Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 02.10.2003

VG Frankfurt: disziplinarverfahren, dienstliches verhalten, beförderung, erfüllung, flughafen, offenkundig, auflage, strafverfahren, wohnung, geldzahlung

1
2
3
4
Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 G 4156/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 23 BBG
Leitsatz
Noch nicht abgeschlossenes Disziplinarverfahren als Beförderungshindernis.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.541,45 € festgesetzt.
Gründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Berichterstatter allein (§ 87
a Abs. 2, 3 VwGO).
Das Begehren des Antragstellers ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO statthaft, kann in der Sache jedoch keinen
Erfolg haben. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft
gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Der Antragsteller ist durch die
Entscheidung der Antragsgegnerin, ihn im Hinblick auf bestehende
Eignungsmängel bei Beförderungsmaßnahmen im August 2003 nicht zu
berücksichtigen, nicht in seinem Recht auf chancengleichen Zugang zu jedem
öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
verletzt worden (Art. 33 Abs. 2 GG, § 23 i. V. m. § 8 Abs. 1 S. 2 BBG).
Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller nach den von der
Antragsgegnerin zugrunde gelegten Beförderungskriterien im Hinblick auf seine
bisher gezeigten Leistungen sowie die sonstigen von der Antragsgegnerin
zugrunde gelegten Voraussetzungen an sich hätte befördert werden können, was
auch die Antragsgegnerin bestätigt hat. Denn die Antragsgegnerin lehnt die
Beförderung des Antragstellers nicht im Hinblick auf die von ihm gezeigten
Leistungen ab, sondern im Hinblick auf Zweifel an seiner Eignung für einen
höherwertigen Dienstposten, die aber ebenso zwingende rechtliche Voraussetzung
der vom Antragsteller angestrebten Beförderung ist. Zum einen ergeben sich
diese Zweifel nach Auffassung der Antragsgegnerin aus dem Umstand, dass ein
gegen den Antragsteller eingeleitetes Disziplinarverfahren noch nicht rechtskräftig
zum Abschluss gekommen ist. Zum anderen ist die Antragsgegnerin zu der
Einschätzung gelangt, dass im Hinblick auf die dem Disziplinarverfahren zugrunde
liegenden Verhaltensweisen des Antragstellers sowie seine Einlassungen im
Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen die das Disziplinarverfahren vorläufig
abschließende Verfügung Zweifel an seiner Eignung bestehen, die ihn vorerst als
nicht beförderungswürdig erscheinen ließen.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller wegen dieser Zweifel an
seiner Eignung vorerst nicht zu befördern, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das
durch Verfügung des Leiters der Bundesgrenzschutzinspektion IV vom 11.06.2002
eingeleitete Disziplinarverfahren wegen eines tätlichen Angriffs des Antragstellers
gegen seine ehemalige Freundin am 06.01.2002 in dessen Wohnung, der auch
5
gegen seine ehemalige Freundin am 06.01.2002 in dessen Wohnung, der auch
Gegenstand eines Strafverfahrens vor dem Amtsgericht Butzbach war, wurde zwar
durch Verfügung des Leiters des Bundesgrenzschutzamts Flughafen
Frankfurt/Main - Bundesgrenzschutzinspektion IV - vom 12.11.2002 gemäß § 32
Abs. 1 Nr. 2 BDG - allerdings unter ausdrücklicher Missbilligung des Verhaltens des
Antragstellers - eingestellt, weil eine Disziplinarmaßnahme neben der im
Strafverfahren verhängten Auflage einer Geldzahlung nicht angezeigt erscheine.
Gegen den aufgrund des Widerspruchs des Antragstellers vom
Grenzschutzpräsidium Mitte erlassenen Widerspruchsbescheid vom 11.02.2003
hat der Antragsteller jedoch Klage erhoben, die noch vor dem VG Wiesbaden
anhängig ist, so dass das Disziplinarverfahren noch nicht rechtskräftig
abgeschlossen ist. Da die Antragsgegnerin vorgetragen hat, dass sie grundsätzlich
einen Beamten nicht befördert, solange ein Disziplinarverfahren noch nicht
rechtskräftig abgeschlossen ist, stellt sich die Nichtberücksichtigung des
Antragstellers schon aus diesem Gesichtspunkt als rechtsfehlerfrei dar. Nach
ständiger Rechtsprechung des BVerwG, der die Kammer insoweit folgt, ist es
rechtlich begründet, einen Beamten für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten
disziplinarischen Untersuchung und des ggf. sich anschließenden förmlichen
Disziplinarverfahrens von einer an sich möglichen Beförderung oder einer
entsprechenden Maßnahme auszunehmen. Der Dienstherr setzte sich in
Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten, wenn er einen solchen Beamten vor
der abschließenden Klärung eines disziplinarischen Vorwurfs beförderte und damit
die Befähigung und Eignung des Beamten für eine höherwertige Verwendung
bejahte, obwohl er mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen
gegeben hat, dass er Anlass sieht, die Amtsführung oder das persönliche
Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden (BVerwG,
Urteil vom 13.05.1987, Buchholz 236.1 § 31 Nr. 21, S. 3; vom 03.09.1996,
Buchholz 236.1 § 10 Nr. 18). Dies vermag auch hier die Nichtberücksichtigung des
Antragstellers im Beförderungsverfahren zu rechtfertigen, und zwar ungeachtet
des Umstands, dass das Disziplinarverfahren durch die vom Antragsteller
angefochtene Abschlussverfügung eingestellt worden ist. Die
Einstellungsverfügung beruht nämlich auf § 14 Abs. 1 BDG; danach kann nach der
Erfüllung einer im Strafverfahren verhängten Auflage - wie hier - wegen desselben
Sachverhalts die hier in Betracht kommende disziplinarische Sanktion einer
Geldbuße nicht ausgesprochen werden. Die Einstellung beruht folglich auch nicht
darauf, dass der Dienstherr das Verhalten des Antragstellers als disziplinarisch
nicht ahndungswürdig oder gar als rechtlich nicht beanstandungswürdig
angesehen hätte.
