Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 15.01.2004

VG Frankfurt: vergleichbare leistung, ehepartner, besoldung, entlassung, beamtenverhältnis, vollstreckung, beurlaubung, ergänzung, einverständnis, arbeitsrecht

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 3776/03 (3)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 9 BBesG, § 40 Abs 4 BBesG
(Voller Familienzuschlag für den einen Ehegatten, wenn der
anderen unentschuldigt dem Dienst fernbleibt.)
Leitsatz
Der Familienzuschlag ist nicht aufgrund der Konkurrenzregelung in § 40 Abs. 4 BBesG
zu reduzieren, wenn der Ehegatte des Berechtigten seine Bezüge gemäß § 9 BBesG
verloren hat.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 02.06.2003 in der Fassung
des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2003 zur Zahlung des hälftigen
Familienzuschlags der Stufe 1 nebst anteiliger Sonderzuwendung für den Zeitraum
vom 01.08.2001 bis 31.03.2003 in Höhe von 1.089,32 € an den Kläger verurteilt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 01.08.1976 Bundesbeamter im Bereich der Deutschen
Bundesbahn und seit dem 01.01.1994 im Bereich des Beklagten. Seine Ehefrau,
mit welcher der Kläger seit dem 01.08.1986 verheiratet ist, war vom 01.09.1980
Bundesbeamtin im Bereich der Deutschen Bundesbahn und ab dem 01.01.1994
bis zum 31.03.2003 im Bereich des Beklagten. Ihr Beamtenverhältnis endete
durch Entlassung auf Antrag. Vom 09.04.1987 bis zum 11.12.1999 befand sich die
Ehefrau des Klägers in Erziehungsurlaub bzw. ab dem 11.12.1987 in Beurlaubung
nach § 79 a bzw. § 72 a BBG a.F. Während dieser Zeiten erhielt der Kläger den
Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgeblichen Orts- bzw. Familienzuschlags in voller
Höhe, danach bis zur Beendigung des Beamtenverhältnisses der Ehefrau nur zur
Hälfte. Seit dem 01.04.2003 erhält der Kläger den Zuschlag wieder in voller Höhe.
Den Antrag des Klägers auf Zahlung des Familienzuschlags auch für den Zeitraum
vom 01.08.2001 bis 31.03.2003 in voller Höhe lehnte der Beklagte mit Bescheid
vom 02.06.2003 ab. Der Ehefrau des Klägers sei zwar im fraglichen Zeitraum
tatsächlich überwiegend kein Familienzuschlag oder eine vergleichbare Leistung
zugeflossen. Ihr hätte der Zuschlag jedoch zugestanden, wenn Sie nicht schuldhaft
ohne Genehmigung dem Dienst ferngeblieben wäre. Den hiergegen erhobenen
Widerspruch begründete der Kläger insbesondere damit, dass der Auffassung des
Beklagten eine falsche Auslegung des Wortes "stünde" in § 40 Abs. 4 BBesG
zugrunde läge. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2003 wurde der Widerspruch
abgewiesen. Es sei nicht im Sinne des Gesetzgebers, bei schuldhaft
ungenehmigtem Fernbleiben vom Dienst diesem Beamten zwar keine Bezüge und
damit auch keinen Familienzuschlag zu gewähren, stattdessen aber seinem
ebenfalls im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehepartner einen höheren
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ebenfalls im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehepartner einen höheren
Familienzuschlag zu zahlen. Dies habe zwar zur Folge, dass der Kläger und seine
Ehefrau im fraglichen Zeitraum keinen Familienzuschlag der Stufe 1 in voller Höhe
erhalten hätten. Dies widerspreche jedoch nicht dem Zweck von § 40 Abs. 4 S. 1
BBesG. Es sei vielmehr vom Gesetzgeber hingenommen worden und
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Konkurrenzregelung in § 40
BBesG bei bestimmten Konstellationen dazu führen kann, dass Ehegatten
zusammen weniger als 100 % des ehegattenbezogenen Bestandteils des
Familienzuschlags erhalten. Die Ehefrau des Klägers habe es im fraglichen
Zeitraum in der Hand gehabt, durch Befolgung ihrer Dienstpflichten den
Familienzuschlag in entsprechender Höhe zu erhalten.
