Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 17.11.2004

VG Frankfurt: bundesamt, ermittlung des sachverhaltes, verwaltungsakt, rücknahme, ermessen, krankenversicherung, beitrag, vertrauensschutz, verrechnung, vollstreckung

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 3961/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 48 VwVfG
Leitsatz
1. Eine geringfügige Beschäftigung i.S.d. Anpassungsgeldrichtlinien liegt vor, wenn ein
nur gelegentliches und nicht vorhersehbares Überschreiten der Arbeitsentgeltgrenzen
(325,-- EUR/Monat) vorliegt, wobei als gelegentlich ein Zeitraum von bis zu zwei
Monaten innerhalb eines Jahres anzusehen ist.
2. Das BAFA beurteilt in ständiger Verwaltungspraxis das Überschreiten der
Geringfügigkeitsgrenze von mehr als zwei Monaten dadurch, dass es nach
Bekanntwerden einer Überschreitung in einem Monat bzw. in zwei Monaten eine
Betrachtung der zurückliegenden zwölf Monate anstellt, um zu beurteilen, ob ein
weiterer (dritter) Monat hinzukommt. Diese Praxis begegnet keinen rechtlichen
Bedenken.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger stellte unter dem 31.10.2002, beim Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle eingegangen am 23.10.2002, einen Antrag auf Gewährung von
Anpassungsgeld nach den Richtlinien über die Gewährung von Anpassungsgeld an
Arbeitnehmer des Steinkohlebergbaus vom 17.06.1999) Bundesanzeiger Nr. 126
vom 10.07.1999). Auf den Inhalt dieses Antrages wird Bezug genommen. Bereits
zuvor hatte der Kläger dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit
Schreiben vom 04.10.2002 mitgeteilt, dass er eine geringfügige Beschäftigung auf
325,-Euro-Basis mache. Die wöchentliche Arbeitszeit betrage weniger als 15
Stunden. Diese Tätigkeit werden ausgeübt bei der ... GmbH, Duisburg.
Im November bzw. Dezember 2002 erhielt das Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle von der Firma ... Nachweise, aus denen sich ergab, dass der
Kläger im Monat November 2002 ein Einkommen erzielt hatte, das über 325,- Euro
lag (Gesamtbrutto 440,83 Euro/steuerpflichtiges Brutto 337,63 Euro, Bl. 34 der
Behördenakte). Im Januar erhielt das Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle von der Firma ... Unterlagen, aus denen sich ergab, dass der
Kläger im Dezember 2002 ein Einkommen erzielt hatte, das den Betrag von 325,-
Euro überstieg (Gesamtbrutto 433,16 Euro/ steuerpflichtiges Brutto 329,12 Euro,
Bl. 37 der Behördenakte).
Unter dem 12.02.2003 erging ein vorläufiger Bescheid über die Gewährung von
Anpassungsgeld, nachdem dem Kläger ab dem 01.11.2002 Anpassungsgeld in
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Anpassungsgeld, nachdem dem Kläger ab dem 01.11.2002 Anpassungsgeld in
Höhe von 865,67 Euro gewährt werde. Der Betrag von 865,67 Euro für die Zeit
vom 01.11.2002 bis 30.11.2002 werde vorerst einbehalten werden. Auf die
Begründung dieses Bescheides wird Bezug genommen. Für den Dezember 2002
kam es sodann zur Auszahlung des Anpassungsgeldes in Höhe von 865,67 Euro.
Unter dem 26.02.2003 kam es zu dem endgültigen Bescheid über die Gewährung
von Anpassungsgeld, wonach ab 01.11.2002 1.054,97 Euro Anpassungsgeld zu
zahlen sind. Ferner stellte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in
diesem Bescheid fest, dass für die Zeit vom 01.11.2002 bis 31.01.2003 ein Betrag
von 676,37 Euro überzahlt sei. Dieser Betrag ergibt sich aus der Abrechnung für
die Monate November 2002 bis Januar 2003 nach Blatt 49 der Behördenakte.
Unter dem 24.02.2003 erließt das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
einen Teilrücknahme- und Rückzahlungsbescheid, wonach die Entscheidung über
die ungekürzte Zahlung von Anpassungsgeld in der Zeit vom 01.11.2002 bis zum
31.12.2002 zurückgenommen werde. Das zu unrecht gezahlte Anpassungsgeld in
Höhe von 676,37 Euro werde zurückgefordert. Da der Kläger in der Zeit vom
01.11.2002 bis zum 31.12.2002 ein Einkommen von über 325,- Euro erzielt habe,
liege eine mehr als geringfügige Beschäftigung im Sinne von Nr. 5.7 der APG-
Richtlinien vor und die Anpassungsgeldzahlung sei in dieser Zeit um 100 Prozent
zu kürzen. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Das
eingeräumte Ermessen sei entsprechend der Richtlinien auszuüben. Ferner könne
für die genannte Zeit vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle der
Beitrag zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung
sowie der hälftige Beitrag zur Sozial- und Pflegeversicherung nicht übernommen
werden, weil der Kläger aufgrund der mehr als geringfügigen Beschäftigung in der
Krankenversicherung Pflicht zu versichern sei. Die Zustellung dieser Verfügung
erfolgte am 28.02.2003.
