Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 25.05.2004

VG Frankfurt: aufschiebende wirkung, bundesamt, anerkennung, auflage, folter, suspensiveffekt, unterrichtung, abschiebung, verfügung, anknüpfung

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Gericht:
VG Frankfurt 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 G 1656/04.A
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 38 Abs 1 AsylVfG, § 39 Abs 1
S 1 AsylVfG, § 40 Abs 2
AsylVfG
Aufschiebende Wirkung und Asylverfahrensgesetz
Leitsatz
Abschiebungsandrohung, aufschiebende Wirkung
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen; Gerichtskosten werden
nicht erhoben.
Gründe
I. Der Antragsteller reiste eigenen Angaben zufolge am 14.06.2001 in die
Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 18.06.2001 Asyl. Dem
entsprach das Bundesamt mit Bescheid vom 28.08.2001 nur insoweit, als es das
Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG feststellte.
Mit Schriftsatz vom 13.09.2001 erhob der Bundesbeauftragte für
Asylangelegenheiten dagegen Klage und wollte die Aufhebung des Bescheides
erreichen. Dem entsprach das angerufene Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
mit Urteil vom 04.04.2002 (10 E 3736/01.A). Die Berufungszulassung lehnte der
Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20.10.2003 (12 UZ
1719/02.A) ab.
Der Antragsteller erklärte gegenüber dem Bundesamt, dass
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorlägen, weil nach ihm in der Türkei
immer noch gefahndet werde.
Daraufhin stellte das Bundesamt mit Bescheid vom 15.03.2004 unter Berufung auf
§ 39 Abs. 1 und 2 AsylVfG fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG
nicht vorliegen und drohte dem Antragsteller die Abschiebung in die Türkei an, falls
er nicht innerhalb eines Monats die Bundesrepublik Deutschland verlasse. In dem
Bescheid heißt es zur Begründung: Abschiebungshindernisse seien nicht
ersichtlich, insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 und 4 und §
53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nicht vor.
Dagegen richtete sich die am 05.04.2004 beim Verwaltungsgericht Frankfurt am
Main erhobene Klage (10 E 1655/04.A), mit der die Feststellung des Vorliegens von
Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG erstrebt wird. über die Klage ist noch
nicht entschieden.
Mit Schriftsatz vom 05.04.2004 hat der Antragsteller unter Berufung auf eine
analoge Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO beantragt, festzustellen, dass die Klage
vom 05.04.2004 aufschiebende Wirkung hat. Das Bundesamt habe zwar mitgeteilt,
dass die Klage keine aufschiebende Wirkung entfalte, das sei aber nicht zutreffend.
Nach § 75 AsylVfG habe jede Klage aufschiebende Wirkung, die sich gegen eine
Verfügung richte, die die Ausreisefrist auf einen Monat festsetze, weil dann ein Fall
des § 38 Abs. 1 AsylVfG vorliege. In diesen Fällen habe die Klage aufschiebende
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des § 38 Abs. 1 AsylVfG vorliege. In diesen Fällen habe die Klage aufschiebende
Wirkung.
Der Antragsteller argumentiert weiter, es sei umstritten, ob die
Abschiebungsandrohung nach § 39 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG aufschiebende Wirkung
habe, nicht aber die nach § 38 Abs. 1 AsylVfG. Das Gesetz erwähne in § 40 Abs. 2
AsylVfG die Pflicht zur Unterrichtung der Ausländerbehörde über eine Anordnung
der aufschiebenden Wirkung bei § 39 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Damit sei das Gesetz
unklar und widersprüchlich. Wegen der Einzelheiten der Argumentation wird auf
den Schriftsatz vom 07.04.2004 verwiesen. Letztlich meint der Antragsteller, dass
die Anfechtungsklage gegen die Abschiebungsandrohung nach § 39 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG Suspensiveffekt habe. Dagegen messe die Antragsgegnerin dem
Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG nur eine marginale Bedeutung zu. Dies sei
nicht gerechtfertigt, was sich insbesondere an den Fällen drohender Folter, bei
denen eine asylrechtliche Anknüpfung nicht festgestellt werden könne, zeige.
