Urteil des VG Düsseldorf vom 19.03.2010
VG Düsseldorf (kläger, bangladesch, volksrepublik bangladesch, bundesamt für migration, verfolgung, staat, genfer flüchtlingskonvention, bundesamt, politische verfolgung, öffentliche sicherheit)
Verwaltungsgericht Düsseldorf, 1 K 5692/09.A
Datum:
19.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 5692/09.A
Schlagworte:
Bihari Staatsangehörigkeit Gruppenverfolgung Schutzwilligkeit Staat
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des aus dem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der am 00.0.1990 in Bangladesch geborene Kläger gehört nach eigenen Angaben der
Volksgruppe der Bihari an. Er gibt an, Bangladesch am 26. März 2007 verlassen zu
haben und am 15. April 2007 in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Seinen Asylantrag
hat der Kläger am 22. Juli 2009 gestellt.
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In der Befragung zur Vorbereitung der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (Bundesamt) am 22. Juli 2009 gab der Kläger an, dass er in Bangladesch
keine Ausweispapiere besessen habe und nur eine Lebensmittelrationskarte des
Flüchtlingscamps vorlegen könne. Seine Eltern und seine Schwester lebten noch in
Bangladesch. Er habe in Bangladesch die Schule bis zur 10. Klasse besucht.
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In der Anhörung durch das Bundesamt am 27. Juli 2009 gab er im Wesentlichen an: Er
habe bis zur Ausreise mit seiner Familie in einem Miethaus in H, einem Vorort von
Dhaka, gelebt. Sein älterer Bruder sei im Januar 2007 umgebracht worden. Die Polizei
habe seinem Vater einen falschen Vorwurf gemacht, er sei dann ins Gefängnis
gekommen. Er selbst sei von Polizisten misshandelt worden. Das sei gewesen, als
seine Familie nach H gekommen sei. Biharis hätten in Bangladesch keine Rechte. Sie
hätten in Bangladesch keine Sicherheit gehabt. Die Polizisten würden einem dort nicht
helfen. Die würden die Augen zumachen. Er sei auch misshandelt worden. Sein linker
Fuß sei dadurch verletzt. Das sei im Februar 2007 gewesen. Er sei von Bengalen
geschlagen worden. Seine Mutter habe dann Anzeige bei der Polizei erstatten wollen.
Die sei aber nicht aufgenommen worden. Er habe sich nicht politisch betätigt. Er habe
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erst 2009 einen Asylantrag gestellt, weil ihm vorher niemand gesagt habe, welche
Formalitäten er erledigen müsse.
Mit Bescheid vom 27. August 2009 lehnte das Bundesamt die Anerkennung des Klägers
als Asylberechtigten ab und stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs.
1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Gleichzeitig forderte es den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach
Bangladesch auf, das Bundesgebiet innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem
Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen.
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Der Kläger hat am 3. September 2009 die vorliegende Klage erhoben.
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In der mündlichen Verhandlung ist der Kläger ergänzend befragt worden. Insoweit wird
auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
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Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2009 seine Klage zurückgenommen
hat, soweit sie auf die Anerkennung als Asylberechtigter gerichtet war, beantragt der
Kläger nunmehr nur noch,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge vom 27. August 2009 zu verpflichten, ihm die
Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und festzustellen, dass die
Voraussetzungen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 und
7 AufenthG für Bangladesch vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid
des Bundesamtes.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des
Bundesamtes und der Ausländerbehörde (Beiakten Hefte 1, 2) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, nachdem ihr der Rechtsstreit
durch Beschluss der Kammer vom 26. Februar 2010 zur Entscheidung übertragen
worden ist, § 76 Abs. 1 AsylVfG.
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Der Kläger hat die Klage mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2009 zurückgenommen, soweit
sie auf die Anerkennung als Asylberechtigter gerichtet war. Insoweit wird das Verfahren
gemäß § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO eingestellt.
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Die noch anhängige Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im
Folgenden: Bundesamt) vom 27. August 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
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nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat weder einen
Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, noch
liegen die Voraussetzungen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder 7
AufenthG vor.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß
§ 60 Abs. 1 AufenthG. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist einem Ausländer die
Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die
Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) - Genfer Flüchtlingskonvention
(GFK) – zuzuerkennen, wenn er in dem Staat dessen Staatsangehörigkeit er besitzt
oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den
Bedrohungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach dieser Vorschrift
darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder
seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit
zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung
bedroht ist. Eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann dabei
ausgehen von a) einem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder
wesentliche Teile des Staatgebietes beherrschen oder c) von nichtstaatlichen Akteuren,
sofern die zu a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen
erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung
zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht
vorhanden ist oder nicht, § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG. Weiter darf für den Ausländer keine
innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 60 Abs. 1 Satz 4 a.E. AufenthG.
