Urteil des VG Freiburg vom 09.12.2008

VG Freiburg (aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, person, widerruf, interesse, einfuhr, juristische person, tätigkeit, handel, behörde)

VG Freiburg Beschluß vom 9.12.2008, 2 K 1500/08
Einstweiliger Rechtsschutz gegen den Widerruf der Erlaubnis zur Haltung von Hunden und Katzen
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Verfügung des Landratsamtes
Ortenaukreis, mit welcher die der Antragstellerin unter dem 03.06.1992 erteilte Erlaubnis zur Haltung von Hunden
und Katzen für andere in einem Tierheim unter Anordnung des Sofortvollzugs widerrufen worden ist, wird nach
Maßgabe der nachfolgenden Auflagen wiederhergestellt:
1. Es dürfen nur in den von der Erlaubnis vom 03.06.1992 erfassten Räumen Hunde nach den Maßgaben der §§ 5,
6 Abs. 2 TierSchHundeVO gehalten werden. Dies bedeutet, dass bei Hunden mit einer Widerristhöhe bis 50 cm
folgende Anzahl an Hunden erlaubt ist:
- Hundezimmer 1 (Irlandzimmer) maximal 10 Hunde
- Hundezimmer 2 (Polenzimmer) maximal 8 Hunde
- Hundezimmer 3 (Italienzimmer) maximal 8 Hunde
- Hundezimmer 4 (Türkeizimmer) maximal 4 Hunde
- Hundezimmer 5 (Russlandzimmer) maximal 5 Hunde
2. Es dürfen maximal 20 Katzen in die von der Erlaubnis vom 03.06.1992 erfassten zwei Katzenzimmer
aufgenommen werden.
3. Vor Wiederaufnahme des Betriebs ist eine für die Betreuung und Pflege der Tiere qualifizierte Person zu
bestellen und als verantwortlicher Leiter der Tierherberge zu benennen (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG). Unter
einer für die Betreuung und Pflege qualifizierten Person ist ein ausgebildeter Tierpfleger/eine ausgebildete
Tierpflegerin oder eine solche Person, die ihre Qualifikation in einem Fachgespräch gegenüber dem Antragsgegner
nachgewiesen hat, zu verstehen.
Der Leiter hat als Gesamtverantwortlicher auch dafür einzustehen, dass die Betreuung und Pflege der Tiere
während seiner Abwesenheit qualifiziert erfolgt und gewährleistet ist. Zu seinem Verantwortungsbereich gehört
darüber hinaus die Sicherstellung der im Einzelfall notwendigen tierärztlichen Betreuung vor Ort.
4. Über die aufgenommenen Tiere ist ein Bestandsbuch mit den Angaben zu Aufnahmedatum, Name des Tieres,
Herkunft, Rasse/Typ, Farbe, Alter, Geschlecht, ChipNr./Tätowierung o.a. Kennzeichnung, Abgabetag und
Übernehmer zu führen, vgl. Nr. 1 der Auflagen zur Erlaubnis vom 03.06.1992. Außerdem ist eine Karteikarte über
den Impfstatus der Tiere zu führen.
Um Unklarheiten zu vermeiden, sind die von Mitarbeitern privat gehaltenen Tiere konkret zu benennen.
Das Tierbestandsbuch ist einmal im Monat unaufgefordert dem Antragsgegner vorzulegen. Darüber hinaus ist es
bei Kontrollen durch die Amtstierärzte zur Einsichtnahme bereit zu halten.
5. Die Aufnahme (und die Einfuhr) von Hunden bzw. Katzen aus einem in Anhang II Teil C der Verordnung (EG)
Nr. 998/2003 genannten Drittland oder aus einem anderen - nicht gelisteten - Drittland ist nicht erlaubt.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag der Antragstellerin, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen
die Verfügung des Landratsamts O. vom 14.07.2008 wiederherzustellen, soweit es darin die Erlaubnis zur
Haltung von Hunden und Katzen für andere in einem Tierheim vom 03.06.1992 widerrufen, die weitere
Ausübung der Tätigkeit untersagt, die Auflösung des Tierbestandes an Hunden und Katzen angeordnet, die
sonstige im tierschutzrechtlichen Sinne gewerbsmäßige Tierhaltung von Schafen, Ziegen und Lamas untersagt
und den Nachweis der Abgabe und des Verbleibs der Tiere gefordert hat, ist zulässig und hat nach Maßgabe
des Beschlusstenors auch Erfolg.
