Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 30.01.2007
VG Frankfurt: sicherstellung, herausgabe, verfassungskonforme auslegung, öffentliche sicherheit, polizei, straftat, bekanntgabe, verfügung, ausführung, beschlagnahme
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Gericht:
VG Frankfurt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 E 2957/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 8 SOG HE, § 40 Nr 4 SOG
HE, § 43 VwVfG HE, § 94 StPO,
§ 101 Abs 2 VwGO
Verlangen auf Herausgabe einer sichergestellten
Winkerkelle.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
noch festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Herausgabe einer Winkerkelle mit der Aufschrift
„Halt Polizei“ / „Straße frei“ an den Kläger.
Am 18. Juni 2003 fand in Frankfurt am Main eine Fahrzeug- und Personenkontrolle
statt, in deren Verlauf gegen 7:35 Uhr in dem vom Kläger geführten Pkw eine
Winkerkelle mit der Aufschrift „Halt Polizei“ / „Straße frei“ vorgefunden wurde. Da
der Verdacht deren Diebstahls bestand und der Kläger vor Ort keinerlei Angaben
machte, wurde er festgenommen, auf die Dienststelle verbracht und nach
weiteren Aufklärungen gegen 9:10 Uhr entlassen. Die Winkerkelle wurde in
Verwahrung genommen, gegen den Kläger Ermittlungen wegen des Verdachts
deren Diebstahls eingeleitet. Im Zuge der Ermittlungen wurde festgestellt, dass
der Kläger die Winkerkelle von seinem früheren Arbeitgeber, der Firma P-GmbH,
übergeben bekommen hatte (vgl. Blatt 38, 39, 44 bis 46 der beigezogenen
Behördenakten - BA). Durch Verfügung vom 5. Juli 2004 (Blatt 49 BA) stellte die
Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main die Ermittlungen nach § 170 Abs. 2 StPO ein;
hiervon erhielt der Kläger durch Mitteilung an seine früheren Bevollmächtigten
Kenntnis.
Am 23. September 2004 wandte sich der Kläger telefonisch an die
Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main und verlangte die Herausgabe der
Winkerkelle (vgl. Gesprächsvermerk Blatt 53 BA). Schriftsätzlich wurde ein
Herausgabeverlangen durch seine nunmehrige Bevollmächtigte mit an die
Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main gerichtetem Schreiben vom 15. Dezember
2004 gestellt (Blatt 66 der Akten).Durch einen Vermerk vom 11. Februar 2005
(Blatt 69 BA) dokumentierte das Polizeipräsidium Frankfurt am Main eine
Sicherstellung nach § 40 Nr. 4 HSOG; sie wurde der nunmehrigen
Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 14. März 2005 mitgeteilt (vgl.
Blatt 73 BA). Mit Schreiben vom 19. März 2005 (Blatt 75 BA) ließ der Kläger
nochmals die Herausgabe der Winkerkelle verlangen und setzte hierzu eine Frist
bis zum 29. März 2005. Nach deren Verstreichen beantragte die Bevollmächtigte
des Klägers beim Amtsgericht Frankfurt am Main mit Schriftsatz vom 13. Juni 2005
eine richterliche Entscheidung (Blatt 84 f. BA). Per Telefax wurde der
Bevollmächtigten des Klägers am 1. August 2005 nach ihrem Bekunden, indes
nicht aktenkundig vermerkt, der „Nachweis über sichergestellte / beschlagnahmte
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nicht aktenkundig vermerkt, der „Nachweis über sichergestellte / beschlagnahmte
Gegenstände“ (Blatt 81 d.A.) mitgeteilt, demzufolge es sich um eine
Polizeirechtssache handele und die Polizei-Winkerkelle am 10. Juni 2005
sichergestellt worden sei. Durch Beschluss vom 22. September 2005 - 653 Js
29865/05-931 Gs - (Blatt 58 d.A.) hob das Amtsgericht Frankfurt am Main die
Beschlagnahme der sichergestellten Winkerkelle auf und führte zur Begründung
an, der sichergestellte Gegenstand werde weder als Beweismittel benötigt noch sei
ersichtlich, wie er nach den Vorschriften des Hessischen Gesetzes über die
öffentliche Sicherheit und Ordnung eingezogen werden solle. Auf die Beschwerde
der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Frankfurt am Main hob das Amtsgericht
Frankfurt am Main durch Beschluss vom 21. Oktober 2005 (Blatt 60 d.A.) seinen
Beschluss vom 22. September 2005 auf und führte zur Begründung an, es sei für
die begehrte Herausgabe der sichergestellten Polizei-Anhaltekelle nicht zuständig,
da die Sicherstellung der Gefahrenabwehr gedient habe und somit zur
Durchsetzung von Ansprüchen des Klägers der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei.
