Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 31.01.2007
VG Frankfurt: stellvertreter, fraktion, zusammensetzung, stellvertretung, einfluss, verhältniswahl, mandatsverteilung, stimmzettel, wahlvorschlag, wahlergebnis
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Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 E 3138/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 55 GemO HE, § 23 PlanG HE
2002, § 34 KomWG HE 2005
Grundsätze einer Wahl von Mitgliedern für eine
Regionalversammlung.
Leitsatz
Wahl von Kreistagsabgeordneten in die Regionalversammlung für die Planungsregion
Südhessen
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese jeweils selbst zu tragen
haben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist Mitglied des Kreistages des ...-Kreises (folgend Beklagter).In seiner
Sitzung am 12.05.2006 hat der Beklagte unter Tagesordnungspunkt Nr. 7 e
gemäß § 23 Abs. 1 und 2 Hessisches Landesplanungsgesetz - HLPG - sechs
Mitglieder und deren Stellvertreter/innen für die bei der oberen
Landesplanungsbehörde zu bildende Regionalversammlung für die Planungsregion
Südhessen für die Wahlzeit 01.04.2006 bis 31.03.2011.
Der Stimmzettel für die Wahl von sechs Mitgliedern und sechs stellvertretenden
Mitgliedern für die Regionalversammlung für die Planungsregion Südhessen
enthielten die Wahlvorschläge eins bis vier (1 = CDU/SPD, 2 = Grüne, 3 FDP, 4 FW)
und differenzierte innerhalb der Wahlvorschläge zwischen der Wahl von sechs
Mitgliedern und der Wahl von sechs stellvertretenden Mitgliedern. Der Stimmzettel
enthielt damit zwei getrennte Wahlvorgänge je für die Wahl der sechs Mitglieder
und der sechs stellvertretenden Mitglieder.
Die Wahl ergab folgende Verteilung: Von den sechs zu verteilenden Sitzen
entfielen fünf auf den gemeinsamen Wahlvorschlag von CDU/SPD, ein Sitz auf die
Liste von Bündnis 90/Die Grünen, 0 Sitze auf die FDP und 0 Sitze auf die Liste FW.
Beim getrennten Wahlvorgang zu den stellvertretenden Mitgliedern entfielen vier
Sitze auf den gemeinsamen Wahlvorschlag von CDU/SPD, 1 Sitz auf die Liste von
Bündnis 90/Die Grünen, 1 Sitz auf die Liste der FDP und 0 Sitze auf die Liste der
FW.
Der Kläger, der der FDP-Fraktion im Kreistag angehört, hat am 06.06.2006 gegen
diese Wahl Widerspruch eingelegt. Er ist sinngemäß der Auffassung, dass die Wahl
der Mitglieder und deren Stellvertreter nicht in zwei getrennten Wahlvorgängen
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der Mitglieder und deren Stellvertreter nicht in zwei getrennten Wahlvorgängen
hätte erfolgen dürfen, weil diese getrennte Wahl keine eindeutige Zuordnung der
persönlichen Stellvertretung ermögliche. Aufgrund möglicher unterschiedlicher
Wahlergebnisse für die zwei Wahlvorgänge könne sich ergeben, dass ein Mitglied
der Regionalversammlung von einem Stellvertreter anderer Parteizugehörigkeit
vertreten werde, was zu ungewollten Differenzen führe. Weiter könnten bei kleinen
Wählergruppen, die möglicherweise in der Regionalversammlung nur mit einem
Mitglied vertreten seien oder gerade die Mindestgröße zur Bildung einer Fraktion
erfüllten, an bestimmten Tagen die Erfordernisse zur Bildung einer Fraktion erfüllt
sein, an anderen Tagen, je nach Vertretungssituation, wieder nicht. Da die Bildung
von Fraktionen in der Regionalversammlung erlaubt und gewollt sei, könne die
Arbeitsfähigkeit und der Bestand einer Fraktion nicht von der Beliebigkeit einer
zufälligen Vertretungssituation abhängen.
Der Kläger ist daher der Auffassung, aus den genannten Gründen hätte bei jedem
Wahlbewerber schon ein namentlich benannter Stellvertreter zugeordnet sein
müssen. Die Wahl hätte sich dann auf diese Personenverbindung zwischen
dem/der eigentlichen Wahlbewerber/in und seinem/seiner Stellvertreter/in
bezogen. Somit wäre immer klar gewesen, wer wen vertrete.
