der UMG vom 28. Februar 2013, die zurückhaltend formuliert,
dass die Kontakte der Klägerin zu ihren Töchtern zur Aufrechterhaltung der
Teilremission beitragen, ohne dass dieser Beitrag näher qualifizierbar wäre.
Soweit es die pauschale Geltendmachung der Suizidalität der Klägerin betrifft, ist
diese für den vorliegenden Sachverhalt zudem nicht entscheidungserheblich.
Wie oben bereits ausgeführt, kann die konkrete Gefahr eines Suizids bei
zwangsweiser Beendigung des Aufenthalts allenfalls zu einem
inlandsbezogenen Vollstreckungshindernis führen, das die Ausländerbehörde
bei ihren Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung zu beachten hat.
Soweit die Klägerin darüber hinaus die Einholung eines
Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt hat, dass sie
krankheitsbedingt - und wegen des chronischen Verlaufs ihrer Krankheit
lebenslang - nicht arbeitsfähig sei (Ziffer I.5 des Beweisantrags), war diesem
Beweisantrag ebenfalls mangels unzureichender Substantiierung des
Beweisthemas nicht weiter nachzugehen. Diesbezüglich handelt es sich um
eine bloße Vermutung der Klägerin, die ohne jede tatsächliche Grundlage
geradewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde. Aus den von ihr vorgelegten
ärztlichen Stellungnahmen ergibt sich insoweit lediglich, dass derzeit, d.h. zum
Zeitpunkt der ärztlichen Begutachtung, von ihrer Erwerbsunfähigkeit
auszugehen ist. Soweit sich die Klägerin diesbezüglich explizit auf das
vorgelegte Attest der UMG - Dr. V. - vom 2. März 2012 (Bl. 85 GA) beruft, lässt
sich diesem nur entnehmen, dass nach damaliger ärztlicher Einschätzung eine
Behandlungsnotwendigkeit auch über den Zeitraum von 2 Jahren hinaus sicher
prognostiziert und deshalb eine Erwerbsfähigkeit der Klägerin als nicht gegeben
angenommen werden könne. Für die dort dokumentierte weitergehende
fachärztliche Feststellung, „bei vorliegendem chronischem Krankheitsverlauf
auch prognostisch nicht mehr zu erwarten sei“, fehlt es hingegen an tragfähigen
medizinischen Anknüpfungspunkten. Zudem hat der Einzelrichter bei seiner
ablehnenden Entscheidung insoweit den Umstand berücksichtigt, dass diese
Prognose in den aktuellen fachärztlichen Attesten der UMG, namentlich Dr. V.,
aus dem Jahre 2013 nicht wiederholt wurde. Es bestand deshalb keine
Veranlassung, dieser einmaligen und seinerzeit durch nichts belegten These
des Dr. V. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen.
Soweit die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum
Beweis dafür beantragt hat, sie habe in ihrem Heimatland keinen Zugang zu
einer kostenlosen medizinischen und medikamentösen Versorgung (Ziffer I.6
des Beweisantrags), war der Beweisantrag abzulehnen, weil die Klägerin darin
nicht nachvollziehbar dargelegt hat, inwieweit das nicht näher spezifizierte
Beweismittel „Sachverständigengutachten“ geeignet sein soll, hinsichtlich der
vom Einzelrichter in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel und der im
vorliegenden Verfahren eingeholten amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes
weitergehende entscheidungserhebliche Erkenntnisse zur Lage des
Gesundheitssystems in der Ukraine zu liefern. Ein Beweisantrag, der angesichts
vorliegenden Erkenntnismaterials weiteren Sachaufklärungsbedarf geltend
macht, hat nicht nur das Beweisthema und die sachverständige Stelle zu
bezeichnen, sondern muss darüber hinaus den weiteren Sachaufklärungsbedarf
aufzeigen (GK-AsylVfG, § 78 Rn. 392 m.w.N.).
