Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 08.05.2003

VG Frankfurt: politische verfolgung, unrichtige angabe, aufschiebende wirkung, persönliche anhörung, anerkennung, bundesamt, asylverfahren, befragung, reisepass, abweisung

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Gericht:
VG Frankfurt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 G 2148/03.AF
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 18a AsylVfG, § 30 AsylVfG, §
46 VwVfG, Art 16a Abs 1 GG
Fehlerhafte Wertung der Gültigkeit eines Reisepasses
Leitsatz
Im Verfahren nach § 18 a AsylVfG kommt der fehlerhaften Annahme der Grenzbehörde,
ein vorgelegter Reisepass sei ungültig, nach Durchführung des Asylverfahrens keine
Relevanz mehr zu.
Tenor
Der Antrag auf Gestattung der Einreise wird abgelehnt.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des
Antragstellers gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes
wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er landete am 21.04.2003
aus Lagos kommend auf dem Flughafen Frankfurt am Main. vor dem Weiterflug
nach London wurde bei dem Dokumentencheck der vom Antragsteller vorgelegte
britische Reisepass als Fälschung erkannt. Bei seiner anschließenden Befragung
gab sich der Antragsteller als Asylsuchender zu erkennen und legte einen
nigerianischen Reisepass vor, der vom Grenzschutzbeamten zunächst für echt
erachtet worden war, aber zu einem späteren Zeitpunkt - bei der Pass-Ticket-
Befragung - davon abweichend für falsch erachtet wurde, weil das unrichtig
widergegebene Geburtsdatum des Antragstellers eine Falschbeurkundung
darstelle.
Der Antragsteller hält sich seitdem auf dem Flughafengelände im Transitbereich
auf.
Der Antragsteller wurde am 22.04.2003 zu seinem Einreisebegehren durch das
Grenzschutzamt Frankfurt am Main angehört und einer Pass-Ticket-Befragung
unterzogen. Wegen der dabei gemachten Angaben wird auf den Inhalt der
Niederschriften (Bl. 22 ff BA; Bl. 29 ff BA) Bezug genommen.
Am 24.04.2003 stellte der Antragsteller beim Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und
wurde hierzu gleichfalls am 24.04.2003 angehört. Wegen der dabei gemachten
Angaben wird auf den Inhalt des Anhörungsprotokolls (Bl. 58 ff BA) verwiesen.
Mit Bescheid vom 25.04.2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Mit
Verfügung vom 28.04.2003 verweigerte das Grenzschutzamt Frankfurt am Main
daraufhin dem Antragsteller die Einreise. Beide Bescheide wurden dem
Antragsteller am 28.04.2003 bekannt gegeben.
Der Antragsteller hat am 02.05.2003 um vorläufigen Rechtsschutz gegen die
Einreiseverweigerung und den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes
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Einreiseverweigerung und den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes
nachgesucht und am selben Tag Klage erhoben, die unter dem Az.: 3 E
2150/03.AF(1) geführt wird.
Den Eilantrag hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom
05. Mai 2003 damit begründet, dass nach dem gesetzgeberischen Willen das
Verfahren nach § 18 a AsylVfG auf Ausländer beschränkt sein solle, die nicht über
gültige Dokumente verfügten und deren Identitätsdokumente nicht nur
vermeintlich gefälscht seien. Aufgrund dessen sei das Asylbegehren des
Antragstellers, der sich mit seinem gültigen nigerianischen Originalpass habe
ausweisen können, nicht in § 18 a-Verfahren durchzuführen, sondern ihm sei
vielmehr die Einreise zu gestatten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die
einschlägige Behördenakte verwiesen.
II. Der Eilantrag ist zulässig, soweit der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz
gegen die Verweigerung der Einreise durch das Grenzschutzamt Frankfurt am
Main begehrt.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Auch wenn das Gericht davon ausgeht,
dass bei dem Antragsteller das Verfahren nach § 18 a AsylVfG zu Unrecht
durchgeführt worden ist, weil die von der zuständigen Behörde zu verantwortende
unrichtige Angabe des Geburtsdatums des Antragstellers die Gültigkeit des von
ihm bei der Asylnachsuche vorgelegten nigerianischen Reisepasses nicht berührt,
kommt der fehlerhaften Wertung der Gültigkeit des Reisepasses nach der
Durchführung des Asylverfahrens keine rechtliche Relevanz mehr zu. Ist das
Asylverfahren - wie hier - durchgeführt worden, kommt es für die Entscheidung
über die Gestattung der Einreise alleine darauf an, ob eine qualifizierte Ablehnung
des Asylantrages als offensichtlich unbegründet vorliegt und diese zu Recht oder
Unrecht erfolgt ist. Wegen der inzwischen erfolgten Durchführung des
Asylverfahrens ist der Gesichtspunkt der Gültigkeit der Grenzübertrittspapiere, der
nur für die Frage entscheidungserheblich ist, ob das Asylverfahren vor oder nach
der Einreise durchzuführen ist, rechtlich nicht mehr bedeutsam. Auch für den Fall,
dass man die fehlerhafte Annahme eines gefälschten Passes als Verfahrensfehler
wertet, könnte daraus der Antragsteller nichts zu seinen Gunsten herleiten, wenn
im Asylverfahren eine andere Entscheidung in der Sache im Sinne des § 46 VwVfG
nicht hätte ergehen können (vgl. z. B. VG Frankfurt am Main, Beschluss vom
30.11.1995 - 12 G 50564/95.A(V); Beschluss vom 23.02.1999 - 14 G
50142/99.A(V)). Hier wäre bei der gebundenen Entscheidung über den Asylantrag
auch bei Annahme der Gültigkeit des vorgelegten Passdokumentes inhaltlich keine
andere Entscheidung als die qualifizierte Ablehnung in Betracht gekommen.
