Urteil des VG Gießen vom 19.06.2007

VG Gießen: verbrennung, verordnung, erlass, allgemeines verwaltungsrecht, innerstaatliches recht, heizöl, messung, abgas, brennstoff, anwendungsbereich

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 E 1963/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 Nr 2 Halbs 2
BImSchV 17, Art 12 Abs 1 S 2
EGV 1774/2002, Art 2 Abs 1
Buchst a EGV 1774/2002, § 2
Abs 1 Nr 1a KrW-/AbfG, § 1
Abs 3 Nr 6 BImSchV 17
(Verbrennung von Tierfett in einer
Tierkörperbeseitigungsanlage)
Leitsatz
Die Verbrennung von Tierfett in einer Tierkörperbeseitigungsanlage unterliegt nicht den
Vorgaben der Verbrennung von Abfällen nach Maßgabe der 17. BImSchV.
Landesrechtliche Verwaltungsvorschriften (hier: Erlass des Hessischen Ministeriums für
Umwelt, ländlichen Raums und Verbraucherschutz vom 04.07.2005 - II 9.1-53-), die
etwas anderes regeln, verstoßen gegen europarechtliche Vorgaben.
Tenor
Die Nebenbestimmungen Nr. 4.1.5, Nr. 4.1.5.1, Nr. 4.1.3.2 bis 4.1.3.8 des
Genehmigungsbescheides des Beklagten vom 05.10.2005 und der
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 04.07.2006, soweit er die oben
genannten Nebenbestimmungen betrifft, werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt auf dem Grundstück in A-Stadt, Gemarkung D., A-Straße…,
Flur…, Flurstück…, eine Tierkörperbeseitigungsanlage. Als deren Nebenanlage
betreibt sie dort auch eine Feuerungsanlage. Am 05.07.2005 beantragte die
Klägerin bei dem Beklagten eine Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1
BImSchG für den Neubau einer Dampfkesselanlage zu der von ihr, der Klägerin,
betriebenen Tierkörperbeseitigungsanlage.
Daraufhin erließ der Beklagte am 05.10.2005 einen Genehmigungsbescheid, mit
welchem sie den Neubau eines Gebäudes mit Feuerung und Dampfkesselanlage
sowie deren Betrieb zuließ. Diese Anlage wurde der Nr. 1.3 Spalte 1 der 4.
BImSchV zugeordnet. Die Genehmigung erfolgte u. a. unter Erteilung folgender
Nebenbestimmungen:
„4.1.3 Emissionsbegrenzung: Bei der Feuerung mit Tierfett sind folgende
Emissionswerte im Normzustand trocken bei einem Bezugs-Sauerstoffgehalt von
3 % in mg/m
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einzuhalten.
4.1.3.2 CO 90 als Tagesmittelwert
4.1.3.3 Staub 18 als Tagesmittelwert
4.1.3.4 Cges 18 als Tagesmittelwert
4.1.3.5 HCl 18 als Tagesmittelwert
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4.1.3.5 HCl 18 als Tagesmittelwert
4.1.3.6 SO
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90 als Tagesmittelwert
4.1.3.7 NO
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als NO
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360 als Tagesmittelwert
4.1.3.8 Hg 0,05 als Tagesmittelwert“
In Punkt 4.1.5.1 wurde der Klägerin aufgegeben, zur Kontrolle der Einhaltung der
vorgegebenen Emissionsbegrenzungen den Sauerstoffgehalt im Abgas, den CO-
Gehalt im Abgas und die notwendigen Bezugsgrößen kontinuierlich zu messen, zu
registrieren und auszuwerten.
Dagegen erhob die Klägerin am 03.11.2005 Widerspruch. Mit Schriftsatz der Fa. E.
