Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 24.04.2006

VG Frankfurt: vorverfahren, gebühr, post, anfechtungsklage, quelle, immaterialgüterrecht, zivilprozessrecht, vertretung, mwst, dokumentation

1
2
Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 J 4656/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 118 BRAGebO, § 26
BRAGebO, § 61 RVG
(Rechtsanwaltgebühren- Anwendung der BRAGebO und
des RVG)
Leitsatz
1. Wird neben der für den Kläger günstigeren Kostenentscheidung im
Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgericht auch die Hinzuziehung des
Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt, ist für die Geschäftsgebühr für
das Vorverfahren die BRAGO anzuwenden, wenn der Auftrag zur Widerspruchserhebung
vor dem 01.07.2004 erteilt worden ist und der Widerspruch auch tatsächlich eingelegt
worden ist.
2. Die Anrechnung der Geschäftsgebühr für das Vorverfahren gemäß Teil 3,
Vorbemerkung 3 Nr. 4 RVG-VV auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100) regelt allein den
Honoraranspruch im Verhältnis bevollmächtigter Rechtsanwalt und Mandant und
kommt dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Unterlegenen nicht zugute.
Tenor
Der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 30.09.2005 wird
dahingehend abgeändert, dass der von dem Beklagten und Erinnerungsführer an
die Klägerin und Erinnerungsgegnerin zu erstattende Betrag auf 427,04 €
festgesetzt wird.
Gründe
I.
Die Klägerin und Erinnerungsgegnerin erhob im Ausgangsverfahren mit
Aktenzeichen 7 E 5803/04 (3) Anfechtungsklage gegen einen sozialhilferechtlichen
Rückforderungsbescheid vom 30.10.2003 in der Fassung des
Widerspruchbescheides vom 24.09.2004 in Höhe von insgesamt 2.156,25 €.
Nachdem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Beklagte und der
Erinnerungsführer die streitgegenständlichen Bescheide aufgehoben hatte, erging
der Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main am
29.07.2005, in dem dem Beklagten und Erinnerungsführer die Kosten des
Verfahrens auferlegt wurden und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im
Vorverfahren für notwendig erklärt wurde.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 05.08.2005 reichte die anwaltlich vertretene
Klägerin und Erinnerungsgegnerin einen Antrag auf Kostenfestsetzung ein. Unter
anderem machte sie 1,5 Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV-RVG (richtig wohl: Nr.
3100 VV-RVG)in Höhe von 241,50 € und Entgelt für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7001 VV-RVG in Höhe von 20,-- €
für das Vorverfahren geltend. Gesondert wurden Kosten für das gerichtliche
Verfahren für den Gegenstandswert in Höhe von 2.156,25 € nach dem RVG
geltend gemacht. Die Kostenbeamtin setzte in dem angefochtenen Beschluss
vom 30.09.2005 die Kosten antragsgemäß mit 429,26 € fest. Gegen diesen am
25.10.2005 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Beklagte und
Erinnerungsführer am 27.10.2005 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung führt er
im Wesentlichen aus, dass die für das Vorverfahren in Ansatz gebrachte
3
4
5
6
7
im Wesentlichen aus, dass die für das Vorverfahren in Ansatz gebrachte
Geschäftsgebühr auf den 1,3 fachen Satz zu reduzieren sei. Die Klägerin und
Erinnerungsgegnerin hat sich hiergegen gewandt und vorgetragen, dass die
Ansetzung einer 1,5 fachen Gebühr für das Vorverfahren wegen der rechtlichen
Schwierigkeit in dem zugrunde liegenden sozialhilferechtlichen Verfahren
angemessen sei.
II.
Die - zulässige - Erinnerung ist in dem tenoriertem Umfang begründet. In Bezug
auf den abgeänderten Kostenbetrag war der Kostenfestsetzungsbeschluss
abzuändern und der neue Betrag festzusetzen.
Aufgrund der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren hat der Beklagte und
Erinnerungsführer die Kosten des Verfahrens zu tragen. Zu den
erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens gehören die gesetzlichen Gebühren des
bevollmächtigten Rechtsanwaltes, soweit sie im gerichtlichen Verfahren
entstanden sind (vgl. § 162 Abs. 2 VwGO) und die gesetzlichen Gebühren für die
anwaltliche Vertretung im Vorverfahren, weil die Zuziehung des Bevollmächtigten
durch das Gericht für notwendig erklärt worden war (§ 162 Abs. 2 S. 2 VwGO).