Der Kläger begründet seine Klage im wesentlichen damit, dass die vom Beklagten
angeführten Entscheidungen für die vorliegende Fallkonstellation nicht
heranzuziehen seien, soweit hierin über die Frage der teilzeitbedingten Kürzung
des Familienzuschlags entschieden worden sei. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts gehöre es zu der öffentlich-rechtlichen Gegenleistung
des Dienstherrn, das bei Vollbeschäftigung jedenfalls eines Ehegatten der
ehegattenbezogene Bestandteil des Ortszuschlags im Ergebnis mindestens
einmal in voller Höhe gezahlt werde. Da der Kläger vollzeitbeschäftigter Beamter
sei, stünde ihm bzw. seiner Familie der Familienzuschlag der Stufe 1 mindestens
einmal in voller Höhe zu. Andernfalls ergebe sich eine Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Auch mit § 9 BBesG könne der
gekürzte Familienzuschlag nicht gerechtfertigt werden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 02.06.2003 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2003 zu verpflichten, für den Kläger den
Familienzuschlag der Stufe 1 nebst anteiliger Sonderzuwendung für den Zeitraum
vom 01.08.2001 bis 31.03.2003 in ungekürzter Höhe festzusetzen und den
Differenzbetrag zwischen den hälftigen und den vollen Familienzuschlägen nebst
Sonderzuwendung für den vorgenannten Zeitraum in Höhe von 1.089,32 € an den
Kläger auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Ein Band Verwaltungsvorgänge der Beklagten hat vorgelegen. Auf seinen Inhalt
und den Inhalt der Gerichtsakte wird zu Ergänzung des Sach- und Streitstandes
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten ergeht die Entscheidung allein durch die
Berichterstatterin (§ 87 a Abs. 2, 3 VwGO) und ohne mündliche Verhandlung (§
101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig und begründet, da die ablehnenden Bescheide der Beklagten
rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 S. 1,
Abs. 5 S. 1 VwGO).
Der Kläger hat einen Anspruch auf Familienzuschlag gemäß §§ 39 f. BBesG. Dem
Kläger stand für den fraglichen Zeitraum bis zur Entlassung seiner Ehefrau aus
dem Beamtenverhältnis der Betrag der Stufe 1 des für ihn maßgeblichen
Familienzuschlages in voller Höhe zu. Dem steht auch nicht entgegen, dass in
diesem Zeitraum die Ehefrau des Klägers aufgrund nicht genehmigten
Fernbleibens vom Dienst ihre Bezüge gemäß § 9 BBesG verloren hat. Zwar ist von
dem Verlust der Besoldung seitens der Ehefrau des Klägers auch der
Familienzuschlag erfasst, welcher dieser während der Dauer des
Beamtenverhältnisses zu stand. Diese Vorschrift wirkt sich jedoch nur auf die
Ansprüche des vom Dienst Ferngebliebenen aus und berührt nicht den Anspruch
seines Ehegattens auf Gewährung eines angemessenen Lebensunterhalts unter
Berücksichtigung der konkreten Familienverhältnisse.
Damit ist für die Frage des Anspruchs des Klägers auf einen Familienzuschlag in
voller Höhe unabhängig von § 9 BBesG auf die Bestimmungen in §§ 39 ff. BBesG
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voller Höhe unabhängig von § 9 BBesG auf die Bestimmungen in §§ 39 ff. BBesG
abzustellen. Hiernach steht dem Kläger für den fraglichen Zeitraum der
Familienzuschlag in voller Höhe zu. Die Konkurrenzregelung in § 40 Abs. 4 BBesG
greift vorliegend nicht. Diese Regelung, die erst mit dem Haushaltsstrukturgesetz
vom 18.12.1975 (BGBl. I S. 3091) in das BBesG eingeführt worden ist, soll lediglich
dazu führen, dass Ehegatten gemeinsam nicht mehr als ein voller
Familienzuschlag zukommt (BVerwG, DÖV 1985, 873 < 875>
Clemens/Millack/Engelking/Lautermann/Henkel, Besoldungsgesetz des Bundes und
der Länder, Komm. § 40 Anm. 8). Sie schließt zwar nicht aus, dass Ehegatten
unter bestimmten Voraussetzungen - insbesondere bei (geringer)
Teilzeitbeschäftigung beider Ehegatten - nur einen Bruchteil eines vollen
Familienzuschlags bekommen (zur Verfassungsmäßigkeit des in diesen Fällen
gekürzten Familien- bzw. Ortzuschlags vgl. BVerfG, DVBl. 1986, 138 ff.). Ist ein
Familienzuschlagsberechtigter jedoch vollzeitbeschäftigt, so besteht regelmäßig
ein Anspruch auf Familienzuschlag in voller Höhe. Dieser Anspruch besteht auch in
der Konstellation, dass beide Ehegatten mit mindestens der Hälfte der
regelmäßigen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigt sind, §§ 40 Abs. 4 S. 2, 6 BBesG.