Der Beklagte hat den Widerspruch des Klägers in seiner Sitzung am 14.07.2006
unter dem Tagesordnungspunkt Nr. 6 mehrheitlich zurückgewiesen (Niederschrift
über die 3. öffentliche Sitzung des Kreistages am 14. Juli 2006 vom
19.07.2006).Mit an den Kläger gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 31.07.2006
wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der
Beklagte ist der Auffassung, dass bei der Durchführung der Wahl im Sinne des
Klägers, bei welchem auf den Listen jedem Wahlbewerber schon ein namentlich
benannter Stellvertreter zugeordnet wäre, dem § 23 HLPG und den Grundsätzen
des Kommunalwahlgesetzes, insbesondere dem § 34 KWG nicht Rechnung
getragen würde. Scheide nämlich ein Stellvertreter aus, dann hätte das gewählte
Mitglied keinen Stellvertreter mehr, obwohl nach § 23 Abs. 1 HLPG ein/eine
Stellvertreter/in vorgeschrieben sei. Eine Konsequenz wäre es dann, dass das
gewählte Mitglied auch ausscheiden müsste, weil es keinen Stellvertreter mehr
hätte und dafür ein neues Paar nachrücke. Es könne aber nicht sein, dass das
gewählte Mitglied sein Mandat verliere, nur weil sein/seine Stellvertreter/in
ausgeschieden sei. Scheide der/die Gewählte aus, dann wäre zwar ein
Stellvertreter vorhanden. Dieser aber würde dann das Mandat in seiner
Eigenschaft als Stellvertreter auf Dauer wahrnehmen und hätte wiederum auch
keinen Stellvertreter mehr. Aus diesem Grund seien zwei getrennte Listen, eine für
die Mitglieder und eine für die Stellvertreter notwendig. Die Zuordnung der
Stellvertreter erfolge durch einen Listenvergleich. So werde Nr. 1 durch Nr. 1 der
entsprechenden Stellvertreterliste u. s. w. vertreten. Sollten sich bei diesem
Vergleich Differenzen in der Parteizugehörigkeit ergeben, sei dies Ausdruck des
Wählerwillens. Mit am 13.08.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der
Kläger hiergegen Klage erhoben. Die Klagebegründung entspricht im wesentlichen
der Widerspruchsbegründung. Ergänzend führt er aus, dass entgegen der
Auffassung des Beklagten das Ausscheiden eines Stellvertreters nicht dazu führe,
dass das gewählte Mitglied sein Mandat in der Regionalversammlung verliere. Es
habe lediglich zur Folge, dass im Vertretungsfall kein Stellvertreter mehr zur
Verfügung stehe. Die Wahrnehmung des Mandats als solches sei im Regelfall
durch das ordentliche Mitglied nicht gefährdet, sondern weiterhin sichergestellt.
Weiter habe das vom Beklagten eingeschlagene Wahlverfahren zur Folge, dass im
schlimmsten Fall die Regionalversammlung zu jeden Zeitpunkt ihres
Zusammentretens eine andere Zusammensetzung habe. Wären beispielsweise
zum Termin des Zusammentretens der Regionalversammlung alle Mitglieder
verhindert, kämen alle Stellvertreter zum Zuge, die sich anders zusammensetzten
als die Mitglieder. Zwangsläufig hätte die Regionalversammlung an diesem Tag
eine andere Zusammensetzung. Wenn nun jeder Landkreis das vom Beklagten
gewählte Wahlverfahren gewählt und sich ebenfalls eine unterschiedliche
Zusammensetzung von Mitgliedern und Stellvertretern ergeben hätte, könnte dies
dazu führen, dass die Regionalversammlung jedes Mal zum Zeitpunkt ihres
Zusammentretens eine andere Zusammensetzung in ihrer politischen Gewichtung
hätte. Ein solches Ergebnis hätte zur Folge, das Kontinuität und Verlässlichkeit in
der Versammlungsarbeit und ihrer Entscheidungen in Gefahr wären.
Der Kläger beantragt,
die Wahl der sechs Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der
Regionalversammlung Südhessen durch den Beklagten am 12. Mai 2006 für
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Regionalversammlung Südhessen durch den Beklagten am 12. Mai 2006 für
ungültig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid
vom 31.07.2006. Ergänzend trägt er vor, dass seiner Auffassung nach das KWG
die vom Kläger angestrebten Personenverbindungen nicht kenne.