Derart komplexe Tatsachengestaltung bzw. ihre Bewertung sei einer Entscheidung
in einem Schnellverfahren nicht zugänglich. Eine Analogie mit § 42 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 AuslG greife fehl, denn Abschiebungshindernisse seien nicht nur nach
unerlaubter Einreise relevant, sondern könnten in jeder ausländerrechtlichen
Verfahrensgestaltung erheblich werden.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der am heutigen Tage erhobenen Klage gegen die in
dem Bescheid vom 22.03.2004 enthaltene Abschiebungsandrohung wird
angeordnet,
und hilfsweise
es wird festgestellt, dass die am 05.04.2004 erhobene Klage gegen den Bescheid
des Bundesamtes vom 15.03.2003 (2671340-163) aufschiebende Wirkung hat.
Die Antragsgegnerin hat sich zu dem Verfahren nicht geäußert.
II. Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach § 75 AsylVfG hat eine Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz nur
in den Fällen des § 38 Abs. 1 und § 73 aufschiebende Wirkung. Beides ist hier nicht
der Fall.
Ein Fall des § 73 liegt vor, wenn die Anerkennung und die Feststellung durch das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge widerrufen oder
zurückgenommen wird. Das ist hier nicht der Fall und wurde auch von dem
Antragsteller nicht vorgetragen.
Ein Fall des § 38 Abs. 1 AsylVfG liegt ebenfalls nicht vor. Es handelt sich nicht um
einen (sonstigen) Fall, in dem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge die Antragsteller nicht anerkannt hat. Gerade das Gegenteil ist der Fall.
Ob in den Fällen des § 39 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Klage gegen die
Abschiebungsandrohung aufschiebende Wirkung hat, ist nicht umstritten, weil
diese Frage nicht nur durch § 75 AsylVfG sondern auch durch § 40 Abs. 2 AsylVfG
eindeutig geregelt ist. Das wird auch von den Kommentatoren des
Asylverfahrensgesetzes (Kannein/Renner, GK-Asylverfahrensgesetz usw.) so
gesehen, im übrigen auch von dem Kommentar Marx bis zur dritten Auflage.
"Unklarheiten" - wie in der Antragsbegründung zitiert - tauchen erst in der vierten
Auflage auf, sie liegen aber angesichts des klaren Wortlauts nicht vor. Dem folgt
auch die Rechtsprechung (VG Neustadt, 05.02.2001 - 7 L 2938/00 NW - , InfAuslR
2001, 2003 und VG Wiesbaden, 27.09.2001 - 6 G 1793/01.A - , juris). Im
vorliegenden Fall ist keine andere Betrachtungsweise geboten.
Auch der Hilfsantrag muss scheitern.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung
anordnen oder eine entsprechende Feststellung treffen (§ 80 Abs. 5 VwGO
analog), wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des
Bundesamtes bestehen. Gründe für eine derartige Anordnung liegen nur dann vor,
wenn die geltend gemachten Interessen der Antragsteller, die vom Gesetz
getroffene Entscheidung, die aufschiebende Wirkung auszuschließen, in
besonderer Weise überragen. Das können bei einem Verwaltungsakt auf dem
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besonderer Weise überragen. Das können bei einem Verwaltungsakt auf dem
Gebiete der Vollstreckung auch Gründe sein, die in der Person des Pflichtigen (so
z.B. die hier nicht einschlägige Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 1 des Hessischen
Verwaltungsvollstreckungsgesetzes) liegen, aber nur dann, wenn sie in
Ausnahmefällen, die außerhalb der gesetzgeberischen Absicht lagen, relevant
werden. Das ist hier aber nicht der Fall.
Ein "Hineinziehen" der Argumentation des Asylfolgeverfahrens in das Verfahren
nach § 39 AsylVfG ist nicht zulässig, weil es der gesetzlichen Konzeption, wie sie
insbesondere in der umfangreichen Regelung des § 71 AsylVfG deutlich wird,
entgegensteht.
Als unterliegender Beteiligter hat der Antragsteller die Verfahrenskosten zu tragen
(§ 154 Abs. 1 VwGO); Gerichtskosten werden in Streitigkeiten nach dem
Asylverfahrensgesetz nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.