Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 07.09.2004

VG Frankfurt: flughafen, training, nichtigkeit, rücknahme, vollstreckung, bindungswirkung, genehmigung, sicherheitsleistung, rechtswidrigkeit, ausnahme

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Gericht:
VG Frankfurt 8.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 E 2581/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 65 BauO HE 1993
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die diese selbst tragen, hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollsteckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der noch
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Mit am 12. September 1997 bei der Bauaufsichtsbehörde der Beklagten
eingegangener Bauvoranfrage beantragte die Beigeladene zu 2) die Erteilung
einer Bebauungsgenehmigung betreffend die planungsrechtliche Zulässigkeit für
das Bauvorhaben "Bürozentrum Nordwest der … und Flugtrainingszentrum der …
GmbH" auf den Grundstücken in der Gemarkung … Flughafen, Flur 1, Flurstücke
263/3, 133/10, 261/2, 262. Mit Bauvorbescheid V 97/6011 vom 11.12.1997, erteilte
die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten antragsgemäß den Bauvorbescheid
entsprechend den beigefügten Anlagen. Das Baugrundstück ist wie folgt
bezeichnet: Flughafen … ohne Nummer, Gemarkung …/Flughafen, Flur 1, Flurstück
263/3 u. a. In dem Bescheid heißt es darüber hinaus, das Bauvorhaben sei nach §
34 BauGB zu beurteilen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den
Bauvorbescheid vom 11.12.1997 Bezug genommen. Antragsgemäß verlängerte
die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten mit Bescheid vom 29.11.1999 die Geltung
des erteilten Bauvorbescheides bis zum 11.12.2000 und nochmals mit Bescheid
vom 23.03.2001 bis zum 16.11.2002.
Gegen den Bauvorbescheid V 97/6011 vom 11.12.1997 legte die Klägerin mit
Schreiben vom 04.02.1998 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 30.06.1999 nahm
die Klägerin ihre verschiedenen Widersprüche unter anderem gegen den
Bauvorbescheid Nr. V 97/6011 zurück. Auf das Schreiben der Klägerin vom
30.06.1999 wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
Bereits gegen den Verlängerungsbescheid vom 29.11.1999 legte die Klägerin mit
Schriftsatz vom 18.02.2002 Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium … mit
Widerspruchsbescheid vom 04.06.2002 unter Hinweis darauf zurückwies, dass sich
die Sach- und Rechtslage nach Erteilung des in Rechtskraft erwachsenen
Bauvorbescheides nicht verändert habe.
Mit Bauantrag vom 11.12.2000 beantragten die Beigeladenen die Genehmigung
zur Errichtung des ersten Bauabschnitts eines Bürogebäudes mit Tiefgarage auf
dem Baugrundstück …, Flughafen, Airportring …, Gemarkung Flughafen, Flur 1,
Flurstücke 263/9 und 263/10. Mit Bescheid vom 20.08.2001 (B 2000-3044-6)
erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 2 die Genehmigung zum Erdaushub mit
Verbauarbeiten für die mit A-B-C-D-E gekennzeichnete Fläche gemäß den Anlagen
zur ersten Teilbaugenehmigung. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom
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zur ersten Teilbaugenehmigung. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom
31.10.2001 Widerspruch ein und bestätigte mit Schreiben vom 12.11.2001, das
sich der Widerspruch gegen die erste Teilbaugenehmigung für den ersten
Bauabschnitt des Neubaus beziehe. Mit Schreiben vom 18.02.2001 begründete
die Klägerin diesen Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2000 wies
das Regierungspräsidium … diesen Widerspruchsbescheid zurück.
