Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 25.04.2005

VG Frankfurt: künstliche befruchtung, private krankenversicherung, erlass, ehepartner, schwangerschaft, flughafen, besoldung, rechtsverordnung, krankenversicherer, ermächtigung

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 5909/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 79 BBG, § 2 Abs 1 BBesG, §
2 Abs 2 BBesG, § 78 Abs 2
BBesG, § 27a SGB 5
Leitsatz
1.Die Ausgestaltung der Heilfürsorge für Polizeivollzugsbeamte nach Maßgabe der
Grundregelung in § 70 Abs. 2 BBesG erfordert eine gesetzliche oder auf Gesetz
beruhende Regelung in Gestalt einer Rechtsverordnung (Fortführung von BVwerG U. v.
17.6-2004 - 2 C 50.02 - DVBl. 2004, 1420). Erfolgt die Ausgestaltung durch
Verwaltungsvorschrift, genügt dies den Anforderungen des § 2 Abs. 1, 2 BBesG nicht.
2. Die normative Lücke bei der Ausgestaltung von § 70 Abs. 2 BBesG ist durch analoge
Anwendung der Vorschriften des SGB V zu füllen. Dies schließt § 27a SGB V ein.!
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Leitenden
Sanitätsdienstes beim Grenzschutzamt Flughafen Frankfurt/Main vom 03. Mai
2004 und des Widerspruchsbescheides des Grenzschutzpräsidiums Mitte vom 12.
Oktober 2004 verpflichtet, dem Kläger Heilfürsorge für die künstliche Befruchtung
im Verfahren ICSI entsprechend dem Behandlungsplan vom 21. April 2004 durch
Übernahme der für seine Behandlung wie die Behandlung seiner Ehefrau
entstehenden Kosten im Umfang von 50% zu gewähren.
Die Kosten des Verfahren hat die Beklagte zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der verheiratete, am ... geborene Kläger ist als Polizeiobermeister im BGS beim
Grenzschutzamt Flughafen Frankfurt/Main tätig und begehrt Heilfürsorge zur
Durchführung einer künstlichen Befruchtung im Verfahren ICSI. Bei diesem
Verfahren sind medizinische Behandlungsmaßnahmen sowohl bei ihm wie auch bei
seiner am ... geborenen Ehefrau erforderlich, die ihrerseits als Bundesbeamtin
beihilfeberechtigt ist und eine private Krankenversicherung zur Deckung der durch
Beihilfeleistungen nicht gedeckten Krankheitskosten abgeschlossen hat.
Beim Kläger und seiner Ehefrau bestand seit längerer Zeit ein Kinderwunsch, zu
dessen Realisierung nach fachärztlicher Diagnose Maßnahmen zur künstlichen
Befruchtung erforderlich sind. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen liegt
die Ursache für die Kinderlosigkeit beim Kläger (schweres OAT-Syndrom).
Ärztlicherseits wird eine Behandlung im Verfahren der Intrazytoplasmatischen
Spermieninjektion (ICSI) für notwendig gehalten. Zur Durchführung der
entsprechenden Maßnahmen wurde für den Kläger und seine in die Behandlung
ebenfalls einbezogene Ehefrau unter dem 21. April 2004 ein ärztlicher
Behandlungsplan erstellt, dessen fachliche Richtigkeit vom Leiter des Ärztlichen
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Behandlungsplan erstellt, dessen fachliche Richtigkeit vom Leiter des Ärztlichen
und Sicherheitstechnischen Dienstes im Grenzschutzpräsidium Mitte bestätigt
wurde. Der Leiter Sanitätsdienst beim Bundesgrenzschutzamt Flughafen
Frankfurt/Main sicherte dem Kläger mit Schreiben vom 3. Mai 2005 (Bl. 6 f. d. A.)
jedoch nur zu, die Kosten für die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung im
Verfahren ICSI insoweit zu übernehmen, wie Behandlungsmaßnahmen beim Kläger
selbst erfolgten. Alle weitergehenden Maßnahmen, die bei der Ehefrau des Klägers
erforderlich würden, seien von der Kostenübernahme ausgeschlossen. Bei einem
seinerzeit geschätzten Kostenumfang von insgesamt etwa 2000,- € sollten so
lediglich 51,12 € pro Zyklusfall im Rahmen der Heilfürsorge übernommen werden.
