Urteil des VG Gelsenkirchen vom 20.11.2007
VG Gelsenkirchen: eugh, werbung, allgemeinverfügung, europäisches gemeinschaftsrecht, öffentliche sicherheit, anbieter, staatliches monopol, dienstleistungsfreiheit, aufsichtsbehörde, staatsvertrag
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 14 K 171/07
Datum:
20.11.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 171/07
Schlagworte:
Internet, Internetwette, Medien, Telemedien, Glücksspiel, illegales
Glücksspiel, Mediendienst, Teledienst, bwin, betandwin,
Telemediengesetz, Allgemeinverfügung, Dauerverwaltungsakt,
maßgeblicher Zeitpunkt, Glücksspielstaatsvertrag,
Dienstleistungsfreiheit, Europarecht, Rundfunkstaatsvertrag
Normen:
StGB § 284, RStV § 59, MDStV § 22, VwGO § 113
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen. Die
Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in
gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1
Der Kläger, ein eingetragener Verein, betreibt unter anderem eine Fußball-
Bundesligamannschaft. Auf seiner von ihm angebotenen Internetseite
°°°°°°°°°°°°°°°°°fand sich jedenfalls im April/Mai 2006 ein Hinweis (Link) auf die
Internetseite des Anbieters J. .com. Dieses Unternehmen bietet Sportwetten über das
Internet an. Die Wettabwicklung erfolgt über die J. Malta Ltd.. Nach seinem Vorbringen
beabsichtigte der Kläger, ab dem 1. Juli 2006 das Internetangebot von betandwin,
nachfolgend bwin, zu bewerben. Die bwin e. K. bietet seit 1990 Sportwetten an,
überwiegend Internetwetten. Diese werden an die bwin International Ltd. mit Sitz in
Gibraltar vermittelt, die nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers über eine
Lizenz für Sportwetten der Regierung von Gibraltar verfügt. Nach weiterem
unwidersprochenen Klägervorbringen hat Herr Dr. Q. (heutiger Handelsname bwin e.K. )
1990 nach dem Gewerbegesetz der DDR eine Genehmigung für die Veranstaltung und
Vermittlung von Sportwetten erhalten.
2
Unter dem 2. Mai 2006 hörte die Beklagte den Kläger zum beabsichtigten Erlass einer
Untersagungsverfügung hinsichtlich der Werbung für die in Nordrhein- Westfalen nicht
genehmigten Sportwetten www.J. .com auf der Homepage des Klägers an. Dieser erhob
dagegen mit Schriftsatz vom 17. Mai 2006 unter Hinweis auf die Verfassungs- und
Europarechtswidrigkeit des staatlichen Wettmonopols umfängliche Einwände, auf die
wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 6 bis 24 der Beiakte Heft 2 14 K
171/07).
3
Mit Bescheid vom 24. Mai 2006 untersagte die Beklagte gemäß § 22 Abs. 1 und 2 des
Mediendienste-Staatsvertrages - MDstV - i.V.m. § 1 der Zuständigkeitsverordnung für
Mediendienste dem Kläger die Werbung auf dem von ihm betriebenen Internetauftritt für
Sportwetten, die nicht von der Westdeutschen Lotterie GmbH und Co. OHG (WestLotto)
angeboten werden, verbunden mit der Aufforderung, diese Werbung innerhalb von zwei
Wochen nach Bekanntgabe des Bescheides einzustellen. Zugleich wurde die sofortige
Vollziehung der Maßnahme angeordnet und für den Fall der Zuwiderhandlung ein
Zwangsgeld in Höhe von 2000,00 Euro angedroht.
4
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid Bezug genommen (Bl.
26 bis 30 der Beiakte Heft 2 14 K 171/07).
5
Mit Anwaltsschriftsatz vom 9. Juni 2006 erhob der Kläger Widerspruch gegen den
vorgenannten, mit Postzustellungsurkunde am 26. Mai 2006 zugestellten, Bescheid und
zugleich gegen die am 1. Juni 2006 im Amtsblatt für den Regierungsbezirk E. bekannt
gemachte Allgemeinverfügung der Beklagten vom 22. Mai 2006, wonach eine
gleichlautende Untersagungsverfügung betreffend die Werbung für Sportwetten im
Internet auf den Homepages in Nordrhein-Westfalen ansässiger Inhaltsanbieter verfügt
worden war.
6
Den zugleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das
erkennende Gericht mit Beschluss vom 1. August 2006 abgelehnt (- 14 L 872/06 - ). Die
hiergegen erhobenen Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht NRW mit Beschluss
vom 22. November 2006 - 13 B 1757/06 - zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der
Begründungen wird auf den Inhalt der vorgenannten Beschlüsse verwiesen.
7
Bereits mit Bescheid vom 13. Juni 2006 setzte die Beklagte wegen Verstoßes gegen
ihre Verfügung vom 24. Mai 2006 das dort angedrohte Zwangsgeld in Höhe von
2.000,00 Euro gegenüber dem Kläger fest und drohte zugleich für den Fall einer
erneuten Zuwiderhandlung ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro an.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid
vom 22. Dezember 2006 zurück.
8
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2007 wies die Beklagte den
Widerspruch gegen die Einzeluntersagungsverfügung vom 24. Mai 2006 und gegen die
Allgemeinverfügung vom 22. Mai 2006, letzteren als unzulässig, unter Verweis auf die
zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts NRW
zurück.
9
Am 19. Januar 2007 hat der Kläger Klage gegen den Zwangsgeldfestsetzungsbescheid
vom 13. Juni 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2006 (14
K 171/07) und zugleich gegen die Untersagungsverfügung vom 24. Mai 2006 sowie die
Allgemeinverfügung vom 22. Mai 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.
10
Januar 2007 erhoben (14 K 172/07).
Die Kammer hat die beiden Klageverfahren in der mündlichen Verhandlung am 20.
November 2007 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und unter dem
vorstehenden Aktenzeichen fortgeführt.
11
Der Kläger führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Beklagte sei nicht zuständig,
weil der Mediendienste-Staatsvertrag keine Anwendung finde. Bei der Werbung für
einen Sportwetten-Anbieter im Internet handele es sich um ein Teledienst im Sinne des
Teledienstgesetzes und nicht um einen Mediendienst. Ausweislich des Bescheides
dürfte nur das Sportwettenangebot von WestLotto beworben werden, obwohl diese
Firma nicht Inhaberin einer wirksamen Lizenz sei. Demgegenüber verfüge die Firma
bwin e. K. über eine wirksame Genehmigung. Die Herrn Dr. Q. unter Geltung des
Gewerbegesetzes der DDR erteilte Genehmigung sei gemäß § 19 Einigungsvertrag
entgegen anderer, auch höchstrichterlicher, Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen
wirksam. Entsprechendes gelte für die EU-Lizenzen der Firmen J. Malta Ltd. bzw. bwin
International. Ltd.. Auch dürfe ausweislich des zu unbestimmten Wortlauts der
Ordnungsverfügung selbst für staatliche Wettanbieter anderer Bundesländer nicht
geworben werden.
12
Der Straftatbestand des § 284 des Strafgesetzbuches - StGB - sei nicht erfüllt.
