Urteil des VG Braunschweig vom 25.02.2014
VG Braunschweig: vitamin, lebensmittel, produkt, alter, dosierung, versorgung, beitrag, mangel, nahrung, konzentration
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Lebensmittelrecht; Vorläufige Untersagung des
Inverkehrbringens gem. § 4a Abs. 6 DiätVProdukt
Rotbäckchen Knochenstark
§ 1 Abs. 2 Nr. 1 b i.V.m. Nr. 2 DiätV geht in seinen Voraussetzungen, die ein
Lebensmittel erfüllen muss, um als diätetisches Lebensmittel zu gelten,
weiter, als dass es für sich genommen bereits ausreichend ist, diejenige
Gruppe zu benennen, die sich in besonderen physiologischen Umständen
befindet.
Darüber hinaus muss die kontrollierte Aufnahme der in dem Produkt
enthaltenen Stoffe auch zu einer nicht unerheblichen Verbesserung
derjenigen Umstände führen, aufgrund derer bei einer bestimmten
Personengruppe das besondere Ernährungserfordernis besteht.
VG Braunschweig 5. Kammer, Urteil vom 25.02.2014, 5 A 46/12
§ 1 Abs 2 DiätV, § 4a Abs 6 DiätV
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann eine vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die
Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte ihr vorläufig untersagt
hat, das von ihr hergestellte Produkt „D. E.“ als diätetisches Lebensmittel in
den Verkehr zu bringen.
Die Klägerin vertreibt verschiedene Saftsorten und Nektare. Am 28. Dezember
2009 zeigte sie der Beklagten das Inverkehrbringen ihres Produktes „D. E.“ als
diätetisches Lebensmittel an. Hierbei handelt es sich um einen mit
Calciumgluconat und Vitamin D3 angereicherten Mehrfruchtsaft. Nach den
Angaben der Klägerin enthalten 150 ml dieses Saftes – die empfohlene
Tagesdosis – 200 mg Calcium und 1,26 µg Vitamin D3. Als
Zweckbestimmung/Besonderen Ernährungszweck gab die Klägerin in dem
Anzeigeformular an: „Zur Ernährung und zur Stärkung der Knochengesundheit
bei Calcium- und Vitamin D-Mangel“. Die Beklagte forderte die Klägerin mit
Schreiben vom 20. August 2010 auf, ihre Angaben im Hinblick auf die
angesprochene diätbedürftige Personengruppe zu ergänzen. In Ihrem
Antwortschreiben vom 7. Oktober 2010 führte die Klägerin aus, dass sie den
Personenkreis auf „die Gruppe der Kinder (bzw. der Heranwachsenden)“
beschränke. Dem Schreiben fügte sie ein überarbeitetes Etikettenmuster für
die Rückseite der Flasche bei, welches das Produkt als „Diätetischen
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Mehrfruchtsaft für Kinder“ ausweist und folgenden Text enthält: „D. steht seit
1952 für gesunde Kindersäfte. Kinder benötigen ausreichend Calcium und
Vitamin D, damit sich ihre Knochen optimal entwickeln können. Trotz der
Bedeutung dieser Nährstoffe sind rund 30 % der Kinder in Deutschland nicht
ausreichend mit Calcium und 80 % nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt.“
Zudem enthält das rückseitige Etikett unter anderem eine farblich leicht
hervorgehobene Tabelle, die – bezogen auf eine Tagesportion von 150 ml –
darstellt, wie viel Prozent des Tagesbedarfes für Calcium und Vitamin D
gemäß der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), erreicht werden. Die
Tabelle enthält Angaben für unterschiedliche Altersgruppen von 1 bis 14
Jahren sowie für Schwangere und Stillende. Auf dem Muster des Etiketts für
die Vorderseite der Flasche findet sich der Hinweis: „Mit Calcium und Vitamin D
zur Unterstützung des Knochenaufbaus“.