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Maßgeblich ist, ob der Asylsuchende bei der Rückkehr in sein Heimatland der Gefahr
politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, wobei auf den Sachstand im Zeitpunkt der
letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist (§ 77 Abs. 1 AsylVfG). Hat
der Ausländer sein Heimatland bzw. den Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes auf
der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung
verlassen, besteht Anspruch auf Verfolgungsschutz bereits dann, wenn er bei einer
Rückkehr vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann (herabgestufter
Prognosemaßstab). Ist der Ausländer hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen
Anspruch auf Schutz nur, wenn ihm aufgrund asylrechtlich beachtlicher
Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht
(gewöhnlicher Prognosemaßstab).
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Das Gericht muss dabei von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit –
des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals die volle
Überzeugung gewinnen. Von dem Asylsuchenden muss jedenfalls gefordert werden,
dass er eine zusammenhängende, in sich stimmige Schilderung seines persönlichen
Verfolgungsschicksals abgibt, die nicht in wesentlicher Hinsicht in unauflösbarer Weise
widersprüchlich ist. Der Art seiner Einlassung – z.B. ob sein Vorbringen gesteigert ist -,
seiner Persönlichkeit, insbesondere seiner Glaubwürdigkeit, kommt insoweit
entscheidende Bedeutung zu.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Begehren des Klägers nicht zum Erfolg.
Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise oder im Falle seiner
Rückkehr nach Bangladesch landesweit von politischer Verfolgung betroffen war bzw.
bedroht sein würde.
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Die Gefahr einer unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung aufgrund einer
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Volkszugehörigkeit zu den Biharis ergibt sich nicht. Insoweit nimmt das Gericht auf die
frühere Rechtsprechung der Kammer Bezug, wonach schon nach der damaligen
Auskunftslage Angehörigen der Biharis keine politisch motivierten
Verfolgungsmaßnahmen aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit drohten,
vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 7. April 2000 – 1 K 3673/99.A-, m.w.N., bestätigt durch
OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2000 – 10 A 2666/00.A.
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Das Gericht hat nach der aktuellen Erkenntnislage keinen Anlass, von der dort
getroffenen Beurteilung abzuweichen. Der Teil der Biharis, der sich während der
Repatriierungsverhandlungen unmittelbar nach der Unabhängigkeit Bangladeschs nicht
im Bereich der sogenannten "Camps" – slumähnliche Viertel im Umfeld der Großstädte
– ansiedelte, führt in der bangladeschischen Gesellschaft ein normales Leben ohne
erkennbare Diskriminierungen. Der Teil der Biharis, der weiterhin in den "Camps" lebt,
befand sich in den letzten Jahren in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht in einer nicht
wesentlich von den Verhältnissen der Bewohner anderer Armenviertel in Bangladesch
unterschiedlichen Situation. Die Biharis in den Camps können, wenn auch unter
erschwerten Bedingungen, Arbeit finden. Ungeachtet ihrer wirtschaftlich schlechten
Lebensbedingungen sind sie als Minderheit in der näheren Vergangenheit und auch
aktuell keinen spezifischen Übergriffen und Anfeindungen seitens des Staates oder
durch die bengalische Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt,
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vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
der Volksrepublik Bangladesch vom 1. Juli 2008 (Stand: April 2008), S. 9, 22, 23;
Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 9. Juli 2008 – 5 K 121/07.A-; Note on the
nationality status of the Urdu-speaking community in Bangladesh des UNHCR,
Dezember 2009, S. 5, http://www.unhcr.org/refworld/docid/4b2b90c32.html.
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Ihre Situation hat sich seit einer Entscheidung des High Court von Bangladesch im Jahr
2008 sogar verbessert, da die noch offene Staatsangehörigkeitsfrage geklärt wurde. Das
Gericht stellte am 18. Mai 2008 fest, dass alle Biharis, die im Jahr 1971 minderjährig
waren oder erst nach der Unabhängigkeit Bangladeschs geboren wurden,
bangladeschische Staatsangehörige sind und einen Anspruch auf Eintragung in die
Wählerverzeichnisse und Ausstellung eines Nationalpasses haben. In der Folge ließen
sich bis Dezember 2009 nach einer Schätzung des UN-Flüchtlingskommissariats ca. 80
% der in Bangladesch lebenden Biharis als Wähler registrieren bzw. einen Pass
ausstellen, was ihre Integration in die Mehrheitsgesellschaft erleichtert und weiter fördert
und sie nunmehr den übrigen Staatsangehörigen gleichstellt ,
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vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 14.