Keinesfalls könne eine in einem Bundesland erlaubte Tätigkeit in einem anderen
Bundesland einem strafrechtlichen, ein ordnungsbehördliches Einschreiten
rechtfertigenden, Unwerturteil unterliegen. Jedenfalls sei eine bloße Internet- Werbung
für ein nach der Rechtsauffassung der Beklagten lediglich lokal genehmigtes
Unternehmen zulässig. Eine Einschränkung des Mediums Internet nur auf ein
bestimmtes Bundesland sei technisch nicht möglich.
13
Das staatliche Sportwettenmonopol sei in Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig, weil
die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 28. März 2006 zur
Eindämmung der Spielsucht nicht hinreichend umgesetzt worden seien. Nach wie vor
werde für die unterschiedlichsten Lotterieprodukte und auch Oddset-Wetten geworben.
Das Land betreibe keine kohärente Glückspielspolitik. Insbesondere bestehe ein
unkontrollierter Zugang zum sogenannten kleinen Spiel (Glücksspielautomaten),
während bei über bwin e. K. vermittelten Wetten ein gewisser Schutz gesichert sei. Die
Erzielung von hohen Einnahmen durch staatliche Lotteriegesellschaften sei zumindest
ein gleichgewichtiger Hauptzweck und stelle nicht lediglich einen nützlichen
Nebenzweck dar. Von Sportwetten gehe auch keine konkrete Gefahr aus. Dazu gebe es
keine hinreichenden Untersuchungen oder statistische Erhebungen.
14
Insbesondere verstoße das deutsche Sportwetten-Monopol gegen zwingendes und
vorrangig anzuwendendes Europarecht. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs - EuGH - liege eine unzulässige Beschränkung der
Dienstleistungsfreiheit vor. Nur der EuGH selbst könne über die Auslegung des
Gemeinschaftsrechts verbindlich entscheiden. Aus dessen Placanica- Entscheidung
ergebe sich, dass der völlige Ausschluss privater Anbieter diskriminierenden Charakter
habe und daher gemeinschaftsrechtswidrig sei. Der EuGH habe klargestellt, dass die
Dienstleistungsfreiheit auch durch Werbeverbote und ferner dadurch beeinträchtigt
werde, dass der Vermittler, der Wetten an Unternehmen in einen anderen Mitgliedsstaat
vermittle, im eigenen Land mit einem Verbot belegt werde. Aus der Entscheidung
ergebe sich zudem, dass es nicht ausreiche, eine gemeinschaftsrechtswidrige
15
Rechtslage durch eine andere, bestimmten Vorgaben angepasste bloße
Verwaltungspraxis zu modifizieren. Der EuGH stelle vielmehr allein auf den nationalen
Gesetzgeber und die von diesem erlassenen Rechtsvorschriften bzw. Regelungen ab.
Ein Totalverbot privater Sportwetten sei auch unter Verhältnismäßigkeitserwägungen
europarechtlich nicht zu rechtfertigen.
Ebenfalls habe die EU-Kommission den geplanten neuen Staatsvertrag zum
Glücksspielwesen im Hinblick auf das dort festgesetzte Verbot der Internetwetten
beanstandet und in einer weiteren Stellungnahme in mehrfacher Hinsicht auf die
Gemeinschaftswidrigkeit verwiesen: Es mangele an einem hinreichenden tatsächlichen
Datenmaterial über eine Spielsucht im Internet; es fehle eine Analyse der
Zweckdienlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Verbotsmaßnahmen; es fehle die
Folgerichtigkeit, da er auf Lotterien und Sportwetten Anwendung finden solle, nicht aber
auf Glücksspiel mit höherer Suchtgefahr wie insbesondere auf Automatenspiele und
Pferdewetten; es gebe zur Bekämpfung der Spielsucht und zum Schutz von
Jugendlichen weniger einschränkende Maßnahmen; die behauptete Anonymität und
soziale Unkontrollierbarkeit sei in Wahrheit nicht gegeben. Das werde durch ein
weiteres Mahnschreiben der Kommission erhärtet. Auch habe der Generalanwalt in
seinem Schlussantrag vom 16. Mai 2006 betont, im Bereich der Dienstleistungsfreiheit
sei gemeinschaftsrechtlich von dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von
Erlaubnissen auszugehen, die von einem Mitgliedsstaat an dort niedergelassene
Unternehmen nach entsprechenden Kontrollen erteilt worden seien.
16
Seine, des Klägers, Auffassung werde durch zahlreiche Gutachten namhafter
Rechtswissenschaftler und zwischenzeitlich ergangenen Gerichtsentscheidungen
einschließlich von Vorlagenbeschlüssen an den EuGH gestützt. Aus alldem folge, dass
der gegenteiligen Ansicht, vornehmlich des Oberverwaltungsgerichts NRW, nicht zu
folgen und die Untersagungsverfügung aufzuheben sei. Hieraus resultiere auch die
Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldfestsetzung und Zwangsgeldandrohung.
17
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
18
die Bescheide der Beklagten vom 13. Juni 2006 und vom 24. Mai 2006 sowie deren
Allgemeinverfügung vom 22. Mai 2006 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.
Dezember 2006 und vom 2. Januar 2007 aufzuheben.
19
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
21
Sie nimmt Bezug auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide sowie die in dem
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Gerichtsentscheidungen und
führt ergänzend aus: Die Placanica-Entscheidung des EuGH sage nichts aus über die
Verhältnismäßigkeit der Durchsetzung von Maßnahmen innerhalb des von Deutschland
gewählten Konzepts der staatlichen Monopolisierung von Sportwetten bzw. über die
Zulässigkeit des Wettmonopols im Glücksspielsektor als solchem. Dieses Konzept sei
mit dem in Italien eingeführten Konzessionsmodell und dem diesem Modell
zugrundeliegenden Zweck nicht vergleichbar. Der EuGH habe vielmehr bestätigt, dass
auch das Ziel der nationalen Gesetzgeber, die Gelegenheit zum Spiel zu vermindern,
zwingenden Gründen des Allgemeinwohls diene und daher eine Einschränkung der
Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen könne. Die Auffassung der
22
EU-Kommission im laufenden Notifizierungsverfahren zum (Entwurf des) Glücksspiel-
Staatsvertrages könne dahinstehen. Es habe keinen unmittelbaren Einfluss auf das
anhängige Verfahren. Gleiches gelte für die vom Kläger in Bezug genommenen
Entscheidungen von Gerichten außerhalb Nordrhein- Westfalens, insbesondere des
OVG Saarland.
Ergänzend sei anzumerken, dass auch die mit in Kraft treten des Neunten
Rundfunkänderungsstaatsvertrages und des Telemediengesetzes am 1. März 2007
geänderte Rechtslage der Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden
Untersagungsverfügung und der darauf beruhenden Zwangsgeldfestsetzung nicht
entgegenstehe. Ihre, der Beklagten, Zuständigkeit bestehe nach dem
Telemedienzuständigkeitsgesetz für das gesamte Land Nordrhein-Westfalen. Die
streitgegenständliche Ordnungsverfügung könne auch nach der seit dem 1. März 2007
geltenden Rechtslage rechtmäßigerweise erlassen werden. Nach der neuen
Gesetzeslage im Medienrecht werde nicht mehr zwischen Tele- und Mediendiensten
differenziert. Die spezialgesetzliche Eingriffsgrundlage des § 59 Abs. 3 Satz 1
Rundfunkstaatsvertrag erlaube das Einschreiten der Aufsichtsbehörde gegen Verstöße
der Dienstanbieter im Gesamtbereich der Telemedien. Deren Wortlaut übernehme im
Wesentlichen den des § 22 Abs. 2 MDStV.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten einschließlich der Verfahrensakte 14 L 872/06 sowie der vom Kläger
übersandten zahlreichen Anlagen und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen.