Mit dem gegen diese Entscheidung am 3. Juni 2004 erhobenen Widerspruch
machte der Kläger geltend, ausweislich der zur privaten Krankenversicherung
ergangenen Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte sei ein privater
Krankenversicherer zur vollen Kostenübernahme einschließlich der für den
Ehepartner anfallenden Aufwendungen verpflichtet, da nur die Behandlung beider
Ehepartner einen Erfolg möglich mache. Gleiches ergebe sich aus der
sozialgerichtlichen Rechtsprechung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2004 wies das Grenzschutzpräsidium
Mitte den Widerspruch des Klägers zurück (Bl. 11-13 d. A.). Nach Erlasslage des
Bundesministeriums des Innern sei es ausgeschlossen, Kosten zu übernehmen,
die nicht unmittelbar den Heilfürsorgeberechtigten selbst beträfen.
Mit seiner am 5. November 2004 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein
Begehren weiter und beruft sich unter Vertiefung seines Vorbringens im
Widerspruchsverfahren auf die zu § 27a SGB V ergangene Rechtsprechung des
BSG.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Leiters des
Sanitätsdienstes des Bundesgrenzschutzamtes Flughafen Frankfurt/Main vom 03.
Mai 2004 und des Widerspruchsbescheides des Grenzschutzpräsidiums Mitte vom
12. Oktober 2004 zu verpflichten, dem Kläger die Kostenübernahme für
Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nach der Methode ICSI entsprechend §
27a SGB V zur Hälfte zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die "Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur Befruchtung (Richtlinien über
künstliche Befruchtung)". Danach könnten Kosten nur übernommen werden,
soweit sie der jeweils behandelten Person konkret zuzuordnen seien. Der
Bundesminister des Innern habe durch Erlass die entsprechende Anwendung
dieser Richtlinie angeordnet. Zudem sei in den als Verwaltungsvorschrift
erlassenen Heilfürsorgevorschriften für den BGS (HfVBGS) bestimmt, dass
Heilfürsorge als Sachleistung gewährt werde. Auch daraus folge, dass eine
Übernahme von Behandlungskosten des Ehepartners eines
Heilfürsorgeberechtigten nicht möglich sei.
Ein Heftstreifen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ist zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf ihren Inhalt wie den der
Gerichtsakte wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat Erfolg, da dem Kläger ein Anspruch auf Heilfürsorge in dem
aus dem Klageantrag ersichtlichen Umfang zusteht und die insoweit eine
Leistungsgewährung ablehnenden Bescheide der Beklagten rechtswidrig sind (§
113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 VwGO).
Dem Kläger steht als Polizeivollzugsbeamter im Bundesgrenzschutz nach § 70
Abs. 2 BBesG Anspruch auf Heilfürsorge zu. Sie ist vom Dienstherrn auf seine
Kosten zu gewähren, für den Beamten also unentgeltlich. Zugleich ergibt sich aus
der Einordnung der Heilfürsorge in das BBesG, dass es sich nicht um eine
Fürsorgeleistung im Sinne des § 79 BBG, sondern um eine sonstige
Besoldungsleistung handelt, auch wenn sie nicht ausdrücklich in § 1 BBesG
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Besoldungsleistung handelt, auch wenn sie nicht ausdrücklich in § 1 BBesG
aufgeführt ist (Massner in Schwegmann/Summer, § 70 BBesG Rn. 8). Der
Rechtsanspruch der Polizeivollzugsbeamten auf Heilfürsorge hat die Gewährung
einer vollständigen ärztlichen Versorgung für den Beamten durch den Dienstherrn
zum Inhalt, wobei sich die näheren Einzelheiten zu den Leistungsvoraussetzungen
und den Einzelleistungen der Regelung in § 70 Abs. 2 BBesG nicht entnehmen
lassen.
Bislang wurde die Anwendung des § 70 Abs. 2 BBesG durch
Verwaltungsvorschriften, hier die HfVBGS konkretisiert und ausgestaltet. Als
Ermächtigung dient dem Bundesministerium des Innern als oberster
Dienstbehörde die Regelung in § 71 Abs. 1 S. 1 BBesG. Danach erlässt der
Bundesminister des Innern allgemeine Verwaltungsvorschriften, die sich auf den
Bereich des Bundes erstrecken. Die Regelung enthält damit nur eine
Zuständigkeitsbestimmung, wie sich auch aus den nachfolgenden Bestimmungen
in § 71 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BBesG ergibt. Eine Ermächtigung, Inhalt und Umfang
der den Beamten nach § 70 Abs. 2 BBesG zu gewährenden Heilfürsorge durch
Verwaltungsvorschrift anstelle eines Gesetzes oder einer auf Gesetz beruhenden
Rechtsverordnung zu regeln, enthält § 71 Abs. 1 S. 1 BBesG dagegen nicht,
insbesondere wenn man insoweit zumindest mittelbar an die in Art. 80 Abs. 1 GG
genannten Anforderungen für die Delegation zum Erlass von Rechtsverordnungen
im Bereich des Bundes anknüpft.