Im übrigen hat die Antragsgegnerin nicht nur im Hinblick auf das noch nicht
abgeschlossene Disziplinarverfahren, sondern auch im Hinblick auf die
Einlassungen des Antragstellers im Rahmen des Widerspruchsverfahrens sowie
sein nach dem ihm vorgeworfenen Verhalten gezeigtes dienstliches Verhalten
seine Beförderungswürdigkeit verneint, wie sich aus dem Vermerk des Leiters der
Inspektion IV des Bundesgrenzschutzamts Flughafen Frankfurt/Main vom
26.05.2003 sowie dem entsprechenden Vortrag der Antragsgegnerin in diesem
Verfahren ergibt, dem der Antragsteller zudem in keiner Weise entgegen getreten
ist. Der Berichterstatter sieht nicht die geringste Veranlassung, diese
Einschätzung der Antragsgegnerin auch nur im Ansatz rechtlich zu beanstanden.
Bei der Beurteilung der Eignung eines Beamten geht es im wesentlichen um die
Prognose, wie sich dessen künftiges Verhalten im Dienst und auch außerdienstlich
gestalten und ob es den Anforderungen des Beamtenrechts genügen wird. Es ist
dabei Aufgabe der Antragsgegnerin, zu beurteilen, ob der Antragsteller die
notwendige innere Bereitschaft für eine ordnungsgemäße Erfüllung der ihm
obliegenden dienstlichen Pflichten mitbringt (so v. Roetteken, HBR IV zu dem
insoweit vergleichbaren § 8 HBG, Rdn. 55 m. w. N.). Dies zugrundegelegt, kann die
Einschätzung der Antragsgegnerin nicht beanstandet werden, dass insoweit
erhebliche Zweifel an der Eignung des Antragstellers nicht nur für das angestrebte
Amt, sondern sogar für den Polizeiberuf überhaupt entstanden sind, die einer
Beförderung jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt entgegenstehen. Wenn der
Antragsteller in der Begründung seines Widerspruchs gegen die das
Disziplinarverfahren abschließende Verfügung ausführt, dass es sich "bei den hier
in Rede stehenden Delikten wie Körperverletzung oder Nötigung" um
"gesellschaftliche Massenerscheinungen" handele und auch zu berücksichtigen sei,
dass der "Zwist mit seiner ehemaligen Lebenspartnerin" lediglich im privaten,
"zwischenmenschlichen" Bereich anzusiedeln sei, lässt er erkennen, dass er sein
Verhalten offenkundig als sozial adäquat ansieht und ihm seiner Meinung nach im
Hinblick auf den Umstand, dass hier keine Freiheitsstrafe, "ja noch nicht einmal
eine Geldstrafe " ausgesprochen worden sei, kein weiterer Vorwurf gemacht
6
7
eine Geldstrafe " ausgesprochen worden sei, kein weiterer Vorwurf gemacht
werden könne, da von einem Beamten außerdienstlich "kein wesentlich anderes
Sozialverhalten erwartet (werde) als vom Durchschnittsbürger". Mit dieser
Einlassung bezweckt der Antragsteller offenkundig, sein unter keinen Umständen
sozial oder rechtlich akzeptables Verhalten zu verharmlosen; sie offenbart, dass
es ihm an jeder Einsicht in den Unrechtsgehalt seines Verhaltens fehlt. Dass
angesichts in der in diesen Worten zum Ausdruck kommenden Einstellung des
Antragstellers die Antragsgegnerin Zweifel an seiner Eignung für den Polizeiberuf
hegt, ist ohne weiteres nachvollziehbar und rechtlich folglich nicht zu beanstanden.
Erst recht durfte die Antragsgegnerin diese Zweifel zum Anlass nehmen, den
Antragsteller derzeit trotz seines guten Leistungsbilds nicht zu befördern.
Da der Antragsteller unterliegt, hat er die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154
Abs. 1 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 4 S. 1 Buchstabe a, S.
2 GKG. Der Hauptsachestreitwert (Endgrundgehalt Besoldungsgruppe A 8 BBO x
6,5) ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung im Eilverfahren auf 3/8 zu
kürzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.