Die gegen den Verlängerungsbescheid vom 29. November 1999 eingelegte Klage
begründet die Klägerin damit, dass entgegen der Annahme im
Widerspruchsbescheid der Widerspruch gegen den Bauvorbescheid nicht
zurückgenommen worden sei. Die Rücknahme habe sich allein auf das Vorhaben
"…-Flight-Training-Center" bezogen. Darüber hinaus könne die Verlängerung auf
den Ausgangsbescheid vom 11. Dezember 1997 nicht aufbauen, da das
tatsächliche Bauvorhaben auf den Flurstücken 263/9 und 263/10 realisiert werden
soll, während von diesen Flurstücken im Bauvorbescheid, dessen Verlängerung
angegriffen wird, nicht die Rede ist. Der Bauvorbescheid sei deshalb viel zu
unbestimmt und daher nichtig.
Die Klägerin beantragt,
die Baugenehmigung der Beklagten vom 20. August 2001 (B 2000-3044-6) in
Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums … vom 19. Juni
2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die erste Teilbaugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Klägerin ist mit ihren allein auf die
planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gegründeten Einwendungen
ausgeschlossen, da der Bauvorbescheid V97/6011 vom 11.12.1997 ihr gegenüber
bestandskräftig geworden ist. Die Bauaufsichtsbehörde hat mit dem positiven
Bauvorbescheid über die zur Entscheidung gestellten Fragen abschließend und
bindend entschieden, so dass im Rahmen des anschließenden
Baugenehmigungsverfahren die Genehmigungsfähigkeit der vorweg
entschiedenen Fragen von ihr nicht erneut zu prüfen ist (§ 65 Abs. 1 S. 4 HBO
1993). Die Bindungswirkung tritt auch gegenüber der Nachbarschaft ein, wenn die
Erteilung der Baugenehmigung ihr gegenüber bestandskräftig geworden ist. Dies
ist vorliegend der Fall, denn den eingelegten Widerspruch vom 04.02.1998 gegen
den Bauvorbescheid V97/6011 hat die Klägerin am 06.07.1999 zurückgenommen,
so dass der Bauvorbescheid ihr gegenüber bestandskräftig geworden ist. Damit
tritt ihr gegenüber die Bindungswirkung des positiven und rechtzeitig bis zum
16.11.2002 verlängerten Bauvorbescheides ein mit der Folge, dass die
planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht mehr überprüft werden kann,
sondern zu Gunsten der Beigeladenen unangreifbar feststeht. Die Klägerin meint
zwar, aus der Betreffzeile des Schreibens vom 30.06.1999 ergebe sich, dass sich
die Rücknahme des Widerspruchs nur auf das mittlerweile errichtete
Flugtrainingszentrum der …- Flight-Training GmbH beziehe. In dem Schreiben
heißt es nämlich unter Betreff: …-Bauvorhaben/…-Flight- Training-Center: hier:
Widersprüche Nr. W6-3029/98, W6-3419/98, W6-3152/99. Bereits bei isolierter
Betrachtung dieses Schreibens lässt sich diese Auslegung nicht begründen. In
dem Schreiben selbst heißt es, dass die Stadt … ihre Widersprüche gegen den
Bauvorbescheid Nr. V 97/6011 vom 11.12.1997 (Widerspruch Nr. W6-3029/98 vom
04.02.1998) zurücknehme; eine Einschränkung, die lediglich auf eine
Teilrücknahme schließen lässt, ist damit nicht verbunden. Auch der Betreffzeile
lässt sich dieses Auslegungsergebnis nicht entnehmen, denn dort ist vom ...-
Bauvorhaben und vom ... Flight-Training-Center die Rede, was mit der
Bauvoranfrage korrespondiert, in der das Bauvorhaben ebenfalls zweiteilig
bezeichnet ist, nämlich als Bürozentrum Nordwest der ... und als
Flugtrainingszentrum der ...GmbH. Der Betreffzeile ist jedenfalls nicht zu
entnehmen, dass das ...-Bauvorhaben nur hinsichtlich des Trainingscenters
Gegenstand des Schreibens sein soll. Die Auffassung der Klägerin ernst
genommen würde im übrigen bedeuten, dass hinsichtlich des Trainingscenters gar
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genommen würde im übrigen bedeuten, dass hinsichtlich des Trainingscenters gar
kein Widerspruch eingelegt worden wäre, denn im Widerspruchsschreiben der
damaligen Bevollmächtigten der Klägerin vom 04.02.1998 ist in der Betreffzeile
lediglich das ... Verwaltungszentrum aufgeführt, so dass der Bauvorbescheid nur
teilweise angefochten wäre und hinsichtlich des Trainingscenters gar nicht hätte
zurückgenommen werden können, so dass das Rücknahmeschreiben der Klägerin
vom 30.06.1999 zu Punkt 1 völlig unverständlich wäre.