2
Das Verwaltungsgericht trifft seine Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO aufgrund einer eigenen
Interessenabwägung. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wird es regelmäßig dann
wiederherstellen oder anordnen, wenn dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit begründet sein wird. Umgekehrt
scheidet die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig aus, wenn der Rechtsbehelf mit hoher
Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Weiter ist zu berücksichtigen, ob das öffentliche Interesse an der
sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt.
Ist der Verfahrensausgang offen, etwa weil der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt weiterer
Aufklärung bedarf, so ist eine reine Interessenabwägung erforderlich.
3
Letzteres ist hier der Fall. Maßgebend für dieses Ergebnis ist der Umstand, dass die im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren allein mögliche und gebotene summarische Prüfung ergibt, dass die Frage der
Unzuverlässigkeit der Antragstellerin wegen gewerbsmäßigen Handels und wegen Nichteinhaltung der
tierseuchenrechtlichen Vorgaben bei einer gewerblichen Einfuhr noch nicht abschließend beantwortet werden
kann. Zwar dürften auch die noch verbleibenden, vom Antragsgegner aller Wahrscheinlichkeit nach zu Recht
festgestellten und unzuverlässigkeitsbegründenden Verstöße durchaus gewichtig sein; die Kammer ist jedoch
der Auffassung, dass bei isolierter Betrachtung (ohne Berücksichtigung des Vorwurfs des gewerblichen
Handels) solche weiteren Zuwiderhandlungen durch die im Tenor der Antragstellerin aufgegebenen Auflagen
voraussichtlich bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch bzw. gegebenenfalls über die Hauptsache
nicht zu besorgen sein dürften (I.). Nach der danach vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt deshalb
das Interesse der Antragstellerin an dem Weiterbetrieb des Tierheims und damit an einem Aufschub bis zu
einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerruf in der Hauptsache das besondere öffentliche Interesse,
das in der Einhaltung des Tierschutzes und der Gewährleistung eines effektiven Tierseuchenschutzes besteht
(II.).
I.
4
1. Das Landratsamt stützt den Widerruf der der Antragstellerin zum Betrieb einer Tierherberge erteilten
Erlaubnis auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 3 LVwVfG. Danach kann ein begünstigender Verwaltungsakt
widerrufen werden, wenn der Widerruf im Verwaltungsakt vorbehalten ist (Nr. 1), mit dem Verwaltungsakt eine
Auflage verbunden ist und der Betroffene diese nicht erfüllt hat (Nr. 2) oder wenn die Behörde aufgrund
nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne
den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde (Nr. 3). Maßgeblicher Zeitpunkt der Überprüfung der
Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist dabei regelmäßig derjenige der Entscheidung der Widerspruchsbehörde bzw.
im hier anhängigen vorläufigen Rechtsschutzverfahren der Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Gericht.
5
a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 LVwVfG dürften vorliegen. In
Nr. 4 der Erlaubnis vom 03.06.1992 wurde ausdrücklich der Widerruf vorbehalten. Danach kann die Erlaubnis
zurückgenommen werden, wenn Tatsachen einer nicht sachgerechten Tierhaltung oder -zucht bekannt oder
diese Bedingungen und Auflagen nicht beachtet werden.
6
Dabei dürfte die Rechtmäßigkeit des Widerrufs zunächst nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die
Antragstellerin die Erlaubnispflichtigkeit der Tierherberge anzweifelt. Entgegen der in dem vorgelegten
Gutachten vom 26.09.2008 geäußerten Ansicht geht die Kammer von einem erlaubnispflichtigen Tierheim im
Sinne des § 11 Abs.1 Nr. 2 TierSchG aus. Insbesondere dürfte es sich auch um eine Haltung von Tieren „für
andere“ handeln. Dabei sind die Eigentumsverhältnisse an den Tieren ohne Belang, denn erklärtes Ziel der
Tätigkeit des Antragstellers ist die nur vorübergehende Unterbringung und anschließende Weitervermittlung der
Hunde und nicht die eigene Haltung für sich selbst (VG Düsseldorf, Urteil vom 04.09.2006 - 23 K 6776/04 -,
Juris).