GmbH u. Co. Verwaltungs- und Beteiligungs-KG vom 22.12.2005 begründete die
Klägerin den Widerspruch damit, mit der Verordnung (EG) Nr. 2067/2005 vom
16.12.2005 habe sich die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eindeutig
positiv zu dem Einsatz von Fetten aus tierischen Nebenprodukten zur
Dampferzeugung positioniert. Ferner bezog sich die Klägerin hierdurch auf das
Schreiben des Prof. Dr. F. vom 19.12.2005. Hierin wird ausgeführt, die
Anwendbarkeit der 17. BImSchV sei vorliegend problematisch. Diese Verordnung
sei ursprünglich für feste Abfallstoffe schwankender Zusammensetzung und mit
schwankenden Heizwerten konzipiert worden, also z. B. für Hausmüll. Tierfett
dagegen habe als Brennstoff vergleichbare Eigenschaften wie Heizöl - wenn man
von der benötigten Vorwärmung absehe - und zeichne sich durch eine weitgehend
gleichbleibende Qualität aus.
Unter dem 04.07.2006 erließ der Beklagte einen Widerspruchsbescheid, mit
welchem er dem Widerspruch der Klägerin teilweise abhalf. So wurden mehrere
Nebenbestimmungen des angefochtenen Bescheids geändert. Insbesondere
erfuhr die Nebenbestimmung Nr. 4.1.5.1 folgende Änderung:
„Die Brennraumtemperatur wird gestrichen.
Die notwendigen Bezugsgrößen werden mit folgendem Zusatz verknüpft: Verzicht
auf Feuchtemessung, wenn die CO-Messung aus dem trockenen Abgas erfolgt.“
Im Übrigen wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Der Beklagte
begründete seinen Widerspruchsbescheid damit, dass im Erlass des Hessischen
Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz (HMULV) vom
04.07.2005 - Az.: II 9.1-53 - festgestellt worden sei, dass die Verbrennung oder
Mitverbrennung von Tierfett den Anforderungen der 17. BImSchV unterliege.
Tierfett stelle ein nicht für den menschlichen Verzehr bestimmtes tierisches
Nebenprodukt dar, für welche das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht keine
Anwendung finde. Die Beseitigung dieser Stoffe habe entsprechend den Vorgaben
der EU-Hygieneverordnung Nr. 1774/2002 oder nach dem Tierische
Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz vom 25.01.2004, BGBl. I S. 82, zu erfolgen,
wonach die Verbrennung und Mitverbrennung tierischer Nebenprodukte nach der
EU-Abfallverbrennungsrichtlinie vom 04.12.2000 (2000/76/EG) zu geschehen habe.
Diese sei durch die 17. BImSchV in deutsches Recht umgesetzt worden. Aus deren
Anwendungsbereich falle nur der Einsatz von Tierkörpern heraus, weshalb sich
ergebe, dass der Einsatz von Tierfett in Verbrennungs- oder
Mitverbrennungsanlagen der 17. BImSchV unterliege. Soweit die Klägerin
kontinuierliche Messungen und deren Auswertung gemäß der Nebenbestimmung
Nr. 4.1.5.1 grundsätzlich ablehne, könne den Einwänden nur hinsichtlich der
Brennraumtemperatur und der Bezugsgröße Feuchtemessung stattgegeben
werden. Im Übrigen blieben die Anforderungen hinsichtlich des CO-Gehaltes, des
Sauerstoffs und der anderen Bezugsgrößen bestehen. Die Verpflichtung des
Betreibers, kontinuierliche Messungen durchzuführen, ergebe sich aus § 11 der 17.
