Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 17.06.2009

VG Frankfurt: akteneinsicht, schutzwürdiges interesse, erlass, einspruch, gerichtsakte, auskunft, zukunft, wiederholungsgefahr, verwaltungsakt, verweigerung

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Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 K 869/08.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 3 IFG, § 113 Abs 1 S 4
VwGO
Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungklage bei
Erledigung vor bzw. nach Klageerhebung
Leitsatz
Anforderungen an Fortsetzunsfeststellungsklage bei Erledigung vor und nach
Klageerhebung
Bei Erledigung nach Klageerhebung muss Amtshaftungsprozess ernsthaft zu erwarten
sein, die begeehrte Schadensfeststellung muss erheblich sein und die Rechtsverfolgung
darf nicht offensichlich aussichtslos sein
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige
Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Mit Schreiben vom 17.01.2007 beantragte der Kläger,
„uns Auskunft zu gewähren über Inhalt und Stand des Verfahrens der BaFin
gegen die XY AG wegen des verspäteten Vermeldens des vorzeitigen
Ausscheidens des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. X, und uns insoweit
Akteneinsicht zu gewähren.“
Daraufhin erließ die Beklagte am 16.02.2007 folgenden Bescheid:
„Dem Antrag auf Auskunftsgewährung über Inhalt und Stand des bei der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht geführten Verfahrens gegen die
XY AG wegen des vorzeitigen Ausscheidens des ehemaligen
Vorstandsvorsitzenden Herrn Prof. Dr. X wird teilweise stattgegeben.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.“
Zur Begründung des Bescheides führte die Beklagte aus, dass das Verfahren
gegen die XY AG wegen des Verdachts der nicht rechtzeitigen Veröffentlichung und
Mitteilung einer ad-hoc-Meldung im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des
früheren Vorstandsvorsitzenden der betroffenen Gesellschaft, Herrn Prof. Dr. X, ein
derzeit noch laufendes Verfahren sei. Ein darüber hinaus gehender Anspruch auf
Auskunftsgewährung bzw. Akteneinsicht bestehe unter Hinweis auf die
Ausschlussgründe der § 475 Abs. 1, S. 1, Abs. 2 StPO i. V. m. § 49 b OWiG nicht.
Die Beklagte führte weiter aus, dass die einschlägigen, spezielleren Regelungen
der StPO dem allgemeinen Informationszugang nach § 1 IFG vorgingen.
Mit Schreiben vom 14.03.2007 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den er
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Mit Schreiben vom 14.03.2007 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den er
mit Schreiben vom 03.04.2007 damit begründete, dass die Beklagte bei ihrer
Entscheidung über den Antrag § 8 WpHG rechtsfehlerhaft angewandt habe. Diese
Norm wende sich nach Auffassung des Klägers ausschließlich an natürliche
Personen, mithin nur an die bei der Beklagten Beschäftigen und gelte nicht für die
Beklagte als solche. Weiter sei nicht hinreichend dargelegt worden, inwiefern
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorliegend betroffen seien. Im Übrigen sei ein
Teilzugang zu dem begehrten Akteninhalt auch unter Beachtung des § 8 WpHG
möglich gewesen. Darüber hinaus sei die Ablehnung des Anspruchs auf
Informationszugang nach § 1 Abs. 3 IFG rechtsfehlerhaft, da das IFG nicht durch
die Regelungen der StPO ausgeschlossen werden könne.
Mit Schreiben vom 06.12.2007 hörte die Beklagte den Kläger zum Erlass des
beabsichtigten Widerspruchsbescheides an und teilte ihm mit, dass
zwischenzeitlich die Originalakten des dem Antrag auf Informationszugang
zugrundeliegenden Untersuchungsverfahrens an die Staatsanwaltschaft
abgegeben worden seien. Mit Schreiben vom 07.12.2007 beantragte der
Bevollmächtigte des Klägers für Herrn Y ener Akteneinsicht in dem
Bußgeldverfahren gegen die XY AG - ## OWi ## Js ## - beim Amtsgericht A,
welche gewährt wurde. Mit Schreiben vom 30.01.2008 sandte der Bevollmächtigte
des Klägers nach der ihm gewährten Akteneinsicht in dem Bußgeldverfahren die
Akte an das Amtsgericht A zurück (Bl. 65 der Gerichtsakte, Band I).
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des
Klägers gegen den Bescheid vom 16.02.2007 zurück. Zur Begründung des
Widerspruchsbescheides wird auf Bl. 81 bis 97 der Behördenakten verwiesen.
Mit zuvor am 28.03.2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger
zunächst Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhoben. Nach Erlass des
Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008 hat der Kläger diesen mit Schriftsatz
vom 10.07.2008 in seine Klage einbezogen.
