Urteil des VG Gießen vom 22.11.2002

VG Gießen: fraktion, juristische person, entschädigung, gemeindeordnung, hessen, geschäftsordnung, minderheitenschutz, stadt, aufwand, arbeitsrecht

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Gericht:
VG Gießen 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 E 4045/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 27 Abs 3 GemO HE, § 36a
GemO HE
(Aufwandsentschädigung für Fraktionsvorsitzenden)
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Aufwandsentschädigung für
Fraktionsvorsitzende.
Die Klägerin ist einziges Mitglied der Fraktion "Bürgerliste G." in der
Stadtverordnetenversammlung der beklagten Stadt G. Neben der Teilnahme an
den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung hält sie unter anderem
regelmäßig Fraktionssitzungen ab, zu denen sie die nicht in die
Stadtverordnetenversammlung gewählten Mitglieder ihrer politischen Gruppierung
einlädt, um sich mit ihnen abzustimmen und über anstehende politische
Entscheidungen zu beraten. Ferner besucht sie die Sitzungen des Ältestenrats der
Stadtverordnetenversammlung und nimmt an Ausschusssitzungen der
Stadtverordnetenversammlung teil, um die notwendigen Informationen über die
dort stattfindenden Beratungen zu erhalten. Ferner repräsentiert die Klägerin ihre
Fraktion auf Veranstaltungen verschiedener Vereine und gesellschaftlicher
Gruppen. Der Klägerin werden zudem die Niederschriften über das Ergebnis der
Sitzungen des Magistrats zugesandt.
Die Klägerin erhielt seit ihrer Wahl in die Stadtverordnetenversammlung bis
einschließlich Oktober 2001 eine besondere Aufwandsentschädigung für
Fraktionsvorsitzende. Die Satzung über die Entschädigung für ehrenamtlich Tätige
in der beklagten Stadt G. vom 19.06.2001 (im Folgenden: ES) trifft in § 5 unter
anderem die nachstehende Regelung:
"1. Die Aufwandsentschädigung beträgt monatlich für Stadtverordnete 153,39
EUR,... zusätzlich erhalten monatlich... Fraktionsvorsitzende 235,19 EUR."
Im November 2001 stellte die Beklagte die Zahlung der Entschädigung für
Fraktionsvorsitzende an die Klägerin ein. Zur Begründung führte sie mit Schreiben
vom 08.11.2001 aus, bei einer Ein-Personen-Fraktion sei ein Fraktionsvorsitz
begrifflich ausgeschlossen. Demnach seien die Voraussetzungen für die Zahlung
einer Aufwandsentschädigung für Fraktionsvorsitzende nicht erfüllt.
Am 18.12.2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, auch eine Ein-
Personen-Fraktion müsse über einen Fraktionsvorsitzenden verfügen, welchem
eine entsprechende Aufwandsentschädigung zustehe. Dies ergebe sich zunächst
aus verschiedenen Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung, in denen dem
Fraktionsvorsitzenden mit dessen ausdrücklicher Erwähnung besondere Aufgaben
zugewiesen seien. Damit setze die Gemeindeordnung - unabhängig von der
Anzahl der Mitglieder einer Fraktion - die Existenz eines Fraktionsvorsitzenden
voraus. Außerdem stehe ihr, der Klägerin, schon aufgrund der Tatsache, dass sie
die Aufgaben eines Fraktionsvorsitzenden wahrnehme, ein Anspruch auf eine
entsprechende Entschädigung zu, zumal der für sie mit diesen Tätigkeiten
verbundene Aufwand besonders hoch sei. Insbesondere habe sie anders als ein
Vorsitzender einer mehrköpfigen Fraktion keine Möglichkeit, Aufgaben zu
delegieren.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Aufwandsentschädigung für
Fraktionsvorsitzende in Höhe von 460,00 DM ab 01.11.2001 weiter zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus ihrem Schreiben vom 08.11.2001
und ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht beteiligtenfähig. Diese Eigenschaft
komme nur Fraktionen, nicht aber deren Vorsitzenden zu. Ergänzend trägt sie vor,
weder aus der Systematik noch aus dem Zweck der von der Klägerin genannten
Vorschriften der Hessischen Gemeindeordnung ließen sich die Notwendigkeit eines
Vorsitzenden auch bei Ein-Personen-Fraktionen ableiten. Auch aus dem Umstand,
dass die Klägerin als Mitglied des Ältestenrats angesehen werde, der unter
anderem aus den Fraktionsvorsitzenden bestehe, folge nicht, dass sie Vorsitzende
ihrer Fraktion sei. Die Stadtverordnetenversammlung habe sich hierzu nur
deswegen entschlossen, weil der Klägerin Fraktionsstatus zukomme. Im Übrigen
benötige die Klägerin auch keine erhöhte Aufwandsentschädigung, weil sie keinen
entsprechenden Aufwand habe. Dies zeige sich daran, dass die Klägerin im Falle
eines ihr günstigen Prozessausgangs ihre Entschädigung für soziale Zwecke und
Vereine spenden wolle.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch sonst zulässig.