7
Hier spricht Einiges dafür, dass die Antragstellerin mit der Erlaubnis vom 03.06.1992 verbundene Auflagen
nicht erfüllt bzw. dagegen verstoßen hat. So dürften zunächst Zuwiderhandlungen gegen die Auflagen Nr. 1
(ordnungsgemäße Führung der Tierbestandsbücher; Rechtsgrundlage: § 11 Abs. 2a Nr. 1 TierSchG) und Nr. 2
(entsprechende angemessene Unterbringung der Tiere) anzunehmen sein. Zur Vermeidung von Wiederholungen
verweist die Kammer insoweit im Einzelnen auf die Feststellungen des Antragsgegners im angefochtenen
Bescheid, § 117 Abs. 5 VwGO. Insbesondere ergibt sich nach vorläufiger Einschätzung der Kammer unter
Zugrundelegung des § 2 TierSchHundeVO und der §§ 4, 5, 6 und 7 TierSchHundeVO, dass eine Überbelegung
der Hundezimmer vorlag. Denn bei der Berechnung der benutzbaren Bodenflächen dürften die Auslaufflächen
nicht zu berücksichtigen sein (vgl. auch Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, 1. Aufl., § 2
TierSchHundeVO, Rd.Nrn. 1 und 2, wonach zu den Anforderungen aus den §§ 4, 5, 6 und 7 TierSchHundeVO
stets die allgemeinen Anforderungen an das Halten von Hunden nach § 2 TierSchHundeVO hinzutreten).
8
Auch das Quarantänezimmer dürfte nicht der Auflage Nr. 15 der Erlaubnis, wonach Trennwände massiv
herzustellen sind, entsprochen haben. Es wurde außerdem zweckentfremdet, indem es zusätzlich mit Hunden
belegt wurde (vgl. Auflage Nr. 15 der Erlaubnis vom 03.06.1992).
9
Daneben kam die Antragstellerin der Auflage Nr. 4 wohl nicht nach. Danach hatte sie alle wesentlichen
Änderungen der im Antrag dargelegten Sachverhalte mitzuteilen. Insoweit war der Wechsel der für die Tätigkeit
verantwortlichen Person stets anzuzeigen. Diese Anzeige ist zum einen unterblieben, zum anderen waren zum
Zeitpunkt der tierärztlichen Kontrollen Personen für das Tierheim verantwortlich, die nicht die erforderliche
Sachkunde im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 1 TierSchG gehabt haben dürften. Hinzu kommt, dass auch bauliche
Veränderungen bestehender Räume und Nutzungsänderungen entgegen der Auflage Nr. 4 nicht mitgeteilt
worden sind.
10 b) Nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG kann die Erlaubnis außerdem widerrufen werden, wenn die Behörde
aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und
wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Bei den nachträglich eingetretenen
Tatsachen muss es sich um tatsächliche Gegebenheiten handeln, die für die getroffene Regelung des
Verwaltungsaktes rechtlich relevant sind (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 49 Rd.Nr. 43). In diesem Sinne
sind die vom Antragsgegner angeführten unzuverlässigkeitsbegründenden Tatsachen grundsätzlich geeignet,
einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 LVwVfG zu begründen. Allerdings lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt
nicht ausreichend beantworten, ob die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 TierSchG) auch
auf den Vorwurf des gewerblichen Handelns und auf den damit einhergehenden Verstoß gegen Einfuhr- und
Verbringungsvorschriften gestützt werden kann.
