Urteil des VG Gelsenkirchen vom 20.01.2010
VG Gelsenkirchen (wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, höhe, zwangsgeld, antrag, betriebsstätte, zeitpunkt, verwaltungsgericht, bezug, festsetzung, anordnung)
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 3561/08
Datum:
20.01.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 3561/08
Schlagworte:
weiteres Zwangsgeld, Festsetzung, Sportwetten, Untersagung
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand:
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Nach den Feststellungen des Beklagten vom 4. September 2006 vermittelte die Klägerin
in der Spielhalle X.---straße 58 in L. mit einem "Multi-Media-Terminal" über das Internet
Sportwetten an die Cash-Line Sportwetten GmbH mit Sitz in Österreich.
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Nach Anhörung untersagte der Beklagte der Klägerin mit für sofort vollziehbar erklärter
Ordnungsverfügung vom 13. Oktober 2006 in dieser Betriebsstätte Sportwetten ohne
behördliche Erlaubnis entgegenzunehmen und/oder weiter zu vermitteln, entsprechende
Einrichtungen zur Verfügung zu stellen oder die Aufstellung dieser Einrichtungen zu
erlauben oder zu dulden. Zudem gab er ihr auf, das zu diesem Zweck installierte "Multi-
Media-Terminal" bis zum 22. Oktober 2006, 24 Uhr, zu entfernen. Ferner drohte er ihr für
den Fall, dass der Ordnungsverfügung nicht oder nicht ausreichend nachgekommen
werde, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR an.
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Gegen diese Ordnungsverfügung legte die Klägerin Widerspruch ein und suchte zudem
mit Antrag vom 19. Oktober 2006 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach.
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Ermittlungen des Beklagten vom 25. Oktober 2006 ergaben, dass die Klägerin weiterhin
Sportwetten vermittelte und sich das "Multi-Media-Terminal" noch immer in der
Betriebsstätte befand. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Oktober 2006
das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro fest. Ferner drohte sie für den Fall
der künftigen Nichtbefolgung der Untersagungsverfügung ein weiteres Zwangsgeld in
Höhe von 2.000 Euro an.
Durch Beschluss der Kammer vom 3. November 2006 wurde der Antrag auf
Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen die
Untersagungsverfügung eingelegten Widerspruchs abgelehnt (7 L 1541/06).
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Bei einer weiteren Kontrolle am 7. November 2006 stellte der Beklagte fest, dass sich
das Wett-Terminal weiterhin in der Betriebsstätte befand und trieb das festgesetzte
Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro am 15. November 2006 bei.
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Mir Bescheid vom 15. November 2006 setzte der Beklagte das angedrohte weitere
Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro fest und drohte erneut ein Zwangsgeld in Höhe
von 4.000 Euro an. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die
Ordnungsverfügung vom 15. November 2006 (vgl. Bl. 104 ff, Beiakte Heft 3 des
parallelen Klageverfahrens 7 K 3562/08) verwiesen.
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Am 20. November 2006 erhob die Klägerin jeweils Widerspruch gegen die
Zwangsgeldverfügungen vom 25. Oktober und 15. November 2006.
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Nachdem die Klägerin Beschwerde gegen den im Zusammenhang mit der
Untersagungsverfügung ergangenen Eilbeschluss eingelegt hatte, erklärte der Beklagte
mit Schriftsatz vom 22. November 2006, mit Blick auf das anhängige
Beschwerdeverfahren würden vorerst keine Maßnahmen zur Beitreibung des
festgesetzten Zwangsgeldes vorgenommen. Mit Beschluss vom 19. Januar 2007 wies
das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW - die
Beschwerde zurück (4 B 2552/06). Im Rahmen nachfolgender örtlicher Überprüfungen
stellte der Beklagte fest, das Wett-Terminal noch immer betrieben wurde und trieb am
26. Januar 2007 das weitere Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro bei. Nach erfolglosen
Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin zum einen Klage gegen die
Untersagungsverfügung vom 13. Oktober 2006 und zum anderen gegen die
Zwangsgeldverfügung vom 25. Oktober 2006 Beide Klagen hat die Kammer mit Urteilen
vom heutigen Tage abgewiesen (7 K 3562/08 und 7 K 3560/08).
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Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2008, zugestellt am 24. Juni 2008, wies der
Landrat des Kreises V. den Widerspruch gegen die Zwangsgeldverfügung vom 15.
November 2006 als unbegründet zurück.
