Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 29.01.2002
VG Frankfurt: aufschiebende bedingung, verdacht, behörde, erbengemeinschaft, untersuchungskosten, erlass, dokumentation, rechtsgrundlage, grundstück, behandlung
1
2
3
4
5
Gericht:
VG Frankfurt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 E 1296/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 BBodSchG, § 24 Abs 1 S 1
BBodSchG, § 24 Abs 2
BBodSchG
Kostentragung bei bodenschutzrechtlichen Anordnungen
Leitsatz
Zu Fragen der Kostentragung bei bodenschutzrechtlichen Anordnungen.
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 26.09.2000 und dessen darauf bezüglicher
Widerspruchsbescheid vom 27.02.2001 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kläger zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostentragung für bodenschutzrechtliche
Untersuchungen, die auf den in der Gemarkung ... gelegenen Grundstücken ...
durchgeführt worden sind.
Diese Grundstücke waren ursprünglich Teil des Betriebsgeländes der ..., die dort
seit den 1920-er Jahren bis 1991 betrieben wurde. Danach fielen die Grundstücke
in das Eigentum der Erbengemeinschaft ..., ..., .... 1992 veräußerte diese die
beiden Grundstücke an den Kläger und ..., die als ... darauf jeweils
Eigentumswohnungen errichteten und sie teilweise veräußerten.
Aufgrund der Vornutzung der Grundstücke sah der Beklagte konkrete
Anhaltspunkte für den Verdacht schädlicher Bodenveränderungen und gab
zunächst mit Bescheid vom 29.03.1999 sowohl dem Kläger als auch
gesamtschuldnerisch Herrn ... sowie den Mitgliedern der Erbengemeinschaft die
Durchführung orientierender Bodenuntersuchungen auf beiden Grundstücken auf.
Mit weiteren Bescheiden zog der Beklagte späterhin die beiden
Wohnungseigentümergemeinschaften zu den Untersuchungen heran. Schließlich
erfolgte mit Bescheid vom 08.11.1999 der Erlass von Untersuchungsanordnungen
gleichen Inhalts, mit der die einzelnen Mitglieder der
Wohnungseigentümergemeinschaft ... - u. a. auch der Kläger -
gesamtschuldnerisch zu den Untersuchungen, wie sie bereits Gegenstand der
vorbezeichneten Bescheide waren, herangezogen wurden. Hinsichtlich der
Liegenschaft ... beschränkte sich der Beklagte auf den Erlass weiterer
Untersuchungsanordnungen gegenüber zwei der Wohnungseigentümer.
Auf die Widersprüche des Klägers gegen die ihm gegenüber ergangenen
Bescheide entschied der Beklagte am 14.12.1999 dahingehend, dass der
Bescheid vom 29.03.1999 hinsichtlich des Grundstücks Flur ... durch die
Untersuchungsanordnung vom 08.11.1999 ersetzt sei, der Widerspruch gegen die
Untersuchungsanordnung betreffend das Grundstück Flur ... nach Maßgabe einer
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Untersuchungsanordnung betreffend das Grundstück Flur ... nach Maßgabe einer
teilweisen Abänderung zurückgewiesen werde. Der Kläger erhob hiergegen
zunächst Klage. Dieses Verfahren (Az.: 3 E 230/00) ist durch Vergleich
abgeschlossen. Anlass dafür war auch der Umstand, dass inzwischen die
Wohnungseigentümergemeinschaften ... die geforderten Untersuchungen
durchgeführt hatten, wobei sich der Verdacht schädlicher Bodenveränderungen
auf den Grundstücken nicht bestätigte.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft ... beantragte daraufhin die Erstattung der
auf sie entfallenden Untersuchungskosten von 7.132,84 DM gegenüber dem
Beklagten auf der Grundlage von § 24 Abs. 1 Satz 2 des Bundes-
Bodenschutzgesetzes - BBodSchG - weil sie die den Verdacht begründenden
Umstände nicht zu vertreten gehabt habe. Dem entsprach der Beklagte mit
Bescheid vom 21.09.2000.
Ohne vorherige Anhörung erließ der Beklagte am 26.09.2000 gegenüber dem
Kläger einen Bescheid folgenden Inhalts:
Im Altlastenverfahren betreffend die Grundstücke ... ergeht folgende
Entscheidung:
1. Sie haben zusammen mit Herrn ... die Untersuchungskosten für diese
Grundstücke zu bezahlen.
2. Die Kosten werden insoweit angefordert, als das ... von den
Grundstückseigentümern in Anspruch genommen wird.
3. Bezüglich der Parzelle ... werden die Kosten zunächst auf 7.132,84 DM
festgesetzt.
