Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 24.10.2005

VG Frankfurt: bundesamt für migration, widerruf, anerkennung, verwaltungsverfahren, ermessen, ergänzung, aufenthalt, alter, rücknahme, rechtsgrundlage

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 1931/05.A
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 73 AsylVfG, § 77 Abs 1
AsylVfG, § 26 Abs 3 AufenthG,
§ 60 Abs 1 AufenthG, § 51 Abs
1 AuslG
Mangels Ermessenserwägungen rechtswidriger Widerruf
eines Altfalles.
Leitsatz
Über den Widerruf der länger als 3 Jahre unanfechtbaren Feststellung eines
Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG a. F. hat das Bundesamt nach dem 1.
Januar 2005 nach Ermessen zu entscheiden (§ 73 Abs. 2 a AsylVfG).
Tenor
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 02. Juni 2005 wird
aufgehoben.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit,
geboren am 17. Februar 1971 in Jaffna, reiste am 05. Juni 1994 in die
Bundesrepublik Deutschland ein. Der Kläger stellte einen Asylantrag, der durch
Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 23.
Juni 1994 abgelehnt wurde. Ebenso wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen
des § 51 Abs. 1 AuslG a. F. und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG a. F.
nicht vorliegen. Nachdem der Kläger Klage erhoben hatte, verpflichtete das
Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg die Beklagte durch Gerichtsbescheid
vom 08. Februar 1995 unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des
Bundesamts, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
vorliegen, und wies die Klage im Übrigen ab. Mit Bescheid vom 04. April 1995 traf
das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die Feststellung zu
§ 51 Abs. 1 AuslG a. F. Mit Verfügung vom 01. Oktober 2004 leitete das
Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Bezug auf den Kläger
ein Widerrufsverfahren ein und teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 04.
Oktober 2004 mit. Der Kläger nahm mit Schriftsatz seiner
Prozessbevollmächtigten vom 06. Dezember 2004 zu der Widerrufsabsicht der
Beklagten Stellung und machte geltend, die Sachlage in seinem Heimatland habe
sich nicht in der gebotenen erheblichen Weise geändert.
Mit Bescheid vom 02. Juni 2005 widerrief das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a. F.
vorliegen. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1
AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG nicht vorliegen.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen im
angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Der Bescheid wurde als Einschreiben
am 03. Juni 2005 zur Post gegeben.
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Der Kläger hat am 16. Juni 2005 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er sein
Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren; wegen weiterer Einzelheiten wird auf
den Schriftsatz vom 22. September 2005 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 02. Juni 2005
aufzuheben, hilfsweise,die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des
Bescheids vom 02.06.2005 zu verpflichten festzustellen, dass in seiner Person die
Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungshindernisse nach §
60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid des
Bundesamts.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter allein
einverstanden erklärt.
Die Akten des den Kläger betreffenden Asylverfahrens sowie die Akten des
Widerrufsverfahrens wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht, ebenso die Erkenntnisquellen der Kammer, wie sie in der zuletzt
übersandten Erkenntnisquellenliste aufgeführt sind.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die genannten Unterlagen
sowie die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Berichterstatter allein (§ 87a
Abs. 2, 3 VwGO).
Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene
Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Bundesamt hat seine
Widerrufsentscheidung rechtsfehlerhaft allein auf der Grundlage von § 73 Abs. 1
AsylVfG getroffen, ohne die im Hinblick auf § 73 Abs. 2 a AsylVfG hier
erforderlichen Ermessenserwägungen angestellt zu haben.
Allerdings hat die Prüfung, ob die Anerkennung als Asylberechtigter und die
Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG a.
F. zu widerrufen sind, sich zunächst auf die in § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG genannten
Voraussetzungen zu erstrecken; diese Vorschrift ist nach wie vor maßgebliche
Rechtsgrundlage für einen Widerruf. § 73 AsylVfG ist jedoch in der seit dem In-
Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950) am
01. Januar 2005 geltenden Fassung anzuwenden. Das ergibt sich ohne weiteres
aus § 77 Abs. 1 AsylVfG, wonach das Gericht in Streitigkeiten nach diesem Gesetz
auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung
abzustellen hat. Mangels entsprechender Übergangsvorschriften hatte bereits das
Bundesamt im laufenden Widerrufsverfahren die neue Fassung der Vorschrift zu
berücksichtigen; denn neue verfahrensrechtliche Vorschriften gelten jedenfalls für
solche Verwaltungsverfahren, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser
Vorschriften noch nicht abgeschlossen sind, sodass die geänderte Fassung des §
73 AsylVfG für alle Verwaltungsverfahren maßgebend ist, in denen der
Widerrufsbescheid nach dem 01. Januar 2005 ergangen ist (vgl. auch HessVGH B.
