Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 24.06.2010

VG Frankfurt: vwvg, zwangsgeld, auskunft, geschäftstätigkeit, abgabe, verfügung, haftbefehl, zahlungsunfähigkeit, dokumentation, ersatzvornahme

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 N 1143/10.F
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 16 VwVG
(Ersatzzwangshaft bei Uneinbringlichkeit eines
Zwangsgeldes zur Durchsetzung von Auskunfts- und
Vorlagepflichten)
Leitsatz
Die Anordnung der Ersatzzwangshaft von sieben Tagen bei Uneinbringlichkeit eines
Zwangsgeldes wegen Zahlungsunfähigkeit zur Durchsetzung
finanzdienstleistungsaufsichtlicher Auskunfts- und Vorlagepflichten ist angemessen.
Tenor
1. Zur Erzwingung der Erteilung von Auskünften über die von ihm angebotenen
bzw. durchgeführten Vermittlungsgeschäfte im Zusammenhang mit der in der
Gewerbeanmeldung angegebenen Geschäftstätigkeit „Vermittlung von
Altersvorsorge“ und zur Erzwingung der Vorlage sämtlicher in diesem
Zusammenhang stehenden Geschäftsunterlagen wird gegen den
Vollstreckungsschuldner Ersatzzwangshaft von sieben Tagen angeordnet.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I
Die Antragstellerin hat den Antragsgegner mit Verfügung vom 08.09.2008 ersucht,
Angehörigen der Deutschen Bundesbank sämtliche Geschäftsunterlagen
vorzulegen, die die von ihm angebotenen bzw. durchgeführten
Vermittlungsgeschäfte („Vermittlung von Altersvorsorge“) betreffen oder mit
diesen im Zusammenhang stehen, und über seine Geschäftsangelegenheiten
Auskunft zu geben. In den Gründen des Bescheides ist ausgeführt, dass der
Antragsgegner in seiner Gewerbeanmeldung als Geschäftstätigkeit u.a. die
Vermittlung von Altersvorsorge genannt habe. Dabei könne es sich
möglicherweise um erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen handeln, für die er
keine Erlaubnis besitze. Um den Sachverhalt aufzuklären, habe die Deutsche
Bundesbank den Antragsgegner mehrfach um Auskunft und Vorlage der
Geschäftsunterlagen gegeben, ohne dass er reagiert habe. Für den Fall, dass der
Antragsgegner dem Auskunfts- und Vorlageersuchen nicht oder nicht vollständig
innerhalb von zwei Wochen ab dem von der Deutschen Bundesbank noch bekannt
zu gebenden Termin nachkommen sollte, drohte ihm die Antragstellerin ein
Zwangsgeld in Höhe von 25.000 EUR an. In den Gründen wies sie darauf hin, dass
das Verwaltungsgericht nach § 16 VwVG auf Antrag Ersatzzwangshaft anordnen
könne, wenn ein festgesetztes Zwangsgeld uneinbringlich sein sollte. Für das
Auskunfts- und Vorlageersuchen ordnete sie den Sofortvollzug an.
Die Deutsche Bundesbank teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom
25.11.2008 mit, dass das Auskunfts- und Vorlageersuchen am 05.11.2008 um
10:00 Uhr durchgeführt werden solle. Als die Bediensteten der Deutschen
Bundesbank an der Wohnung des Antragsgegners erschienen, war dieser jedoch
nicht anwesend. Er setzte sich auch nicht in anderer Weise mit den beteiligten
Behörden in Verbindung.
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Darauf setzte die Antragstellerin mit Bescheid vom 19.12.2008 das Zwangsgeld in
Höhe von 25.000,00 EUR fest. Der Bescheid wurde dem Antragsgegner gegen
Zustellungsurkunde am 23.12.2008 zugestellt. Eine Zahlung erfolgte nicht. Die
Antragstellerin betrieb darauf die Zwangsvollstreckung.
Das Hauptzollamt B. – Vollstreckungsstelle – teilte der Antragstellerin mit
Schreiben vom 01.03.2010 mit, dass die Pfändung des Antragsgegners fruchtlos
verlaufen sei. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen seien aussichtslos. Von der
Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung werde abgesehen, weil die
wirtschaftlichen Verhältnisse schlüssig dargelegt worden seien und sich keine
Zweifel an den Angaben des Antragsgegners ergäben.
Am 10.05.2010 hat die Antragstellerin die Anordnung der Ersatzzwangshaft gegen
den Antragsgegner beantragt. Das Gericht hat dem Antragsgegner mit Schreiben
vom 10.05.2010 das Doppel des Antrags übersandt und ihm Gelegenheit zur
Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen gegeben. Es erfolgte jedoch keinerlei
Reaktion. Mit Schreiben vom 31.05.2010, zugestellt mit Zustellungsurkunde am
04.06.2010 hat das Gericht den Antragsgegner erneut und letztmalig aufgefordert,
binnen zwei Wochen gegenüber dem Gericht nachzuweisen, dass er der Auskunfts-
und Vorklagepflicht nachgekommen ist. Auch hierauf erfolgte keine Reaktion.
II
Die Anordnung der Ersatzzwangshaft beruht auf § 16 VwVG. Das
Verwaltungsgericht Frankfurt am Main ist örtlich zuständig (§§ 80 Abs. 5 S. 1, 123
Abs. 2 VwGO analog; Engelhardt/App/Schlatmann, Verwaltungs-
Vollstreckungsgesetz 8. Aufl. München 2008 § 16 Rn 6).
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (§ 3 VwVG) liegen vor. Der
Bescheid vom 19.12.2008 ist insbesondere ordnungsgemäß zugestellt. Er ist auch
vollziehbar, da er inzwischen bestandskräftig geworden ist. Das festgesetzte
Zwangsgeld ist ausweislich der Nachricht der Vollstreckungsstelle des
Hauptzollamtes B. uneinbringlich. Die vorherige Erzwingung der Abgabe einer
eidesstattlichen Offenbarungsversicherung ist nach Maßgabe der
bundesrechtlichen Regelungen nicht erforderlich. Der Antragsgegner ist zu dem
Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der Ersatzzwangshaft dadurch angehört
worden, dass ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.
Es gibt auch kein milderes Mittel zur Erzwingung des Auskunfts- und
Vorlageersuchens, da es insoweit um unvertretbare Handlungen geht. Das
Auskunftsersuchen bezieht sich auf ein Wissen, über das allein der Antragsgegner
verfügen kann. Die Herausgabe der Geschäftsunterlagen kann mangels genauer
Kenntnis des Umfangs und des Verbleibs nicht im Wege der Ersatzvornahme
durchgesetzt werden (VG Darmstadt, B. v. 07.02.1994 – 6 M 1829/03 –, KKZ 1995,
61).
Das Gesetz sieht hinsichtlich des Zeitraums der Ersatzzwangshaft maximal zwei
Wochen vor. Es erscheint daher angemessen, sieben Tage anzuordnen. Dabei ist
berücksichtigt, dass es dem Antragsgegner freisteht, dem Auskunfts- und
Vorlageersuchen jederzeit nachzukommen und die Haft damit abzuwenden oder
zu beenden. Andererseits dürfte die Haftdauer von sieben Tagen hinreichend
eindrucksvoll sein, um den Antragsgegner zu motivieren, der Auskunfts- und
Vorlagepflicht nachzukommen.
Der Haftbefehl beruht auf § 16 Abs. 3 VwVG i.V.m. § 901 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.