Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 07.11.2006

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Gericht:
VG Frankfurt 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 E 2449/05.A
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 60 Abs 7 AufenthG
Abschiebungsschutzlage bei erforderlicher
Parkinsontherapie in Pakistan.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der am ....1944 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger. Nach
erfolglos durchgeführtem Asylverfahren erstrebt er erneut Abschiebungsschutz
aus gesundheitlichen Gründen, was das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
ihm mit Bescheid vom 14.07.2005 versagte. Nach der ärztlichen Bescheinigung
der Nervenärztin Dr. A vom 06.01.2005 ist vor ca. drei bis vier Jahren beim Kläger
die Diagnose eines Morbus Parkinson gestellt worden. Wegen der Einzelheiten wird
auf den ärztlichen Bericht vom 06.01.2005, der sich den beigezogenen Akten der
Beklagten befindet, Bezug genommen. Nach einem Schreiben der behandelnden
Nervenärztin an den Bevollmächtigten des Klägers vom 10.06.2005 befindet sich
die Erkrankung in einem fortgeschrittenen Stadium (Stadium III - IV). Unter dem
17.02.2006 schrieb die Nervenärztin, der Kläger erhalte zur Behandlung seiner
Erkrankung folgende Medikamente: Cabaseril 2 ng-2 Tabl./Tag, Wirkstoff:
Cabergolin, Levodopa 100/25 - 3 Tabl./Tag, Wirkstoff: L-Dopa, Levodopa ret. - 1
Tabl./Tag, Wirkstoff: L-Dopa, Selegelin 10 ng - 1 Tabl./Tag, Wirkstoff: Selegelin,
Parkinsan 10 ng - 3 Tabl./Tag, Wirkstoff: Budipin. Auf die gerichtliche Anfrage beim
Auswärtigen Amt, ob die genannten Medikamente bzw. Medikamente mit gleichen
Wirkstoffen in Pakistan erhältlich seien, hat das Auswärtige Amt unter dem
15.06.2006 eine Stellungnahme der in Pakistan tätigen Internistin Dr. med. B vom
21.05.2006 übersandt. Hiernach sind die Medikamente mit dem Wirkstoff
Cabergolin und Budipin in Pakistan nicht erhältlich. Aufgeworfen wird jedoch die
Frage, ob Äquivalenzpräparate zum Beispiel Bromcriptin 2.5 ng/ 30 Tabl. oder
Procyclidine, Pergolide zum Einsatz kommen könnten, oder eine stereotaktische
Thalamotomie durchgeführt werden könnte. Das Gericht hat zu der Frage, ob die
Medikamente Cabaseril mit dem Wirkstoff Cabergolin und Parkinsan mit dem
Wirkstoff Budipin durch Äquivalenzpräparate zum Beispiel Bromcriptin oder durch
Procyclidine, Pergolide ersetzt werden können, zu welchen Folgen eine solche
Ersetzung führt, ob eine stereotaktische Thalamotomie beim Kläger durchgeführt
werden könnte, welchen Erfolg eine solche Behandlung verspräche und zu welcher
Änderung der notwendigen Medikation dies führte, Beweis erhoben durch die
Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der
Beweiserhebung wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. C,
Facharzt für Neurologie, Chefarzt der neurologischen Klinik am Klinikum D vom
20.09.2006 Bezug genommen.
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Zur Begründung seiner Klage vom 01.08.2005 gegen den am 18.07.2005
zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
14.07.2005 trägt der Kläger vor, wenn er das Medikament Budipin auslasse,
komme es zu einem verstärkten Tremor, das habe er selbst erprobt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.07.2005 zu verpflichten
festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG
vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Akte des
Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Sache kann gem. § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter
entschieden werden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 2
bis 7 AufenthG vermag das Gericht nicht zu erkennen. Anhaltspunkte dafür, dass
für den Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan die konkrete Gefahr besteht, der
Folter unterworfen zu werden (§ 60 Abs. 2 AufenthG) hat der Kläger weder
vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Gleiches gilt für das
Abschiebungshindernis des § 60 Abs. 3 AufenthG, der Gefahr der Todesstrafe und
für die Unzulässigkeit der Abschiebung nach der Konvention vom 04.11.1950 zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (§ 60 Abs. 5 AufenthG). Die vom
Kläger allein angeführte Beeinträchtigung seiner Gesundheit bei einer Abschiebung
nach Pakistan führt nicht zu einer erheblichen konkreten Gefahr für sein Leib und
sein Leben i. S. v. § 60 Abs. 7 AufenthG. Die Behandlung der Parkinsonerkrankung
des Klägers in Pakistan ist möglich. Nach Auskunft der in Pakistan tätigen
Internisten Dr. med. B vom 21.05.2006, die das Auswärtige Amt unter dem
15.06.2006 übersandt hat, sind Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff wie die
dem Kläger verschriebenen Medikamente Levodopa und Selegelin in Pakistan
erhältlich, nämlich Madopar und Jumalline oder Jumex. Anstelle des in Pakistan
nicht erhältlichen Medikaments Cabaseril mit dem Wirkstoff Cabergolin können
nach dem Gutachten von Prof. Dr. C Bromocriptin oder Pergolid, die nach der
Auskunft von Frau Dr. B in Pakistan erhältlich sind, eingesetzt werden. Alleine für
das dem Kläger rezeptierte Medikament Parkinsan mit dem Wirkstoff Budipin ist in
Pakistan kein Äquivalenzpräparat erhältlich. Dies führt aber nicht zu einer
erheblichen Gefahr für Leib und Leben des Klägers. Budipin gehört nach dem
Gutachten von Prof. Dr. C nicht zu den unverzichtbaren Substanzen in der
Parkinsontherapie und gehört zu den Mitteln zweiter Wahl insbesondere beim
Symptom Tremor. Es ist nicht ersichtlich, dass Medikamente erster Wahl
hinsichtlich der Beeinflussung eines c beeinträchtigenden Zitterns beim Kläger
versagen würden. Die demnach in Pakistan mögliche Behandlung seiner Parkinson
Erkrankung ist für den Kläger dort auch erreichbar. Er hat keine substantiierten
Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die hierfür notwendigen Medikamente für
ihn nicht finanzierbar wären oder ernsthaft längere Versorgungslücken hinsichtlich
der Medikamente in Pakistan zu befürchten sind. Schließlich bestehen auch keine
hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger aufgrund seines Alters und
seiner Erkrankung ein Leben in Pakistan nicht möglich wäre. Er ist weder
gebrechlich noch pflegebedürftig. Sollte es tatsächlich zu einer Beeinträchtigung
der Selbstversorgung aufgrund eines verstärkten Tremors kommen, ist der Kläger
auf den Beistand seiner in Pakistan lebenden Familienangehörigen zu verweisen.
Nach seinen Angaben bei der Anhörung durch das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge leben noch seine Frau und sein Sohn in
Pakistan.
Die Kosten des Verfahrens hat gem. § 154 Abs. 1 VwGO der Kläger zu tragen, da
er unterliegt.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO
i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.