11 Die Erteilung einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis für eine tierheimähnliche Einrichtung i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2
TierSchG setzt u.a. voraus, dass die verantwortliche Person zuverlässig ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 TierSchG). Bei
dem Begriff der Zuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der weder mit einem
Beurteilungsspielraum verbunden ist noch einen Ermessenspielraum zugunsten der Behörde eröffnet und somit
der vollen verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Der Begriff der Zuverlässigkeit selbst ist im
Tierschutzgesetz nicht definiert. Der Gesetzgeber hat hier auch nicht - wie zum Beispiel in anderen Gesetzen,
die an das Erfordernis der Zuverlässigkeit anknüpfen (vgl. z.B. § 17 Abs. 3 Bundesjagdgesetz) - bestimmte
Versagungsgründe aufgezählt. Zur Ausfüllung des Begriffs kann aber an den Begriff der gewerberechtlichen
Unzuverlässigkeit, wie er sich beispielsweise in § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung oder § 4 Gaststättengesetz
findet, und an die dazu ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 20.07.1993
-11 UE 7407/89 -, Juris). Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt danach derjenige nicht, der nach dem
Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass Rechtsvorschriften eingehalten werden und
keine Gefahren für das Wohlergehen der aufgenommenen Tiere bestehen. Entscheidend ist, ob aufgrund der
begangenen Rechtsverstöße nach objektiven Maßstäben und unter Würdigung der Persönlichkeit des
Betroffenen und der Umstände des Einzelfalls die Gefahr besteht, dieser werde künftig seine Pflichten als
Betreiber einer tierheimähnlichen Einrichtung nicht erfüllen (Kluge, Tierschutzgesetz, § 11 Rd.Nr. 18;
Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, § 11 Rd.Nr. 18). Soweit - wie hier - der juristischen Person die Erlaubnis
erteilt wurde, ist auch sie im Sinne des § 11 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 TierSchG selbst „verantwortliche Person“.
D.h., erweist sich auf der einen Seite ein Organteil als tierschutzrechtlich unzuverlässig, schlägt sich dies
grundsätzlich auch auf die Zuverlässigkeitsbeurteilung der juristischen Person selbst durch, es sei denn, die
juristische Person zeigte sich in der Lage, sich von den unzuverlässigen Organteilen zu trennen und diese
durch zuverlässige zu ersetzen. Auf der anderen Seite muss aber auch der Erlaubnisinhaber selbst zuverlässig
sein, vgl. auch § 35 GewO. Lässt er danach der verantwortlichen Person nicht den notwendigen Spielraum, so
dass diese nicht durchsetzen kann, was sie zum Schutz der Tiere für erforderlich hält, so fehlt es an seiner
Zuverlässigkeit (Hirt/Maisack/Moritz, a.a.O., § 11 Rd.Nr. 18).
12 aa) Zwar ist angesichts der bereits oben unter a) genannten Verstöße zunächst die Zuverlässigkeit der in H.
tätigen als Tierheimleiter verantwortlichen Person in Frage gestellt. Allerdings will die Antragstellerin künftig
eine ausgebildete Tierpflegerin als verantwortliche Person einsetzen, so dass sich diese Verstöße nicht mehr
wiederholen dürften.
13 bb) (1) Gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin als Erlaubnisinhaberin selbst könnte demgegenüber
sprechen, dass sie ihren Pflichten, so bei der Mitteilung des Wechsels der verantwortlichen Person, dem
unterbliebenen Umbau der Quarantänestation und der unterlassenen Anzeige der bauliche Änderungen und
Nutzungsänderungen, nicht nachgekommen ist. Auch dürfte Vieles darauf hindeuten, dass nicht etwa die
Mitarbeiter vor Ort allein für die Überbelegung der Tierheims verantwortlich waren, sondern dass die
Tiertransporte aus dem Ausland von der Zentrale der Antragstellerin gesteuert und die Tiere entsprechend
zentral verteilt wurden. Dies ergibt sich aus den Aktenvermerken der Amtstierärztin, in denen sie auch die
Auskünfte der Mitarbeiter in H. anlässlich der von ihr durchgeführten Kontrollen festgehalten hat. So heißt es
im Aktenvermerk vom 19.02.2008: „Frau G. gibt an, dass alle ausländischen Hunde, die von P. A. nach
Deutschland geholt werden, zunächst in das H. Tierheim kommen. Ein auf 400,- EUR-Basis angestellter Herr
H. aus B. fahre regelmäßig zum Flughafen Frankfurt, um eintreffende Hunde abzuholen (in letzter Zeit ca. 1
Fahrt wöchentlich). Die Ankunft neuer Hunde würde zentral in die Wege geleitet.“ In dem Aktenvermerk vom
04.03.2008 über eine Nachkontrolle am 26.02.2008 steht: „Frau G. gab an, dass Sie und Frau H. der Zentrale,
