Urteil des VG Düsseldorf vom 13.01.2006
VG Düsseldorf: zulage, herausgabe, bereicherung, rückzahlung, verjährung, verwirkung, rückforderung, kenntnisnahme, rechtshängigkeit, erschwernis
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 13 K 509/04
Datum:
13.01.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 509/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
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Der Kläger steht als Beamter auf Lebenszeit im Dienste der Beklagten. Er wurde im
Oktober 1998 zum Polizeiobermeister und im August 2001 zum Polizeihauptmeister im
Bundesgrenzschutz ernannt. Er ist seit März 1995 bei der Grenzschutzstelle E
eingesetzt.
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Mit Auszahlungsanordnung vom 30. Juni 1997 verfügte das Grenzschutzamt L1 die
Zahlung einer Wechselschichtzulage in Höhe von 45,-- DM ab dem 1. Juli 1997. Mit
Änderungsanordnung vom 26. Februar 1998 setzte das Bundesgrenzschutzamt L2 den
Betrag ab dem 1. Juni 1997 auf 100,-- DM hinauf. Von beiden Schreiben erhielt der
Kläger eine Durchschrift zur Kenntnisnahme.
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Mit Bescheid vom 30. Oktober 2000 teilte das Bundesgrenzschutzamt L1 dem Kläger
mit, ab dem 1. November 2000 werde eine Wechselschichtzulage von monatlich 60,--
DM gezahlt. Zugleich forderte es vom Kläger einen Betrag von 850,-- DM (= 434,60
Euro) zurück und führte aus: Die Bundesgrenzschutzinspektion E habe die
Wechselschichtzulagenzahlung überprüft und eine Überzahlung von 850,-- DM
festgestellt. Als Anlage war dem Bescheid ein entsprechendes Schreiben der
Bundesgrenzschutzinspektion E vom 27. September 2000 beigefügt, in dem für den
Zeitraum von Januar 1999 bis Oktober 2000 die monatlich zustehenden Zulage und die
monatlich tatsächlich gezahlte Zulage einander gegenüber gestellt waren, woraus sich
für die Zeit von April 1999 bis Oktober 2000 eine Zuvielzahlung von 850,-- DM ergab.
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Der Kläger gelegte dagegen Widerspruch ein. Er berief sich auf Verwirkung und
Verjährung und darauf, dass er das Geld für den Unterhalt seiner Familie verbraucht
habe.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2003 wies das Grenzschutzpräsidium
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West den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus: Auf einen Wegfall der
Bereicherung könne der Kläger sich nicht berufen. Er habe den Mangel des rechtlichen
Grundes hätte erkennen müssen. Im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung werde eine
Rückzahlung in monatlichen Raten von 50,-- Euro eingeräumt.
Der Kläger hat zwischen dem 20. und 22. Dezember 2003 beim Verwaltungsgericht
Köln Klage erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 19. Januar 2004 an
das erkennende Gericht verwiesen.
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Der Kläger nimmt auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren Bezug und macht
geltend, dass der Fehler eindeutig bei der diensthabenden Stelle gelegen habe. Wenn
diese nicht in der Lage gewesen sei, eine ordnungsgemäße Abrechnung zu erteilen,
könne man dem Kläger auch keinen Vorwurf machen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Bundesgrenzschutzamtes L1 vom 30. Oktober 2000 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides des Grenzschutzpräsidiums West vom 4. Dezember 2003
aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und führt aus, aus den vom
Kläger ausgefüllten Dienstbucheinlegeblättern sei ersichtlich gewesen, dass er ab April
1999 die Voraussetzungen für eine Wechselschichtzulage in Höhe von 100,-- DM nicht
mehr erfüllt habe.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher auch
nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge
nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die Herausgabe
einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 bis 822), soweit - wie vorliegend -
gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist zur
Herausgabe verpflichtet, wer etwas ohne rechtlichen Grund erlangt. Weiter gilt: Die
Verpflichtung zur Herausgabe ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr
bereichert ist. Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet er jedoch nach den
allgemeinen Vorschriften (§ 818 Abs. 3 und 4 BGB). Der Empfänger ist zur Herausgabe
so verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zur Zeit des Empfanges
rechtshängig geworden wäre, wenn die Leistungen aus einem Rechtsgrund, dessen
Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist
und der Rechtsgrund wegfällt (§ 820 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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Die zurückgeforderten Dienstbezüge in Höhe von 434,60 Euro (= 850,-- DM) sind zuviel,
d.h. ohne Rechtsgrund gezahlt worden. Dem Kläger stand für die Zeit von April 1999 bis
Oktober 2000 eine Wechselschichtzulage nur in Höhe von 1.050,-- DM zu, tatsächlich
gezahlt wurden aber 1.900,-- DM.
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Maßgeblich ist § 20 der Erschwerniszulagenverordnung (EZulV) in der ab dem 1.
Januar 1999 bis zum 31. Oktober 2000 gültigen Fassung, der regelt, unter welchen
Voraussetzungen und in welcher Höhe eine Wechselschichtzulage zusteht. Ob und in
welcher Höhe dem Kläger in den einzelnen Monaten die Wechselschichtzulage
zustand, ist in dem Schreiben der Bundesgrenzschutzinspektion E vom 27. September
2000 aufgeführt. Der Kläger hat ausdrücklich erklärt, dass er gegen die Richtigkeit
dieser Aufstellung keine Einwände erhebt.