Mit Beschluss vom 08.12.2006 hat die Kammer Herrn ..., Herr ..., Herr H. M., Herr
..., Herr ..., Herr ..., Herr ..., Herr ..., Herr ..., Herr ..., Herr ... und Herr ... zum
Verfahren beigeladen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten (1 Heft) Bezug
genommen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beigeladenen zu 1)
bis 4), 6) und 7) und 10) in der Sitzung nicht vertreten waren, weil sie in den
ordnungsgemäßen Ladungen auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist als Feststellungsklage im kommunalverfassungsrechtlichen
Wahlprüfungsverfahren gemäß § 55 Abs. 6 Hessische Gemeindeordnung - HGO - i.
V. m. § 32 S. 2 Hessische Landkreisordnung - HKO - statthaft (vgl. Hess. VGH,
Urteil vom 04.01.1989 - 6 UE 530/87, NVwZ - RR 1990, 208, sowie Urteil vom
24.04.1992 - 6 UE 404/91, NVwZ - RR 1993, 94 f.).Nach § 55 Abs. 6 S. 1 HGO kann
jeder Gemeindevertreter gegen die Gültigkeit von Wahlen, die von der
Gemeindevertretung im Rahmen des § 55 HGO durchgeführt werden, Widerspruch
einlegen. Gemäß § 55 Abs. 6 S. 2 HGO entscheidet die Gemeindevertretung über
den Widerspruch. Für das weitere Verfahren gelten nach § 55 Abs. 6 S. 3 HGO die
Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung mit der Maßgabe, dass die Klage
gegen die Gemeindevertretung zu richten ist.
Diese Prozessvoraussetzungen sind erfüllt.
Die Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder für die
Regionalversammlung unterliegt der Nachprüfung in einem Wahlprüfungsverfahren
nach § 55 Abs. 6 HGO, weil sie gemäß § 23 Hessisches Landesplanungsgesetz -
HLPG - von den Vertretungskörperschaften der Landkreise - vorliegend u. a. dem
Beklagten - für deren Wahlzeit gewählt werden und in dieser Wahl die Besetzung
mehrerer gleichartiger unbesoldeter Stellen gemäß § 32 S. 2 HKO i. V. m. § 55
Abs. 1 HGO liegt.
Von der Wahl, der Stellenbesetzung im Sinne des § 55 Abs. 1 S. 1 HGO, sind zwar
die Fälle zu entscheiden, in denen eine Gemeindevertretung lediglich Personen für
die Besetzung bestehender Stellen vorzuschlagen hat (vgl. VG Darmstadt in
seinem rechtskräftigen Urteil vom 07.11.1984 - 2 E 1460/84 -, HSGZ 1985, 126 zu
Personalvorschlägen der Gemeindevertretung für die gemeindliche Vorschlagsliste
für Schöffen; vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 03.12.1985 - 2 OVG A 41/82 -;
anderer Ansicht Püttner in DVBl. 1986, 748 ff., 749). Vorliegend hat der Beklagte
nicht lediglich ein Vorschlagsrecht. Vielmehr ist er nach § 23 Abs. 1 HLPG die für
die Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder für die
Regionalversammlung zuständige kommunale Vertretungskörperschaft und wählt
gemäß § 23 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 HLPG nach den Grundsätzen des Hessischen
Kommunalwahlgesetzes - KWG -. Der Kläger ficht als Kreistagsabgeordneter die in
der Sitzung des Beklagten vom 12.05.2006 vorgenommenen Wahlen der
Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder für die Regionalversammlung an. Er hat
rechtzeitig gegen das Wahlergebnis Widerspruch eingelegt. Das Wahlergebnis
wurde in der Kreistagssitzung vom 12.05.2006 bekannt gegeben. Der Kläger legte
rechtzeitig am 06.06.2006 Widerspruch ein, so dass die Widerspruchsfrist von
einem Monat nach § 55 Abs. 6 S. 1 HGO gewahrt ist. Der Widerspruch wurde in der
Sitzung des Beklagten vom 14.07.2006 (Tagesordnungspunkt 6) mit
Stimmenmehrheit zurückgewiesen. Im Anschluss an diese Entscheidung erteilte
der Vorsitzende des Beklagten dem Kläger entsprechend § 73 VwGO i. V. m. § 55
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der Vorsitzende des Beklagten dem Kläger entsprechend § 73 VwGO i. V. m. § 55
Abs. 6 S. 3 HGO einen ablehnenden Widerspruchsbescheid.