24
Entscheidungsgründe:
25
Das Gericht ist nicht gehindert, in (zuvor angekündigter) Abwesenheit der Beteiligten zu
entscheiden, weil diese mit der ordnungsgemäßen Ladung zum Termin zur mündlichen
Verhandlung einen entsprechenden Hinweis erhalten haben (§ 102 Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). An den von den Beteiligten erklärten - der
Kammer z.T. ohnehin erst nach Beginn der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis
gelangten - Verzicht auf mündliche Verhandlung ist das Gericht nicht gebunden.
26
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Aufhebung der Allgemeinverfügung vom
22. Mai 2006 begehrt, im übrigen ist sie unbegründet.
27
A) Die Klage bzgl. der Allgemeinverfügung vom 22. Mai 2006 ist mangels
Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig. Wie das Oberverwaltungsgericht
NRW in gleichgelagerten Parallelverfahren entschieden hat,
28
vgl. Beschluss vom 22. November 2006 - 13 B 1796/06 -, Juris,
29
sind Adressaten der im Amtsblatt für den Regierungsbezirk E. vom 01. Juni 2006 (S. 175
ff.) bekannt gegebenen Allgemeinverfügung der Beklagten jedenfalls nicht diejenigen
Anbieter von Internetinhalten, denen bereits vor Erlass der Allgemeinverfügung durch
eine an sie gerichtete Individualverfügung die Werbung für Sportwetten, die nicht nach
dem nordrhein-westfälischen Sportwettengesetz genehmigt worden sind bzw. die nicht
von der Westdeutschen Lotterie GmbH & Co. OHG angeboten werden, untersagt
worden ist oder denen bereits vor Erlass der Allgemeinverfügung eine solche
Individualverfügung durch ein Anhörungsschreiben der Beklagten angekündigt worden
30
ist.
Letzteres ist hier der Fall. Eine Anhörung zu dem beabsichtigten und sodann erfolgten
Erlass einer Individualverfügung gegenüber dem Kläger ist unter dem 2. Mai 2006
erfolgt. Die nachfolgende Allgemeinverfügung entfaltet damit diesem gegenüber keine
rechtlichen Wirkungen.
31
Darüber hinaus wäre die Klage aus den nachfolgenden Gründen auch insoweit
unbegründet.
32
B) Im übrigen ist die Klage unbegründet. Die angefochtenen Bescheide vom 24. Mai
2006 (Untersagungsverfügung, nachfolgend unter I.) und vom 13. Juni 2006
(Zwangsgeldfestsetzung bzw. -androhung, nachfolgend unter II.) in Gestalt der
Widerspruchsbescheide vom 2. Januar 2007 und 22. Dezember 2006 sind rechtmäßig.
Sie verletzen den Kläger jedenfalls nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
33
I. Die Untersagungsverfügung vom 24. Mai 2006 leidet nicht an einem zu ihrer
Aufhebung führenden Mangel.
34
Das hat die Kammer, wenn auch bei nur summarischer Prüfung, mit Beschluss vom 1.
August 2006 im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 14 L 872/06 -
und nachfolgend das Oberverwaltungsgericht NRW in seinem die hiergegen erhobene
Beschwerde zurückweisenden Beschluss vom 22. November 2006 - 13 B 1757/06 -
entschieden. Die Kammer macht sich insbesondere die umfänglichen Ausführungen in
der Beschwerdeentscheidung zu eigen und nimmt auf die den Beteiligten bekannten
Gründe zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Das Oberverwaltungsgericht
NRW hat in vergleichbaren Parallelverfahren im Übrigen entschieden, dass auch die
Handlungsform durch Allgemeinverfügung zulässig wäre,
35
vgl. Beschluss vom 14.Dezember 2006 - 13 B 2594/06 -.
36
Weder das umfangreiche Vorbringen des Klägers in diesem Verfahren noch die
Rechtsentwicklung seit den oben angeführten Entscheidungen führen zu einer davon
abweichenden rechtlichen Bewertung.
37
Die materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der Untersagungs- verfügung,
der für den Kläger ohne weiteres zu entnehmen war, dass ausschließlich die Werbung
für private Sportwettenveranstalter untersagt worden ist, lagen bzw. liegen vor.
38
1. Das gilt unabhängig davon, ob als Rechtsgrundlage weiterhin auf den zum Zeitpunkt
der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2007)
gültigen § 22 Abs. 2 und § 11 Mediendienste-Staatsvertrag - MDStV - i.V.m. § 1 der
Zuständigkeitsverordnung für Mediendienste vom 1. Juli 1997 i.d.F. der
Änderungsverordnung vom 28. Februar 2003 abgestellt wird, oder der zum Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung gültige § 59 Abs. 3 i.V.m. § 54 Abs. 1 Satz 3 des
Staatsvertrags für Rundfunk und Telemedien (Rundfunkstaatsvertrag) - RStV - in der am
1. März 2007 in Kraft getretenen Fassung des Neunten Staatsvertrages zur Änderung
rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Neunter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) vom 30.
Januar 2007 (GV. NRW. S. 107), bzw. § 14 des Ordnungsbehördengesetzes - OBG - für
einschlägig erachtet werden.
39
a) Bei Anwendung der zum Zeitpunkt des Erlasses der Untersagungsverfügung bzw.
des Widerspruchsbescheides gültigen Rechtsgrundlagen gelten die Ausführungen in
den in Bezug genommenen Entscheidungen des vorläufigen Rechtsschutzes
unverändert fort.
40
b) Stellt man für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung auf den
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ab, weil es sich um einen Verwaltungsakt mit
Dauerwirkung handelt,
41
so ausdrücklich VGH BW, Beschluss vom 28. März 2007 - 6 S 1972/06 - Juris RdNr. 5
zu einer Allgemeinverfügung vergleichbaren Inhalts, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 21.
Juni 2006 - 6 C 19.06 - Juris, RdNr. 33,
42
sind im Ausgangspunkt folgende Rechtsänderungen des Neunten
Rundfunkänderungsstaatsvertrages zu berücksichtigen:
43
Zur angestrebten Vereinheitlichung im Medienrecht wurden mit Wirkung vom 1. März
2007 die Regelungen für Teledienste und Mediendienste unter dem einheitlichen Begriff
„Telemedien" (zum Begriff vgl. § 2 Abs. 1 Sätze 3 und 4 RStV) zusammengefasst. In
Folge dieser Neuregelung wurden die wirtschaftsbezogenen Bestimmungen für
Telemedien (u.a. Herkunftslandprinzip, Zulassungsfreiheit, Informationspflichten,
Verantwortlichkeit, Datenschutz) in dem Telemediengesetz des Bundes vom 26.