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Am 30. Juni 2008 hat die Klägerin Klage gegen diese Zwangsgeldverfügung erhoben.
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Zur Begründung trägt sie vor, die der Zwangsgeldfestsetzung zu Grunde liegende
Ordnungsverfügung sei rechtswidrig. Insofern beruft sie sich im Wesentlichen auf die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 28. März 2006 (1 BvR
1054/01) und trägt vor, das staatliche Sportwettenmonopol sei in Nordrhein-Westfalen
verfassungs- und gemeinschaftswidrig, weil die Maßgaben des
Bundesverfassungsgerichts zur Eindämmung der Spielsucht nicht umgesetzt worden
seien; der Staat verfolge weiterhin fiskalische Interessen. Es gebe auch keine kohärente
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und systematische Glücksspielpolitik in Deutschland. Insbesondere würden staatlich
veranstaltete Glückspiele in weitem Umfang toleriert, obwohl hiervon keine geringeren
Suchtgefahren ausgingen als von privat veranstalteten Sportwetten. Ein Einschreiten
könne auch nicht auf den am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen
Glücksspielstaatsvertrag und entsprechende Ausführungsgesetze der Länder gestützt
werden, weil auch danach der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - nicht
gerechtfertigt und weiterhin eine gemeinschaftswidrige Rechtslage gegeben sei. Der
Zwangsgeldbescheid sei zudem rechtswidrig, weil zum Zeitpunkt seines Erlasses eine
rechtskräftige Entscheidung über den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung noch nicht vorgelegen
habe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 2. September
2008 (Bl. 26 ff der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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den Zwangsgeldbescheid des Beklagten vom 15. November 2006 und den
Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises V. vom 28. Mai 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der parallelen Klageverfahren 7 K
3562/08, 7 K 3560/08 und des Eilverfahrens 7 L 1541/06 sowie die im vorliegenden
Verfahren (Beiakte Heft 1), im Verfahren 7 K 3562/08 (Beiakten Hefte 1 bis 3) und im
Verfahren 7 K 3560/08 (Beiakte Heft 1) vorgelegten Verwaltungsvorgänge des
Beklagten und der Widerspruchsbehörde.
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Entscheidungsgründe:
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Da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet
haben, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, § 101 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die Klage ist unbegründet. Die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 15. November
2006 und der Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises V. vom 28. Mai 2008
sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
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Das Gericht nimmt zunächst zur Begründung Bezug auf die Gründe der angefochtenen
Bescheide, denen es im Grundsatz folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO). Mit Blick auf das
Klagevorbringen ist Folgendes zu ergänzen: Die weitere Zwangsgeldfestsetzung vom
15. November 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2008 sind nicht
ermessensfehlerhaft. Insbesondere stellt der Umstand, dass die Zwangsgeldfestsetzung
zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem eine rechtskräftige Entscheidung über den Antrag
auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Untersagungsverfügung (7 L
1541/06) noch nicht vorgelegen hat, die Rechtmäßigkeit der Festsetzung nicht in Frage.
Der Beklagte war nicht verpflichtet mit der Festsetzung des Zwangsgeldes bis zum
Abschluss eines eventuellen Beschwerdeverfahrens zu warten. Zum Zeitpunkt des
Erlasses des angefochtenen Zwangsgeldbescheides lag auch keine Erklärung des
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Beklagten vor, dass bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren
einstweiligen Rechtsschutzes keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen würden
("Stillhaltezusage"). Hierzu bestand ersichtlich auch keine Verpflichtung. Die Klägerin
war auf Grund der Anordnung der sofortigen Vollziehung verpflichtet, die Vermittlung
von Sportwetten auch vor rechtskräftigem Abschluss des Eilverfahrens zu unterlassen.
Soweit die Klägerin materielle Einwände gegen die Grundverfügung vom 13. Oktober
2006 geltend macht und insbesondere vorträgt, das staatliche Sportwettenmonopol und
der Glücksspielstaatsvertrag seien verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrig, kann
dahinstehen, ob derartige Einwände im vorliegenden Verfahren überhaupt
berücksichtigt werden können. Jedenfalls ist der Untersagungsbescheid aus den
Gründen des Urteils der Kammer vom heutigen Tage im Parallelverfahren 7 K 3562/08
rechtmäßig.
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Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe
von 4.000 Euro bestehen dem Grunde und der Höhe nach keine Bedenken.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Regelung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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