Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 13.01.2003
VG Frankfurt: aufnahme einer erwerbstätigkeit, öffentliche sicherheit, ausweisung, firma, gaststätte, ausländer, arbeitserlaubnis, ausreise, verfügung, auflage
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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 3197/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 46 Nr 2 AuslG, § 12 AuslGDV
Ausweisung wegen Verstoß gegen das Besuchsvisum
durch Arbeitsaufnahme
Leitsatz
Ausweisung illegale Erwerbstätigkeit
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Ausweisung des Klägers.
Der Kläger ist indischer Staatsangehöriger. Er reiste am 16.02.2002 in die
Bundesrepublik Deutschland ein. Bei der Einreise war er im Besitz eines von der
deutschen Botschaft in Delhi ausgestellten Schengen-Visums des Typs C mit einer
Gültigkeitsdauer von 90 Tagen im Zeitraum vom 15.02.2002 bis zum 14.05.2002.
Am 12.03.2002 wurde der Kläger im Bereich der Gemeinde E. von einer
Polizeistreife wegen des Verdachtes einer illegalen Erwerbstätigkeit
festgenommen.
Ausweislich der Strafanzeige vom 12.03.2002 wurde der Kläger von der
Polizeistreife beim Verteilen von Werbezetteln für die Firma "S.-E." angetroffen. Im
Rahmen der Beschuldigtenvernehmung gab er an, er habe nach seiner Einreise in
die Bundesrepublik Deutschland bei seinem Schwager in Frankfurt a. M. gewohnt.
Er sei dann mit seinem Onkel, der in H.-M. die Gaststätte "S.-E." betreibe nach E.
gefahren und habe für die Firma seines Onkels Zettel ausgetragen.
Der Onkel gab im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung an, er sei Betreiber
der Firma S.-E. und habe am 13.02.2002 u. a. den Kläger nach E. gefahren und ihn
gebeten, Werbezettel für seine Firma auszutragen.
Mit Verfügung vom 13.03.2002 wies der Beklagte den Kläger für unbefristete
Dauer aus der Bundesrepublik Deutschland aus, stellte fest, dass er zur Ausreise
verpflichtet ist und drohte ihm die Abschiebung nach Indien aus der Abschiebehaft
heraus an. Ferner ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung der Verfügung
an. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, als indischer
Staatsangehöriger benötige der Kläger zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in der
Bundesrepublik Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung in der Form eines
Sichtvermerkes. Die vom Kläger vorgenommene Verteilung von Werbematerial
stelle eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 DVAuslG dar. Der Kläger
hätte daher schon vor seiner Ausreise eine Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke
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hätte daher schon vor seiner Ausreise eine Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke
der Ausübung einer Erwerbstätigkeit beantragen müssen. Der Kläger habe somit
gegen die Einreisevorschriften verstoßen und im übrigen ohne erforderliche
Arbeitserlaubnis eine Erwerbstätigkeit vorgenommen. Die Ausweisung des Klägers
sei aus generalpräventiven Gründen erforderlich, um anderen Ausländern zu
Bewusstsein zu bringen, dass Straffälligkeit im Bundesgebiet entsprechende
ausländerrechtliche Maßnahmen nach sich zieht.
Der Kläger wurde am 14.03.2002 nach Indien abgeschoben. Der Kläger legte mit
Schreiben vom 10.04.2002 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom 08.08.2002 zurückgewiesen wurde. Zur
Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe ausweislich einer am
12.03.2002 durchgeführten polizeilichen Kontrolle ohne im Besitz einer
Arbeitserlaubnis zu sein eine illegale Erwerbstätigkeit ausgeübt, indem er für die
Gaststätte "S.-E." Werbezettel verteilt habe. Der Kläger habe das Verteilen der
Werbezettel auch zugegeben, auch sein Auftragsgeber, der Wirt der Gaststätte,
habe ausgesagt, den Kläger mit der Verteilung der Zettel beauftragt zu haben. Die
vom Kläger vorgenommene Tätigkeit stelle eine Erwerbstätigkeit dar, die auf die
Erzielung von Gewinn gerichtet ist oder für die ein Entgelt üblicher Weise vereinbart
werde. Durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche
Genehmigung habe der Kläger gegen die Vorschrift des § 284 SGB III verstoßen
und damit ordnungswidrig gehandelt. Im übrigen habe der Kläger durch die
Erwerbstätigkeit gegen die Auflage des Visums verstoßen. Das Verhalten des
Klägers beeinträchtige die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Ausweisung des
Klägers sei aus spezialpräventiven Gründen geboten, um weitere rechtswidrige
Handlungen des Klägers wirksam unterbinden zu können. Es müsse ausländischen
Staatsangehörigen deutlich zu Bewusstsein gebracht werden, dass
Rechtsverstöße der vorliegenden Art die erforderlichen ausländerrechtlichen
Konsequenzen nach sich zögen. Besondere private Belange des Klägers seinen
nicht erkennbar.
Der Kläger hat am 21.08.2002 Klage erhoben, mit der er Aufhebung der
Ausweisungsverfügung begehrt.