Dezember 2009 – 508-516.80/46287; Note on the nationality status of the Urdu-
speaking community in Bangladesh des UNHCR, Dezember 2009,
http://www.unhcr.org/refworld/docid/4b2b90c32.html.
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Unter dem Gesichtspunkt der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Biharis bestehen daher
auch gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Rückkehrfall politische
Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten hätte. Hiergegen spricht im übrigen, dass der
Kläger nach eigenen Angaben regulär die Schule besucht hat und sein Vater nach dem
Wegzug der Familie aus dem Geneva Camp in den Stadtteil H im Jahr 2002 ungeachtet
der Volkszugehörigkeit in der Lage war, erfolgreich als Geschäftsmann tätig zu sein.
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Auch für eine individuelle asylerhebliche Verfolgung des Klägers ist nichts ersichtlich.
Das Gericht hat nicht die erforderliche Überzeugung davon erlangt, dass der Kläger vor
seiner Ausreise einmal von der Polizei misshandelt worden oder von Bengalen
geschlagen worden ist. Denn der Kläger beschränkte sich in der Anhörung des
Bundesamtes wie auch der Befragung in der mündlichen Verhandlung auf die bloße
Behauptung dieser Übergriffe, ohne hierzu – auch auf mehrfache Nachfrage – auch nur
ansatzweise konkretere Angaben zu machen. Weder war ihm eine konkrete zeitliche
Einordnung dieser Vorfälle, noch die Angabe irgendwelcher lebensnaher Details
möglich. Auch soweit er angibt, sein Bruder sei getötet worden und sein Vater wegen
eines falschen Vorwurfs ins Gefängnis gebracht worden, hat der Kläger sich auf die
bloße Behauptung beschränkt und hierzu ebenfalls keinerlei substantiierte und
nachvollziehbare Angaben gemacht, die dem Gericht den Eindruck von tatsächlich
erlebten Ereignissen vermitteln könnten. Hinzu kommt, dass er in der mündlichen
Verhandlung in Abweichung von seinen Angaben beim Bundesamt – gesteigert -
erstmals angab, dass die Tötung seines Bruders mit einer Schutzgelderpressung in
Zusammenhang gestanden habe. Nachvollziehbare Angaben zu diesen Personen
konnte er wiederum nicht machen ("Das sind Terroristen, Leute von bestimmten
politischen Parteien. Man kann es nicht genau sagen. Terroristen eben".). Hinzu kommt,
dass der Kläger nicht unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im April
2007 einen Asylantrag gestellt hat, sondern erst mehr als zwei Jahre später im Juli
2009. Wäre der Kläger aber tatsächlich aus Furcht vor politischer Verfolgung nach
Deutschland geflüchtet, hätte nichts näher gelegen, als sich aus diesem Grund
unmittelbar hilfesuchend an die deutschen Behörden zu wenden. Stattdessen erklärte
der Kläger ausweislich des Befragungsprotokolls bei der ersten Befragung durch die
Ausländerbehörde in Berlin am 21. Mai 2007 ausdrücklich, dass er keinen Asylantrag
stellen wolle. In der mündlichen Verhandlung erklärte er hierzu, dass es sein könne,
dass er damals diese Antwort gegeben habe. Er habe jedoch keinen Dolmetscher
gehabt und daher nicht alles verstanden. Dies ist jedoch nicht geeignet, die verspätete
Asylantragstellung nachvollziehbar zu erklären, denn bei der Befragung durch die
Ausländerbehörde war ausweislich der Niederschrift ein Dolmetscher für die englische
Sprache anwesend. Der Kläger war auch ersichtlich in der Lage, sich mit diesem
Dolmetscher zu verständigen, auch wenn er beim Bundesamt keine englischen
Sprachkenntnisse angegeben hat. Denn er hat alle ihm gestellten Fragen inhaltlich
richtig erfasst und individuell und umfassend beantwortet, z.B. auf Nachfrage
umfangreiche Angaben zu seinen Familien- und Vermögensverhältnissen und den
Einreisemodalitäten gemacht.
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Ungeachtet dessen würde es aber auch bei einer Wahrunterstellung der Vorfälle an
einer staatlichen Verantwortlichkeit Bangladeschs für die behaupteten Übergriffe fehlen.