Februar 2007 (BGBl. I. 2007, S. 179) normiert. Daneben wurde ein neu gefasster VI.
Abschnitt für Telemedien in den Rundunkstaatsvertrag eingefügt (Art. 1 Nr. 22 Neunter
Rundfunkänderungsstaatsvertrag). Dieser enthält neben den Bestimmungen des
Telemediengesetzes des Bundes (vgl. § 60 RStV) die über die wirtschaftsrechtlichen
und allgemeinen Bestimmungen hinausgehenden, von den Ländern zu regelnden,
inhaltsspezifischen Anforderungen. Diese Regelungen gelten für alle Telemedien, mit
der Folge, dass die (bisherige und oft schwierige) Grenzziehung zwischen Telediensten
und Mediendiensten seither entfällt. Folgerichtig ist der Mediendienste-Staatsvertrag mit
Wirkung vom 1. März 2007 aufgehoben worden (Art. 2 Neunter
Rundfunkänderungsstaatsvertrag).
44
Zum Vorstehenden vgl. die Begründung zum Neunten
Rundfunkänderungsstaatsvertrag, LT- Drucksache 14/3130 zu A Allgemeines und zu B
I. 2., Zu Nummer 4 und Zu Nummer 22.
45
Bei Anwendung dieser Regelungen ist zunächst festzuhalten, dass die Einwände des
Klägers, er habe keinen Mediendienst betrieben, gegenstandslos geworden sind. Der
fragliche Internetauftritt stellt unzweifelhaft ein Telemedium nach dem VI. Abschnitt des
Rundfunkstaatsvertrages dar, weil er weder Rundfunk noch ein
Telekommunikationsdienst i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV ist.
46
Allerdings greifen bei dieser Betrachtungsweise in Folge der Aufhebung des
Mediendienste-Staatsvertrages andere Rechtsgrundlagen für die
Untersagungsverfügung.
47
Die bisherige Regelung in § 11 Abs. 1 MDStV ist von § 54 Abs. 1 Sätze 2 und 3 RStV
übernommen worden. Danach gilt (unverändert) für die Angebote u.a. im Internet die
verfassungsmäßige Ordnung (Satz 1). Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze ...sind
48
einzuhalten (Satz 2).
Die Aufsicht (über Telemedien) wird statt in § 22 MDStV nunmehr in § 59 RStV geregelt.
Gemäß § 59 Abs. 2 RStV wird die Einhaltung der Bestimmungen für Telemedien mit
Ausnahme des Datenschutzes durch eine nach Landesrecht bestimmte
Aufsichtsbehörde überwacht. Das ist gemäß dem „Gesetz zur Regelung der
Zuständigkeit für die Überwachung von Telemedien nach dem Telemediengesetz und
nach § 59 Abs. 2 Rundfunkstaatsvertrag" (Telemedienzuständigkeitsgesetz - TMZ-
Gesetz) vom 29. März 2007 (GV. NRW. S. 137) für das gesamte Land Nordrhein-
Westfalen (nach wie vor) die Bezirksregierung E. .
49
Die Eingriffsermächtigung des § 22 Abs. 2 Satz 1 MDStV ist im Wesentlichen in § 59
Abs. 3 RStV übernommen worden. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
50
Stellt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde einen Verstoß gegen die Bestimmungen
mit Ausnahme der § 54, § 55 Abs. 2 und 3, § 56, § 57 Abs. 2 oder der Daten-
schutzbestimmungen des Telemediengesetzes fest, trifft sie die zur Beseitigung des
Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter (Satz 1). Sie kann
insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen (Satz 2). Die
Untersagung darf nicht erfolgen, wenn ...
51
Satz 2 entspricht mithin vollinhaltlich der Eingriffsermächtigung des § 22 Abs. 2 Satz 2
MDStV. Nach dem Wortlaut des § 59 Abs. 3 Satz 1 RStV - und insoweit abweichend von
§ 22 Abs. 2 Satz 1 MDStV - wird allerdings neben anderen, hier nicht einschlägigen,
Bestimmungen des VI. Abschnitts § 54 einschränkungslos und nicht wie in der
Vorgängerregelung nur die Absätze 2 und 3 „ausgenommen".
52
Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, die zuständige Aufsichtsbehörde
habe seit dem 1. März 2007 bei Verstößen eines Diensteanbieters gegen die
allgemeinen Gesetze i.S.v. § 54 Abs. 1 RStV, einschließlich der Bestimmungen des
Strafgesetzbuches - anders als nach der früheren Rechtslage - keine Eingriffsbefugnis
mehr. Vielmehr sollen nach der schon angeführten amtlichen Begründung zum VI.
Abschnitt des Rundfunkstaatsvertrages u.a. die inhaltlichen Anforderungen des
Mediendienste-Staatsvertrages materiell weitgehend übernommen werden.
Ausdrücklich heisst es zu § 59 RStV:
53
„Abs. 3 Satz 1 bis 5 übernehmen die bisherige Reglung aus § 22 Abs. 2 des
Mediendienste-Staatsvertrages. Sie enthalten damit die speziellen Eingriffsbefugnisse
der Aufsichtsbehörden für sämtliche Verstöße bei Telemedien. Neu eingeführt wird mit
Satz 6....".
54
Hiernach spricht alles dafür, dass es sich bei der Formulierung in § 59 Abs. 3 Satz 1
RStV, soweit dort dem Wortlaut nach (auch) die Allgemeinen Bestimmungen des § 54
Abs. 1 RStV vom Zuständigkeitsbereich bzw. der Eingriffsermächtigung der
besonderen, nach Landsrecht zu bestimmenden, Aufsichtsbehörde ausgenommen
worden sind, um ein bloßes Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt.
55
Das gilt um so mehr als im geplanten Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in
Deutschland (Glückspielstaatsvertrag - GlüStV) und dem dazu verabschiedeten
nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetz, die zum 1. Januar 2008 in Kraft treten
sollen,
56
vgl. den Gesetzentwurf vom 13. August 2007 zum Gesetz des Landes Nordrhein-
Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland sowie zum Gesetz
zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland
(Glücksspielstaatsvertrag Ausführungsgesetz NRW - Glücksspielstaatsvertrag AG
NRW), LT-Drucksache 14/4849 und Beschlussprotokoll vom 24. Oktober 2007, PlBPr
14/71, jeweils abrufbar über www.landtag.nrw.de > Dokumente),
57
wiederum eine eindeutige Eingriffsermächtigung der Beklagten als speziell zuständiger
Aufsichtsbehörde jedenfalls bei Verstößen gegen das Verbot des Betreibens
unerlaubten Glücksspiels und der Werbung hierfür normiert ist (vgl. § 9 Abs. 1 GlüStV
i.V.m. § 18 Abs. 2 Glücksspielstaatsvertrag AG NRW).
58
Es ist vor diesem Hintergrund schlechterdings nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber
derartige Verstöße in der Zwischenzeit, also von März bis Dezember 2007, ohne
Sanktionsmöglichkeiten hat tolerieren wollen.