BImSchV. Weitgehende Ausnahmen nach § 19 der 17. BImSchV seien bereits
erteilt worden. Was die kontinuierliche CO-Messung betreffe, bestehe der Sinn
dieser Forderung gemäß § 4 der 17. BImSchV darin, Abweichungen von einem
gleichmäßigen Ausbrandverhalten schnell zu erkennen, um eine optimale
Fahrweise der Anlage zu sichern. Die Messung der notwendigen Bezugsgrößen
reduziere sich auf das, was im Zusammenhang mit der kontinuierlichen CO-
Messung notwendig sei. Bei diesen notwendigen Bezugsgrößen könne auf die
Feuchtemessung unter der Voraussetzung verzichtet werden, dass dieser
Parameter nahezu konstant sei. Der festgelegte Zahlenwert der
Emissionsbegrenzung für Staub (Nebenbestimmung Nr. 4.1.3.3) von 18 mg/m
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bleibe bestehen. Dieser Wert resultiere aus dem in der 17. BImSchV festgelegten
Wert für Staub von 10 mg/m
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. Für die Emissionsbegrenzung sei der
Tagesmittelwert heranzuziehen. Gemäß § 5 Abs. 2 der 17. BImSchV werde jedoch
für den Einsatz von flüssigen Brennstoffen in Analogie zu Altölen ein
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für den Einsatz von flüssigen Brennstoffen in Analogie zu Altölen ein
Bezugssauerstoffgehalt von 3 % im Abgas und nicht 11 % zugrunde gelegt. Als
Ergebnis der Umrechnung ergebe sich damit ein Emissionsgrenzwert von 18 mg/m
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.
Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 05.07.2006 zugestellt.
Am 04.08.2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass der
Anwendungsbereich der 17. BImSchV nicht eröffnet sei, soweit u. a. in einer
Mitverbrennungsanlage - neben den Stoffen, die in Nr. 1.2 des Anhangs der 4.
BImSchV aufgeführt seien - ausschließlich Tierkörper zum Einsatz kämen. Sie
meint, die Ausnahme der Abfallrahmenrichtlinie für Tierkörper gemäß Art. 2 Abs. 1
lit. b) iii) der Abfallrahmenrichtlinie gelte auch für Tiermehl als Erzeugnis. Dies habe
zur Folge, dass Tierfett erst recht unter die Ausnahme der Abfallrahmenrichtlinie
für Tierkörper falle, da auch einer Verunreinigung von Tierfett bei
bestimmungsgemäßer Verwendung im Sinne einer Verbrennung kein erhöhtes
Umweltrisiko beigemessen werde. Dies ergebe sich aus den Erwägungen und
Bestimmungen der Verordnung Nr. 2067/2005, welche die Verordnung Nr. 92/2005
abändere und ergänze und die insbesondere eine Verbrennung selbst von
Tierfetten der Kategorie 1 als unbedenklich einstufe. Ferner ergebe sich die
Unanwendbarkeit der 17. BImSchV auch aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 der 17. BImSchV,
wonach diese Verordnung nicht zum Tragen komme, sofern bei der Verbrennung
von abfallähnlichen Stoffen, die nicht in Nr. 1.2 des Anhangs der 4. BImSchV
aufgeführt seien, keine anderen oder höheren Emissionen auftreten könnten, als
bei der Verbrennung von Heizöl EL, was bei der Verbrennung von vorbehandeltem
Tierfett auch nicht der Fall sei. Die Klägerin meint, bei Tierfett handele es sich nicht
um Abfall, sondern es werde ein Nebenprodukt hergestellt, welches nicht dem
Regime des Abfallrechts unterfalle. Dies ergebe sich ferner aus der Studie der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aus dem Jahre 2004,
wonach jedwedes Fett, welches aus Material der Kategorie 1 gewonnen worden sei,
ohne Bedenken in Dampfkesseln eingesetzt werden könne. Auch der Beklagte
selbst scheine - entgegen der Ausführungen im Widerspruchsbescheid - zumindest
intern nicht von einer zwingenden Anwendbarkeit der 17. BImSchV auszugehen.
Dies lasse sich der Behördenakte entnehmen. Der Beklagte sehe darin den
Anwendungsbereich der 17. BImSchV nicht als eröffnet an, insbesondere vor dem
Hintergrund der Verordnung (EG) 2067/2005. Soweit sich der Beklagte im
Widerspruchsbescheid gleichwohl auf die Anwendbarkeit der 17. BImSchV berufe,
scheine dies lediglich der hessischen Erlasslage geschuldet. Dabei gehe der
zugrunde liegende Erlass des HMULV vom 04.07.2005 - II 9.1-53 - von
unzutreffenden Annahmen aus. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund der
Verordnung Nr. 2067/2005. Der Beklagte hätte daher keine Nebenbestimmungen
erlassen dürfen, die sich auf die 17. BImSchV stützten. Selbst wenn man von der
Anwendbarkeit der 17. BImSchV auf den vorliegenden Fall ausgehe, erwiesen sich
die angegriffenen Nebenbestimmungen als unverhältnismäßig.
