Urteil des VG Darmstadt vom 30.01.2004
VG Darmstadt: veranstaltung, befreiung, hauptsache, ruhe, bad, kauf, sicherheit, anbieter, gewalt, sonntag
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Gericht:
VG Darmstadt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 G 173/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 14 Abs 1 FeiertG HE, § 6 Abs
1 FeiertG HE, § 69a Abs 1 Nr 3
GewO, § 69 Abs 1 GewO, § 68
GewO
(Zulässigkeit gewerblicher Flohmärkte an Sonntagen - hier
grundsätzlich verneint)
Leitsatz
1. Die Durchführung gewerblicher Flohmärkte an Sonntagen ist gemäß § 6 Abs. 1 HFtG
verboten, da solche Märkte geeignet sind, die Ruhe des Tages zu stören.
2. Die Bestimmungen der Gewerbeordnung (§§ 68, 69 GewO) lassen nicht generell
Flohmärkte an Sonntagen zu. Zu beachten sind hier die landesrechtlichen Vorschriften.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, der hier allein in Betracht kommt, kann das
Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um
wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus
anderen Gründen nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend
gemachten Anspruchs und der Grund für eine notwendige vorläufige Regelung sind
glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO i. V. mit § 123 Abs. 3 VwGO).
Der Antrag war abzulehnen, da der Antragsteller bereits keinen
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Die Ablehnung der Festsetzung der
vom Antragsteller beantragten Jahrmärkte für den 28. März 2004 und danach
jeden 4. Sonntag im Monat ist nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen
Prüfung rechtmäßig.
Bei den vom Antragsteller geplanten Veranstaltungen von Flohmärkten auf dem
Gelände eines Baumarktes in Griesheim handelt es sich um Jahrmärkte im Sinne
von § 68 Abs. 2 GewO, da diese Flohmärkte in regelmäßigen größeren
Zeitabständen durchgeführt werden sollen und auf denen eine Vielzahl von
Anbietern Waren aller Art feilbieten. Derartige Jahrmärkte bedürfen der
Festsetzung nach § 69 Abs. 1 GewO. Nach § 69 a Abs. 1 GewO ist ein Antrag auf
Festsetzung unter anderem dann abzulehnen, wenn die Durchführung der
Veranstaltung dem öffentlichen Interesse widerspricht, d. h. Störungen der
öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu befürchten sind, § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO.
Das öffentliche Interesse wird insbesondere durch Veranstaltungen beeinträchtigt,
die gegen landesrechtliche Feiertagsbestimmungen verstoßen (BVerwG,
Beschluss vom 4.12.1992, GewArch 1995, 117; Beschluss vom 17.5.1991,
GewArch 1991, 302; BayVGH Beschluss vom 11.5.1992, GewArch 1992, 356; VGH
Bad.-Württ., Beschluss v. 13.2.1991, GewArch 1991, 279; VG Ansbach, Urteil v.
1.3.2001, GewArch 2001, 248).
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Nach § 6 Abs. 1 HFeiertagsG sind an gesetzlichen Feiertagen, zu denen auch die
Sonntage gehören, § 1 Abs. 1 HFeiertagsG, Arbeiten verboten, die geeignet sind,
die äußere Ruhe des Tages zu beeinträchtigen, sofern ihre Ausübung nicht nach
Bundes- oder Landesrecht besonders zugelassen ist. Bei der Veranstaltung von
Flohmärkten handelt es sich um Arbeit im Sinne dieses Gesetzes. Ein solcher
Trödelmarkt zeichnet sich dadurch aus, dass auf ihm im allgemeinen alte,
gebrauchte Gegenstände oder wertlose bzw. geringwertige Neuwaren zum Kauf
angeboten werden. Im Vordergrund steht hierbei das wirtschaftliche Interesse der
Anbieter, Gewinn zu erzielen. Unerheblich ist, dass solche Veranstaltungen
regelmäßig auch von zahlreichen Personen nicht aus Kaufinteresse, sondern zu
ihrer Freizeitgestaltung besucht werden. Maßgeblich ist das Motiv des
Veranstalters und der Händler.
Die Durchführung der Flohmärkte ist auch nicht deshalb vom Verbot des § 6 Abs. 1
HFeiertagsG ausgenommen, weil die dort ausgeübten Tätigkeiten nach
Bundesrecht besonders zugelassen sind (§ 6 Abs. 1, 2. HS HFeiertagsG). Denn die
Festsetzung eines Marktes nach § 69 GewO stellte keine derart weitreichende
Erlaubnis dar, wonach Jahrmärkte auch an Sonn- und Feiertagen zulässig sind.
Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, § 69
GewO sei ein besonderer Erlaubnistatbestand, da das Beschäftigungsverbot nach
§ 105 b Abs. 2, 5 GewO a.F. nicht für Jahrmärkte gelte (OVG NW, Urteil v.
12.1.1990, GewArch 1990, 279), kann dem die Kammer nicht folgen. Wie das
BVerwG in seiner Entscheidung vom 17.05.1991 festgestellt hat, ist die Frage der
Zulässigkeit von Jahrmärkten an Sonn- und Feiertagen bundesrechtlich gerade
nicht geregelt. Maßgebend sind vielmehr die Feiertagsgesetze der Länder (Hess
VGH, Urteil v. 14.01.1998, GewArch 1998, 242). Nach § 69 a Abs. 1 Nr. 3 GewO ist
ein Jahrmarkt insbesondere dann abzulehnen, wenn die Durchführung der
Veranstaltung dem öffentlichen Interesse widerspricht. Mithin sieht die
Gewerbeordnung selbst vor, dass zwingende landesrechtliche Bestimmungen
einzuhalten sind und der Durchführung eines Jahrmarktes entgegenstehen
können.
Zwar könnte die Antragsgegnerin gemäß § 14 Abs. 1 HFeiertagsG eine Befreiung
von dem generellen Arbeitsverbot erteilen. Weder hat dies die Antragsgegnerin
getan, noch hätte sie diese erteilen müssen, da die Erteilung einer Befreiung in
ihrem Ermessen steht. Die Antragsgegnerin hat vielmehr ausdrücklich in ihrem
Bescheid vom 5.1.2004 als auch im Widerspruchsbescheid vom 21.1.2004 darauf
hingewiesen, dass unmittelbar an das Gewerbegebiet Flughafenstraße, in dem
auch der Baumarkt liegt, sich ein Wohngebiet mit über 2.000 Anwohnern
anschließt, das bereits werktags durch ein großes Verkehrsaufkommen und die
Betriebe und Märkte des Gewerbegebietes erheblichen Lärmbelästigungen
ausgesetzt ist. Den Anwohnern könne nicht auch noch sonntags eine zusätzliche
Lärmquelle durch den hohen Publikumsandrang und dadurch bedingtes erhöhtes
Fahrzeugaufkommen zugemutet werden.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Eilantrag zudem deshalb abzulehnen
wäre, weil er die Hauptsache in vollem Umfang vorwegnimmt. Zwar könnte der
Antragsteller anderweitigen Rechtsschutz nicht mehr rechtzeitig erlangen, jedoch
erscheint es zweifelhaft, ob ihm dadurch unzumutbare Nachteile drohen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 2, 20 Abs. 3, 25 Abs. 1 Satz 1
GKG. Danach richtet sich der festzusetzende Streitwert nach der sich aus dem
Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache. Aufgrund
fehlender konkreter Anhaltspunkte hat die Kammer das Interesse an einem
Obsiegen in der Hauptsache mit dem Auffangstreitwert beziffert und diesen in
Anbetracht des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens auf die Hälfte reduziert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.