Zur Klagebegründung bezieht er sich auf seine Widerspruchsbegründung und trägt
ergänzend vor, dass nach Auskunft der Beklagten vom 09.10.2007 gegen die XY
AG ein Bußgeld in sechsstelliger Höhe verhängt worden sei. Gegen diesen
Bußgeldbescheid habe die betroffene XY AG Einspruch eingelegt. Das
entsprechende Verfahren sei beim Amtsgericht A anhängig. Auch und gerade vor
dem Hintergrund, dass das Bußgeldverfahren öffentlich sei, sei die Begründung
der Beklagten zur Verweigerung der Akteneinsicht nicht stichhaltig, weil Zwecke
des Strafverfahrens - jedenfalls nach Erlass des Bußgeldbescheides und dem
Einspruch der XY AG - gerade nicht mehr entgegenstehen könnten. Zudem finde §
1 Abs. 1 S. 1 IFG auch neben anderen speziellen Zugangsrechten Anwendung.
Am 20.05.2009 hat die X AG (vormals XY-AG) den Einspruch gegen den
Bußgeldbescheid der Beklagten zurückgenommen, woraufhin das
Bußgeldverfahren rechtskräftig abgeschlossen wurde.
Der angegriffene Verwaltungsakt hat sich spätestens im laufenden Rechtsstreit
erledigt, da der Bevollmächtigte des Klägers den gesamten Akteninhalt des
Bußgeldverfahrens (siehe oben) in das Musterverfahren - 20 Kap 1/08 - vor dem
Oberlandesgericht B mit Schriftsatz vom 04.08.2008 eingeführt hat. In diesem
Verfahren ist der Kläger Musterverfahrenskläger und die X AG Musterbeklagte. Der
eingeführte Akteninhalt betrifft die gesamte Akte der Beklagten zum
Bußgeldverfahren - OWi ## Js ##/## - einschließlich der darin enthaltenen
personenbezogenen Daten.
Der Kläger verfolgt sein Begehren durch eine Fortsetzungsfeststellungsklage
weiter. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich seiner Auffassung nach
aus der Wiederholungsgefahr, die aus der Rechtsauffassung der Beklagten zu § 1
Abs. 3 IFG herrühre. Darüber hinaus behalte er es sich ausdrücklich vor,
Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte wegen rechtswidriger Verweigerung
von Auskünften nach § 1 Abs. 1 IFG geltend zu machen.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid vom 16.02.2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008 rechtswidrig gewesen ist,
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Zur Klageerwiderung bezieht sich die Beklagte auf ihren Widerspruchsbescheid und
trägt ergänzend vor, dass der Bevollmächtigte des Klägers für einen anderen
Mandanten ein Akteneinsichtsgesuch bei dem Amtsgericht A in die Akten mit dem
Aktenzeichen ## OWi ## Js ## gestellt habe. Es handele sich hierbei um die
Akten in der Bußgeldsache gegen die X AG. Zu den Akten dieser Bußgeldsache
gehörten auch die Akten, in welche der Kläger mit diesem Klageverfahren
Akteneinsicht begehre. Der Bevollmächtigte des Klägers habe im Januar 2008
Akteneinsicht in diese Bußgeldakte genommen. Dass dem Bevollmächtigten des
Klägers die Akteneinsicht durch das Amtsgericht Frankfurt am Main gewährt
worden sei, zeige die Einschlägigkeit des § 1 Abs. 3 IFG, wonach Regelungen in
anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen
vorgingen und den Rückgriff auf allgemeinere Informationszugangsnormen nach
dem IFG sperren, weshalb die Klage aufgrund der verdrängenden Spezialität nach
§ 1 Abs. 3 IFG abzuweisen sei.
Unbenommen dessen sei aufgrund der erfolgten Akteneinsicht des
Bevollmächtigten des Klägers in die Akten dieses Bußgeldverfahrens Erledigung
eingetreten, da der Bevollmächtigte des Klägers dadurch auch Kenntnis von dem
mit der Klage begehrten Akteninhalt habe.
Mit Beschluss vom 20.11.2008 hat die Berichterstatterin die X AG zum Verfahren
beigeladen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass auf Grund der dem Prozessbevollmächtigten des
Klägers gewährten Akteneinsicht im Bußgeldverfahren - Az.: OWi ## Js ## -
insgesamt eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache eingetreten sei.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, insbesondere eine Präjudizialität, sei nicht
gegeben.
Im Übrigen sei der angegriffene Bescheid auch rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der von der Beklagten zum Antragsverfahren angelegten
Behördenakte (1 Heft) verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und zum
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Dem Kläger fehlt das für seine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche
Feststellungsinteresse, so dass die Klage bereits unzulässig ist.Der
Fortsetzungsfeststellungsantrag mit dem Inhalt festzustellen, dass der Bescheid
vom 16.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2008
rechtswidrig gewesen ist, ist bei Verpflichtungsklagen in entsprechender
Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO möglich (Bader/Funke-Kaiser,
Kommentar zur VwGO, 4. Auflage 2007, § 113 Rdnr. 48 mit weiteren Nachweisen
zur Rspr.). Ein solcher Antrag in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz
4 VwGO ist eine Ausnahme und nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses
zulässig. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, über Klagen zu
entscheiden, deren Berechtigung entfallen ist (vgl. hierzu Bader/Funke-Kaiser, a. a.