die sich mittlerweile nicht mehr in U., sondern in Sch. befinde, mitgeteilt hätten, dass man auf Weisung des
Veterinäramtes vorerst keine Tiere mehr aufnehmen könne. Beiden sei daraufhin mit Kündigung gedroht
worden.“ Dass die Antragstellerin zentral sämtliche „Fäden in der Hand hält“ ergibt sich auch aus der
Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft O. - Ermittlungsverfahren gegen G. wegen Verstoßes gegen das
TierSchG u.a. - 2 Js 11412/08 -. Darin heißt es: „Die Organisation und Zuweisung des sogenannten
„Tierkontingents“ auf verschiedene Tierheime im Bundesgebiet nach deren Einfuhr, so auch in H., erfolgte
zentral von der Organisation „P. A.“ in Sch.“. Schließlich spricht auch das Auftreten der Antragstellerin im
vorliegenden Verfahren und auch im Verwaltungsverfahren dafür, dass die Mitarbeiter vor Ort in vielen
Bereichen weisungsabhängig sein dürften. Beispielhaft sei das Schreiben vom 19.02.2008 der 1. Vorsitzenden
der Antragstellerin genannt, in dem sie den betroffenen Mitarbeitern „Argumentationshilfen“ zum Vorwurf der
Verwendung deutscher EU-Pässe als Blanko-Heimtierausweise gibt.
14 (2) Hinzu kommt, dass der Antragsgegner auch zu Recht davon ausgegangen sein dürfte, dass die
Antragstellerin regelmäßig - widerrechtlich - die Übersendung deutscher Blanko-Heimtierausweise ins Ausland
veranlasst hatte. Dies wurde von ihr auch zunächst im Wesentlichen unter Verweis auf einen Rechtsirrtum
eingeräumt, im Verlaufe des Verfahrens aber bestritten, dass es sich dabei um eine gängige Praxis gehandelt
habe. Insoweit wäre aber zu berücksichtigen, dass sowohl die Argumentation in dem Schreiben der 1.
Vorsitzenden vom 19.02.2008, man habe dadurch Kosten sparen wollen, als auch der Umstand einer
„Bestellung“ vom 01.07.2008 von 30 deutschen Blanko-Heimtierausweisen der österreichischen Niederlassung
dafür sprechen dürften, dass es sich insoweit nicht nur um vereinzelte Vorgänge gehandelt haben dürfte.
Schließlich ergibt nur die regelmäßige Übung unter dem Gesichtspunkt der „Kostenersparnis“ einen Sinn.
15 (3) Ob die Antragstellerin schließlich auch deshalb als unzuverlässig anzusehen sein müsste, weil ihr Tun als
gewerbsmäßiges Handeln mit Hunden/Katzen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 b TierSchG einzustufen wäre, sie
hierfür keine entsprechende Erlaubnis der zuständigen Behörde hätte und das Betreiben des Tierheims deshalb
formell illegal wäre, kann im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden.
16 Gewerbsmäßig im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 TierSchG handelt derjenige, der die in der Vorschrift genannten
Tätigkeiten selbständig, planmäßig, fortgesetzt und mit der Absicht der Gewinnerzielung ausübt
(Verwaltungsvorschriften zu § 11 TierSchG, Nr. 12.2.1.5). Nicht entscheidend ist dafür eine
Gewerbeanmeldung, es kommt allein darauf an, dass die oben genannten Merkmale für eine
Gewerbsmäßigkeit erfüllt werden. Bei der Antragstellerin könnte schon der Umfang der Ab- bzw. Weitergabe für
eine Gewerbsmäßigkeit und damit für ein fortgesetztes und planmäßiges Handeln streiten. So hat sie in den
vergangenen drei Jahren Hunderte von Hunden und Katzen nach dem im Eilverfahren vorgelegten Verträgen
gegen Überlassung einer Schutzgebühr/Spende von 250,-- EUR (pro Hund) bzw. 90,-- EUR (pro Katze)
abgegeben. Auch der Preis liegt durchaus im Rahmen dessen, was in Internet- und Zeitungsanzeigen für
Hundewelpen/Katzen verlangt wird. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Gewinnerzielungsabsicht
nicht das einzige Motiv für den Handel mit Hunden/Katzen sein muss; dass diese Tätigkeit auch aus Tierliebe
bzw. Mitleid mit misshandelten Tieren ausgeübt wurde, spricht nicht gegen die Gewerbsmäßigkeit. Im Übrigen
kommt es regelmäßig nicht darauf an, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wird (vgl. VG München, Urteil vom
09.04.2008 - M 18 K 07.1105 -). Ebenso wenig dürfte der Annahme der möglichen Gewerbsmäßigkeit entgegen
stehen, dass dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin zufolge auch andere Tierschutzvereine
(beispielsweise Tierschutzverein M.) nach diesem „Muster“ verfahren. Allerdings könnte der Annahme einer
Gewinnerzielungsabsicht entgegen stehen, dass die Antragstellerin gemeinnützig arbeitet, die von ihr
erbrachten Aufwendungen für die Tiere regelmäßig deren Überlassungspreis übersteigen dürfte und dass es
wohl an der Übereignung der Tiere an den Übernehmer fehlt. Dies bedarf einer eingehenden Prüfung.