Damit hat der Gesetzgeber für den Regelfall einen Anspruch auf einen vollen
Familienzuschlag pro Familie vorgesehen, obgleich dies vom
Bundesverfassungsgericht in der bereits genannten Entscheidung in diesem
Umfang nicht für erforderlich gehalten wurde (BVerfG, a.a.O.).
Auch aus der Verwendung des Begriffs "stünde" in § 40 Abs. 4 BBesG ist -
entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht zu entnehmen, dass die Kürzung
des Familienzuschlags immer dann gerechtfertigt sei, wenn dem Ehegatten des
Zuschlagsberechtigten Bezüge unter gewissen Voraussetzungen zwar zustünden,
tatsächlich aber nicht geleistet werden. Die Verwendung des Konjunktivs erklärt
sich vielmehr daraus, dass im Fall der Konkurrenz gemäß § 40 Abs. 4 BBesG eben
auch der Ehegatte des Berechtigten nur einen Teil des Familienzuschlags und
nicht den vollen Familienzuschlag erhält. Ebenso ist bei einem
Ruhestandsbeamten, dessen Familienzuschlag während der aktiven Dienstzeit
nach der Konkurrenzregelung in § 40 Abs. 4 BBesG gekürzt worden war, der
gekürzte Ortszuschlag die maßgebende Bemessungsgröße für das Ruhegehalt. Da
den Beamten bzw. Versorgungsempfängern bei diesen Fallgestaltungen aus
rechtlichen Gründen nicht der volle Familienzuschlag zusteht, musste der
Gesetzgeber das Wort "stünde" verwenden (s. Schwegmann/Summer, BBesG, § 40
Anm. 12.1; VGH München, NVwZ-RR 1995, 535). Es sind keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass mit dem Konjunktiv auch die Fälle erfasst werden sollten, in denen
ein Beamter seinen Besoldungsanspruch aufgrund von § 9 BBesG verloren hat.
Gegen eine solche Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift spricht
auch, dass in Fällen, in denen der Ehepartner wegen anderer Gründe - wie z.B.
einer Beurlaubung (z.B. wegen Elternzeit) - keine Bezüge erhält, ebenfalls die
Konkurrenzregelung nicht greift. Auch in diesen Fällen lässt sich dem Berechtigten
nicht entgegenhalten, dass seinem Ehepartner aus selbst verursachten Gründen
kein Anspruch auf Familienzuschlag zusteht. Da der Gesetzgeber - wie bereits
dargestellt - für den Regelfall einen vollen Familienzuschlag pro Familie vorgesehen
hat, ist § 40 Abs. 4 BBesG lediglich als eine Doppelleistung verhindernde
Konkurrenzregelung zu verstehen.
Diese Auslegung von § 40 Abs. 4 BBesG führt - entgegen der Auffassung des
Beklagten - auch nicht dazu, dass § 9 BBesG zum Teil leer läuft oder umgangen
werden könnte. § 9 BBesG kommt ausschließlich eine besoldungsrechtliche
Rechtsfolge zu. Er hat keinen eigenständigen disziplinarischen Inhalt (s.
Schwegmann/Summer, a.a.O., § 9 Anm. 3c m.w.Nw.). Damit ist es aber auch als
ausreichend zu betrachten, dass der vom Dienst Ferngebliebene seine Besoldung
verliert. Eine weitergehende Folge des § 9 BBesG (mit ev. disziplinarischem
Charakter), die vor allem auch dessen Ehegatten und die unterhaltsberechtigten
Kinder treffen würde, ist weder vorgesehen noch erforderlich. Hierfür spricht auch,
dass die Besoldung nicht in erster Linie der Abgeltung erbrachter Leistungen,
sondern vielmehr der Sicherung des Unterhalts des Beamten dient (BVerfG,
a.a.O., S. 142 m.w.N.) und bei der Bemessung der Familienstand des Beamten
und die Anzahl der von ihm unterhaltenen Kinder zu berücksichtigen sind (VG
Frankfurt, PersR 1997, 322 ff. m.w.Nw.; zur sozialen Komponente des Familien-
bzw. Ortszuschlags s. BVerfG, a.a.O., S. 141; BVerwG, DÖV 1985, 873 <874>;
OVG RP, DVBl. 1984, 969 <970>).
Einer gesonderten Festsetzung - wie vom Kläger gefordert - bedarf es hingegen
nicht, da Bezüge regelmäßig von Amts wegen und ohne weiteren Formalakt
gezahlt werden (vgl. VGH München, BayVBl. 1981, 239 < 240> Hilg,
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gezahlt werden (vgl. VGH München, BayVBl. 1981, 239 < 240> Hilg,
Beamtenrecht, 3. Aufl., § 34 II).
Da der Beklagte unterliegt, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs.
1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. §§ 108 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.