Die Ausgestaltung der Heilfürsorge durch bloße Verwaltungsvorschrift entspricht
nicht den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Anforderungen. Handelt es sich
bei der Heilfürsorge um Besoldung, folgt unmittelbar aus § 2 Abs. 1 BBesG die
Notwendigkeit, entsprechende Besoldungsleistungen durch Gesetz zu regeln, und
zwar sowohl hinsichtlich der jeweiligen Leistungsvoraussetzungen wie des
Leistungsumfangs oder möglicher Einschränkungen, Ausschlusstatbestände. Zu
beachten ist ferner § 2 Abs. 2 BBesG, wonach ein Beamter auch durch
Zusicherungen, Vereinbarungen oder Vergleiche keine höhere Besoldung erhalten
darf, als gesetzlich vorgesehen. Dieses Gebot lässt sich nur verwirklichen, wenn die
Leistungshöhe gesetzlich feststeht oder doch wenigstens der Rahmen für
mögliche nach Ermessen zu gewährende Leistungen gesetzlich eindeutig
bestimmt ist. Daran fehlt es, da Art und Umfang der nach § 70 Abs. 2 BBesG zu
gewährenden Heilfürsorge gesetzlich überhaupt nicht näher geregelt ist. Folglich
besteht zur Zeit eine Regelungslücke.
In dieser Auslegung sieht sich die Kammer durch die neuere Rechtsprechung des
BVerwG bestätigt. Danach bedarf auch die Gewährung von Fürsorgeleistungen zur
Krankenfürsorge einer gesetzlichen oder auf Gesetz beruhenden Regelung (U. v.
17.06.2004 - 2 C 50.02 - DVBl. 2004, 1420 = Buchholz § 79 BBG Nr. 123). Durch
diese neue Rechtsprechung ist zugleich überholt, dass die bisherige Gewährung
von unentgeltlicher truppenärztlicher Versorgung an Soldaten nach Maßgabe der §
70 Abs. 2 BBesG vergleichbaren Regelung in § 69 Abs. 2 BBesG nicht beanstandet
wurde, obwohl auch insoweit eine Leistungsausgestaltung lediglich in der Form von
Verwaltungsvorschriften erfolgt war (BVerwG U. v. 27.11.2003 - 2 C 38.02 - E 119,
265 ff.). Die gegen eine Ausgestaltung von Fürsorgeleistungen im Bereich der
Krankenfürsorge vom BVerwG hinsichtlich der Regelungsform erhobenen Einwände
sind für den Bereich der Ausgestaltung gesetzlich vorgesehener Leistungen, bei
denen es sich zudem um Besoldung, nicht um Fürsorge handelt, von einer noch
höheren Bedeutung. Insoweit kommt eine Regelung durch allein von der Exekutive
verantwortete interne Regelungen ohne Rechtsnormcharakter nicht in Betracht.
Die normative Regelungslücke wird hier nicht auf andere Weise wirksam
geschlossen. Die HfVBGS wurden vom Bundesministerium des Innern ohne
Beachtung des der Personalvertretung nach § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG
zustehenden Mitbestimmungsrechts in Fragen der internen Lohn- und
Entgeltgestaltung erlassen. Die Leistungen der Heilfürsorge unterfallen als derzeit
gesetzlich nicht näher geregelte Entgelte der Mitbestimmung, da diese sämtliche
gesetzlich oder tariflich nicht abschließend geregelten Entgeltleistungen für
Beschäftigte erfasst (BVerwG B. v. 9.12.1998 - 6 P 6.97 - E 108, 135 = PersR 1969,
265, 268 ff.). Ein Mitbestimmungsverfahren entsprechend den Anforderungen der
§§ 69 ff. BPersVG hat vor Erlass der HfVBGS und der sie konkretisierenden Erlasse
des Bundesministeriums des Innern jedenfalls nicht stattgefunden.