59
c) Folgte man dem nicht, führt das gleichwohl nicht zur Aufhebung der
Untersagungsverfügung vom 24. August 2006. Denn die für eine gerichtliche Kassation
erforderlichen Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 VwGO sind weder zum Zeitpunkt
ihres Erlasses noch zum jetzigen Zeitpunkt erfüllt. Dies gilt unabhängig davon, ob es
sich bei der Formulierung des § 59 Abs. 3 RStV in der Fassung des Neunten
Rundfunkänderungsstaatsvertrages um ein redaktionelles Versehen handelt.
60
Unterstellt man entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu I.1. b) die von der
Beklagten zum Erlass der Untersagungsverfügung herangezogene
Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 2 MDStV sei (nachträglich) mit dem Inkrafttreten
des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrags entfallen, stellt sich der angefochtene
Bescheid auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gleichwohl weder als
materiell rechtswidrig dar, noch verletzt er den Kläger in seinen Rechten.
61
Die Beurteilungszeitpunkte für die gerichtliche Entscheidung bei Anfechtungsklagen
lassen sich für die notwendigen Voraussetzungen der gerichtlichen
Aufhebungsbefugnis nicht einheitlich beurteilen und hängen - auch bei
Dauerverwaltungsakten - von dem der Beurteilung des Streitgegenstandes
zugrundeliegenden materiellen Recht ab. Aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO folgt, dass ein
Kläger mit seinem durch die Anfechtungsklage verfolgten Aufhebungsbegehren nur
dann durchdringen kann, wenn er zu dem Zeitpunkt, in dem die gerichtliche
Entscheidung ergeht, einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung hat. Die Frage, ob ein
solcher Anspruch besteht, richtet sich nach dem materiellen Recht, einschließlich des
Verwaltungsverfahrensrechts.
62
Vgl. BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1982 - 1 C 146/80 -, BVerwGE 65, 1, vom 27. April
1990 - 8 C 87/88 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 218 = NVwZ 1991, 360 und vom 21.
Juni 2006 - 6 C 19.06 - Juris, RdNr. 33; Sodan / Ziekow, Spannowsky: VwGO, § 113
Rdnr. 64ff.
63
Das bedeutet für den hier in Rede stehenden Fall, dass eine nach dem Erlass der
Regelung und vor der Entscheidung des Gerichts eingetretene Rechtsänderung nur
dann den Aufhebungsanspruch des Klägers betreffen kann, wenn sie sich auf die
geltend gemachte Rechtsverletzung des Klägers auswirkt. Dies ist vorliegend nicht der
64
Fall.
Die Untersagungsverfügung stellt sich zunächst als formell rechtmäßig dar.
65
Zum Zeitpunkt ihres Erlasses war die Beklagte insbesondere gemäß § 1 der
Zuständigkeitsverordnung für Mediendienste als zuständige Aufsichtsbehörde im Sinne
des § 22 Abs. 2 MDStV örtlich und sachlich zuständig. Eine etwaige Änderung dieser
Ermächtigungsvorschrift durch den Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag
dahingehend, dass der in § 59 Abs. 3 RStV enthaltene Ausschluss des § 54 RStV -
anders als im Mediendienste-Staatsvertrag in bezug auf § 11 MDStV - nicht mehr nur auf
die Abs. 2 und 3 beschränkt ist, sondern den gesamten Bereich der in § 54 RStV
angeführten Rechtsnormen betrifft, führte für das hier anhängige Verfahren nicht zu
einem „Wegfall" dieser Zuständigkeit.
66
Die Beklagte ist auch trotz der dargestellten Rechtsänderung die richtige prozessuale
und materiell-rechtliche Streitgegnerin (geblieben).
67
Ersteres folgt aus § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 AGVwGO NRW,
wonach prozessualer Streitgegner die Behörde ist, die den angefochtenen
Verwaltungsakt erlassen hat. Das ist die Beklagte. Daran hat sich durch das Inkrafttreten
des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages nichts geändert.
68
Auch die materiell - rechtliche Streitgegnerschaft, d. h. die Passivlegitimation, ist der
Beklagten durch die Rechtsänderung nicht entzogen worden. Der Neunte
Rundfunkänderungsstaatsvertrag enthält zwar keine Übergangsregelung. Diese Folge
ergibt sich jedoch daraus, dass sich die die Zuständigkeit begründenden Umstände
nicht im Lauf des Verwaltungsverfahrens, sondern erst nach seinem Abschluss (vgl. § 9
VwVfG NRW) geändert haben, so dass insbesondere kein Fall des § 3 Abs. 3 VwVfG
NRW vorliegt.
69
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. März 1992 - 18 B 299/92 -, NWVBl 1992, 371.
70
Durch die Änderung des Rundfunkstaatsvertrages und die Neufassung der hier
einschlägigen Spezialermächtigungsnorm in § 59 RStV ist weiterhin keine Änderung
der materiellen Rechtslage im engeren Sinne eingetreten. Deshalb ist die
Untersagungsverfügung materiell rechtmäßig, weil die tatbestandlichen
Voraussetzungen für ihren Erlass zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung
erfüllt waren und auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine gleichlautende
Verfügung erlassen werden könnte (dazu nachfolgend unter 2.).
71
Zwar wäre nach dem Wortlaut der nunmehr gültigen Ermächtigungsgrundlage die
Beklagte für den Erlass einer solchen Ordnungsverfügung auf der Grundlage des § 59
Abs. 3 RStV möglicherweise nicht mehr zuständig. Daraus folgt jedoch keine
Rechtsverletzung des Klägers, welche geeignet wäre, einen Aufhebungsanspruch im
Sinne des § 113 Abs. 1 VwGO zu begründen.
72
Die Bestimmung des § 54 Abs. 1 RStV entspricht, wie dargelegt, in ihrem Wortlaut der
Vorgängerregelung des § 11 Abs. 1 MDStV. Für die Angebote im Bereich der
Telemedien gilt weiterhin die verfassungsmäßige Ordnung und die Vorschriften der
allgemeinen Gesetze sowie die Vorschriften zum Schutz der persönlichen Ehre sind
nach wie vor einzuhalten. Die Rechtsänderung durch den Neunten
73
Rundfunkänderungsstaatsvertrag führt (bei Negierung eines Redaktionsversehens)
allenfalls dazu, dass bei einem Verstoß gegen diese Vorgaben eine gleichlautende
Ordnungsverfügung nunmehr auf die allgemeine ordnungsrechtliche Generalklausel zu
stützen und nicht mehr durch die Beklagte als zuständige Behörde im Sinne des
Telemedienzuständigkeitsgesetzes, sondern durch die örtlich zuständige allgemeine
Ordnungsbehörde zu erlassen wäre. Bei dieser Konstellation besteht ein
Aufhebungsanspruch des Klägers nicht.