Denn eine die Zurechenbarkeit begründende Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit
besteht nicht bereits dann, wenn in dem zu beurteilenden Einzelfall – wie angeblich im
Fall des Klägers - effektiver staatlicher Schutz nicht geleistet worden ist. Denn kein Staat
vermag einen perfekten, lückenlosen Schutz vor Übergriffen zu gewähren und
sicherzustellen,
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vgl. VGH BW, Urteil vom 27. Oktober 2007 – 12 S 603/05 -, www.juris.de.
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Vielmehr sind Übergriffe Privater dem Staat als mittelbar staatliche Verfolgung nur dann
zuzurechnen, wenn er gegen Verfolgungsmaßnahmen Privater grundsätzlich keinen
effektiven Schutz gewährt. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die zum Schutz
der Bevölkerung bereitgestellten Behörden bei Übergriffen Privater zur
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Schutzgewährung ohne Ansehen der Person verpflichtet und dazu auch landesweit
angehalten sind, vorkommende Einzelfälle von Schutzverweigerung mithin ein von der
Regierung nicht gewolltes Fehlverhalten darstellen,
vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 – 9 C 1.94 -, www.juris.de.
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Dass der Staat Bangladesch seinen Bürgern grundsätzlich keinen Schutz gegen
Verfolgungsmaßnahmen privater Akteure gewährt, ist nach der aktuellen Erkenntnislage
des Gerichts nicht ersichtlich. Vielmehr werden Recht und Ordnung in Bangladesch
regelmäßig durch normale Polizeikräfte gewährleistet. Diese werden seit 2004
zusätzlich durch Spezialkräfte der Polizei zur Bekämpfung des organisierten
Verbrechens, das "Rapid Action Battalion (RAB)", unterstützt. Der bis zum 17.
Dezember 2008 geltende Ausnahmezustand verbesserte die öffentliche Sicherheit und
Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols zusätzlich. Repressionen nicht-
staatlicher Akteure sind seither deutlich zurückgegangen,
34
vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
der Volksrepublik Bangladesch vom 1. Juli 2008 (Stand: April 2008), S. 8, 18; VG
Aachen, Urteil vom 9. Juni 2008 – 5 K 1217.A -, m.w.N..
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Schließlich ist auch nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit erkennbar, dass sich
vergleichbare Vorkommnisse im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Bangladesch
wiederholen würden. Dem Vortrag des Klägers ist nichts dafür zu entnehmen, dass es
sich um gezielte Übergriffe gehandelt hat, deren Anlass den Zeitraum der
Ortsabwesenheit des Klägers überdauern.
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Zuletzt muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, dass ihm sowohl vor seiner
Ausreise als auch im Fall seiner Rückkehr nach Bangladesch eine inländische
Fluchtalternative offen stand bzw. stünde, § 60 Abs. 1 S. 4 a.E. AufenthG. Es sind keine
Umstände ersichtlich, warum sich der Kläger nicht an einem anderen Ort, notfalls in
einem anderen Bihari-Lager niederlassen könnte. Rechtliche Hindernisse für einen
Wohnsitzwechsel bestehen nicht, da die Verfassung von Bangladesch Freizügigkeit
garantiert,
37
vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in
der Volksrepublik Bangladesch vom 1. Juli 2008 (Stand: April 2008), S. 18.
38
Auch die hilfsweise auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 5
oder 7 AufenthG gerichtete Klage ist nicht begründet. Solche sind bei dem Kläger nicht
ersichtlich. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr
einer konkreten individuellen Gefahr für Leib und Leben i.S.v. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG
ausgesetzt wäre. Zwar sind die Lebensbedingungen auch für Biharis in Bangladesch,
insbesondere in den o.g. "Camps", schlecht. Darin unterscheiden sie sich aber nicht
wesentlich von etwa 40 % der gesamten Bevölkerung Bangladeschs, die in absoluter
Armut lebt,
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vgl. Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Glossar Islamische Länder,
Band 4 Bangladesch, Dezember 2009, S. 34, Note on the nationality status of the
Urdu-speaking community in Bangladesh des UNHCR, Dezember 2009, S. 5,
http://www.unhcr.org/refworld/docid/4b2b90c32.html
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Stellen die schlechten Bedingungen in Bangladesch insofern eine allgemeine Gefahr
i.S.v. § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG dar, kommt im Hinblick darauf die Zuerkennung eines
Abschiebungsverbots nicht in Betracht.
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Liegen mithin die Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsandrohung gem.
§§ 34, 38 Abs. 1 AsylVfG, § 59 AufenthG vor, ist die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1
VwGO, § 83b AsylVfG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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