Mit Schriftsatz vom 11.03.2003, dem Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle zugegangen am 12.03.2003, legte der Kläger Widerspruch ein.
Dem Kläger stehe für die Zeit vom 01.11.2002 bis zum 31.12.2002 die ungekürzte
Zahlung von Anpassungsgeld zu. Weder der Bescheid vom 23.12.2002 (gemeint
ist wahrscheinlich der Bescheid vom 12.02.2003) noch der Bescheid vom
26.02.2003 enthielten Hinweise auf eventuelle Hinzuverdienstbeschränkungen.
Gleiches gelte für den Antrag auf Gewährung von Anpassungsgeld. Die sich in
diesem Antrag befindliche Mitteilungspflicht betreffend die Aufnahme einer
Beschäftigung (auch einer geringfügigen) sei der Kläger unaufgefordert
nachgekommen (Schreiben des Klägers vom 04.10.2002 an das Bundesamt).
Während im November kein Anpassungsgeld überwiesen worden sei, sei im
Dezember wieder eine Überweisung erfolgt. In der Annahme, dass im Januar 2003
alles entsprechend verrechnet werde, habe der Kläger am 20.01.2003 ein
Telefonat mit einem Bediensteten des Bundesamtes geführt. Wegen des Inhalts
dieses Telefonats wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 17.04.2003 Bezug
genommen. Der Kläger habe nach alledem davon ausgehen dürfen, dass eine
geringfügige Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze zu keiner Minderung seines
Anpassungsgeldbezuges führe. Nach den dem Kläger bekannten Richtlinien vom
13.10.1994 habe er zumindest nur mit einer höchstens sechzigprozentigen
Kürzung seines Anpassungsgeldbezuges rechnen dürfen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2003 wies das Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle den Widerspruch vom 11.03.2003 zurück. Der Kläger habe in 4
Monaten die Geringfügigkeitsgrenze von 325,- Euro pro Monat überschritten, unter
anderem im November und Dezember 2002, so dass von einer mehr als
geringfügigen Beschäftigung im Sinne der Nr. 5.7 der Richtlinien auszugehen sei.
Dies bewirke die Rechtswidrigkeit des das Anpassungsgeld gewährenden
Bescheides vom 12.02.2003. § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz eröffne dem
Bundesamt das Ermessen zur Rücknahme. Dem Kläger sei auch kein
schutzwürdiges Vertrauen einzuräumen. Dies wird näher dargelegt, worauf Bezug
zu nehmen ist. Die Rückforderung beruhe auf § 49a Abs. 12 VwVfG. Der
Widerspruchsbescheid wurde als Übergabeeinschreiben 05.08.2003 zur Post
gegeben.
Mit Schriftsatz vom 12.08.2003, dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
zugegangen am 15.08.2003, hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein
Begehren weiter verfolgt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist er auf die
Widerspruchsbegründung vom 17.04.2003. Das Überschreiten der
Geringfügigkeitsgrenze in den Monaten Januar bis Oktober 2002 dürfe nicht mit
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Geringfügigkeitsgrenze in den Monaten Januar bis Oktober 2002 dürfe nicht mit
einbezogen werden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
05.08.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den
Inhalt der vorgelegten Behördenakte (1 Band) Bezug genommen. Ferner wird
Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlungen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig aber
unbegründet. Der Teilrücknahme- und Rückzahlungsbescheid vom 24.02.2003 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2003 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des Bescheides vom 12.02.2003
über die Gewährung von Anpassungsgeld ist § 48 Abs. 1 und 2 VwVfG des Bundes.
Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar
geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die
Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der wie vorliegend,
ein Recht oder einen rechtlichen erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat
(begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter der Einschränkung der Absätze 2
- 4 zurückgenommen werden. Gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG kann ein rechtswidriger
Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung gewährt, nicht
zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des
Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem
öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 48 Abs. 2 S.
3 VwVfG kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn er unter
anderem den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig waren.