O., § 113 Rdnr. 66). Die Rechtsprechung stellt dabei unterschiedliche
Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse, insbesondere was die
Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens angeht, je nachdem, ob Erledigung
vor oder nach Klageerhebung eingetreten ist, was zwischen den Beteiligten streitig
ist. Die Beklagte und die Beigeladene gehen insoweit von einer Erledigung vor
Klageerhebung aus, da der Bevollmächtigte des Klägers bereits im Januar 2008
Akteneinsicht im Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht A gegen die X AG, wenn
auch für Herrn Y genommen hatte und dadurch auch Kenntnis von dem mit der
vorliegenden Klage begehrten Akteninhalt habe. Der Kläger geht von einer
Erledigung nach Klageerhebung im August 2008 aus, als der Akteninhalt des
Bußgeldverfahrens in das zivilrechtliche Musterverfahren vor dem
Oberlandesgericht B eingeführt wurde.
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Bei Erledigung vor Klageerhebung begründet die Absicht eine Amtshaftungsklage
zu erheben kein schutzwürdiges Interesse an einer verwaltungsgerichtlichen Klage
mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes feststellen zu lassen
(BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 8 C 30/87 - in NJW 1989 S. 2486 f. mit weiteren
Nachweisen). In diesem Fall würde es dem Kläger obliegen, wegen des von ihm
erstrebten Schadenersatzes gegen die Beklagte sogleich das hierfür zuständige
Zivilgericht anzurufen, welches im Amtshaftungsprozess auch für die Klärung
öffentlich-rechtlicher Vorfragen zuständig ist.
Bei Erledigung nach Klageerhebung ist das Fortsetzungsfeststellungsinteresse
dadurch gekennzeichnet, dass ein Beteiligter nicht ohne Not um die Früchte des
bisherigen Prozesses gebracht werden darf, wenn das Verfahren unter
entsprechendem Aufwand einen bestimmten Stand erreicht hat und dieser
nunmehr nutzlos wäre und der Kläger leer ausginge. Die Rechtsprechung verlangt
zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses hier, dass ein solcher Prozess,
wenn auch noch nicht anhängig, zumindest ernsthaft zu erwarten sein muss.
Weiter muss die begehrte Schadensfeststellung erheblich sein (Angaben zur
Schadenshöhe) und die Rechtsverfolgung darf nicht offensichtlich aussichtslos sein
(vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23.01.2003 - 13 A 4859/00 - in NVwZ-RR 2003,
S. 696, 697 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
Vorliegend kann dahinstehen, ob Erledigung vor oder nach Klageerhebung
eingetreten ist, da der Kläger die Anforderungen an die Darlegung eines
Fortsetzungsfeststellungsinteresses auch für den Fall der Erledigung nach
Klageerhebung nicht erfüllt. Der Kläger hat nicht substantiiert dargetan, dass und
wann ein Amtshaftungsprozess gegen die Beklage mit Sicherheit zu erwarten ist.
Weiter ist nicht ersichtlich, dass eine solche begehrte Feststellung erheblich sein
könnte, was die Größenordnung des beim Kläger seiner Auffassung nach
eingetretenen Schadens angeht. Es ist vielmehr nicht ersichtlich, worin der
Schaden liegen könnte. Darüber hinaus ist nicht substantiiert dargetan, dass die
beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich auch nicht aus einer
Wiederholungsgefahr.
Eine solche Gefahr ist anzunehmen, wenn sich aus dem Sachverhalt, der
Interessenlage oder den Erklärungen der Beteiligten ergibt, dass die Behörde
wahrscheinlich in absehbarer Zukunft einen inhaltsgleichen oder gleichartigen
Verwaltungsakt erlassen wird und so gegebenenfalls erneuter gerichtlicher
Rechtsschutz mit vergleichbaren Sach- und Rechtsproblemen erforderlich werden
würde. Dabei genügt die abstrakte Möglichkeit einer erneuten Regelung nicht (vgl.
Bader/Funke-Kaiser, a. a. O., § 113 Rdnr. 67). Hier ist nicht erkennbar, dass es in
absehbarer Zukunft zu einem vergleichbaren Sachverhalt kommen kann, der die
Beklagte veranlassen wird, eine inhaltsgleiche Entscheidung zu einem begehrten
Akteneinsichtsgesuch auszusprechen. Dies wurde vom Kläger auch nicht
vorgetragen. Sein Vortrag, dass die Beklagte generell zukünftig mit § 1 Abs. 3 IFG
als abdrängender Spezialzuweisung argumentieren könnte, genügt den obigen
Anforderungen nicht. Insbesondere genügt die abstrakte Möglichkeit einer
erneuten Verfügung nicht.
Ein Rehabilitationsinteresse steht nicht im Raum und ist von den Beteiligten nicht
vorgetragen.
Als unterliegende Beteiligte hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, §
154 Abs. 1 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO
erstattungsfähig, da die Beigeladene ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist, in
dem sie einen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167
VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.