Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 18.01.2006
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Gericht:
VG Frankfurt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 FM 34/06.S
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 103 Abs 1 GG, § 152a
VwGO, § 161 Abs 2 VwGO
Auferlegung von Verfahrenskosten nach
Erledigungserklärung ohne vorherige Anhörung.
Leitsatz
Dass das Gericht seine beabsichtigte Entscheidung nicht zur Erörterung stellt, vermag
eine Verletzung rechtlichen Gebührs nicht zu begründen.
Tenor
Die Rüge wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
I. Die Antragstellerin hatte ursprünglich am 17.10.2005 einen Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Zulassung zum Studium der
Humanmedizin - 1. Fachsemester - gegen die Antragsgegnerin gestellt (3 FM
4515/05.W(1)). Am 10. November 2005 erklärte die Antragstellerin im Hinblick
darauf, dass sie zwischenzeitlich einen Teilstudienplatz an der Universität M.
erhalten hatte, den Rechtsstreit für erledigt.
Zugleich wurde beantragt, die Kosten des in der Hauptsache erledigten
Rechtsstreits der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Zur Begründung wurde insoweit
vorgetragen, dass es gemäß § 161 Abs. 2 VwGO billigem Ermessen entspreche,
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die
Kapazitätsberechnung rechtswidrig gewesen sei und der Antragstellerin die - wider
Erwarten - noch erfolgte Zuteilung eines Studienplatzes in regulären Verfahren
innerhalb der festgesetzten Kapazitäten kostenmäßig nicht vorgehalten werden
dürfe. Insoweit bezog sich die Antragstellerin auf einen nicht veröffentlichten
Beschluss des VG Berlin vom 01.02.2002. In der Folge erklärte auch die
Antragsgegnerin die Hauptsache für erledigt und beantragte ihrerseits, die Kosten
des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.
Mit Beschluss vom 28.11.2005 wurde das Verfahren eingestellt und die Kosten des
Verfahrens der Antragstellerin auferlegt.
Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 16.01.1990 - NVwZ-RR 1990, 348)
ausgeführt, dass im Falle des in seinen Erfolgsaussichten offenen Rechtsstreites
die Kostenlast regelmäßig den Studienbewerber treffe, durch dessen anderweitige
Zulassung sich der Rechtsstreit erledigt habe.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden, am 23. Dezember
2005 eingelegten Anhörungsrüge.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass zu rügen sei, dass das erkennende Gericht
ohne vorherige Anhörung der Antragstellerin diese die vollen Verfahrenskosten
auferlegt habe. Wäre nämlich vor der Einstellung des Verfahrens ein Hinweis des
erkennenden Gerichts erfolgt, dass der von Antragstellerseite zitierten
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erkennenden Gerichts erfolgt, dass der von Antragstellerseite zitierten
Kostenrechtsprechung des VG Berlin nicht gefolgt werden solle, so hätte die
Antragstellerin entweder im Wege einer Kosteneinigung mit der Antragsgegnerin
durch Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung oder durch Antragsrücknahme
von der Möglichkeit der Kostenregelung in GKG-VV 5211 profitieren und die
anfallenden Gerichtskosten auf 1/3 reduzieren können.
Die Antragstellerin beantragt,
das Verfahren gemäß § 152 a Abs. 1 VwGO fortzuführen,
den Beschluss der 3. Kammer vom 28.11.2005 aufzuheben und den Rechtsstreit
aufgrund der hiermit namens der Antragstellerin nochmals - unter Abgabe einer
Kostenübernahmeerklärung - abgegebenen Erledigungserklärung bzw. einer -
hilfsweise - erklärten Antragsrücknahme einzustellen und der Antragstellerin
erneut die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.
II. Die Rüge im Sinne des § 152 a VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Die Antragstellerin hat nicht dargelegt - wie dies § 152 a Abs. 2 Satz 6 VwGO
verlangt -dass die Voraussetzungen von Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 hier vorliegen, dass
das Gericht also den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör in
entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.Im vorliegenden Fall fehlt es an einer
Verletzung des rechtlichen Gehörs. Nach allgemeiner Meinung (vgl.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 08.06.1993 - BVerfGE 89, 28 (35) m. w.
N.) konkretisiert die Gewährleistung rechtlichen Gehörs das Rechtsstaatsprinzip in
gerichtlichen Verfahren. Der Einzelne soll nicht bloß Objekt des Verfahrens sein,
sondern vor Entscheidungen, die seine Rechte betreffen, zu Wort kommen, um
Einfluss auf das Verfahren und dessen Ergebnis nehmen zu können. Die
Beteiligten müssen sich zu dem Sachverhalt, der einer gerichtlichen Entscheidung
zugrundegelegt wird, vor Erlass der Entscheidung äußern dürfen (vgl. a. a. O.). Eine
auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruhende Überraschungsentscheidung ist
deshalb nur dann gegeben, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten
rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung
macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der alle oder einzelne
Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten
(vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.12.1981 - NVwZ 1982, 560 f).
Davon kann im vorliegenden Verfahren nicht ausgegangen werden. Auch die
Antragstellerin setzte sich im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 04.11.2005,
mit dem der ursprüngliche Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt
wurde, mit dem Umstand auseinander, ob ihr die anderweitige Zulassung zum
Studium der Humanmedizin kostenmäßig im Rahmen der nach § 161 Abs. 2 VwGO
zu treffenden Ermessensentscheidung vorgehalten werden dürfe oder nicht.Dass
das Gericht insoweit unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts aus der anderweitigen Zulassung der Antragstellerin
zum Studium andere rechtliche Folgerungen zog als von der Antragstellerin
angeregt, vermag eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht zu begründen. Denn
das Gericht ist nicht verpflichtet, seine beabsichtigte Entscheidung oder die sie
tragende Rechtsauffassung schon vor der Entscheidungsfindung festzulegen und
zur Erörterung zu stellen (vgl. Bundesverwaltungsgericht a. a. O. S. 561;
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 05.11.1986 - BVerfGE 74, 1 (5)). Die
Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 a Abs. 4 Satz 3 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.