Sähe man das anders, wäre die streitbefangene Untersagungsverfügung (nur) zum
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung aufzuheben, obwohl der Kläger eine mit der
materiellen Rechtslage nicht in Einklang stehende Internetwerbung für einen nach
Auffassung des erkennenden Gerichts illegalen Sportwettenanbieter zum Zeitpunkt des
Erlasses der Untersagungsverfügung betrieben hat, diese Werbung auch derzeit
rechtswidrig ist/wäre und folglich aktuell materiell rechtmäßig - jedenfalls von einer
anderen Behörde - untersagt werden dürfte sowie voraussichtlich ab Januar 2008
wiederum von der Beklagten zu untersagen wäre. Den Bescheid vom 24. Mai 2006
gleichwohl im Hinblick auf möglicherweise nach seinem Erlass geänderte
Zuständigkeitsregelungen aufzuheben, würde angesichts dessen dem materiellen
Recht widersprechen.
74
2. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Untersagung der Werbung für
Sportwetten durch den angefochtenen Bescheid liegen - unverändert - vor. Die durch
die Verbotsverfügung untersagte Werbung für private Sportwettenveranstalter durch den
Kläger als verantwortlichem Diensteanbieter (i.S.d. § 6 Abs. 1 i.V.m. § 3 Satz 1 Nr. 1
MDStV bzw. i.S.d. § 2 Satz 1 Ziff. 1 Telemediengesetz) stellt einen gegen die
Vorschriften der allgemeinen Gesetze i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 2 MDStV und § 54 Abs. 1
Satz 3 RSTV verstoßenden Inhalt von Mediendiensten bzw. Telemedien dar. Das
begründet einen die Untersagungsverfügung materiell rechtfertigenden Verstoß gegen
die Bestimmungen des Staatsvertrages i.S.d. § 22 Abs. 2 MDStV bzw. gegen die
Bestimmungen des VI. Abschnitts des Rundfunkstaatsvertrages i.S.d. § 59 Abs. 3 Satz 1
RStV bzw. einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit i.S.d. § 14 OBG. Denn der
Kläger erfüllt durch einen solchen Internetauftritt den (objektiven) Straftatbestand des §
284 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 StGB. Die von ihm in der Vergangenheit betriebene und weiter
beabsichtigte Werbung für private Sportwettenveranstalter stellt Werbung für in
Nordrhein-Westfalen unerlaubte Glücksspiele dar.
75
An dieser Bewertung des Oberverwaltungsgerichts NRW in dem eingangs zitierten
Beschluss im zugehörigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist ungeachtet der
hiergegen erhobenen vielfältigen klägerischen Einwände und der zwischenzeitlich
bekannt gewordenen Rechtsprechung anderer Gerichte festzuhalten.
76
Das Oberverwaltungsgericht hat in Anknüpfung an das Bundesverwaltungsgericht,
77
vgl. u.a. dessen Urteil vom 21. Juni 2006 - 6 C 19.06 -, Juris, RdNr. 49, und 51 ff,
78
insbesondere hervorgehoben, dass die Verbotsnorm des § 284 StGB das Fehlen einer
Erlaubnis voraussetzt und entsprechend der föderalen Struktur in der Bundesrepublik
hinnimmt, dass die Veranstaltung von Glücksspielen von Land zu Land unterschiedlich
zu beurteilen sein kann. Private Sportwettenveranstalter, für die der Kläger werbe bzw.
zu werben beabsichtige, seien gerade nicht im Besitz einer Erlaubnis für ein sich u.a.
auf Nordrhein-Westfalen erstreckendes Wettangebot. Weiter hat das
79
Oberverwaltungsgericht ausgeführt, dass die in einem Mitgliedstaat der Europäischen
Union erteilten Erlaubnisse in Nordrhein Westfalen ebenso wenig gelten wie die einigen
Sportwettenveranstaltern aufgrund des Gewerbegesetzes der DDR erteilten
Gewerbegenehmigungen und keine andere Bewertung angezeigt sei, weil Sportwetten
im Internet angeboten werden. Ebenfalls genüge die gegenwärtige (Übergangs)
Rechtslage den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 28. März 2006
- 1 BvR 1054/01 - und verstoße nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
Diese Ausführungen beanspruchen in Einklang mit der Rechtsprechung anderer
Gerichte weiterhin Gültigkeit.
80
Vgl. aktuell, auch zu den spezifischen Problemen des Internets, VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 5. November 2007 -6 S 2223/07-.
81
Entgegen der Ansicht des Klägers rechtfertigt insbesondere die Placanica-
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs kein anderes Ergebnis.
82
Mit der, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannten, Rechtsprechung der 7.
Kammer des erkennenden Gerichts,
83
vgl. z.B. Beschluss vom 20. Dezember 2006 - 7 L 1203/06 -, Urteil vom 20. Juni 2007 - 7
K 3251/06 - www.nrwe.de, und zuletzt Urteil vom 31. Oktober 2007 - 7 K 247/07 -,
84
gilt insoweit folgendes:
85
Das europäische Gemeinschaftsrecht gebietet es nicht, das nordrhein- westfälische
Sportwettenmonopol als unanwendbar anzusehen. Die Nichtzulassung privater
Wettunternehmer aus anderen EU-Staaten stellt zwar eine Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit aus Art. 43, 49 EGV dar. Solche
Beschränkungen können jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses
wie Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung und Vermeidung von Anreizen für die
Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist,
dass die Beschränkungen auf solche Gründe und auf die Notwendigkeit gestützt sind,
Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, und dass sie geeignet sind, die
Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinn zu gewährleisten, dass sie kohärent und
systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Die Behörden eines
Mitgliedstaates dürfen die Verbraucher nicht dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien,
Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen
zufließen,
86
EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01 - „Gambelli", Rdnrn. 67, 69.
87
Diese Vorgaben stimmen inhaltlich mit den Anforderungen des deutschen
Verfassungsrechts überein,
88
BVerfG, Urteil vom 28. März 2006 - 1 BvR 1054/01 -, Rdnr. 144.
89
Eine nach deutschem Verfassungsrecht zulässige Beschränkung der Berufsfreiheit aus
Art. 12 Abs. 1 GG genügt daher auch den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen für
die Beschränkung der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit. Vor diesem
Hintergrund ist davon auszugehen, dass die vom Bundesverfassungsgericht
90
geschaffene Rechtslage und die Umsetzung der für die Übergangszeit geforderten
Maßnahmen zugleich bewirkt, dass das in Deutschland bestehende staatliche
Wettmonopol nicht mehr gegen Gemeinschaftsrecht verstößt,
s. a. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4. Mai 2006 - 1 M 476/05 -; VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 28. Juli 2006 - 6 S 1987/05 -; BayVGH, Beschluss vom 3.
August 2006 - 24 CS 06.1365 -; OVG Bremen, Beschluss vom 7. September 2006 - 1 B
273/06 -; OVG Hamburg, Beschluss vom 25. September 2006 - 1 Bs 206/06; OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. September 2006 - 6 B 10895/06.OVG.
91
Im Ergebnis trägt nämlich die gesetzliche Regelung des staatlichen Wettmonopols in
ihrer Ausgestaltung durch das Bundesverfassungsgericht und den hierauf beruhenden
Anwendungsmodalitäten in tatsächlicher Hinsicht den Zielen Rechnung, die sie
rechtfertigen können. Hierauf ist nach der Rechtsprechung des EuGH abzustellen und
dies zu beurteilen ist auch Sache des nationalen Gerichts,
92
EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - Rs. C-243/01 - „Gambelli", Rdnr. 76.