Durch Verfügung vom 26. September 2005 (Blatt 91 bis 93 BA) teilte das
Polizeipräsidium Frankfurt am Main der Bevollmächtigten des Klägers mit, dass es
die Vernichtung der am 18. Juni 2003 sichergestellten Polizei-Anhaltekelle anordne.
Gegen diese Verfügung ließ der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom
2. Oktober 2005 Widerspruch einlegen (Blatt 96 BA). Über das Polizeipräsidium
Westpfalz wurde der Bevollmächtigten des Klägers Akteneinsicht gewährt. Auf den
Antrag des Klägers vom 28. November 2005 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt
am Main durch Beschluss vom 31. Januar 2006 - 5 G 5089/05(V) - die Aufhebung
der Vollziehung der Sicherstellung der am 18. Juni 2003 beschlagnahmten Polizei-
Anhaltekelle angeordnet. Dieser Beschluss ist durch Beschluss des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 5. April 2006 - 11 TG 551/06 - abgeändert und der
Antrag in vollem Umfang abgelehnt worden; in den Gründen hat der Hessische
Verwaltungsgerichtshof u.a. angemerkt, alles dafür spreche, dass die
Sicherstellung der Polizei-Winkerkelle nach § 40 Nr. 4 HSOG rechtmäßig erfolgt sei,
da der sichergestellte Gegenstand offensichtlich zur Begehung einer Straftat nach
§ 132 StGB gebraucht werden solle. Durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2006
(Blatt 107 bis 112 BA = Blatt 9 bis 14 d.A.) wies das Polizeipräsidium Frankfurt am
Main den Widerspruch des Klägers zurück. Bekannt gegeben wurde der
Widerspruchsbescheid dem Kläger im Wege der Zustellung an seine
Bevollmächtigte gegen Empfangsbekenntnis am 17. Juli 2006 (Blatt 114 BA).Am 1.
August 2006 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit
Klageschrift vom 28. Juli 2006 Klage erhoben. Zu deren Begründung bestreitet er
die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs und macht im Wesentlichen geltend, die
angeführte Sicherstellung sei nichtig, da die Winkerkelle bereits am 18. Juni 2003
beschlagnahmt worden sei; jedenfalls sei sie aber rechtswidrig, denn den
Widerspruchsbescheid habe dieselbe Behörde erlassen, die die Sicherstellung
verfügt habe und für die Annahme, der Kläger wolle eine Amtsanmaßung begehen,
sei nichts ersichtlich.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
1. das Verfahren an das Amtsgericht Frankfurt am Main zu verweisen,
2. hilfsweise festzustellen, dass die Beschlagnahmeverfügung vom 10. Juni
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2006 nichtig ist,
3. ganz hilfsweise, die Beschlagnahmeverfügung vom 10. Juni 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2006 aufzuheben, die Beklagte zu
verurteilen, den sichergestellten Gegenstand unverzüglich an den Kläger
herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt der Beklagte u.a. an, dass das Polizeipräsidium Frankfurt
am Main zum Erlass des Widerspruchsbescheids nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
VwGO zuständig gewesen sei; der Kläger unterscheide nicht genügend zwischen
der Beschlagnahme nach den §§ 94 ff. StPO, die sich mit der Einstellung des
Strafverfahrens erledigt habe, und der präventiven Sicherstellung nach § 40 Nr. 4
HSOG, von der er spätestens aufgrund der Anhörung über seine Bevollmächtigte
durch Schreiben vom 12. August 2005 Kenntnis erlangt habe; auch lägen die
materiellen Voraussetzungen einer solchen Sicherstellung vor.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22. August 2006 (Blatt
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Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22. August 2006 (Blatt
24 d.A.) auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer
Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt. Ebenso hat der
Beklagte mit seiner Klageerwiderung vom 13. September 2006 auf mündliche
Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden
einverstanden erklärt (Blatt 35 d.A.).Durch Beschluss des Vorsitzenden vom 20.