Die Klägerin kann die Aufhebung der ersten Teilbaugenehmigung auch nicht
deshalb erreichen, weil in ihr ein falsches Flurstück aufgeführt ist und die
Flurstücksbezeichnungen darüber hinaus unvollständig sind. In dem
angefochtenen Bescheid vom 20.08.2001 ist nämlich nur von dem Flurstück
"263/9 u. a." die Rede. Es kann dahinstehen, dass die Klägerin eine auf einer
unvollständigen und falschen Bezeichnung der Flurstücke beruhende etwaige
Nichtigkeit gar nicht geltend machen könnte, denn dies kann sie als Dritte nur
dann, wenn eine Rechtsverletzung mindestens denkbar erscheint. Dies kann
vorliegend aber ausgeschlossen werden, denn die allein geltend gemachten
planungsrechtlichen Bedenken gegenüber der erteilten Baugenehmigung -
unabhängig von deren Rechtmäßigkeit, Rechtswidrigkeit oder der von der Klägerin
behaupteten Nichtigkeit - kann sie nicht mehr geltend machen, weil sie mit den
planungsrechtlichen Einwendungen durch die Rücknahme des Widerspruchs gegen
den die planungsrechtliche Zulässigkeit behandelnden Bauvorbescheid
ausgeschlossen ist.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich aus der tatsächlich fehlerhaften und
unvollständigen Bezeichnung des Baugrundstücks im Bescheid vom 20.08.2001
nicht auf deren Nichtigkeit schließen lässt. In einem Fall wie diesem, in dem das
Baugrundstück anhand der Angaben in der Baugenehmigung, dem Bauantrag und
den mit Grünvermerk versehenen Plänen nicht eindeutig bestimmt werden kann -
in den Plänen zur ersten Teilbaugenehmigung sind Flurstücke nicht aufgeführt -
kann die dadurch resultierende Unsicherheit hinsichtlich des Baugrundstücks
durch den Rückgriff auf die Bebauungsgenehmigung V 97 - 6011 geheilt werden.
Das Baugrundstück ist auf dem zugrundeliegenden mit Grünvermerk versehenen
Plänen eindeutig gekennzeichnet. In dem Bauantrag sind die betroffenen
Flurstücke auch vollständig aufgeführt. Darauf hinzuweisen ist, dass die Annahme
der Klägerin, dass das Baugrundstück identisch mit einem Buchgrundstück sein
müsse und sich demgemäß vollständig durch die Benennung der Flurstücke
bestimmen lassen muss, unzutreffend ist. Das Baugrundstück kann auch nur
einen Teil eines Flurstücks ausmachen oder sich wie hier aus mehreren
Flurstücken und Teilen einzelner Flurstücke zusammensetzen. Baugenehmigungen
dieser Art sind dadurch gekennzeichnet, dass es im Bauantrag und im schriftlichen
Teil der Baugenehmigung hinter der Benennung der Flurstücke der Zusatz
"teilweise" gesetzt wird. Die tatsächliche Lage des Baugrundstücks lässt sich dann
nur durch die zum Bauantrag eingereichten Pläne ersehen, was ausreichend ist.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin als Unterliegende nach § 154 Abs. 1
VwGO zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die keinen
Antrag gestellt haben, sind nicht erstattungsfähig.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708
Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.