Die Klägerin beantragt,
die Nebenbestimmungen Nr. 4.1.5, Nr. 4.1.5.1, Nr. 4.1.3.2 bis 4.1.3.8
aufzuheben,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid zur Genehmigung zur
wesentlichen Änderung der Feuerungsanlage ohne die Nebenbestimmungen Nr.
4.1.5, Nr. 4.1.5.1, Nr. 4.1.3.2 bis 4.1.3.8 zu erlassen.
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Akte verwiesen. Diese ist ebenso wie die beigezogene Behördenakte des
Beklagten Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da das
Einverständnis der Beteiligten hierzu vorliegt (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, da die Klägerin mit ihrer Klage die
Aufhebung belastender Nebenbestimmungen begehrt. Denn gegen belastende
Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes ist die Anfechtungsklage gegeben,
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Nebenbestimmungen eines Verwaltungsaktes ist die Anfechtungsklage gegeben,
sofern nicht die isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet
(vgl. BVerwG, U. v. 22.11.2000 - 11 C 2/00 -, NVwZ 2001, 429). Diese Möglichkeit
ergibt sich auch aus § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO, wonach der Verwaltungsakt
aufgehoben werden kann, soweit er rechtswidrig ist. Eine unmittelbar zur
Aufhebung der rechtswidrigen Nebenbestimmung führende Teilanfechtungsklage
verdrängt als die speziellere und rechtsschutzintensivere Klageart demnach
grundsätzlich die Verpflichtungsklage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14.
Auflage, 2005, § 42 Randnr. 22).
Die Klage ist auch begründet, da die in dem Genehmigungsbescheid enthaltenen
angefochtenen Nebenbestimmungen rechtswidrig sind und die Klägerin daher in
ihren Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Bei den von der Klägerin
angegriffenen Punkten handelt es sich um Nebenbestimmungen. Denn als
Nebenbestimmungen bezeichnet man unselbständige zusätzliche Anordnungen,
die von einem Verwaltungsakt abhängen, oder zum Bestand eines
Verwaltungsakts gehören. Das ist hier der Fall, da die angegriffenen Punkte
konkretisierende Auflagen enthalten, unter deren Einhaltung von der
Genehmigung Gebrauch gemacht werden darf. Ohne die Genehmigung als solche
hätten die Anordnungen keinen eigenständigen Sinn. Außerdem könnte die
Genehmigung im Falle ihrer Aufhebung bestehen bleiben, ohne dass diese ihre
Bedeutung verlieren würde.
Der Erlass der betreffenden Nebenbestimmungen durch den Beklagten ist
rechtswidrig. Rechtsgrundlage für die Erteilung von Nebenbestimmungen ist
vorliegend § 12 Abs. 1 BImSchG. Diese Vorschrift gestattet es, eine Genehmigung
unter Bedingungen zu erteilen und mit Auflagen zu verbinden, um die Erfüllung der
Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Voraussetzung hierfür ist jedoch,
dass die Vorschriften der 17. BImSchV im vorliegenden Genehmigungsverfahren
überhaupt anwendbar sind. Das ist jedoch nicht der Fall.
Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 a KrW-/AbfG gilt dieses Gesetz nicht für die nach der
Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
03.10.2002 für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische
Nebenprodukte. Deren Beseitigung hat nach den zu ihrer Durchführung
ergangenen Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, nach dem Tierische
Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz oder nach den auf Grund dieses Gesetzes
erlassenen Rechtsverordnungen zu erfolgen. Die Verbrennung und Mitverbrennung
von tierischen Nebenprodukten hat gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 der Verordnung
(EG) Nr. 1774/2002 entweder nach den Bestimmungen der Richtlinie 2000/76/EG
oder, wenn diese Richtlinie nicht anwendbar ist, nach den Bestimmungen der
genannten Verordnung zu erfolgen. Die 17. BImSchV dient der Umsetzung von
Vorgaben der Richtlinie 2000/76/EG des Europäischen Parlaments und Rats vom
04.12.2000 über die Verbrennung von Abfällen in innerstaatliches Recht (vgl.
Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Band 3, RVO zum
BImSchG, B 2.12 ff., 17. BImSchV, Vorblätter, B 2.17).
Aus Ziffer (11) der Gründe der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 ergibt sich zwar,
dass die Abfallverbrennungsrichtlinie 2000/76/EG nicht für die
Verbrennungsanlagen gilt, wenn der behandelte Abfall ausschließlich aus
Tierkörpern besteht. Dies steht aber vorliegend einer Anwendung der 17. BImSchV
nicht entgegen, da es sich bei Tierfett nicht um Tierkörper im Sinne des § 1 Abs. 3
Nr. 6 der 17. BImSchV handelt.
Die Klägerin verbrennt in ihrer Anlage Tierfett, welches ein tierisches Nebenprodukt
im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 darstellt.
Denn gemäß dieser Vorschrift sind tierische Nebenprodukte ganze Tierkörper,
Tierkörperteile oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs gemäß Art. 4, 5 und 6 dieser
Verordnung, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Aus dem
Wortlaut der Ziffer (19) der Gründe der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 ergibt sich,
dass zu den tierischen Nebenprodukten, die nicht für den menschlichen Verzehr
bestimmt sind, insbesondere verarbeitetes tierisches Eiweiß und
ausgeschmolzene Fette gehören. Schon der Wortlaut dieser Regelung, der eine
Ausnahme hinsichtlich ganzer Tierkörper vorsieht, spricht gegen die Einordnung
von Tierfett als Tierkörper. Bei Tierfett handelt es sich um ein Produkt, welches sich
aus der Ausschmelzung des Tierkörpers ergibt. Auch der Vergleich mit Tiermehl
und dessen Einordnung unter dem Begriff Tierkörper vermag nicht zu überzeugen.
Zwar mag es zutreffend sein, Tiermehl als solches unter den Begriff des
Tierkörpers zu subsumieren, da Tiermehl aus der Verarbeitung von ganzen
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Tierkörpers zu subsumieren, da Tiermehl aus der Verarbeitung von ganzen
Tierkörpern entsteht, und Tiermehl daher als Tierkörper in anderer Form
angesehen werden kann. Dies ist aber bei Tierfett nicht der Fall, da es als
Erzeugnis tierischen Ursprungs im Sinne des Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Verordnung
(EG) Nr. 1774/2002 zu qualifizieren ist.
Der Anwendung der 17. BImSchV steht vorliegend aber die Ausnahmeregelung
des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 der 17. BImSchV entgegen. Danach gilt die 17.
BImSchV nicht für ähnliche flüssige brennbare Stoffe, die nicht in Nr. 1.2 des
Anhangs der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen aufgeführt sind,
soweit bei ihrer Verbrennung keine höheren Emissionen als bei der Verbrennung
von Heizöl EL auftreten können. Dies ist aber hier der Fall.
Der Erlass des HMULV vom 04.07.2005 - II 9.1-53 - auf Grund dessen die Beklagte
die Auffassung aufrecht erhält, Tierfett müsse als Abfall nach Maßgabe der 17.
BImSchV verbrannt werden, steht der Verordnung (EG) Nr. 2067/2005 entgegen.
Aus deren Anhang VI ergibt sich, dass die Verbrennung von Tierfett in einem
Wärmeboiler nicht mehr als Abfall im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. b) der Verordnung
(EG) Nr. 1774/2002 einzustufen ist. Daraus ist zunächst zwar nicht zu folgern, dass
die 17. BImSchV überhaupt keine Anwendung mehr auf derartige Anlagen findet.
Vielmehr ist Tierfett lediglich nicht mehr als Abfall zu qualifizieren, sondern als
ähnlicher flüssiger brennbarer Stoff im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 17. BImSchV.