Dezember 2006 hat das Gericht den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt.
Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2007 (Blatt 84 d.A.) hat der Kläger und mit
Schriftsatz vom 28. Dezember 2006 (Blatt 81 = 82 d.A.) hat der Beklagte erklärt,
dass das Einverständnis einer Entscheidung durch den Vorsitzenden fortbestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Behördenakten des
Polizeipräsidiums Frankfurt am Main (Blatt 1 bis Blatt 114) sowie der erledigten
Gerichtsakten 5 G 5089/05(V), Verwaltungsgericht Frankfurt am Main / 11 TG
551/06, Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Bezug genommen, der Gegenstand
der Entscheidungsfindung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann nach § 87a Abs. 2, § 101 Abs. 2 VwGO durch den Vorsitzenden
ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis
damit erklärt haben. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen (I.), wobei der
Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (II.), hinsichtlich derer das Urteil für
vorläufig vollstreckbar zu erklären ist (III.), ohne dass die Berufung hiergegen
zuzulassen wäre (IV.).
I.
Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen, weil dem Kläger der geltend
gemachte, letztlich auf Herausgabe der Winkerkelle gerichtete Anspruch, über den
das angerufene Verwaltungsgericht zu entscheiden hat (1.), nicht zusteht. Weder
ist die unter dem 11. Februar 2005 angeordnete Sicherstellung der Winkerkelle
nichtig (2.), noch erweist sich im Ergebnis diese Sicherstellung als rechtswidrig, so
dass ihre Herausgabe an den Kläger nicht in Betracht kommt (3.).
1. Zur Entscheidung über das klägerische Begehren ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1
VwGO der Verwaltungsrechtsweg aus den im Beschluss vom 20. Dezember 2006
genannten Gründen eröffnet. Die vorrangig beantragte Verweisung des
Rechtsstreits an das Amtsgericht Frankfurt am Main ist somit ausgeschlossen.
2. Die angeordnete Sicherstellung der Winkerkelle ist nicht nach § 44 HVwVfG
nichtig. Zunächst liegt der vom Kläger angeführte Nichtigkeitsgrund des § 44 Abs.