93
Dabei ist für die positive Bewertung der tatsächlichen Anwendungsmodalitäten aus
europarechtlicher Sicht hier auch zu berücksichtigen, dass nicht nur das Land NRW die
Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts korrekt umsetzt, sondern dass dies
grundsätzlich auch bundesweit der Fall ist. So haben sich die zuständigen
Aufsichtsbehörden der Länder alsbald nach Ergehen der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts auf einen Maßnahmekatalog verständigt, um gleichlautend
den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Übergangszeit Rechnung zu
tragen,
94
OVG Bremen, Beschluss vom 7. September 2006 - 1 B 273/06 - unter Hinweis auf einen
Schriftsatz des dortigen Senators für Inneres vom 18. August 2006 über die Tagung der
zuständigen Referenten der Länder vom 27./28. April 2006.
95
Verschiedene Obergerichte sind für ihre Bundesländer, jeweils unter Würdigung der dort
im einzelnen ergriffenen Maßnahmen, zu dem Ergebnis gekommen, dass die
bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben für die Übergangszeit korrekt erfüllt werden,
96
OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. September 2006 - 6 B 10895/06.OVG -; OVG
Hamburg, Beschluss vom 25. September 2006 - 1 Bs 206/06 - und vom 1. Juni 2007 - 1
Bs 107/07- ; OVG Bremen, Beschluss vom 7. September 2006 - 1 B 273/06 -; BayVGH,
Urteil vom 10. Juli 2006 - 22 BV 05.457 - und Beschluss vom 3. August 2006 - 24 CS
06.1365 -; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 28. Juli 2006 - 6 S 1987/05 - und
vom 28. März 2007 - 6 S 1972/06 -; OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Juni 2006 - 4 B
961/06 - sowie vom 18. April 2007 - 4 B 1246/06 -; a.A. OVG Saarland, Beschluss vom
4. April 2007 - 3 W 23/06 -, NVwZ 2007, 717.
97
Für den Freistaat Bayern und für Nordrhein-Westfalen ist diese Würdigung bereits vom
Bundesverfassungsgericht bestätigt worden,
98
BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 2006 - 2 BvR 2023/06 -, Rdnr. 19 (Bayern);
Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 2428/06 -, NJW 2007,1521 (NRW).
99
Bedenken gegen die Gemeinschaftsrechtskonformität ergeben sich auch nicht aus den
100
Vorgaben des EuGH in Sachen Lindman,
EuGH, Urteil vom 13. November 2003, C-42/02- „Lindman", Rdnr. 25.
101
Der EuGH verlangt nicht, dass dem nationalen Gesetzgeber vor Erlass eines die
Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Gesetzes eine Untersuchung zur
Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der beschränkenden Maßnahmen vorgelegen
haben muss. Auch muss nicht durch Untersuchungen nachgewiesen werden, dass
private Wetten aus dem EU-Ausland „gefährlicher" sind als inländische Monopolwetten.
Vielmehr müssen lediglich die Rechtfertigungsgründe, die von einem Mitgliedstaat
geltend gemacht werden, von einer solchen Untersuchung begleitet sein. Vor diesem
Hintergrund ist es hier ausreichend, dass sich das Bundesverfassungsgericht bei seiner
Entscheidung auf eine wissenschaftliche Untersuchung zu dem Gefahrpotential einer
Ausweitung der Sportwetten für suchtgefährdete Spieler gestützt hat,
102
OVG Hamburg, Beschlüsse vom 25. September 2006 - 1 Bs 206/06 - und vom 9. März
2007, a.a.O., Rdnr. 58.
103
Anhaltspunkte für die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der geltenden Regelungen vermag
das erkennende Gericht auch nicht dem Urteil des EuGH in Sachen Placanica u.a.,
104
Rechtssache C 338/04 u.a., Urteil vom 6. März 2007, NJW 2007, 1515 und NVwZ 2007,
675,
105
zu entnehmen.
106
Im Ausgangspunkt geht es in jenem Verfahren um die Frage, ob die italienischen
Beschränkungen EU-ausländischer Buchmacher aus Gründen der Betrugsbekämpfung
gerechtfertigt werden können. Die italienischen Rechtsvorschriften, die jenem Verfahren
zugrunde liegen, sehen für private Wirtschaftsteilnehmer, die im Bereich des
Glücksspiels in Italien tätig werden wollen, u. a. eine Konzession vor, die nach
öffentlicher Ausschreibung vergeben wird, wobei an jenem Vergabeverfahren nur
bestimmte Arten von Wirtschaftsunternehmen teilnehmen können.
107
Vgl. u.a. Rdnr. 40 des Urteils vom 6. März 2007, a.a.O.
108
Zu diesem Vergabeverfahren für privatwirtschaftliche Anbieter verhält sich das Urteil
Placanica in seinen Rdnrn. 59 bis 64. Ein solches Konzessionsmodell existiert für
Sportwettenanbieter im Bundesgebiet nicht, weil nach geltender Rechtslage ein
staatliches Monopol vorgegeben ist. Die Ausführungen des EuGH zum
Konzessionssystem für private Anbieter von Sportwetten sind somit für die hier
maßgebliche Rechtslage nicht von Bedeutung. Sie lassen sich nicht übertragen.
109
Entsprechendes gilt für die an Fehler in jenem Ausschreibungsverfahren für private
Sportwettenanbieter in Italien anknüpfenden Erwägungen des EuGH zu strafrechtlichen
Sanktionen (Rdnrn. 68 bis 71) und präventiven polizeilichen Maßnahmen (Rdnrn. 65 bis
67). Die Unzulässigkeit derartiger Maßnahmen und Sanktionen folgt nach dieser
Rechtsprechung daraus, dass das Konzessionssystem selbst
gemeinschaftsrechtswidrig ist, weil es gegen Art. 43, 49 EGV verstößt. Dies wurde nur
unter dem Gesichtspunkt angenommen, dass bestimmte Rechtsformen
(Kapitalgesellschaften) in Italien in der Vergangenheit ausgeschlossen waren. All dies
110
ist bei der derzeit geltenden Rechtslage in Deutschland nicht der Fall.
Die Ansicht, der EuGH gewähre mit der Entscheidung „Placanica" den nicht
konzessionierten Bewerbern in der Übergangszeit bis zur Schaffung eines
gemeinschaftsrechtskonformen Zustandes unmittelbar einen Zulassungsanspruch zum
Sportwettenmarkt, ist dieser Entscheidung nicht zu entnehmen. Der EuGH hat, soweit er
sich auf die Übergangszeit und die damit zusammenhängende Frage nach den Folgen
der Rechtswidrigkeit des Ausschlusses bestimmter Wirtschaftsunternehmen vom
Vergabeverfahren für die Konzessionen in Italien bezieht, keinen Zulassungsanspruch
vorgegeben, sondern die Verhängung strafrechtlicher Sanktionen verboten (vgl. Rdnr.
63, 70).