Die Beteiligung gewerkschaftlicher Spitzenorganisationen nach § 94 BBG macht
die Beachtung des Mitbestimmungsverfahrens als Wirksamkeitserfordernis für
interne Entgeltgestaltungsmaßnahmen nicht entbehrlich. Zwar ist für
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interne Entgeltgestaltungsmaßnahmen nicht entbehrlich. Zwar ist für
Verwaltungsanordnungen in § 78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG vorgesehen, dass eine
Personalratsbeteiligung unterbleibt, wenn eine Beteiligung gewerkschaftlicher
Spitzenorganisationen nach § 94 BBG stattfindet. Obwohl die HfVBGS als eine
Verwaltungsanordnung in sozialen Angelegenheiten einzustufen ist und folglich §
78 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG unterfällt, führt die Einschlägigkeit dieser Regelung nicht
zum Wegfall des parallel eintretenden Mitbestimmungsrechts aus § 74 Abs. 3 Nr. 4
BPersVG, wie sich aus der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG zum
Nebeneinander von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten ergibt (BVerwG B. v.
19.5.2003 - 6 P 16.02 - PersV 2003, 339 ff.; 24.4.2002 - 6 P 3.01 - E 116, 216, 218
f.; Fischer/Goeres in Fürst, GKÖD, § 75 BPersVG Rn. 7; Lorenzen in
Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber § 78 BPersVG Rn. 16; Rehak in
Lorenzen u. a. § 75 BPersVG Rn. 107). Somit hätte eine rechtlich verbindliche
Regelung zur Heilfürsorge trotz fehlender gesetzlicher Regelung zumindest die
Beachtung des Zustimmungserfordernisses nach § 69 Abs. 1 BPersVG
vorausgesetzt, wenn nicht sogar nur eine Regelung in Gestalt einer normativ
wirkenden Dienstvereinbarung als notwendig anzusehen wäre.
Eine Lücke in einem gesetzlich oder auf gesetzlicher Grundlage durch sonstige
Rechtsnorm zu regelnden Bereich kann nur durch Lücken füllende analoge
Anwendung anderer das Problem erfassenden Vorschriften ausgefüllt werden. Die
Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen können allerdings nicht herangezogen
werden, da dieses System der Krankenfürsorge nur Teilleistungen aus Anlass von
krankheitsbedingten Aufwendungen vorsieht und keine Vollversorgung
beansprucht noch in der Sache darstellt.
Im Unterschied dazu enthalten die Vorschriften des SGB V zur Ausgestaltung der
gesetzlichen Krankenversicherung als Teil der gesetzlichen Sozialversicherung ein
Konzept, das vom Grundsatz her auf eine umfassende Krankenfürsorge angelegt
ist. Damit sind die für diesen Bereich erlassenen Bestimmungen geeignet, als
Vorbild und Maßstab für die Heilfürsorgeleistungen zu dienen, solange und soweit
keine eigene normative Ausgestaltung dieses Bereichs geschaffen worden ist.
Dementsprechend wird in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, die
Leistungen der Heilfürsorge seien auf das Niveau der gesetzlichen
Krankenversicherung begrenzt (Massner a.a.O.).
§ 27a SGB V enthält genaue Regelungen zu den Voraussetzungen und zum
Umfang von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für medizinische
Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch künstliche
Befruchtung. Diese Regelung ist mangels wirksamer Heilfürsorgebestimmungen
auch hier anzuwenden. Dies steht im Übrigen in grundsätzlicher Übereinstimmung
mit dem Ansatz der HfVBGS selbst, da diese einen Leistungsumfang vorsehen,
der dem Niveau der gesetzlich geregelten Krankenversicherung entspricht.
Zu § 27a SGB V vertritt das BSG in gefestigter Rechtsprechung die Auffassung,
dass der Anspruch auf Leistungen bei künstlicher Befruchtung beiden Ehegatten
zusteht, und zwar für Leistungen an beide Ehepartner auch dann, wenn nur ein
Ehepartner Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist (BSG U. 7.1.2005 - B
1 KR 93/03 B - juris; 3.4.2001 - B 1 KR 22/00 R - juris; 3.4.2001 - - B 1 KR 40/00 R -
juris). Das gilt nach der Auffassung des BSG selbst dann, wenn ein Ehepartner
privat krankenversichert ist. Auch kommt es nicht darauf an, ob oder in welchem
Ausmaß ärztliche Behandlungsmaßnahmen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft durch das jeweils bei einer Krankenkasse versicherte Mitglied
verursacht, veranlasst sind.