Weiteren Sachaufklärungsbedarf hat die Klägerin auch nicht aufgezeigt, soweit
sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür
beantragt hat, dass sie mangels staatlicher Fürsorge, fehlendem Einkommen
und Vermögen die Behandlung ihrer Erkrankung und die benötigten
Medikamente im Heimatland nicht finanzieren könne (Ziffer I.7 des
Beweisantrages). Der Beweisantrag war insoweit im Hinblick auf den Aspekt
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mangelnder staatlicher Fürsorge abzulehnen, weil die dem erkennenden Gericht
vorliegenden Erkenntnismittel sowie die im Verfahren eingeholte Auskunft des
Auswärtigen Amtes bereits ergeben haben, dass Medikamente und ärztliche
Behandlungen in Ukraine zum Teil selbst bezahlt werden müssen. Es ist nicht
zu erkennen, inwieweit die Einholung eines weiteren, nicht näher bezeichneten
Sachverständigengutachtens hierüber hinausgehende Erkenntnisse für das
vorliegende Verfahren bringen könnte. Was den in dieser Beweisfrage
enthaltenen Aspekt fehlenden Einkommens und Vermögens der Klägerin betrifft,
war der Beweisantrag in entsprechender Anwendung des § 244 Abs. 3 Satz 2
Alternative 4 StPO abzulehnen, weil hierfür das nicht näher bezeichnete
Beweismittel Sachverständiger untauglich ist. Es ist für den Einzelrichter nicht
ersichtlich, wieweit diese negativen Tatsachen, die von der Klägerin behauptet
werden, durch einen Sachverständigen in ihrem Sinne positiv bestätigt werden
könnten. Vielmehr wäre ggf. die Einholung amtlicher Auskünfte ukrainischer
Stellen, ggf. auch die Vernehmung von (sachverständigen) Zeugen geeignet,
diese negative Behauptung der Klägerin zu wiederlegen.
Soweit die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum
Beweis dafür beantragt hat, dass sie wegen erneuter Verschlechterung ihres
psychischen Zustandes aktuell nicht verhandlungsfähig sei (Ziffer I.8 des
Beweisantrags), war der Beweisantrag abzulehnen, weil die Beantwortung
dieser Beweisfrage für die Entscheidung in der Sache nicht erheblich ist (vgl. §
244 Abs. 3 Satz 2 Alternative 2 StPO). In prozessualer Hinsicht kommt aus den
einleitenden Gründen dieses Urteils hinzu, dass der Klägerin gem. § 173 Satz 1
VwGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO nur die Glaubhaftmachung ihrer
Verhandlungsunfähigkeit nach entsprechender Aufforderung durch den
Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung oblag, um eine Vertagung
derselben zu erreichen. Für die Glaubhaftmachung hätte es lediglich der
Vorlage eines aussagekräftigen ärztlichen Attestes (vgl. BVerwG, Beschluss
vom 17. Juni 1991, a.a.O.; BFH, Beschluss vom 21. April 2008 - XI B 206/07 und
207/07 -, zit. nach juris Rn. 3), nicht aber der Führung eines Vollbeweises durch
einen medizinischen Sachverständigen bedurft.
Soweit die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum
Beweis dafür beantragt hat, dass sie auf die Einnahme des im Heimatland nicht
verfügbaren Medikaments Akineton Retard 4 mg/d angewiesen sei, da ihr sonst
konkrete Gesundheitsgefahren bis hin zum Suizid drohen (Ziffer I.9 des
Beweisantrags), war die Beweiserhebung entsprechend § 244 Abs. 3 Satz 2
Alternative 3 StPO abzulehnen, da der Einzelrichter bei seiner Entscheidung die
Notwendigkeit der Einnahme des Medikaments Akineton (Wirkstoff: Biperiden)
als erwiesen unterstellt hat. Sie ergibt sich aus den bisherigen und insoweit
nachvollziehbar formulierten fachärztlichen Stellungnahmen, die die Klägerin in
das Verfahren eingeführt hat und damit Grundlage der im Verfahren eingeholten
Auskunft des Auswärtigen Amtes waren. Soweit es der Klägerin mit ihrer
Beweisfrage offensichtlich nur um die Darreichungsform „retardierend“ des
Medikaments Akineton geht, die nach der eingeholten Auskunft der
Kooperationsärztin der Deutschen Botschaft in Kiew in ihrem Heimatland nicht
erhältlich ist, konnte die beantragte Beweiserhebung mangels
Entscheidungserheblichkeit (vgl. § 244 Abs. 3 Satz 2 Alternative 2 StPO) und
aufgrund eigener Sachkunde des erkennenden Gerichts (vgl. dazu BVerwG,
Beschluss vom 11. Februar 1999 - 9 B 381/98 -, InfAuslR 1999, S. 365 f., zit.
nach juris Rn. 4) abgelehnt werden. Dass es sich bei den derzeit von der
Klägerin in Deutschland eingenommenen Kapseln des Medikamentes Akineton
lediglich um eine retardierende, d.h. verlangsamt wirkende Darreichungsform
des Wirkstoffs Biperiden handelt, lässt sich ohne weitere medizinische
Kenntnisse den einschlägigen medizinischen Lexika (zum Begriff Retard- bzw.