111
Der weiter geäußerten Ansicht, das Staatsmonopol bringe ein gleich hohes
Gefahrenpotential mit sich wie das - vom EuGH in einzelnen Beziehungen
beanstandete - Konzessionsmodell Italiens, weshalb Übergangsfristen in Deutschland
nicht tolerierbar seien, ist nicht zu folgen. Unabhängig davon ist - wie dargelegt - davon
auszugehen, dass die rechtliche Situation in Nordrhein-Westfalen und im Bundesgebiet
bereits jetzt schon mit dem Gemeinschaftsrecht harmoniert, weshalb es einer
Übergangsfrist insoweit nicht bedarf.
112
Weitergehende Aussagen, die das klägerische Begehren stützen könnten, sind dem
Urteil nicht zu entnehmen. Insbesondere kann daraus nicht abgeleitet werden, die
Beanstandung des italienischen Konzessionsmodells durch den EuGH lasse darauf
schließen, dass das deutsche Modell erst recht gegen europäisches
Gemeinschaftsrecht verstoße, weil neben dem staatlichen Anbieter keine weiteren
privaten Anbieter am Markt zugelassen seien, die über eine EU-rechtliche Konzession
in seinem Mitgliedstaat verfügten. Vielmehr hat der EuGH in den - vor Behandlung der
genannten Themenblöcke stehenden - allgemeinen Grundsätzen (Rdnrn. 41 bis 53)
erneut nachdrücklich darauf hingewiesen, dass es den Mitgliedstaaten freistehe, die
Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzusetzen und ggf. das
angestrengte Schutzniveau genau zu bestimmen, soweit die Maßnahmen
verhältnismäßig sind (Rdnr. 48 des Urteils). Da die Ziele des italienischen
Gesetzgebers darin bestehen, Glücksspieltätigkeiten in kontrollierte Bahnen zu lenken,
um ihrer Ausbeutung zu kriminellen und/oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen
und damit gleichzeitig eine kontrollierte Expansion im Bereich der Glücksspiele zu
erreichen (vgl. Rdnr. 55 des Urteils), während in Deutschland die kohärente und
systematische Begrenzung der Spielgelegenheiten im Vordergrund des jeweiligen
gesetzlichen Staatsmonopols steht (vgl. zu diesem Ziel: EuGH, Urteil vom 6. März 2007,
a.a.O., Rdnr. 53) und die italienische Zielsetzung nachrangig verfolgt wird, sind auch die
vom EuGH genannten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der jeweiligen
Beschränkungen andere (so ausdrücklich: EuGH, a.a.O., Rdnr. 49). Allerdings dürfte es
danach - und dies ist ein neuer Aspekt, der aus dem Urteil „Placanica" folgt -,
gerechtfertigt sein, ebenso in Deutschland eine
113
„verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit bereitzustellen,
was das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und
den Einsatz neuer Vertriebstechniken mit sich bringen kann." (Rdnr. 55).
114
Die Maßgaben, die der EuGH insbesondere in der Rechtssache Gambelli
115
a.a.O., Urteil vom 6. November 2003 - Rs C 243/01 -, dort Rdnrn. 62 und 67
116
für die Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit durch staatliche
Regeln zur Eindämmung der Spielgelegenheiten aufgestellt und in Sachen Placanica
noch einmal wiederholt hat (vgl. Urteil vom 6. März 2007, a.a.O., Rdnr. 52), sind
eingehalten,
117
vgl. dazu VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25. Oktober 2006 - 7 K 5560/07 -, www.nrw.de,
118
und zwar nicht allein aufgrund verwaltungsmäßigen Handelns, wie der Kläger
reklamiert, sondern unmittelbar infolge der durch das Bundesverfassungsgericht (Urteil
vom 28. März 2006, a.a.O.) gestalteten rechtlichen Situation.
119
Vgl. auch VG Braunschweig, Beschluss vom 21. März 2007, - 5 B 334/06 -, Rdnr. 52
a.E. Juris.
120
Vor diesem Hintergrund ist dem schriftsätzlich unterbreiteten Antrag des Klägers, das
Verfahren auszusetzen und den Ausgang der Vorabentscheidungsverfahren
abzuwarten, die das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 21. September 2006 (1
K 5910/05), das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 24. Juli 2007 (4 K
4435/06) und das Verwaltungsgericht Gießen mit Beschluss vom 7. Mai 2007(10 E
13/07) mit z.T. sich überschneidenden Rechtsfragen eingeleitet haben, nicht
nachzugehen, da die erkennende Kammer, ebenso wie die 7. Kammer des
Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, derzeit keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht
sieht und deshalb auch die Frage der Zulässigkeit einer europarechtlichen
Übergangsregelung nicht entscheidungserheblich ist.
121
Mangels Verstoßes der derzeitigen (Übergangs-) Rechtslage gegen
Gemeinschaftsrecht kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob an der in Anknüpfung an
die seinerzeit vom 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW vertretenen,
122
vgl. Beschluss vom 28. Juni 2006 - 4 B 961/06 -, EuZW 2006, 603,
123
von der erkennenden Kammer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geteilten,
Rechtsansicht festzuhalten ist, dass das im deutschen wie im Gemeinschaftsrecht
geltende allgemeine Prinzip der Rechtssicherheit es gebiete, die Rechtsfolgen einer
Kollision mit höherrangigem Recht zu beschränken, um unerträgliche Konsequenzen
einer sonst eintretenden Regelungslosigkeit zu vermeiden.
124
Eine andere Beurteilung ist schließlich auch durch die im März 2007 geäußerte
Auffassung der Kommission im EU-Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2003/4350)
einerseits und in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Lotteriestaatsvertrages der
Bundesrepublik Deutschland (Notifizierung 2006/658 D - Entwurf eines Staatsvertrages
zum Glücksspielwesen in Deutschland; Ausführliche Stellungnahme der Kommission)
andererseits nicht geboten. Die im Vertragsverletzungsverfahren dargestellte Ansicht
der Kommission zur Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des deutschen
Sportwettenmonopols teilt die Kammer - wie dargelegt - nicht. Die letztgenannte
Stellungnahme bezieht sich auf eine zukünftige, durch den geplanten
Lotteriestaatsvertrag noch zu schaffende Rechtslage und hat schon deshalb keine
durchgreifende Relevanz für die aktuell zu beurteilende Rechtslage.
125
3. Ebenfalls ist die Zwangsgeldandrohung unter Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides
126
vom 24. Mai 2006 rechtmäßig. Sie entspricht den gesetzlichen Anforderungen (vgl. §§
55 ff. des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen).
II. Auch die Klage gegen den Bescheid vom 13. Juni 2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2006 ist nicht begründet. Die Bescheide
sind ebenfalls rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie finden
ihre Rechtsgrundlage in den darin angeführten Normen des
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen und der - wie
vorstehend dargelegt - rechtmäßigen Untersagungsverfügung vom 24. Mai 2006. Die
gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zwangsgeldfestsetzung und erneute
Zwangsgeldandrohung sind erfüllt. Insbesondere ist - anders als bei
Zwangsgeldfestsetzungen, denen ausschließlich eine Allgemeinverfügung
vorausgegangen war, - die zu Grunde liegende Individualverfügung dem Kläger
ordnungsgemäß zugestellt worden. Einer vertiefenden Begründung bedarf das nicht,
zumal der Kläger hiergegen keine gesonderten Einwände erhoben hat.
127
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708, Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung - ZPO -.
128
129