Insbesondere ist die Klägerin beteiligtenfähig. Ihrer Beteiligtenfähigkeit steht
zunächst nicht entgegen, dass sie als Fraktionsvorsitzende und damit nur als Teil
eines Organs Klage erhoben hat. Denn auch Teile eines Kommunalorgans können
im Verwaltungsprozess beteiligtenfähig sein, wenn und soweit ihnen ein Recht
zustehen kann (§ 61 Nr. 2 VwGO analog). Dabei reicht im Rahmen des § 61 Nr. 2
VwGO aus, wenn einem Organteil oder Organwalter ein Recht möglicherweise
zukommt (vgl. Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar
2002, § 61 Rdnr. 7). Davon ist hier auszugehen. Es erscheint nicht als von
vornherein ausgeschlossen, dass die Klägerin Vorsitzende ihrer Fraktion ist und ihr
deswegen entsprechende Rechte zustehen oder sie zumindest einem
Fraktionsvorsitzenden gleichgestellt werden muss. Auch fehlt der Klägerin nicht
das Rechtsschutzbedürfnis für ihre Klage, weil sie im Falle ihres Obsiegens die
erhöhte Entschädigung nicht als Ausgleich für besondere Aufwendungen
einsetzen, sondern für gemeinnützige Zwecke spenden will. Der Gesetzgeber hat
im Rahmen der Regelung des § 27 Abs. 3 HGO bewusst darauf verzichtet
sicherzustellen, dass die danach gewährten Entschädigungen auch seiner
Vorstellung entsprechend verwendet werden. Dies ergibt sich aus einem Vergleich
des § 27 Abs. 3 HGO, in dem die Möglichkeit normiert wird, Fraktionsvorsitzenden
eine höhere Aufwandsentschädigung zukommen zu lassen, mit der Norm des §
36a Abs. 4 HGO. Während dort geregelt ist, dass über die den Fraktionen
zufließenden Mittel ein Nachweis geführt werden muss, findet sich in § 27 Abs. 3
HGO keine entsprechende Regelung. Überdies kann auf die
Aufwandsentschädigung weder ganz noch teilweise verzichtet werden (§ 27 Abs. 5
S. 2 HGO).
In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Entschädigung nach § 27 Abs. 3 S. 3 HGO
i.V.m. § 5 Nr. 1 ES nicht zu. Nach § 27 Abs. 3 S. 3 HGO kann Fraktionsvorsitzenden
eine höhere Aufwandsentschädigung gewährt werden. Die Beklagte hat von dieser
Ermächtigung Gebrauch gemacht und eine solche Entschädigung in § 5 Nr. 1 ES
festgesetzt.