v. 24. August 2005 - 7 UZ 1707/05.A m. w. N.; BayVGH, Beschluss vom 25. April
2005 - 21 ZP 05.30260; VG Köln, Urteil vom 10. Juni 2005 - 18 K 4074/04.A - Juris
m. w. N.). Die Anwendbarkeit der Vorschrift begegnet auch im Hinblick darauf
keinen Zweifeln, dass das Widerrufsverfahren hier bereits im Jahr 2004 und damit
vor dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Regelung eingeleitet wurde; denn die
das Widerrufsverfahren abschließende Entscheidung ist erst nach diesem
Zeitpunkt ergangen. Folglich hatte das Bundesamt die durch das
Zuwanderungsgesetz bewirkten verfahrensrechtlichen Neuerungen seit dem 01.
Januar 2005 in allen zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Verwaltungsverfahren
zu beachten, mithin auch in dem den Kläger betreffenden Verfahren.
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Zwar bezieht sich der ausdrückliche Wortlaut des § 73 Abs. 1 AsylVfG in der
geltenden Fassung nur auf die Anerkennung als Asylberechtigter sowie die
Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
Gleichwohl kann auf dieser Rechtsgrundlage auch - wie hier - die Feststellung
widerrufen werden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a. F.
vorliegen, obwohl diese Vorschrift am 01. Januar 2005 außer Kraft getreten ist.
Dies wird im Bescheid des Bundesamts zutreffend dargelegt; darauf wird Bezug
genommen (so auch VG Köln, a. a. O.; VG Karlsruhe, Urteil vom 10. März 2005 - A
2 K 12193/03 - Juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 17. Januar 2005 - 4 K 553/04.A -
Juris). Das Bundesamt hat darüber hinaus zutreffend berücksichtigt, dass für einen
Widerruf auf der Grundlage des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG neben dem
nachträglichen Wegfall der für die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs.
1 AuslG a. F. maßgeblichen Umstände zusätzlich auch festgestellt werden muss,
dass zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch die Voraussetzungen des mit
einem weiteren Anwendungsbereich versehenen § 60 Abs. 1 AufenthG nicht
vorliegen. Insoweit begegnet der angefochtene Bescheid rechtlichen Bedenken
nicht.
Darauf kommt es jedoch für die Entscheidung im Ergebnis nicht an. Der
Widerrufsbescheid erweist sich nämlich deswegen als rechtswidrig, weil seit dem
Eintritt der Bestandskraft der widerrufenen Entscheidung zu Gunsten des Klägers
mehr als drei Jahre vergangen sind und ein Widerruf aus diesem Grund im Hinblick
auf § 73 Abs. 2 a S. 2 AsylVfG nur noch im Wege einer Ermessensentscheidung im
Einzelfall hätte ausgesprochen werden dürfen, das Bundesamt jedoch keinerlei
Ermessenserwägungen angestellt hat.
Unmittelbar ergibt sich aus dem Wortlaut des § 73 Abs. 2 a AsylVfG allerdings nur,
dass das Bundesamt spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach
Unanfechtbarkeit der Asylentscheidung zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für
einen Widerruf nach Abs. 1 oder eine Rücknahme nach Abs. 2 vorliegen. Das
Ergebnis dieser Prüfung ist der Ausländerbehörde mitzuteilen. Nach § 73 Abs. 2 a
S. 3 AsylVfG steht sodann, wenn nach dieser Prüfung ein Widerruf oder eine
Rücknahme nicht erfolgt ist, eine spätere Entscheidung nach Abs. 1 oder Abs. 2 im
Ermessen des Bundesamts.
Hingegen bezieht sich § 73 Abs. 2 a AsylVfG nicht ausdrücklich auf die Fälle, in
denen - wie hier - die in der Vorschrift erwähnte Prüfung nicht stattgefunden hat,
weil eine solche Prüfung nach alter Rechtslage nicht ausdrücklich vorgesehen war.
Eine Regelung für diese Fälle trifft das AsylVfG auch nicht an anderer Stelle.