4. Die Entscheidung ergeht kostenfrei.
Zur Begründung heißt es dort im wesentlichen: Der Kläger sei
Untersuchungspflichtiger nach § 9 Abs. 2 BBodSchG für die beiden Grundstücke,
wie sich aus dem Heranziehungsbescheid vom 29.03.1999 ergebe. Als solcher sei
er nach § 24 Abs. 1 BBodSchG kostentragungspflichtig. Eine Ausnahme liege bei
ihm nicht vor. Denn unsachgemäßer Umgang mit der Altablagerung und der
Mangel einer ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren Dokumentation über die
Erdbewegungen sei für die Untersuchungen ursächlich gewesen. Diese Umstände
habe er zu vertreten. Zwar kämen auch die Rechtsnachfolger der Firma ..., die
Erbengemeinschaft ..., ... und ..., in Betracht. Das Auswahlermessen sei hier von
der Erwägung bestimmt, dass er und Herr ... als ... nach der Erbengemeinschaft
Eigentümer geworden sei und die Erdbewegungen ohne hinreichende
Dokumentation veranlasst habe. Deshalb sei der Anteil der Verursachung der
Kosten bei der ... als gewichtiger einzustufen. Wenn auch im Sinne der
Kausalitätserfordernisse sowohl die Erzeugung des Abfalls durch den Betrieb der ...
als auch der spätere Umgang mit der Ablagerung für die Entstehung der
Untersuchung gleichermaßen ursächlich gewesen sei, so sei es durchaus
ermessensgerecht, die neuere und spätere Kostenverursachung durch
unsachgemäße Behandlung der Altablagerung als Anknüpfungspunkt für die
Regressforderung zu nehmen. Daher komme es nicht darauf an, dass die
Untersuchungen keine sanierungsbedürftige Kontamination festgestellt hätten, da
er und Herr ... die den Verdacht begründenden Umstände, die zur Untersuchung
und zu den Kosten geführt hätten, zu vertreten hätten. Es bleibe ihm im übrigen
unbenommen, nach § 24 Abs. 2 BBodSchG weiteren Ausgleich von anderen
Mitverursachern geltend zu machen.
Dagegen legte der Kläger am 27.10.2000 Widerspruch ein, den der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 27.02.2001 als unbegründet zurückwies.
Der Kläger hat am 26.03.2001 Klage erhoben, mit der er sich gegen die ergangene
Entscheidung wendet. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus: Der Kläger
sei nicht Untersuchungspflichtiger nach § 9 Abs. 2 BBodSchG für die in Frage
stehenden Gründstücke. Der Heranziehungsbescheid vom 29.03.1999 sei nicht
zur Durchführung gelangt. Der Beklagte habe vielmehr die
Wohnungseigentümergemeinschaften selbst zur Untersuchung herangezogen. Er
sei nicht kostentragungspflichtig nach § 24 Abs. 1 BBodSchG. Die im Bescheid
vom 26.09.2000 geltend gemachten Kosten seien solche, die bei der
Wohnungseigentümergemeinschaft angefallen seien. Diese Kosten seien
grundsätzlich von den Pflichtigen selbst zu tragen. Sie hätten einen Anspruch auf
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
grundsätzlich von den Pflichtigen selbst zu tragen. Sie hätten einen Anspruch auf
Erstattung der Kosten gegen den Beklagten, wenn sie die den Verdacht
begründenden Umstände nicht zu vertreten hätte. Es ergebe sich zunächst, dass
ein solcher Erstattungsanspruch von der Wohnungseigentümergemeinschaft ...
nicht geltend gemacht worden sei. Es bestehe demgemäß auch kein Anlass, im
Vorgriff auf einen nicht geltend gemachten Erstattungsanspruch den Kläger
seinerseits durch eine Grundverfügung zu den Untersuchungskosten für das
betreffende Grundstück heranzuziehen und den Heranziehungsbescheid unter die
aufschiebende Bedingung zu stellen, dass das Land von den
Grundstückseigentümern in Anspruch genommen werde. Ein solcher präventiver
Erstattungsanspruch sei § 24 BBodschG nichts zu entnehmen.
Auch hinsichtlich des der Wohnungseigentümergemeinschaft ... seitens des
Beklagten erstatteten Betrages sei keine Rechtsgrundlage dafür ersichtlich, ihn
selbst zur Erstattung der Kosten heranzuziehen, die dem Beklagten durch die
Heranziehung eines Pflichtigen entstanden sei, der die den Verdacht gründenden
Umstände nach seiner Auffassung nicht zu vertreten habe. § 24 BBodSchG
enthalte keine Regelung über Kosten, die der Behörde entstehen, sondern lediglich
die Verpflichtung der zur Durchführung herangezogenen Verpflichteten, die ihnen
entstandenen Kosten selbst zu tragen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26.09.000 und den darauf bezüglichen
Widerspruchsbescheid vom 27.02.2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die Begründung des ergangenen Bescheides
und führt ergänzend aus: Die Tatsache, dass ein anderer überholend die
Maßnahme durchgeführt habe, sage über die Rechtsstellung des Klägers nichts
aus. Verpflichtet sei jeder, der unter § 9 Abs. 2 BBodSchG falle. Der
Heranziehungsakt der Behörde begründe nicht die Verpflichtung, sondern setze
sie voraus und mache sie durchsetzbar. Wenn es im Gesetz heiße, dass die
Kosten einer Maßnahme der zu tragen habe, der zur Durchführung der
Maßnahmen kraft Gesetzes verpflichtet sei, dann ändere die Zwischenfinanzierung
durch Nichtverpflichtete oder durch die Behörde an diesem Ergebnis nichts.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Akten der Verfahren 3 E 1297/01, 3 E 229/00 und 3 E 230/00
sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Aktenordner), die Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26.09.2000
und der darauf bezügliche Widerspruchsbescheid vom 27.02.2001 sind
rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Sie sind deshalb
aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die allein in Betracht kommende Regelung des § 24 Abs. 1 BBodSchG bietet hier
keine Rechtsgrundlage für die vom Beklagten getroffene Entscheidung.
Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG tragen die Kosten der nach § 9 Abs. 2, 10, Abs.
1, §§ 12, 13, 14 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 und § 16 Abs. 1 angeordneten
Maßnahmen die zur Durchführung Verpflichteten.
Da sich angeordnete (behördliche) Maßnahmen nur an konkret bezeichnete
Adressaten wenden können, sind die insoweit Herangezogenen die in § 24 Abs. 1
Satz 1 BBodSchG so bezeichneten "zur Durchführung Verpflichteten". Für die
Kostentragung ist diese Vorschrift im Zusammenspiel mit der Regelung in Abs. 2
des § 24 BBodSchG zu sehen. Zunächst einmal setzt die in Abs. 2 enthaltene
Ausgleichsregelung ersichtlich eine behördliche Inanspruchnahme nicht zwingend
voraus und knüpft hinsichtlich des Begriffs "Verpflichteter" an die in § 4 BBodSchG
niedergelegten abstrakten Verantwortlichkeiten und die bereits kraft Gesetzes sich
ergebende Verpflichtung zur Sanierung von schädlichen Bodenverunreinigungen
und Altlasten an. Zugleich stellt diese Regelung allerdings auch ein Korrektiv zu
den ansonsten sich aus Abs. 1 vermittelnden Kostenfolgen dergestalt dar, dass
27
28
29
30
31
den ansonsten sich aus Abs. 1 vermittelnden Kostenfolgen dergestalt dar, dass
der durch behördliche Anordnung Herangezogene, welcher Maßnahmen
durchgeführt und dafür Kosten aufgewandt hat, gegenüber anderen - abstrakt
oder konkret - Verpflichteten einen Ausgleichsanspruch erhält.
Aus dem Zusammenwirken dieser Regelungen folgt zugleich: Führt ein
Herangezogener die von der Behörde angeordneten Maßnahmen durch, so trägt
er grundsätzlich die dafür aufgewendeten Kosten (mit der ihm überlassen
bleibenden Korrekturmöglichkeit nach § 24 Abs. 2). Es ist dann für eine
nachgehende abweichende Kostentragungsentscheidung der Behörde kein Raum
mehr. Diesem Verständnis entspricht auch die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 2
BBodSchG, die in Bezug auf hier in Frage stehende Anordnungen nach § 9 Abs. 2
Satz 1 BBodSchG (nur) eine Entscheidung über eine eventuelle Kostenerstattung
vorsieht.
Die vom Beklagten mit Bescheid vom 26.09.2000 nach Durchführung der
angeordneten Untersuchung und Begleichung der Kosten durch die
Wohnungseigentümergemeinschaften getroffene Entscheidung über die Kosten
stellt sich demgegenüber ihrer rechtlichen Qualität nach weitergehend - so vom
Beklagten auch bezeichnet - als Festlegung eines Regressanspruchs im Blick auf
die gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 BBodSchG erstatteten Kosten bezüglich ... bzw. (im
Vorgriff auf eventuell noch zu erstattende Kosten) bezüglich ... dar. Einen solchen
Regressanspruch (oder gar vorbeugend feststellbaren Regressanspruch) - wie er in
anderen Regelwerken hinsichtlich der Kostentragung bei Maßnahmen der
Gefahrenabwehr bisweilen vorgesehen ist (vgl. z. B. § 69 HSOG) - sieht die
beschließende Kostenregelung des § 24 BBodSchG indessen nicht vor.
Ist demnach der Rückgriff auf den Kläger wegen der von den
Wohnungseigentümergemeinschaften aufgewendeten und vom Beklagten
(teilweise) erstatteten Untersuchungskosten rechtswidrig, kommt es hier deshalb
auch nicht weiter darauf an, ob der Kläger überhaupt Anscheinsstörer war, der
ursprüngliche Verdachtsumstände zu vertreten hat, ob - ferner - im Blick auf das
Setzen der entscheidenden Ursachen für einen Schadensverdacht durch die
frühere ... ... ... das Auswahlermessen im Verhältnis zu den Mitgliedern der
Erbengemeinschaft fehlerfrei ausgeübt worden wäre. Des weiteren bedarf deshalb
auch nicht mehr der Umstand der Bewertung, dass der Beklagte den Kläger
anknüpfend an eine Pflichtenstellung als Miteigentümer der
Wohnungseigentumsgemeinschaften (Bescheide vom 08.11.1999 und 14.12.1999)
in Regress nimmt oder zu nehmen beabsichtigt für Erstattungsleistungen an eben
diese Wohnungseigentümergemeinschaften.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154
Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.