In der Person der Klägerin als einziges Mitglied einer Ein-Personen-Fraktion ist die
zentrale Voraussetzung dieser Normen - nämlich dass der Empfänger der
Entschädigungen einen Fraktionsvorsitz inne hat - nicht erfüllt. Bei einer Ein-
Personen-Fraktion ist ein solcher Vorsitz schon seiner Wortbedeutung nach
ausgeschlossen, wovon im Übrigen auch der Forderungskatalog des Hessischen
Städte- und Gemeindebundes (HSGZ 2002, 46, 49) ausgeht. Dies ist der Sache
nach gerechtfertigt. Denn der Begriff des Vorsitzes setzt eine leitende und
koordinierende Funktion voraus, die denknotwendig nur dann wahrgenommen
werden kann, wenn es um die Direktion eines aus mehreren Personen
bestehenden Gremiums geht. Das einzige Mitglied einer Ein-Personen-Fraktion
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bestehenden Gremiums geht. Das einzige Mitglied einer Ein-Personen-Fraktion
kann sich nicht selber leiten oder eine interne Aufgabenverteilung vornehmen.
Zudem ist die Rechtsfigur einer Fraktion - anders als etwa eine juristische Person -
nicht abstrakt von den in ihr zusammengeschlossenen Personen zu sehen. Den
Fraktionen sind zwar von der Hessischen Gemeindeordnung sowie den
Geschäftsordnungen der Gemeindevertretungen eigene Rechte und Pflichten
eingeräumt. Dies macht sie aber noch nicht zu einer von ihren Mitgliedern
losgelösten Rechtspersönlichkeit (vgl. Schmidt/Kneip, HGO, 1995, § 36a Rdnr. 6).
Fraktionen sind lediglich Teile und ständige Gliederungen einer
Vertretungskörperschaft als Ausprägung des Assoziationsrechts der
Abgeordneten (vgl. Trute, in: von Münch/Kunig, GG, Komm., Bd. 2, 2001, Art. 38
Rdnr. 96). Der Fraktionsvorsitz setzt folglich das Vorhandensein mehrerer
(Fraktions-) Mitglieder voraus. Besteht dagegen eine Fraktion nur aus einem
einzigen Mitglied, fehlt es an einem für die Wahrnehmung von Leitungs- und
Koordinierungsfunktionen entscheidenden Adressatenkreis.
Aus den Normen der Hessischen Gemeindeordnung folgt nichts anderes, weil sie
in Ansehung der vorstehend dargestellten Rechtslage bei Ein-Personen-Fraktionen
gerade die Rechtsfigur eines Fraktionsvorsitzenden nicht konstituiert.
Soweit die Klägerin § 36a HGO für ihre Rechtsauffassung anführt, kann weder aus
der Systematik noch aus dem Sinn und Zweck des § 36a HGO geschlossen
werden, dass eine Ein-Personen-Fraktion einen Vorsitzenden haben kann oder
muss. Nach 36a Abs. 1 S. 4 HGO erhalten zwar Parteien oder Wählergruppen, die
durch Wahlen in der Gemeindevertretung vertreten sind, Fraktionsstatus. Dies
bedeutet jedoch nicht, Ein-Personen-Fraktionen bedürften eines
Fraktionsvorsitzenden. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der
Ein-Personen-Fraktion nur um eine Fiktion handelt, die aus Gründen des
Minderheitenschutzes und als Ausfluss des Parteienprivilegs eingeführt wurde (vgl.
Hess. VGH, NVwZ-RR 1997, 308, 309; VG Wiesbaden, HSGZ 2002, 255, 256). Die
Notwendigkeit eines Fraktionsvorsitzenden wurde für diese Gruppierungen jedoch
gerade nicht geschaffen, insbesondere auch nicht in § 36a Abs. 2 HGO. Danach ist
die Bildung einer Fraktion, ihre Bezeichnung, die Namen der Mitglieder und
Hospitanten sowie des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter dem Vorsitzenden
der Gemeindevertretung und dem Gemeindevorstand mitzuteilen. Bei einer Ein-
Personen-Fraktion läuft diese Regelung ins Leere und ist deswegen nicht
anwendbar. Das einzige Mitglied einer solchen Fraktion ist nämlich bekannt, und zu
einer Wahl eines Vorsitzenden sowie eines Stellvertreters kann es erst gar nicht
kommen, da eine solche Wahl eine Personenmehrheit voraussetzt. Wenn der
Gesetzgeber das Rechtsinstitut eines Fraktionsvorsitzenden für Ein-Personen-
Fraktionen hätte einführen wollen, hätte es demnach zumindest an dieser Stelle
einer ausdrücklichen Regelung bedurft.