17 All diese umfassenden Gesichtspunkte lassen sich im vorliegenden summarischen Verfahren nicht
abschließend klären. Dass bei der Frage der Einstufung der Tätigkeit der Antragstellerin als gewerblicher
Handel noch erheblicher Klärungs-(und Abstimmungs)bedarf besteht, ergibt sich zudem aus dem Schreiben
des Ministeriums für Ernährung und Ländlicher Raum Baden-Württemberg vom 13.08.2008. Darin wird zwar die
Rechtsauffassung dargelegt, Fälle der vorliegenden Art unterlägen der Erlaubnispflicht nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 b
TierSchG; zugleich wird aber auch um Überprüfung durch das Bundesministerium für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz gebeten.
18 Selbst wenn aber von einem gewerblichen Handel auszugehen wäre, wäre jedenfalls des Weiteren in Erwägung
zu ziehen, ob ungeachtet der dann gegebenen formellen Illegalität eine Ausnahmekonstellation angenommen
werden müsste, weil die Antragstellerin die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Erlaubnis nach §
11 Abs. 1 Nr. 3 b TierSchG für den gewerbsmäßigen Handel mit Wirbeltieren wegen der vorhandenen
geeigneten Räumlichkeiten, der personellen Ausstattung mit einem neuen verantwortlichen Tierheimleiter und
des sonstigen „Know hows“, die eine artgerechte Tierpflege und -haltung grundsätzlich ermöglichen, erfüllen
könnte.
19 (4) Ebenso wenig lässt sich wegen dieser offenen Fragen zum gewerblichen Handel für das vorläufige
Rechtsschutzverfahren verlässlich beurteilen, ob das Verbringen der Tiere aus dem Ausland als gewerbliche
Einfuhr zu werten ist und ob die hierfür bestehenden tierseuchenrechtlichen Vorgaben umgangen wurden,
indem ein privater Reiseverkehr vorgegeben wurde.
20 cc) Danach ist festzuhalten, dass die Zuverlässigkeit der Antragstellerin zwar nicht ohne Weiteres unter
Berufung auf einen - formell illegalen - gewerblichen Handel mit Hunden und Katzen bzw. mit Verstößen gegen
Einfuhr- und Verbringungsvorschriften in Frage gestellt werden kann. Aber auch die verbleibenden Verstöße
allein - wie die Versendung von Blanko-Heimtierausweisen und die unter 1. a) genannten Verfehlungen -,
dürften gegen die Zuverlässigkeit der Antragstellerin sprechen. Allerdings hat die Antragstellerin bereits
Abhilfemaßnahmen eingeleitet und ist auch gewillt, bei einem Weiterbetrieb zusätzliche Änderungen sowohl
personeller als auch organisatorischer Art vorzunehmen, weshalb es unter Berücksichtigung dieser
Vorkehrungen zum jetzigen Zeitpunkt offen erscheint, ob ohne den Widerruf das öffentliche Interesse im Sinne
des § 49 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG gefährdet wäre (siehe zu diesem Erfordernis: Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 49
Rd.Nr. 48). Denn die Maßnahmen könnten geeignet sein, Mängeln fortan entgegen zu wirken, wie sie vom
Antragsgegner hier festgestellt wurden.