Diese Grundsätze lassen sich ohne Weiteres auf die Gewährung von Heilfürsorge
übertragen, sodass es nicht darauf ankommt, an welcher Person der beiden
Ehegatten medizinische Behandlungsmaßnahmen überhaupt oder in einem
bestimmten Umfang nötig sind, da die Leistungsgewährung danach nicht
eingeschränkt ist. Die Frage der Verursachung einer Kinderlosigkeit kann nach der
Auffassung des BSG nur dann eine Rolle spielen, wenn mehrere gesetzliche
Krankenversicherungen dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet sind, weil sich
dann die Frage stellt, welche Kasse für welche Aufwendungen aufzukommen hat.
Das BSG hat es jedoch ausdrücklich abgelehnt, die insoweit angestellten
Erwägungen auf die Konstellation zu übertragen, bei der nur einer der Ehegatten
gesetzlich krankenversichert ist. Eine Beschränkung seines Anspruchs gegen die
gesetzliche Krankenversicherung auf umfassende und beide Ehepartner
erfassende Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung hat das BSG insoweit gerade
abgelehnt.
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Die entsprechende Frage stellt sich auch hier nicht, da die Gewährung von
Heilfürsorge mit der Gewährung von Beihilfen an die Ehefrau des Klägers nichts zu
tun hat, handelt es doch um zwei völlig verschiedene Systeme, schon vom
Leistungsgrund her. Der Kläger ist sozialversicherungsrechtlich einem gesetzlich
Versicherten mit Anspruch auf volle Krankenleistung vergleichbar, während seine
Ehefrau einer privat Versicherten Person entspricht. Gerade für diese Konstellation
hat das BSG jedoch keine irgendwie geartete Kürzung des Leistungsumfangs der
gesetzlichen Krankenversicherung bei Maßnahmen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft für möglich erachtet. Die Kammer sieht keinen Anlass, von
dieser rechtlichen Beurteilung bei der Übertragung der
sozialversicherungsrechtlichen Grundsätze in das Heilfürsorgesystem
abzuweichen, zumal die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte bis hin zum
BGH bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen privater
Krankenversicherer eine dem BSG entsprechende Auslegung vornimmt. Auf die
vom Kläger in das Verfahren eingeführte zivilrechtliche Rechtsprechung wird Bezug
genommen.
Die Beklagte kann ihre in den angefochtenen Bescheiden verfügte
Leistungseinschränkung deshalb nicht mit Bezug auf den Erlass des
Bundesministeriums des Innern vom 2. März 2004 (Bl. 27 f. Behördenakte)
rechtfertigen. Voraussetzung dafür wäre, dass die Beklagte zur Ausgestaltung von
Heilfürsorgeleistungen durch Verwaltungsvorschrift berechtigt wäre und im Zuge
derartiger Regelungen zugleich auch vom Leistungsniveau der gesetzlichen
Krankenversicherung Abstand nehmen dürfte. Ein solches Verfahren ist jedoch
weder mit § 70 Abs. 2 BBesG i. V. m. § 2 Abs. 1, 2 BBesG noch mit der zur
Lückenfüllung gebotenen Ausrichtung der Heilfürsorge am Niveau der gesetzlichen
Krankenversicherung vereinbar. Es kommt daher nicht darauf an, ob die
Spitzenorganisationen der Gewerkschaften am leistungseinschränkenden Erlass
vom 2. März 2004 überhaupt beteiligt waren. Ohne diesen Erlass würde sich
nämlich unmittelbar aus den HfVBGS selbst ergeben, dass die
Leistungsvoraussetzungen und der Leistungsumfang bei Maßnahmen der
künstlichen Befruchtung entsprechend § 27a SGB V zu gewähren wären (Ziff. 1.4
Unterabs. 6 HfVBGS).
Die Erfüllung der sonstigen in § 27a SGB V genannten Voraussetzungen ist hier
nicht streitig. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch die Präzisierung
seines Antrags zudem zu erkennen gegeben hat, dass er auch nur den
Leistungsumfang beansprucht, den § 27a Abs. 3 S. 3 SGB V vorsieht, hat die Klage
in vollem Umfang Erfolg.
Da die Beklagte unterliegt, hat sie gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die
Verfahrenskosten zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §
708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§ 124 Abs. 2 VwGO),
Insbesondere kommt der Entscheidung keine grundsätzliche Bedeutung zu, da die
HfVBGS wie die Beihilfevorschriften des Bundes in naher Zukunft durch eine
gesetzliche Regelung der Krankenfürsorge für Beamte abzulösen sind. Erst die
Neuregelung wird dann ggf. Anlass geben, die ggf. eigenständigen Vorschriften zur
möglichen Leistungsgewährung bei Maßnahmen zur Herbeiführung einer
Schwangerschaft einer obergerichtlichen Klärung zuzuführen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.