2 Nr. 4 HVwVfG, die tatsächliche Unmöglichkeit einer Ausführung der
Sicherstellung, nicht vor. Im zur Nr. 2 angeführten Hilfsantrag trennt der Kläger
nicht hinreichend zwischen der repressiven Beschlagnahme der Winkerkelle nach
den §§ 94 ff. StPO am 18. Juni 2003 wegen Verdachts deren Diebstahls und der
später - jedenfalls nicht ersichtlich gleichzeitig, wie im Schreiben des
Polizeipräsidiums Frankfurt am Main vom 12. August 2005 an die Bevollmächtigte
des Klägers behauptet (vgl. Blatt 87 BA) - erfolgten präventiven Sicherstellung
nach § 40 Nr. 4 HSOG zur Abwehr einer drohenden Straftat der Amtsanmaßung (§
132 StGB) durch deren Gebrauchmachens. Beide Maßnahmen schließen sich vor
allem dann, wenn sie, wie hier, nicht gleichzeitig, sondern nacheinander erfolgen,
nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich, da sie unterschiedliche
Zielsetzungen verfolgen. So hätte, wäre die Winkerkelle wirklich gestohlen worden,
in einem Strafverfahren ihr Verfall oder ihre Einziehung angeordnet werden
können; da der Kläger diese Winkerkelle jedoch legal erworben hatte, schied mit
der Einstellung des Ermittlungsverfahrens diese Möglichkeit aus und hätte die
Winkerkelle an sich an ihn zurückgegeben werden müssen. Zur Abwehr dieser
Rückgabe erfolgte sodann durch einen selbständigen Hoheitsakt, der hier unter
dem 11. Februar 2005 vermerkt wurde (Blatt 69 BA), die Sicherstellung zur
Verhinderung der Begehung einer Straftat aufgrund der landesrechtlichen
Eingriffsermächtigung des § 40 Nr. 4 HSOG. Gegen dieses Vorgehen ist prinzipiell
nichts zu erinnern; es jedenfalls wirksam möglich. Andere Nichtigkeitsgründe des §
44 Abs. 2 HVwVfG oder gar eine Nichtigkeit nach der Evidenzregel des § 44 Abs. 1
HVwVfG sind nicht ersichtlich.
3. Bei der präventiven Sicherstellung, für die - als Maßnahme zur Verhütung zu
erwartender Straftaten - der Beklagte mit seinen Polizeibehörden nach § 1 Abs. 4
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erwartender Straftaten - der Beklagte mit seinen Polizeibehörden nach § 1 Abs. 4
HSOG sachlich zuständig ist, traten zwar Verfahrensfehler auf, doch wurden diese
geheilt (a) und sind die materiellen Voraussetzungen des § 40 Nr. 4 HSOG
gegeben (b), so dass die begehrte Herausgabe der Winkerkelle an den Kläger nicht
in Betracht kommt (c).
a) Im Verfahren der Sicherstellung traten Fehler dadurch auf, dass die
Sicherstellung zwar unter dem 11. Februar 2005 aktenkundig vermerkt wurde (vgl.
Blatt 69 BA), es aber mit ihrer unmittelbaren Ausführung nicht sein Bewenden
haben konnte, sondern hier die Sicherstellung zu ihrer Wirksamkeit einer
Bekanntgabe an den Kläger bedurft hätte. Dass zunächst nicht in aller Klarheit und
Deutlichkeit so verfahren wurde, dürfte auch zu den Missverständnissen
beigetragen haben, die zum Antrag auf richterliche Entscheidung beim
Amtsgericht Frankfurt am Main und letztlich der Notwendigkeit einer
Vorabentscheidung über die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs geführt hatten.
Bei der präventiven Sicherstellung nach § 40 HSOG handelt es sich grundsätzlich
um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 HVwVfG, der so zu seinem
Wirksamwerden nach § 43 Abs. 1 HVwVfG bekanntzugeben ist. Selbst wenn aus
Gründen der Abwesenheit eines Pflichtigen zunächst eine Sicherstellung im Wege
der unmittelbaren Ausführung erfolgen sollte, verlangt doch § 8 Abs. 1 Satz 2
HSOG eine unverzügliche Unterrichtung der betroffenen Person; ist bis dahin keine
inhaltliche Erledigung der Maßnahme eingetreten, stellt sich diese Unterrichtung
verfahrenstechnisch als Bekanntgabe dar. Eine Bekanntgabe der Sicherstellung ist
hier indes spätestens durch das Schreiben des Polizeipräsidiums Frankfurt am
Main vom 12. August 2005 an die Bevollmächtigte des Klägers (Blatt 87 f. BA)
erfolgt, denn in diesem Schreiben wird der eindeutige Wille zum Ausdruck
gebracht, unabhängig von der Einstellung des Ermittlungsverfahrens aus
präventiven Gründen die Winkerkelle in Verwahrung zu halten und sie einer
Verwertung nach den §§ 42 f. HSOG zuzuführen. Die nach § 28 Abs. 1 HVwVfG
erforderliche Anhörung des Klägers als Gelegenheit, sich zu den tatsächlichen
Grundlagen der Sicherstellung zu äußern, kann mit der über das Polizeipräsidium
Westpfalz ermöglichten Akteneinsicht als gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 HVwVfG
nachgeholt angesehen werden.