Insofern liegt nach Auffassung der Kammer eine planwidrige Regelungslücke vor;
denn der Gesetzgeber hat andererseits durch § 77 Abs. 1 AsylVfG klar und ohne
jede Einschränkung zum Ausdruck gebracht, dass § 73 Abs. 2 a AsylVfG in dieser
Fassung anzuwenden ist. Diese Regelungslücke kann nach Auffassung der
Kammer nur im Weg einer analogen Anwendung des § 73 Abs. 2 a AsylVfG in
diesen Fällen geschlossen werden. Dafür spricht nicht nur die Überlegung, dass es
als evident sach- und gleichheitswidrig erschiene, in allen Fällen, in denen die
Prüfung nach Abs. 2 a nach Maßgabe der alten Rechtslage nicht stattgefunden
hat, die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit einer Ermessensentscheidung
über einen etwaigen Widerruf um weitere 3 Jahre bis zu der dann nach Abs. 2 a
erforderlich werdenden Prüfung durch das Bundesamt aufzuschieben
(befürwortend offenbar BayVGH, Urteile vom 10. Mai 2005 - 23 B 05.30217 - und
vom 30. Mai 2005 - 23 B 05.30189), obwohl im Einzelfall weit mehr als 3 Jahre nach
dem Eintritt der Bestandskraft der zu widerrufenden Bescheide vergangen sein
können und im Fall des Klägers auch vergangen sind. Vielmehr entspricht in diesen
Fällen allein eine entsprechende Anwendung des § 73 Abs. 2 a AsylVfG den mit der
Einfügung dieser Regelung verfolgten Intentionen des Gesetzgebers (so auch VG
Köln a. a. O.). Rechtsfolge einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift ist,
dass nach Ablauf von drei Jahren nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der
Ausgangsentscheidung auch unabhängig von der Durchführung der in Abs. 2 a
vorgesehenen Prüfung ein Widerruf nur noch im Weg einer
Ermessensentscheidung möglich ist. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgenden
Erwägungen:
Der Gesetzgeber wollte mit seiner Neuregelung und der Einführung einer
obligatorischen Prüfpflicht nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit einer
asylrechtlichen Entscheidung den Vorschriften über den Widerruf, die in der Praxis
weitgehend leergelaufen seien, mehr Bedeutung verleihen (so die Begründung der
Bundesregierung, BT-Drucksache 15/420 vom 07. Februar 2003, S. 112). Daneben
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Bundesregierung, BT-Drucksache 15/420 vom 07. Februar 2003, S. 112). Daneben
trägt die in § 73 Abs. 2 a AsylVfG aufgenommene 3-Jahres-Frist jedoch auch dem
Umstand Rechnung, dass Asylberechtigten und anderen Personen, die die
Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen, nach Ablauf von drei Jahren
eine Niederlassungserlaubnis erteilt wird, sofern das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge nicht mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung
entfallen sind (§ 26 Abs. 3 AufenthG). Auch diese Regelung wurde durch das
Zuwanderungsgesetz eingeführt und trat zum 01. Januar 2005 in Kraft. Den von
diesen Bestimmungen betroffenen Personen sollte mit der gesetzlichen
Gesamtregelung eine Perspektive für eine dauerhafte Lebensplanung in
Deutschland eröffnet werden (so die Begründung der Bundesregierung, a. a. O., S.
80). Die 3-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2 a AsylVfG verfolgt mithin auch den Zweck,
zu einer Verfestigung der aufenthaltsrechtlichen Stellung der betroffenen
Asylberechtigten schon nach Ablauf von drei Jahren beizutragen, wenn die
materiellen Voraussetzungen für einen Widerruf der asylrechtlichen Entscheidung
bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorliegen. § 26 Abs. 3 AufenthG knüpft diese
Perspektive der Betroffenen jedoch nicht an die Prüfpflicht des Bundesamts und
ihre Erfüllung, sondern verleiht den betroffenen Asylberechtigten ganz unabhängig
davon sogar einen Anspruch auf Erteilung der Niederlassungserlaubnis, der
notfalls auch im Klageweg durchgesetzt werden kann. Dieser durch § 26 Abs. 3
AufenthG seit dem 01. Januar 2005 begründeten Rechtsstellung der
Asylberechtigten wäre in Altfällen nicht hinreichend Rechnung getragen, wollte
man § 73 Abs. 2 a AsylVfG für diese Fälle nur dahin verstehen, dass die Vorschrift
lediglich die Prüfpflicht des Bundesamts statuierte mit der Folge, dass
Entscheidungen über einen Widerruf erst nach Ablauf von weiteren drei Jahren seit
dem 1. Januar 2005 im Ermessen des Bundesamts stehen könnten, in allen
Widerrufsverfahren, die vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden oder werden,
ein Widerruf hingegen wie schon nach alter Rechtslage generell nur als gebundene
Entscheidung ergehen könnte. Im Hinblick auf die mit dem Zuwanderungsgesetz
verfolgten Ziele erscheint vielmehr allein eine entsprechende Anwendung der
Vorschrift dahingehend sachgerecht, dass auch im Fall von asylrechtlichen
Entscheidungen, die bereits zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des § 73 Abs. 2 a
AsylVfG seit drei Jahren oder länger unanfechtbar waren, ein Widerruf unabhängig
von einer vorgängigen Prüfung durch das Bundesamt lediglich im Ermessensweg
erfolgen kann (so ausdrücklich auch VG Köln, a. a. O.).