Die Regelungen des § 36a Abs. 1 S. 5 bis 7 HGO können ebenfalls nicht zur
Begründung dafür herangezogen werden, dass eine Ein-Personen-Fraktion über
einen Vorsitzenden verfügen muss. Nach dieser Vorschrift kann eine Fraktion zu
ihren Sitzungen auch andere Personen, die nicht Mitglied der Fraktion sind,
hinzuziehen. Diese Personen unterliegen gemäß § 36a Abs. 1 S. 6 HGO der
Verschwiegenheitspflicht nach § 24 HGO. Hierauf sind sie vom
Fraktionsvorsitzenden hinzuweisen (§ 36a Abs. 1 S. 7 HGO). Diese Aufgabe des
Fraktionsvorsitzenden konstituiert jedoch nicht das Bedürfnis für einen
Fraktionsvorsitz auch bei der Ein-Personen-Fraktion. Bei einer Ein-Personen-
Fraktion ist selbstverständlich, dass nur das einzige Mitglied der Fraktion einen
Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht erteilen kann. Der Rechtsfigur eines
Fraktionsvorsitzenden bedarf es daher nicht. Im Übrigen ist die Durchführung von
Fraktionssitzungen keine Aufgabe, welche dem Fraktionsvorsitzenden selbst
zugewiesen ist. Vielmehr steht sie nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 36a
Abs. 1 S. 5 HGO der Fraktion als solcher zu.
In gleicher Weise verhält es sich hinsichtlich der Übersendung von
Ergebnisniederschriften über die Sitzungen des Gemeindevorstandes an den
Fraktionsvorsitzenden nach § 50 Abs. 2 S. 4 HGO. Die Fraktionsvorsitzenden
erhalten die Niederschrift lediglich als Repräsentanten der besonders wesentlichen
Gruppierungen innerhalb der Gemeindevertretung (Bennemann, in: Praxis der
Kommunalverwaltung, Landesausgabe Hessen, Ordner B 1, Stand: 01.01.2002,
HGO, § 50 Rdnr. 86). Ein eigenständiges Überwachungsrecht der
Fraktionsvorsitzenden als Empfänger der Niederschriften ist damit aber gerade
nicht verbunden (vgl. Schneider/Dreß ;ler/Lüll, HGO, Stand: April 1999, § 50 Erl. 3,
S. 10; Bennemann, a.a.O.). Die Übersendung von Niederschriften an eine Ein-
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S. 10; Bennemann, a.a.O.). Die Übersendung von Niederschriften an eine Ein-
Personen-Fraktion kann in Ermangelung anderer Möglichkeiten immer nur über
das einzige Mitglied dieser Fraktion erfolgen. Eines besonderen Repräsentanten in
Form eines Fraktionsvorsitzenden bedarf es insofern nicht.
Auch aus der Erwähnung der Fraktionsvorsitzenden in § 8 Nr. 2 der
Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten, wonach der
Ältestenrat aus dem Präsidium und den Fraktionsvorsitzenden besteht, und der
hierzu von der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten geübten Praxis, die
Klägerin als Mitglied des Ältestenrats anzusehen, folgt ebenso wenig, dass die
Klägerin als einziges Mitglied ihrer Fraktion auch deren Vorsitzende ist. Sie wird -
ungeachtet, ob dies rechtlich zwingend ist - von der Beklagten deshalb als Mitglied
des Ältestenrats angesehen, da ihr Fraktionsstatus zukommt. Diese Praxis hat
aber für die Frage, ob die Klägerin auch in rechtlicher Hinsicht Vorsitzende ihrer
Fraktion ist, keine konstitutive Bedeutung.