Die Klage wurde nicht begründet.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Beklagten vom 13.03.2002 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 08.08.2002
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den Inhalt der angegriffenen
Verfügungen,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie den Inhalt der vorgelegten Behördenvorgänge (1 Hefter)
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Verfügung des Landrates des M.-
K.-Kreises vom 13.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom 08.08.2002 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für die streitbefangene Ausweisungsverfügung ist § 45 Abs. 1 i. V.
m. § 46 Nr. 2 AuslG. Danach kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein
Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche
Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt, insbesondere, wenn er
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften
begangen hat. Die Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur
dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, also andererseits
immer beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig
aber nicht vereinzelt ist. Diese Auslegung bieten Sinn und Zweck der Vorschrift
sowie deren systematischer Zusammenhang mit den §§ 47 und 48 AuslG (vgl.
BVerwG, Urt. v. 24.09.1996 InfAuslR 1997 S. 63). Vorliegend hat der Kläger in
zweifacher Hinsicht gegen Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland
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zweifacher Hinsicht gegen Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland
verstoßen. Indem er ausweislich einer am 12.03.2002 durchgeführten polizeilichen
Kontrolle, ohne im Besitz einer Arbeitserlaubnis zu sein, eine illegale
Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, indem er für die Gaststätte "S.-E.", P.-straße 1 in
H.-M., Werbezettel verteilte. Ausweislich des bei den Behördenvorgängen
befindlichen Polizeiberichtes wurde der Kläger dabei angetroffen, wie er
Werbeprospekte der Gasstätte "S.-E." verteilte. Im Rahmen der
Beschuldigtenvernehmung am 13.03.2002 hat der Kläger auch angegeben, dass
er für seinen Onkel, den Betreiber des Lokals "S.-E." Werbezettel verteilt hat. Auch
der Inhaber der Gaststätte hat im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am
02.05.2002 angeben, dass er u. a. den Kläger gebeten habe, für seine Firma
Werbezettel zu verteilen. Damit steht unstreitig fest, dass der Kläger für die Firma
seines Onkels Werbezettel verteilt hat. Hierin ist eine Erwerbstätigkeit im Sinne von
§ 12 DVAuslG zu sehen. Die zitierte Vorschrift bestimmt den Begriff der
Erwerbstätigkeit dahin, dass darunter jede unselbständige Tätigkeit fällt, für die ein
Entgelt üblich ist. Der Kläger hat Werbeprospekte für eine Gaststätte verteilt und
damit eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt, für die ein Entgelt üblich ist. Darauf,
ob ein Entgelt tatsächlich gezahlt wurde oder aus welchen Gründen kein Entgelt
gezahlt wurde, kommt es nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 12
DVAuslG nicht an.
Für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hätte der Kläger nach § 284 i. V. m. § 285
SGB III einer Arbeitserlaubnis bedurft. Der Kläger als Neffe des Firmeninhabers
gehört auch nicht zu den nach § 9 Nr. 1 Arbeitsgenehmigungsverordnung i. V. m. §
5 Abs. 2 des Betriebsverfassungsgesetzes genannten Personenkreis. Darüber
hinaus hat der Kläger durch die Arbeitsaufnahme gegen die Auflage des
Besuchsvisums verstoßen. Das Besuchsvisum des Klägers enthielt nämlich die
Auflage "Erwerbstätigkeit nicht gestattet".
Der Verstoß des Klägers gegen die Bestimmungen der Bundesrepublik
Deutschland ist auch nicht lediglich geringfügig. Durch die illegale
Arbeitsaufnahme werden die Interessen der Bundesrepublik Deutschland
beeinträchtigt.
Auch die getroffene Ermessensentscheidung über die Ausweisung des Klägers ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Eine derartige Entscheidung erfordert eine
sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an einer Ausreise des
Ausländers mit den Interessen des Ausländers an einem weiteren Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die
Ausweisung des Klägers insbesondere auf generalpräventive Gründe gestützt hat.
Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss eine derartige
Ausweisung eine angemessene generalpräventive Wirkung erwarten lassen. Dies
ist der Fall, wenn nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden kann, dass
sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis
ordnungsgemäß verhalten. Erforderlich ist, dass es Ausländer gibt, die sich in einer
mit dem Betroffenen vergleichbaren Situation befinden und durch dessen
Ausweisung von gleichen oder ähnlichen Handlungen abhalten lassen. Es
entspricht der Lebenserfahrung, dass sich ein konsequentes Vorgehen der
Ausländerbehörde gegenüber Ausländern, die im Rahmen eines
Touristenaufenthalts eine Arbeitstätigkeit aufnehmen, bei dem betroffenen
Personenkreis herumspricht und andere Ausländer von der Begehung ähnlicher
Einreise- und Arbeitserlaubnisverstöße nach dem gleichen Muster abhält.
Relevante Gesichtspunkte, die einen weiteren Aufenthalt des Klägers in der
Bundesrepublik Deutschland erfordern, sind nicht ersichtlich geworden.
Auch die Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger
ist nach § 42 Abs. 1 AuslG zur Ausreise verpflichtet, da er eine erforderliche
Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt. Die Ausreisepflicht ist gemäß § 42 Abs. 2 S.
2 AuslG auch vollziehbar, da die Ausweisungsverfügung mit Sofortvollzug
verbunden ist.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154
Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.