Der Kläger ist klagebefugt. Er war zum Zeitpunkt der Wahl Kreistagsabgeordneter,
was unstreitig ist. Einer besonderen, darüber hinausgehenden Klagebefugnis
bedarf es nicht. Das Wahlanfechtungsverfahren ist als ein objektives Verfahren
ausgestaltet. Es soll dem Gemeindevertreter ermöglichen, gleichsam im
öffentlichen Interesse darüber zu wachen, ob die von der Gemeindevertretung
durchgeführten Wahlen ordnungsgemäß abgewickelt worden sind (Hess. VGH,
Urteil vom 28.10.1986 - 2 UE 1919/85 - HSGZ 1987, 109 f.). Auf die mögliche
Verletzung subjektiver Rechte des Klägers kommt es nicht an, weil § 55 Abs. 6
HGO den Mitgliedern der Vertretungskörperschaft ein objektives
Beanstandungsrecht zubilligt (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 09.12.1993 - 6 UE
404/91 - S. 15 des amtlichen Umdrucks und vom 04.01.1989 - 6 UE 530/87 -
NVwZ - RR 1990, 2008 f.).Die somit zulässige Wahlprüfungsklage ist jedoch
unbegründet, denn die Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder für die
Regionalversammlung in der Sitzung des Beklagten vom 12.05.2006 ist gültig.
Weder bei der Vorbereitung, noch bei der Durchführung der Wahl ist ein
wesentlicher Fehler festzustellen. Maßstab für die Überprüfung der Gültigkeit der
Wahl ist § 26 KWG. § 26 Abs. 1 Nr. 2 KWG, wonach die Wiederholung der Wahl nur
anzuordnen ist, wenn Unregelmäßigkeiten des Wahlverfahrens ergebnisbezogen
von Einfluss gewesen sein können, d. h. auf die konkrete Mandatsverteilung von
Einfluss gewesen sein können, ist anwendbar, denn die Wahl der Mitglieder und
stellvertretenden Mitglieder für die Regionalversammlung wird gemäß § 23 Abs. 1
HLPG i. V. m. § 1 Abs. 1 KWG nach den Grundsätzen der Verhältniswahl
durchgeführt. Wesentliche Verstöße bei der Durchführung der Wahl sind nicht
festzustellen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass gemäß § 23 Abs. 2 S. 2
HLPG, wonach bei Landkreisen mit über 200.000 bis 500.000 Einwohnern
mindestens fünf und höchstens sieben Mitglieder zu wählen sind, also sechs Sitze
für die Mitglieder zu verteilen waren. Dies rührt daher, dass gemäß § 23 Abs. 2 S. 3
HLPG kreisangehörige Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern, hier die Stadt
Hanau, ein Mitglied in die Regionalversammlung wählten, das auf die Zahl der vom
Landkreis zu wählenden Mitglieder angerechnet wird. Die Rüge des Klägers, dass
die Wahl der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder nicht in zwei getrennten
Wahlvorgängen hätten erfolgen dürfen, weil diese getrennte Wahl keine eindeutige
Zuordnung der persönlichen Stellvertretung ermögliche, lässt nicht auf keinen
wesentlichen Verstoß bei der Durchführung der Wahl schließen.
Nach § 23 Abs. 1 HLPG werden die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der
Regionalversammlung unter anderem von den Vertretungskörperschaften der
Landkreise nach den Grundsätzen des KWG gewählt. Nach § 1 KWG wird in freier,
allgemeiner, geheimer, gleicher und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen
einer mit einer Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt. Da § 23 Abs. 1
HLPG das KWG für anwendbar erklärt, gelten die Grundsätze der Verhältniswahl
auch für die vorliegend durchgeführten mittelbaren oder indirekten Wahlen, bei
denen nicht der Bürger als Volkssouverän tätig wird, sondern die bereits gewählten
Kreistagsabgeordneten ihrerseits Vertreter in die Regionalversammlung wählen.
Die durchgeführte Wahl nach getrennten Listen in zwei Wahlvorgängen steht dabei
in Einklang mit § 23 Abs. 1 HLPG i. V. m. KWG.
Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift sind keine Verstöße zu erkennen. So
normiert § 23 Abs. 1 HPLG „... werden die Mitglieder und stellvertretenden
Mitglieder ... gewählt“. Dieser Formulierung ist nicht zu entnehmen, dass die Wahl
zwingend in einem Wahlvorgang durchzuführen ist, bei dem jedem Wahlbewerber
auf der Liste zwingend schon ein namentlich benannter Stellvertreter zugeordnet
sein muss. Die Formulierung geht vielmehr von einem Nebeneinander von zu
wählenden Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern aus. Eine bestimmte
Vorgehensweise zur Durchführung der Wahl, wie es der Kläger für zwingend hält,
findet damit in § 23 Abs. 1 HLPG keine gesetzliche Verankerung.
Soweit der Kläger darauf hinweist, dass in dem früheren Landesplanungsgesetz in
§ 6 Abs. 2 S. 2 geregelt war: „Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter zu wählen“,
hat sich der Gesetzgeber mit § 23 Abs. 1 HLPG von dieser Regelung
verabschiedet.
Aus einer Vergleichsbetrachtung mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen
Zusammenarbeit im Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main - BallrG -, welches u. a.
indirekte Wahlen in den Rat der Region (§ 4 BallrG) regelt, ergibt sich vielmehr,
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indirekte Wahlen in den Rat der Region (§ 4 BallrG) regelt, ergibt sich vielmehr,
dass das HLPG ein Wahlverfahren in der vom Kläger beschriebenen Weise nicht
vorgibt. Nach § 4 Abs. 3 S. 5 BallrG ist nämlich für jedes in den Rat der Region zu
wählende Mitglied ein stellvertretendes Mitglied zu wählen. Damit ist nach
Auffassung des Gerichts in dieser Vorschrift zum Ausdruck gebracht, dass jedem
Mitglied ein Stellvertreter zuzuordnen ist. Eine solche Formulierung ist im HLPG
nicht getroffen worden, was den Schluss nahe legt, dass eine eindeutige
Zuordnung i. S. einer persönlichen Stellvertretung durch eine Liste mit zu
wählenden Mitgliedern und ihnen zugeordneten Stellvertretern nicht gewollt war,
bzw. eher davon auszugehen ist, mit getrennten Listen in getrennten
Wahlverfahren zu wählen. Die Geschäftsordnung der Regionalversammlung
Südhessen - GeschO - in der Fassung vom 14.11.1997, geändert am 14.12.2001
(auf der Grundlage des § 23 Abs. 5 S. 1 HLPG) ist als vom Kläger angeführtes Indiz
für eine in seinem Sinne vorgeschlagene Handhabung des Wahlverfahrens nur
begrenzt aussagekräftig, zumal sie in der Normenrangfolge unter einer
landesgesetzlichen Regelung angesiedelt ist.§ 1 Abs. 2 S. 2 der GeschO hat
folgenden Wortlaut: „Bei Verhinderung an einer Sitzung der Regionalversammlung
ist die Vertreterin oder der Vertreter ... einzuladen“. Dieser Regelung ist nicht zu
entnehmen, dass der Vertreter die gleiche Parteizugehörigkeit wie das Mitglied
haben muss bzw. das Mandat in der Regionalversammlung durch das jeweilige
Mitglied und seinen Vertreter in der vom Kläger beschriebenen Weise nur durch
eindeutige Zuordnung der persönlichen Stellvertretung wahrgenommen werden
kann. An der Verwendung des bestimmten Artikels („... der Vertreter“) macht sich
keine persönliche Stellvertretung fest. Die Geschäftsordnung ist sinngemäß
dahingehend zu verstehen, dass der zuständige Vertreter zur Sitzung einzuladen
ist. Die vom Kläger weiter zitierte GeschO der Regionalversammlung Südhessen
vom 15.09.2006 (§ 1 Abs. 4 GeschO: „Scheidet ein Mitglied aus, so scheidet auch
dessen persönlicher Vertreter aus“.) war zum Zeitpunkt der hier maßgeblichen
Wahl am 12.05.2006 noch nicht in Kraft.
Soweit der Kläger rügt, aufgrund des durchgeführten Wahlverfahrens könnte an
bestimmten Tagen das Erfordernis zur Bildung einer Fraktion erfüllt sein und an
anderen Tagen, je nach Vertretungssituation, wieder nicht, worunter die
Arbeitsfähigkeit und der Bestand einer Fraktion leide, geht diese Argumentation
fehl. Gemäß § 2 Abs. 1 der GeschO können sich die Mitglieder zu einer Fraktion
zusammenschließen. Wird davon Gebrauch gemacht, ist der Fraktionsstatus
vorhanden, unabhängig davon, ob bei einer Sitzung der Regionalversammlung
eine Vertretungssituation gegeben ist oder nicht.
Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass in zwei Wahlvorgängen auf Grund
getrennter Vorschlagslisten gewählt wurde.
Ein Verstoß gegen § 55 Abs. 1 HGO, wonach, wenn mehrere, gleichartige,
unbesoldete Stellen zu besetzen sind, in einem Wahlgang nach den Grundsätzen
der Verhältnismäßigkeitswahl gewählt wird, ist nicht zu erkennen.
Vorliegend ist nämlich nur innerhalb der Gruppe der Mitglieder bzw. innerhalb der
Gruppe der Stellvertreter (vgl. zur Gleichwertigkeit der Stellvertreter des
Vorsitzenden der Gemeindevertretung; Kommunalverfassungsrecht,
Bennemann/Beinlich u. a., Kommentar, Band I, 1999, § 55 HGO, Rdnr. 28)
„Gleichartigkeit“ gegeben.
Die Gleichartigkeit der Stellen der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder ist zu
verneinen, da die Funktion und damit die Position von Mitglied und Stellvertreter
eine andere ist. Die Funktion des Stellvertreters ist nur auf eine vorübergehende
Vertretungssituation beschränkt, wohingegen dem gewählten Mitglied die
dauernde Mandatsausübung obliegt. Dass der gewählte Stellvertreter
vorübergehend inhaltlich die gleiche Arbeit wahrnimmt wie das gewählte Mitglied,
schafft keine Gleichartigkeit. Die Gleichartigkeit der Stellen ist auch deshalb zu
verneinen, weil eine dem § 34 KWG vergleichbare Norm, die das
Nachrückverfahren für die gewählten Vertreter (= Mitglieder und nicht
Stellvertreter) regelt, für die Stellvertreter nicht existiert. Für sie erscheint eine
solche Regelung auf Grund ihrer nur vorübergehenden Mandatsausübung
entbehrlich.
Vor diesem Hintergrund ist die Wahl in zwei Wahlvorgängen auf Grund getrennter
Listen rechtmäßig.
Es gibt auch keine zwingende gesetzliche Notwendigkeit, dass die Sitzverteilung
bei den Stellvertretern den der Mitglieder entsprechen muss in dem Sinne, dass
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bei den Stellvertretern den der Mitglieder entsprechen muss in dem Sinne, dass
das gewählte Mitglied nur von einem ihm zugeordneten Stellvertreter gleicher
Parteizugehörigkeit vertreten werden kann. Der Umstand unterschiedlicher
Parteizugehörigkeit ist nicht geeignet, einem Wahlbewerber einen persönlichen
Stellvertreter auf der Liste bereits zuzuordnen, zumal das Wahlverfahren
gesetzlich ein solches Vorgehen nicht vorgibt. Soweit nicht Normen zwingend ein
bestimmtes Handeln gebieten, stellt daher das Willkürverbot eine äußerste Grenze
des Handlungsspielraums dar, dies gilt auch für den Verfahrensgang (vgl. VG
Stuttgart, Urteil vom 17.07.2002 - 7 K 1220/02 - in juris). Dass der Beklagte bei der
Durchführung der Wahl willkürlich vorgegangen ist, ist nicht ansatzweise erkennbar.
Dass - wie vom Kläger vorgetragen - die Regionalversammlung zu jedem
Zeitpunkt ihres Zusammentretens, je nach Vertretungssituation, eine andere
Zusammensetzung haben könne, ist als Ausdruck des Wählerwillens zu
betrachten. Der Einfluss auf die Zusammensetzung der Regionalversammlung
relativiert sich ohnehin dadurch, dass der Beklagte nur eine unter mehreren
Vertretungskörperschaften darstellt, die Mitglieder und Stellvertreter in die
Regionalversammlung wählt.
Da das durchgeführte Wahlverfahren nicht fehlerhaft war, kommt es nicht mehr
auf die Frage an, ob es auf die konkrete Mandatsverteilung von Einfluss gewesen
ist.
Als Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Rechtstreits gemäß § 154 Abs. 1
VwGO zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da
dies nicht der Billigkeit entspricht (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO). Die
Beigeladenen haben sich nämlich einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt, da sie
keine eigenen Anträge gestellt haben. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.