Eine "offensichtliche" Unbegründetheit des Asylantrages im Sinne des § 18 a Abs.
2 i. V. m. § 30 AsylVfG liegt nur dann vor, wenn vernünftige Zweifel an der
Erfolglosigkeit des Asylantrages ausgeschlossen sind. Dies hat zur Folge, dass der
Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bereits dann Erfolg haben
muss, wenn der Asylantrag nicht offensichtlich, sondern nur "schlicht" unbegründet
erscheint.
Wegen der weitreichenden Wirkungen aufenthaltsbeendender Maßnahmen und der
Schwierigkeit, Verwaltungsverfahren aus dem Ausland zu führen, der humanitären
Grundintention des Artikels 16 a GG sowie der aus Artikel 19 Abs. 4 GG
hergeleiteten verfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes darf ein
Asylantrag - auch unter Berücksichtigung der durch § § 18 a Abs. 4 Satz 4 i. V. m.
36 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG, Artikel 16 a Abs. 4 GG gesetzten Prüfungsmaßstäbe -
nur dann als offensichtlich unbegründet angesehen werden, wenn der
zugrundeliegende Sachverhalt erforscht ist und die tatsächlichen Feststellungen
auch nach den dem Gericht sonst bekannten Umständen abschließend geklärt
erscheinen, so dass weitere Ermittlungen und/oder eine Überprüfung der
Glaubwürdigkeit des Antragstellers durch eine nochmalige persönliche Anhörung
nicht erforderlich sind. Insoweit ist die Frage der offensichtlichen Unbegründetheit
des Asylantrages erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit nur für das
Eilverfahren zu klären und insoweit über eine lediglich summarische Prüfung
hinauszugehen (BVerfG, Beschluss vom 21.02.1992 - InfAuslR 1992, 149 (151)
m.w.N.). Denn wegen der einschneidenden Folgen, die Entscheidung im Hinblick
auf das noch nicht unanfechtbar abgeschlossene Asylverfahren hat, darf das
hierfür erforderliche Maß an Richtigkeitsgewissheit jedenfalls nicht hinter den
Anforderungen zurückbleiben, die an die Abweisung einer Klage als offensichtlich
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Anforderungen zurückbleiben, die an die Abweisung einer Klage als offensichtlich
unbegründet zu stellen sind.
In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Ablehnung des Asylantrages
des Antragstellers durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet von
Rechts wegen nicht zu beanstanden ist.
Dem Antragsteller, der seine Anerkennung als Asylberechtigter erstrebt, obliegt
die Aufgabe, die in seiner Person vorliegenden Gründe für eine politische
Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss unter Angabe genauer
Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als
wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische
Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, so dass ihm nicht
zuzumuten ist, in sein Herkunfts- oder Aufenthaltsland zurückzukehren.
Bei individuell konkretisierten Beeinträchtigungen - wie hier -kommt eine
Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet dann in Frage, wenn etwa die
im Einzelfall geltend gemacht Gefährdung den von Art. 16 a Abs. 1 GG
vorausgesetzten Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht, die behauptete
Verfolgungsgefahr auf nachweislich gefälschten oder widersprüchlichen
Beweismitteln beruht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als
unglaubwürdig erweist (BVerfG, Beschluss vom 9.8.1994 - 2 BvR 2831/93 -,
BVerfGE 65, 76 (97)).
Das Vorbringen des Antragstellers ist offensichtlich nicht geeignet, eine
asylrelevante Verfolgung zu begründen.
Dass die vom Antragsteller als Angehöriger der Itsekiri befürchteten übergriffe
durch die Ijaws offensichtlich nicht die Voraussetzungen politischer Verfolgung im
Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG erfüllt, weil solche Verfolgungsmaßnahmen Dritter
dem - hier nigerianischen - Staat als dessen eigene - mittelbar staatliche -
politische Verfolgung nicht zuzurechnen ist, hat das Bundesamt in dem
angefochtenen Bescheid ausführlich und zutreffend (S. 4 bis 6 des Bescheides)
dargelegt, so dass zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen darauf
Bezug genommen werden kann, § 77 Abs. 2 AsylVfG.
Anhaltspunkte dafür, dass alleine die Asylantragstellung im Bundesgebiet bei einer
Rückkehr des Antragstellers in sein Heimatland zu politischen
Verfolgungsmaßnahmen führt, liegen nicht vor.
Nach den vorstehenden Ausführungen liegen auch die Voraussetzungen des § 51
Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vor.
Dass schließlich im Falle des Antragstellers keine Abschiebungshindernisse nach §
53 AuslG bestehen, ist in dem angefochtenen Bescheid vom 25.04.2003 ebenfalls
zutreffend dargelegt, so dass auch darauf Bezug genommen werden kann.
Der darüber hinaus gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen
die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge getroffene
Abschiebungsandrohung anzuordnen, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses
unzulässig. Diese Androhung erfolgt gem. § 18 Abs. 2 AsylVfG lediglich vorsorglich
für den Fall der Einreise. Eine Einreise wird vorliegend aber gerade nicht gestattet,
so dass Rechtswirkungen von angegriffenen Verfügungen nicht ausgehen.
Als unterliegender Beteiligter hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu
tragen, § 154 Abs. 1 VwGO, wobei das Verfahren gerichtskostenfrei ist, § 83 b
AsylVfG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.