Der ursprüngliche Bescheid über die vorläufige Bewilligung von Anpassungsgeld
vom 12.02.2003 in der Gestalt des endgültigen Bescheides vom 26.02.2003 ist
rechtswidrig soweit hierin ein ungekürztes Anpassungsgeld für die Monate
November und Dezember 2002 festgesetzt worden ist. Die in den Richtlinien über
die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohlebergbaus
vom 17.06.1999 geregelten Voraussetzungen der Ziffer 5.7 (Wegfall der Zahlung
des Anpassungsgeldes), wie sie ihre Ausprägung in der Verwaltungspraxis der
Beklagten gefunden haben, liegen vor.
Zunächst ist festzustellen, dass es einen Rechtsanspruch auf Gewährung des
Anpassungsgeldes nicht gibt. Vielmehr handelt es sich bei dem Anpassungsgeld,
das nach Maßgabe der Richtlinien über die Gewährung von Anpassungsgeld an
Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus gewährt werden kann, um eine staatliche
Zuwendung, die zwar nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes zulässig ist, nicht
aber auf einem Gesetz beruht, welches dem Kläger einen subjektiven Anspruch
zubilligt. Allerdings darf die Verteilung der öffentlichen Gelder nicht willkürlich
erfolgen. Vielmehr ist dabei der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten.
Dieser Grundsatz ist gewahrt, wenn die Verteilung des Anpassungsgeldes nach
einheitlichen, für alle gleichen Maßstäbe erfolgt. Die Maßstäbe hat der
Bundesminister für Wirtschaft in den Richtlinien über die Gewährung von
Anpassungsgeld festgeschrieben.
Nummer 5.7 der Richtlinien bestimmt folgendes:
"Nimmt der Anpassungsgeldempfänger eine mehr als geringfügige Beschäftigung
... auf, entfällt die Zahlung des Anpassungsgelds für die Dauer dieser
Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit zu 100%, der grundsätzliche Anspruch
bleibt davon für den Zeitraum der Gewährung unberührt. Eine geringfügige
Beschäftigung liegt vor, wenn:
a) die Beschäftigung laufend oder in regelmäßiger Wiederkehr gegen Entgelt oder
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a) die Beschäftigung laufend oder in regelmäßiger Wiederkehr gegen Entgelt oder
ein Arbeitseinkommen ausgeübt wird, das durchschnittlich im Monat die nach § 8
Abs. 1 Nr. 1 des IV. Buches Sozialgesetzbuch geltende Geringfügigkeitsgrenze
nicht überschreitet ..."
Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage ist zunächst darauf zu
verweisen, dass das erkennende Gericht eine Entscheidung der Beklagten nur
daraufhin überprüft, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung
nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, § 114 VwGO. Dies wäre der
Fall, wenn die Entscheidung der Beklagten gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößen
würde. Dies ist aber nicht der Fall.
Das erkennende Gericht kann zunächst einmal nicht beanstanden, dass das
Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in seiner Verwaltungspraxis bei der
Anwendung von Ziffer 5.7 der Anpassungsgeldrichtlinien davon ausgeht, dass eine
mehr als geringfügige Beschäftigung dann vorliegt, wenn die
Geringfügigkeitsgrenze von 325,- Euro in einem Jahr in mehr als 2 Monaten
überschritten wird bzw. unter Bezugnahme auf die Hinweise zur
Versicherungsfreiheit des Betriebsdienstes der Bundesknappschaft (Stand:
01.01.2001) davon ausgeht, dass eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, wenn
ein nur gelegentliches und nicht vorhersehbares Erreichen bzw. Überschreiten der
Zeit- oder Arbeitsentgeltgrenzen vorliegt und als gelegentlich dabei ein Zeitraum
bis zu 2 Monaten innerhalb eines Jahres anzusehen ist (vgl. Ziffer 4.1 der Hinweise
zur Versicherungsfreiheit des Betriebsdienstes der Bundesknappschaft). Das
erkennende Gericht kann ferner nicht beanstanden, dass das Bundesamt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung am
17.11.2004 dargelegt, in ständiger Verwaltungspraxis das Vorliegen einer
Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von mehr als zwei Monaten dadurch
beurteilt, dass es nach Bekanntwerden einer Überschreitung der
Geringfügigkeitsgrenze eine Betrachtung der zurückliegenden 12 Monate anstellt,
um zu beurteilen, ob zu einer Überschreitung in einem Monat bzw. wie hier zu
Überschreitungen in zwei Monaten weitere Monate hinzutreten, in denen die
Geringfügigkeitsgrenze gleichfalls überschritten wurde. Lediglich in einem Fall, in
dem bei Bekanntwerden der Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze feststeht,
dass der Anpassungsgeldempfänger zuvor keinerlei Tätigkeit ausgeübt hat, geht
die Betrachtung der Beklagten zwecks Beurteilung des Überschreitens der
Geringfügigkeitsgrenze von mehr als zwei Monaten in die Zukunft. Der Umstand,
dass diese Verwaltungspraxis nur schwer mit dem Wortlaut der Ziff. 5.7 der
Richtlinien zu vereinbaren ist, erweist sich hingegen als unerheblich. Die Frage, ob
bei der Gewährung des Anpassungsgeldes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen
wurde, entscheidet sich nicht danach, ob mit der Gewährung gegen die Richtlinien
verstoßen wurde, sondern ausschließlich danach, ob bei der Gewährung gegen die
dauernde Verwaltungspraxis verstoßen wurde (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil v.