21 c) Ob der Widerruf nach alledem verhältnismäßig und auch ermessensfehlerfrei ist, bedarf unter diesen
Umständen für das vorliegende Eilverfahren keiner Entscheidung. Angesichts der von der Antragstellerin
bereits eingeleiteten und noch geplanten Abhilfemaßnahmen und Veränderungen sowie der weiteren von der
Kammer im Tenor festgelegten Auflagen dürfte die Einhaltung der tierschutzrechtlichen und
tierseuchenrechtlichen Vorgaben während des laufenden Rechtsschutzverfahrens bis zu einer Entscheidung
über den Widerspruch bzw. in der Hauptsache gewährleistet bleiben.
22 Allerdings hält es die Kammer - gerade wegen der unklaren Rechtslage in Bezug auf den gewerblichen Handel
und wegen der mit der Einfuhr von Tieren aus im Anhang II Teil C der Verordnung (EG) Nr. 998/2003) gelisteten
Drittländern und aus nicht gelisteten Drittländern verbundenen ungleich höheren Seuchengefahr - im Rahmen
des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens für erforderlich, die Einfuhr und Aufnahme dieser Hunde und Katzen
zu untersagen.
23 2. Für die in Nr. 2 der Verfügung des Antragsgegners vom 14.07.2008 untersagte weitere Ausübung der
Tätigkeit, die in Nr. 3 geforderte Auflösung des Tierbestandes sowie für den in Nr. 5 angeordneten Nachweis
der Auflösung (Nr. 5), gilt das oben unter 1. Ausgeführte entsprechend.
24 Die Untersagung der gewerbsmäßigen Haltung von Schafen, Ziegen und Lamas wurde auf § 11 Abs. 3 Satz 2
TierSchG gestützt. Danach soll die Behörde demjenigen das Halten und Züchten von Wirbeltieren untersagen,
der die Erlaubnis hierfür nicht hat. Die Erlaubnispflicht einer solchen Tätigkeit bestimmt sich nach § 11 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 a TierSchG. Zwar hat die Antragstellerin eine solche Erlaubnis nicht inne, es könnte aber - wie
oben bereits ausgeführt - Vieles für das Vorliegen einer Ausnahmekonstellation sprechen, zumal es im Hinblick
auf die Haltung der Huftiere bislang keine Beanstandungen gegeben hat. Es sind auch insoweit keine
Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Gefahr besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche Schmerzen, Leiden
oder Schäden zugefügt werden (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 28.04.2004 - 1 S 756/04 - und
vom 25.04.2002 - 1 S 1900/00 -).
II.
25 Die im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens anzustellende Interessenabwägung fällt unter Berücksichtigung
der aus dem Tenor ersichtlichen Auflagen daher zugunsten der Antragstellerin aus. Das private Interesse der
Antragstellerin, bis zu einer Entscheidung über ihren Widerspruch und gegebenenfalls bis zu einer
Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug verschont zu bleiben, überwiegt auch sonst das öffentliche
Interesse der Allgemeinheit an der Sicherstellung einer art- und verhaltensgerechten Tierhaltung. Denn in
diesem Falle dürften angesichts des teilweisen offenen Verfahrensausgangs und der auferlegten
Sicherungsmaßnahmen während dieses Zeitraums ernsthaft keine weiteren tierseuchen- und
tierschutzrechtlichen Verstöße zu befürchten sein, denen vor dem Hintergrund des Schutzauftrages aus Art. 20
a GG auch im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung vorzubeugen wäre.
III.
26 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
27 Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Ziffer 35.2 des Streitwertkatalogs 2004 für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit verweist für Anordnungen gegen den Tierhalter, die einer Gewerbeuntersagung
gleichkommen, auf Ziffer 54.2.1. Diese sieht einen Betrag von mindestens 15.000,-- EUR als Streitwert vor. Im
Hinblick auf die Besonderheiten des auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens hält die Kammer die
Hälfte des für die Hauptsache anzunehmenden Streitwerts für angemessen (vgl. Ziffer 1.5).