Schließlich gebieten auch Sinn und Zweck der §§ 27 Abs. 3 S. 3 HGO, 5 Nr. 1 ES
nicht, diese Entschädigungsregelung auf das einzige Mitglied einer Ein-Personen-
Fraktion anzuwenden. Die Vorschrift des § 27 Abs. 3 S. 3 HGO geht erkennbar
davon aus, dass dem Vorsitzenden aufgrund seiner hervorgehobenen Position
besondere durch die Fraktionsarbeit bedingte Aufwendungen entstehen,
insbesondere durch die Übernahme leitender, organisatorischer sowie
repräsentativer Aufgaben. Damit dient die Vorschrift der Ermöglichung eines
entsprechenden Ausgleichs für die Wahrnehmung derartiger Funktionen (vgl.
Schneider/Dreßler/Lüll, a.a.O., § 27 Erl. 4). Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch
dem einzigen Mitglied einer Ein-Personen-Fraktion, welchem in Ermangelung eines
Vorsitzenden Verpflichtungen gleich einem Fraktionsvorsitzenden obliegen, allein
aufgrund dieser Situation ein entsprechender Ausgleich zusteht. Denn die Vielzahl
der besonderen organisatorischen und leitenden Tätigkeiten eines
Fraktionsvorsitzenden fallen in einer Ein-Personen-Fraktion aufgrund ihrer Struktur
nicht an. Innerhalb einer solchen Fraktion können Aufgaben weder delegiert noch
deren Erfüllung durch verschiedene Mitglieder koordiniert werden. Zudem entsteht
hinsichtlich der politischen und gestaltenden Arbeit kein fraktionsinterner
Abstimmungsbedarf.
Aber auch soweit das einzige Mitglied einer Ein-Personen-Fraktion tatsächlich
Aufgaben wahrnimmt, die von der Hessischen Gemeindeordnung, der
Geschäftsordnung der Gemeindevertretung oder nach parlamentarischen
Usancen einem Fraktionsvorsitzenden zugewiesen sind, folgt weder aus Sinn und
Zweck des Entschädigungsanspruchs aus §§ 27 Abs. 3 S. 3 HGO, 5 Nr. 1 ES noch
aus dem in § 36a Abs. 1 S. 4 HGO zum Ausdruck gekommenen
Minderheitenschutz das Erfordernis einer Anwendung der Ausgleichsvorschriften
für Fraktionsvorsitzende. Es ist schon zweifelhaft, ob der verfassungsrechtlich
gewährleistete Minderheitenschutz überhaupt durch diese
Entschädigungsregelungen berührt wird. Die Normen der §§ 27 Abs. 3 S. 3 HGO, 5
Nr. 1 ES dienen in erster Linie dem Ausgleich materieller Aufwendungen und
Verluste, die durch die Fraktionsarbeit bedingt werden, nicht aber der Sicherung
politischer und kommunalrechtlicher Teilhaberechte. Sie sind als pauschalierter
Aufwendungsersatz für besondere persönliche Belastungen innerhalb der Fraktion
anzusehen. Im Übrigen verlangen das Prinzip des Minderheitenschutzes und der
Gleichheitsgrundsatz nicht, dass Fraktionen ungeachtet ihrer Größe stets gleich zu
behandeln sind. Dies gilt bereits für politische Teilhaberechte. So kann etwa die
Gemeindevertretung gemäß § 62 Abs. 2 S. 1 HGO beschließen, dass sich alle oder
einzelne Ausschüsse nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammensetzen.
Entsprechendes ist bei Zuwendungsansprüchen anzunehmen. Hier sind ebenfalls
Differenzierungen nach der Größe der Fraktionen zulässig, etwa bei der Gewährung
von Fraktionszuschüssen (vgl. Hess. VGH, DVBl. 1995, 932, 933). Es entspricht
letztlich dem sich in den unterschiedlichen Fraktionsstärken ausdrückenden
Wählerwillen, dass mehrköpfige Fraktionen ein anderes Gewicht zukommt als Ein-
Personen-Fraktionen. Entschädigungsvorschriften dienen nicht dazu, solche, durch
die unterschiedliche Größe bedingte Ungleichheiten zwischen verschiedenen
Fraktionen zu egalisieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.