Zur Überzeugung der Kammer kommt vorliegend für die - allein streitige -
Gebührenberechnung im Vorverfahren nicht das RVG, sondern die BRAGO zur
Anwendung, denn zum Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs gemäß § 69
VwGO gegen den Bescheid vom 30.10.2003 war das in den hier interessierenden
Teilen am 01.07.2004 in Kraft getretene RVG auf die zu vergütende
Verfahrenshandlung noch nicht anwendbar. Insbesondere § 61 Abs. 1 S. 1 RVG
bestimmt nämlich, dass die BRAGO weiter anzuwenden ist, wenn der unbedingte
Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem 01.07.2004 erteilt worden
ist. Eine Abweichung von dieser eben zitierten Übergangsreglung greift nur dann,
wenn der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt in derselben Angelegenheit tätig war
und nach diesem Zeitpunkt ein Rechtsmittel eingelegt hat (Satz 2). Nach
Maßgabe dieser Übergangsvorschrift ist die BRAGO vorliegend anzuwenden, weil -
erstens - der Rechtsanwalt vor dem 01.07.2004 mit der Einlegung des
Widerspruchs beauftragt worden ist, - zweitens - der Widerspruch auch vor diesem
Zeitpunkt tatsächlich eingelegt wurde und - drittens - es sich bei dem
Vorverfahren und dem anschließenden gerichtlichen Verfahren sowohl nach der
BRAGO als auch nach dem RVG um zwei verschiedene Angelegenheiten handelt
(§§ 118, 119 Abs. 1 BRAGO und §§ 15, 17 Nr. 1 RVG). Für das mit
Widerspruchseinlegung gegen den Bescheid vom 30.10.2003 sich entfaltende
Vorverfahren, das mit dem Ergehen des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2004
abgeschlossen war, kommt demnach die BRAGO im Gegensatz zum
verwaltungsgerichtlichen Verfahren, für dass das RVG gilt, zum Zuge.
Unter Zugrundelegung der Gebühren nach der BRAGO ergibt sich für das
Vorverfahren die im Folgenden aufgeführte Berechnung, wobei das Gericht für die
Vorverfahrensgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO die Mittelgebühr in Höhe von
7,5 Zehntel in Ansatz gebracht hat. Dem Erinnerungsführer und Beklagten ist
nämlich beizupflichten, dass die vorliegende sozialhilferechtliche Streitigkeit keinen
hohen rechtlichen Schwierigkeitsgrad aufwies und mit der Mittelgebühr die
Tätigkeit des Bevollmächtigten angemessen entgolten sein dürfte. Für das
Rückerstattungsverlangen des Erinnerungsführers und Beklagten war eine eher ins
tatsächliche reichende Vorfrage entscheidend, weil nämlich das Vorliegen einer
konkreten verschuldensabhängigen Obliegenheitsverletzung - Grad der
Fahrlässigkeit - der Klägerin und Erinnerungsgegnerin entscheidend war.
Hinsichtlich der Festsetzung der Entgelte gemäß § 26 BRAGO war der
Kostenfestsetzungsantrag für den in Ansatz gebrachte Betrag gemäß Satz 2
herunterzusetzen.
Die Absetzung von 120,75 € in dem Kostenfestsetzungsantrag hat das Gericht
unberücksichtigt gelassen. Sie findet in den im Kostenfestsetzungsantrag
herangezogenen Bestimmungen keine Stütze. Sofern sie aus Teil 3,
Vorbemerkung 3 Nr. 4 RVG-VV hergeleitet würde, ist hierzu auszuführen, dass in
der BRAGO eine entsprechende Absetzung nicht vorgesehen war und unter
Geltung des RVG die Absetzung nicht im Verhältnis des Obsiegenden und
Unterlegenen erfolgt, sondern nur den Honoraranspruch des Rechtsanwaltes
beeinflussen dürfte (vgl. dazu: Verwaltungsgericht Frankfurt a. M., Beschluss vom
13.03.2006 - 2 J 662/06 (1) m. w. N.).Hieraus folgt folgende Berechnung, wobei das
Gericht die nicht zu beanstandenden Teile des Kostenfestsetzungsantrags mit den
8
9
Gericht die nicht zu beanstandenden Teile des Kostenfestsetzungsantrags mit den
geänderten Beträgen zusammen ausgewiesen hat:
Gegenstandswert: 2.156,25 €
Vorverfahren
Gebühr gemäß § 118 Nr. 1 BRAGO
i. V. m. Anlage (zu § 11 Abs. 1)
Gebühren gemäß § 26 BRAGO
Gerichtsverfahren
Summe
16 % Mwst gemäß Nr. 7007 VV-RVG
Summe
Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§§ 11 Abs. 3
S. 2 RVG, 66 Abs. 8 GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.