Depotpräparate vgl. das klinische Wörterbuch Psychrembel) oder
Enzyklopädien (zum Begriff „Retard“ vgl. www.wikipedia.de) entnehmen. Ist die
Wirkung eines Arzneistoffes beispielsweise den ganzen Tag über erwünscht,
muss ein Medikament in Retardform nur einmalig oral eingenommen werden,
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damit es über mehrere Stunden hinweg den Arzneistoff freisetzt. Der Vorteil von
Retardmedikamenten besteht somit lediglich in dem Effekt, dass sie weniger
häufig eingenommen werden müssen (vgl.
http://adhspedia.de/wiki/Retardmedikament). Liegen retardierende Formen eines
Arzneistoffes nicht vor, ist der Patient gehalten, den benötigten Wirkstoff in
klassischen Darreichungsformen (z.B. Tabletten) gleichmäßig dosiert in
mehreren Portionen über den Tag verteilt einzunehmen. Hierin ist kein
medizinischer Nachteil zu erblicken, der den Behandlungserfolg infrage stellt,
soweit eine bestimmte Freisetzungskinetik nicht zwingend medizinisch indiziert
ist. Hierfür gibt es im Falle der Klägerin indes keinerlei Anhaltspunkte; solche
werden jedenfalls in dem Beweisantrag nicht aufgezeigt.
Soweit die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum
Beweis dafür beantragt hat, dass das Medikament Seroquel 300 bzw. der
Wirkstoff Quetiapin in ihrem Heimatland nicht verfügbar bzw. erhältlich sei (Ziffer
II. des Beweisantrags), war die Beweiserhebung mangels
Entscheidungserheblichkeit, alternativ wegen unzureichender Substantiierung
des Beweisthemas abzulehnen. Wie bereits vorstehend zur Ablehnung der Ziffer
I.2 des Beweisantrags ausgeführt, worauf an dieser Stelle verwiesen wird, ergibt
sich weder aus der fachärztlichen Stellungnahme der UMG vom 4. März 2013
noch aus dem sonstigen Vortrag der Klägerin, dass die Behandlung ihrer
psychischen Erkrankung mit dem genannten atypischen Neuroleptikum, die hier
in Deutschland offenbar erst seit Anfang 2013 zusätzlich mit dem Medikament
Seroquel 300 erfolgt, medizinisch zwingend erforderlich ist, um eine konkrete
Gefahr für Leib und Leben der Klägerin bei einer Rückkehr in ihre Heimat sicher
auszuschließen. Selbst wenn man an dieser Stelle die zwingende medizinische
Notwendigkeit der weiteren Behandlung der Klägerin mit Seroquel 300 mg/d zu
deren Gunsten einmal unterstellt, sprechen derzeit keinerlei Anhaltspunkte für
die Annahme der Klägerin, dieses Medikament sei in der Ukraine nicht erhältlich.
Bereits eine einfache Internetrecherche nach dem Hersteller vom Seroquel, der
britische Pharmakonzern AstraZeneca, ergibt, dass dieser über eine
Niederlassung in Kiew, 15/15, V.Khvoyki Str., verfügt, um am ukrainischen
Arzneimittelmarkt präsent zu sein (vgl. http://www.astrazeneca.com/About-
Us/Worldwide-locations/Country/Ukraine, abgerufen am 13. März 2013). Die
bloße Behauptung der Klägerin, das Medikament sei in der Ukraine nicht
erhältlich, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage, ist vielmehr ersichtlich ins
Blaue hinein aufgestellt worden und zielt daher auf die Erhebung eines
unzulässigen Ausforschungsbeweises hinaus (vgl. dazu BVerwG, Beschluss
vom 27. März 2000 - 9 B 518/99 -, NVwZ 2000 Beilage Nr.9, S. 99 ff., zit. nach
juris Rn. 10).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden
gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.