Hinsichtlich der Verbrennung von Tierfett liegt aber der Ausnahmetatbestand
dieser Vorschrift vor, wonach bei der Verbrennung keine höheren Emissionen
auftreten als bei der Verbrennung von Heizöl EL. Aus dem dem
Genehmigungsverfahren zugrunde liegenden Gutachten von Prof. Dr. F. vom
19.12.2005 bzw. vom Juli 2005, welches auch die Beklagte ihrer
Genehmigungsentscheidung zugrunde legte, ergibt sich, dass die Verbrennung
von Tierfett in der Anlage der Klägerin ein mit Heizöl EL vergleichbarer Brennstoff
mit gleichbleibender Qualität darstellt, dessen Schadstoffgehalt keine höheren
Emissionen als bei der Verbrennung von Heizöl EL erwarten lassen. Auch das
Gutachten des wissenschaftlichen Gremiums für biologische Gefahren der
Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit vom 02.06.2004 kommt zu dem
Schluss, dass das sog. Biodiesel-Verfahren in der dort beschriebenen Form als
eine sichere Methode zur Behandlung und Verwertung tierischer Nebenprodukte
der Kategorie 1 (tierische Nebenprodukte mit hohem Risiko) betrachtet wird.
Diesen schlüssigen Gutachten zufolge ist auch hinsichtlich der Anlage der Klägerin
nicht zu erwarten, dass die vorgeschriebenen Emissionswerte überschritten
werden. Überdies ergibt sich aus den Gutachten des Sachverständigen F., dass die
von der Beklagten geforderten kontinuierlichen Messung nur schwer umzusetzen
bzw. entsprechende kontinuierliche Messungen obsolet sind.
Hierbei ist ferner zu berücksichtigen, dass der Beklagte in einem internen Vermerk
vom 14.03.2006 - IV/MR Dez.: 43.2 - ebenfalls davon ausgeht, bei der Verbrennung
von Tierfett sei die 17. BImSchV nicht anwendbar. Der Beklagte stuft dort Tierfett
ebenfalls als einen mit HEL vergleichbaren Brennstoff mit einer ausgesprochen
gleichmäßigen Qualität ein, der hinsichtlich seiner Zusammensetzung bezüglich
Schwefel und Chlor sogar einen geringeren Schadstoffgehalt aufweise. Die
Anwendung der 17. BImSchV erfolgt offensichtlich lediglich auf Grund der Bindung
des Beklagten an den strittigen Erlass vom 04.07.2005.
Da der Erlass des HMULV vom 04.07.2005 - II 9.1-53 - der Verordnung (EG) Nr.
2067/2005 - wie oben erörtert - widerspricht, hat das Gemeinschaftsrecht Vorrang.
Daraus folgt, dass der Erlass des HMULV vom 04.07.2005 im vorliegenden Fall
unanwendbar ist (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Auflage, 2006, §
4 Randnr. 65). Gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV sind die Verordnungen des Rates und
der Kommission diejenigen Rechtsakte, welche allgemeine Geltung haben, in allen
ihren Teilen verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten (vgl.
Oppermann, Europarecht, 3. Auflage, 2005, § 6 Randnr. 77). Mittels dieser
Durchgriffswirkung wird klargestellt, dass Verordnungen mit ihrer Veröffentlichung
im Amtsblatt automatisch, also ohne Dazwischentreten nationaler Rechtssetzung
ihre Rechtswirkungen entfalten (Oppermann, a. a. O., Randnr. 81). Adressaten der
Verordnungen sind in Konsequenz ihrer umfassenden Geltungskraft
gleichermaßen die Gemeinschaft und ihre Institutionen, die Mitgliedstaaten
einschließlich ihrer behördlichen Ausprägungen in allen drei Gewalten und
schließlich die natürlichen und juristischen Einzelpersonen (vgl. Oppermann, a. a.
O., Randnr. 83).
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Da die Klägerin mit ihrem Hauptantrag obsiegte, war über den Hilfsantrag nicht
mehr zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.