Dafür spricht auch, dass die Regelung in § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG unverändert
erhalten geblieben ist. Danach ist unverzüglich nach Vorliegen der
entsprechenden Voraussetzungen ein Widerruf der Asylberechtigung oder der
Feststellung eines Abschiebungsverbots vorzunehmen. Es bestand also schon für
die Altfälle ein Gebot der möglichst raschen Entscheidung zum Status von
Asylberechtigten. Zwar begründete dieses Gebot keine subjektiven Rechte der
Betroffenen, sondern statuierte nur eine objektive Rechtspflicht der Behörde. Die
Einfügung des Abs. 2 a in § 73 AsylVfG verleiht nun dieser immer schon
bestehenden Verpflichtung des Bundesamts auch eine subjektivrechtliche
Komponente, indem schon nach Ablauf von drei Jahren ein Widerruf lediglich unter
Beachtung der Regelung zur Betätigung pflichtgemäßen Ermessens ermöglicht
wird. Damit wird ein ansonsten berechtigter Widerruf zugunsten des durch einen
längeren Aufenthalt in Deutschland gekennzeichneten Asylberechtigten zusätzlich
erschwert; denn unter dieser zeitlichen Voraussetzung muss das Bundesamt bei
seiner Entscheidung trotz Wegfalls der Voraussetzungen für den Fortbestand der
Asylberechtigung auch die für einen weiteren Aufenthalt des Asylberechtigten in
Deutschland sprechenden Belange in die Entscheidung einbeziehen, selbst wenn
sie nicht das Niveau der Unzumutbarkeit im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG
erreichen.
Würde man § 73 Abs. 2 a AsylVfG auf Fälle wie denjenigen des Klägers nicht
anwenden, würde dies zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung
im Vergleich mit denjenigen führen, die ihre Asylanerkennung erst nach dem 1.
Januar 2005 erhalten. Bei ihnen würde schon ein dreijähriger Bestand der
Asylanerkennung zur relativen Verfestigung ihres Aufenthaltsstatus führen, auch
wenn die Voraussetzungen für den Fortbestand der Asylanerkennung als solche
nicht mehr vorliegen sollten. Demgegenüber müssten Asylberechtigte, die für
einen weit längeren Zeitraum als drei Jahre unangefochten - und trotz des
Unverzüglichkeitsgebots in § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG - den Status eines
Asylberechtigten innehatten - gleiches gilt hier für die rechtlich gleichwertige
Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG a. F. -, nochmals
weitere drei Jahre warten, bis sie den Schutz der Ermessensregelung des § 73 Abs.
2 a S. 3 AsylVfG erlangen könnten. Ein hinreichender sachlicher Grund für eine
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2 a S. 3 AsylVfG erlangen könnten. Ein hinreichender sachlicher Grund für eine
derartige Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich, insbesondere nicht im Hinblick
auf das unverändert gebliebene Unverzüglichkeitsgebot des § 73 Abs. 1 S. 1
AsylVfG.
Das Bundesamt durfte sich daher hier aufgrund des langjährigen Fortbestands der
Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a. F. zugunsten des
Klägers nicht damit begnügen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 Abs. 1
AsylVfG festzustellen. Vielmehr hatte es darüber hinaus auch nach Ermessen über
die Frage zu entscheiden, ob der Ausgangsbescheid im Fall des Klägers widerrufen
werden soll oder nicht. An derartigen Ermessenserwägungen fehlt es hier. Das
Bundesamt hat seine Entscheidung ausschließlich auf Erwägungen zu § 73 Abs. 1
AsylVfG gestützt und nicht einmal im Ansatz erkennen lassen, dass dem Widerruf
seiner ursprünglichen Entscheidung noch weitere Ermessenserwägungen zugrunde
liegen. Der Widerrufsbescheid leidet folglich an einem Ermessensdefizit und ist
bereits aus diesem Grund als rechtswidrig anzusehen. Eine Ergänzung des
Widerrufsbescheids um Ermessenserwägungen, die sonst im Hinblick auf § 114
VwGO grundsätzlich möglich ist, kommt hier im Hinblick auf das Fehlen jeglicher
Ermessenserwägungen nicht in Betracht.
Da der Widerrufsbescheid schon wegen des dargelegten Ermessensdefizits
rechtswidrig ist, kommt es für die Entscheidung nicht mehr auf die Frage an, ob die
materiellen Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG in der
geltenden Fassung gegenüber der früheren Gesetzesfassung verschärft worden
sind (so VG Köln, a. a. O.) und der Widerrufsbescheid diesem strengeren Maßstab
für einen Widerruf genügt. Weitere Erwägungen hierzu erübrigen sich
infolgedessen.
Als unterliegende Beteiligte hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen
(§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.