23.04.2003, 3 C 25/02, NVwZ 2003, S. 1384).
Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nach § 48 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 VwVfG nicht
berufen, da er den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher
Beziehung unrichtig oder unvollständig waren. Fehlerhaft in diesem Sinne sind alle
Angaben, die auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen und wegen ihrer
Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit zu einer rechtswidrigen Entscheidung geführt
haben. Hiervon ist vorliegend auszugehen.
Mit Schreiben vom 04.10.2002 ist der Kläger seinen Mitteilungspflichten gemäß
der Anlage 1 zum Antrag auf Gewährung von Anpassungsgeld nachgekommen,
worin er sich verpflichtet hatte, dem Bundesamt unaufgefordert und unverzüglich
mitzuteilen, die Aufnahme einer Beschäftigung (auch einer geringfügigen) und
alles sonstigen Umstände, die den Anspruch auf Leistungen nach den Richtlinien
mindern oder ausschließen können. Gerade mit dem Schreiben vom 04.10.2002
brachte der Kläger jedoch um Ausdruck, dass er eine geringfügige Beschäftigung
aufgenommen hat und dies "auf 325,00 Euro-Basis". Hiermit brachte der Kläger
eindeutig zum Ausdruck, dass die aufgenommene Beschäftigung unterhalb der
Grenze von 325,00 Euro liegt. Da dies im Jahre 2002 in vier Monaten, darunter im
November und Dezember 2002 unrichtige Angaben im oben genannten Sinne
gemacht wurden. Auf ein Verschulden des Klägers kommt es insoweit nicht an.
Der Wegfall des Vertrauensschutzes nach § 48 Abs.2 S. 3 Nr. 2 VwVfG stellte keine
Sanktion für schuldhaftes Verhalten dar, sondern geht von der
selbstverständlichen Verantwortung eines jeden Verfahrensbeteiligten bei der
Ermittlung des Sachverhaltes aus. Auch der Umstand, dass die Überschreitung
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Ermittlung des Sachverhaltes aus. Auch der Umstand, dass die Überschreitung
der Grenze nur wenige Euro ausgemacht hat, ist unerheblich, da auch eine geringe
Überschreitung einer Grenze eine Überschreitung darstellt. Aus dem vom Kläger
selbst genannten Betrag von 325,00 Euro wird überdies deutlich, dass dem Kläger
diese Grenze bewusst war und er hierauf nicht etwa gesondert hätte hingewiesen
werden müssen. Vorliegend konnte der Kläger zum einen aus den Richtlinien
selbst, aber auch aus der von ihm unterschriebenen Erklärung (Anlage 1 zum
Antrag) entnehmen, dass er verpflichtet war, der Beklagten Überschreitungen der
Grenze von 325,00 Euro anzuzeigen. Ferner wird aus dem Widerspruchsschreiben
vom 17.04.2003 deutlich, dass der Kläger selbst davon ausging, dass "im Januar
2003 alles entsprechend verrechnet wird". Dass die entsprechende Verrechnung
dann letztlich erst im Februar 2003 erfolgte kann jedenfalls kein Vertrauen
erwachsen lassen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht etwa aus dem vom Kläger
geführten Telefonat am 20.01.2003. Dieses Telefonat mag, wie vom Kläger
vorgetragen, unhöflich geführt worden sein, der vorgetragene Inhalt erbringt aber
jedenfalls keine Zusicherung, dass es nicht mehr zu einer entsprechenden
Verrechnung kommen werde. Ferner kann sich der Kläger nicht etwa auf die
Richtlinien aus 1994 berufen, da mittlerweile seit geraumer Zeit die Richtlinien aus
1999 einschlägig sind.
Es besteht kein Grund, im vorliegenden Fall das Ermessen nicht zugunsten der
Rücknahme auszuüben.
Die Beklagte hat den Kläger auch zu Recht aufgefordert, das überzahlte
Anpassungsgeld zu erstatten. Ermächtigungsgrundlage für dieses Verlangen ist §
49 a Abs. 1 S. 1 VwVfG. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten,
soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen
worden ist. Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung (Bl. 49 bzw. 97 der
Behördenakte) ist nachvollziehbar und setzt den zurückzufordernden Betrag in
Höhe von 676,37 Euro zu Recht fest.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen, da er unterlegen ist, § 154
Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.