b) Die Voraussetzungen für eine Sicherstellung der Winkerkelle nach § 40 Nr. 4
HSOG liegen vor; auch sind Ermessensfehler nicht ersichtlich.
Nach § 40 Nr. 4 HSOG können Polizeibehörden eine Sache sicherstellen, wenn
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zur Begehung
einer Straftat gebraucht oder verwertet werden soll. „Tatsächliche Anhaltspunkte“
rechtfertigen die Annahme, wenn es nach polizeilicher Erfahrung als möglich
erscheint, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und hierfür bestimmte Indizien
sprechen (vgl. Nr. 13.1.1 Satz 2 VVHSOG, StAnz. 3/2005 S. 218; Meixner/Fredrich,
HSOG, 10. Aufl. - 2005, § 40 Rdnr. 11); eines sicheren Nachweises bedarf es mithin
nicht. Zwar ist der Besitz einer Winkerkelle mit der hier fraglichen Aufschrift als
solcher nicht verboten, doch ist eine Verwendung ebendieser Kelle faktisch
ausgeschlossen, denn mit ihr wird notwendig der Eindruck erweckt, ein
Polizeivollzugsbeamter treffe regelnde Anordnungen. Polizeivollzugsbeamter ist
der Kläger indes nicht. Das Mitsichführen dieser Kelle in einem Kfz lässt auch
keinen Besitz aus bloßer Liebhaberei annehmen, sondern es aus aller
Lebenserfahrung naheliegen, von ihr solle im Straßenverkehr Gebrauch gemacht
werden. Selbst wenn man wegen der tatbestandlichen Vorverlegung der
Eingriffsschwelle eine verfassungskonforme Auslegung des § 40 Nr. 4 HSOG
forderte (vgl. Hornmann, HSOG, 1997, § 40 Rdnr. 21), wäre damit eine hinreichend
konkretisierte und aktualisierte Gefahr der Verwirklichung einer Amtsanmaßung als
Vergehen nach § 132 StGB zu bejahen. Auf der Rechtsfolgenseite ist die
angeordnete Sicherstellung erforderlich, geeignet und angemessen, um ein
Gebrauchmachen der Winkerkelle zu verhindern. Dass andere, ebenso geeignete
Maßnahmen bestanden hätten, von denen ermessensfehlerhaft kein Gebrauch
gemacht worden sei, ist weder vorgebracht worden noch sonst ersichtlich.
c) Da die Sicherstellung der Winkerkelle zu recht erfolgt ist, steht dem Kläger kein
Folgenbeseitigungsanspruch i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf deren
Herausgabe zu, wie er mit klageerweiterndem Antrag im Schriftsatz vom 6.
Oktober 2006 geltend gemacht worden ist.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen, weil
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Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen, weil
er unterlegen ist.
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Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 i.V.m. § 167
Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.IV.
Gründe, aus denen nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Berufung zuzulassen
wäre, sind nicht gegeben.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 71,- Euro festgesetzt.
Gründe
Für die nach § 52 Abs. 1 GKG maßgebliche Bedeutung der Sache für den Kläger ist
der Wert der Winkerkelle anzusetzen. Dieser ist nach dem durch die Rechnung der
Firma B-Service vom 27. Januar 2000 (Blatt 39 BA) belegten Einkaufspreis von
netto 120,- DM zzgl. 16% USt (138,20 DM = 70,66 Euro) gerundet auf 71,- Euro
festzusetzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.