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Zwar dürfte davon auszugehen sein, dass der Kläger nicht mehr bereichert ist. Denn die
in den einzelnen Monaten zuviel gezahlten Bezüge haben 10 v.H. des ihm jeweils
insgesamt zustehenden Betrages nicht überstiegen, so dass die zuviel gezahlten
Bezüge zu einer geringfügigen Verbesserung der allgemeinen Lebensverhältnisse des
Klägers verwendet worden sein dürften (vgl. Nr. 12.2.12 BBesGVwV).
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Allerdings kann sich der Kläger nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, weil er
(verschärft) nach den allgemeinen Vorschriften haftet. Das ergibt sich aus § 818 Abs. 4
i.V.m. § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB, der auf unter Vorbehalt geleistete Zahlungen
entsprechend anzuwenden ist.
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Wie sich aus § 1 EZulV ergibt, werden mit den Erschwerniszulagen, zu denen auch die
Wechselschichtzulage zählt, besondere Erschwernisse abgegolten. Dementsprechend
besteht ein Anspruch darauf nur für tatsächlich geleistete Dienste und nur für die Dauer
der Erschwernis. Die abzugeltende Zusatzbelastung muss wirklich entstanden sein. Ob
die Voraussetzungen für die Zahlung der Zulage im laufenden Monat gegeben sind,
kann daher erst nach dessen Ablauf festgestellt werden. Die Zahlung der Zulage wird
frühestens mit den Dienstbezügen für den übernächsten Monat, der auf dem
Entstehungsmonat folgt, fällig. Allerdings ist auch eine monatliche Vorauszahlung mit
den Dienstbezügen für laufenden Monat möglich. In diesem Fall handelt es sich ihrer
Natur nach nicht um eine endgültige Zahlung, sondern um Abschläge unter dem
Vorbehalt, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den nachfolgenden Zahlungsmonat
auch tatsächlich eintreten werden.
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Vgl. VG Braunschweig, Urteil vom 15. Dezember 2003 - 7 A 621/02 -, ZBR 2004, 284;
Leihkauff in Schwegmann/Summer, BBesG, Teil IV/6.1, § 1 EZulV Rn. 2 ff. und § 18
EZulV Rn. 4.
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Auch im Falle des Klägers ist die Wechselschichtzulage in den hier maßgeblichen
Monaten April 1999 bis Oktober 2000 nicht endgültig gezahlt worden. Das ergibt sich
insbesondere aus der Änderungsanordnung des Bundesgrenzschutzamtes Kleve vom
26. Februar 1998, mit der eine Zahlung der Wechselschichtzulage ab dem 1. Juni 1997
von monatlich 100,-- DM veranlasst wurde. Soweit durch dieser Änderungsanordnung
für die Zeit nach dem 26. Februar 1998 Zahlungen der Wechselschichtzulage veranlasst
wurden, handelte es sich um Vorauszahlungen, für die das Vorliegen der
Anspruchsvoraussetzungen noch offen war.
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Zwar ist der Kläger bei Zahlung der Zulage nicht ausdrücklich auf deren Vorläufigkeit
hingewiesen worden. Das hätte sich beispielsweise angeboten, als ihm eine
Durchschrift der Änderungsanordnung vom 26. Februar 1998 mit der Bitte um
Kenntnisnahme übersandt worden ist. Darauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an.
Auch kann dahinstehen, ob dem Kläger positiv bekannt war, dass die abzugeltende
Zusatzbelastung tatsächlich in dem einzelnen Monat entstanden sein muss und die
Zulage dementsprechend vorläufig gezahlt wurde. Bei diesen Zusammenhängen
handelt es sich nämlich um Umstände, die dem besoldungsrechtlichen Grundwissen
des Beamten zuzurechnen sind. So gesehen war dem Kläger auch unter
Berücksichtigung der Änderungsmitteilung vom 26. Februar 1998 die Vorläufigkeit der
monatlichen Zahlungen ohne weiteres erkennbar.
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Vgl. Leihkauff a.a.O. § 1 EZulV Rn. 5, der von einem gesetzesimmanenten Vorbehalt
spricht; siehe dazu auch BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1985 - 2 C 16.84 -, BVerwGE
71, 77 (80 ff.).
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Der Rückforderungsanspruch ist nicht verjährt. Vielmehr hat der Bescheid des
Bundesgrenzschutzamtes L1 vom 30. Oktober 2000 die Verjährung des
Rückforderungsanspruchs gehemmt, § 53 Abs. 1 VwVfG. Ebenfalls ist keine Verwirkung
eingetreten. Es ist kein Verhalten der Beklagten erkennbar, aufgrund dessen der Kläger
hätte annehmen können, der Rückzahlungsanspruch werde nicht mehr geltend
gemacht.
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Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen
ganz oder teilweise abgesehen werden. Auch insoweit sind die angefochtenen
Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden, weil dem Kläger im Widerspruchsbescheid
eine Rückzahlung in monatlichen Raten zu 50,-- Euro eingeräumt worden ist. Allein der
Umstand, dass die vorläufigen monatlichen Zahlungen möglicherweise zumindest für
einige Monate hätten niedriger festgesetzt werden sollen, lässt keinen Schluss auf eine
ermessensfehlerhafte Sachbehandlung der Rückforderungsentscheidung zu. Das
gleiche gilt für den Umstand, dass die Beklagte teilweise erst mit erheblicher zeitlicher
Verzögerung geprüft hat, ob die Anspruchsvoraussetzungen in den einzelnen Monaten
vorgelegen haben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Das Gericht hat keine die Berufung zulassende Entscheidung getroffen, weil die
Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht vorliegen. Da es sich um einen
Einzelfall handelt, hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.
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