Im Mai 2011 hörte die Beklagte die Klägerin an und legte unter anderem dar,
das Erzeugnis „D. E.“ erfülle nach derzeitigem Stand die Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 2 der Verordnung über diätetische Lebensmittel (DiätV) nicht. Das
Produkt eigne sich nicht für den angegebenen Ernährungszweck. Der
Referenzwert der DGE, der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung, der
Schweizerischen Gesellschaft für Ernährungsforschung und der
Schweizerischen Vereinigung für Ernährung (D.A.CH.-Referenzwert) für die
tägliche Vitamin D3-Zufuhr liege bei 5 µg/Tag. Nach den Daten der
Ernährungsstudie als Kinder- und Jugendgesundheitssurvey-Modul (EsKiMo-
Studie) und der Dortmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally
Designed (DONALD-Studie) betrage die Gesamtzufuhr an Vitamin D3 aus
allen Lebensmitteln über alle Altersgruppen hinweg durchschnittlich 1,9
µg/Tag. Die Klägerin möge belegen, dass 1,26 µg/Tag Vitamin D3 geeignet
seien, um dem angegebenen Ernährungszweck der Personengruppe der
Kinder zu entsprechen. Die EsKiMo-Studie ergebe bezüglich der täglichen
Calcium-Zufuhr, dass die 10 bis 11-jährigen Mädchen und Jungen ca. 200 mg,
die 7 bis 9-jährigen Jungen aber nur 13 mg unter dem D.A.CH.-Referenzwert
lägen. Für Mädchen im Alter von 7 bis 9 Jahren und 12 Jahren werde der
D.A.CH.-Referenzwert um 76 mg und 27 mg unterschritten. „D. E.“ decke mit
einer zusätzlichen Zufuhr von 200 mg Calcium pro Tag den zusätzlichen
Bedarf von Kindern im Alter zwischen 10 und 11 Jahren. Für die 7 bis 9-
jährigen Kinder und für 12-jährige Mädchen sei das Produkt zu hoch dosiert.
Für alle anderen Kinder bestehe kein besonderes Ernährungserfordernis bei
Calcium. Nach der DONALD-Studie sei das Produkt für moderatverzehrende
Kinder im Alter von 1 bis 6 Jahren zu hoch dosiert. Die Klägerin möge
wissenschaftliche Unterlagen vorlegen, die belegten, dass 200 mg Calcium
pro Tag geeignet seien, um dem angegebenen Ernährungszweck der
Personengruppe der Kinder zu entsprechen. Im Übrigen sei das Produkt nicht
von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs zu unterscheiden, sodass
die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 DiätV nicht erfüllt seien.
In ihrer Stellungnahme vom 19. August 2011 führte die Klägerin im
Wesentlichen aus, nach der EsKiMo-Studie sei die mediane Vitamin D-Zufuhr
durch Lebensmittel niedriger als der D.A.CH.-Referenzwert. Dies bestätigten
die Ergebnisse der DONALD-Studie und der Nationalen Verzehrstudie II (NVS
II). Eine ergänzende Vitamin D-Aufnahme erhöhe den Anteil derer, welche die
Referenzwerte erreichten bei den Jungen von 13 auf 23 Prozent und bei den
Mädchen von 4 auf 11 Prozent. Calcium habe eine vielfältige Bedeutung für
den Körper. Nach der EsKiMo-Studie betrage die mediane Calcium-Zufuhr bei
den 7 bis 11-jährigen Mädchen nur 79 bis 92 Prozent, bei den gleichaltrigen
Jungen nur 82,5 bis 98,6 Prozent des Referenzwertes. Das 5. Perzentil dieser
Altersgruppe erreiche bei den Mädchen nur 36 bis 47 Prozent, bei den Jungen
nur 43 bis 59 Prozent des Referenzwertes. Die Ergebnisse der DONALD-
Studie belegten, dass Probanden die Calcium-Referenzwerte umso weniger
erreichten, je älter sie seien. Die Studie zeige zudem, dass die Hochverzehrer
von Milchprodukten die Referenzwerte für Calcium erreichten, während die
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Moderat- und Niedrigverzehrer mit Abstand darunter lägen. 36 Prozent der
Probanden erfüllten die Empfehlungen für die Calcium-Zufuhr nicht. Nach der
NVS II erreichten in den Altersgruppen ab 14 Jahren ca. die Hälfte der
Personen die tägliche Zufuhrempfehlung nicht. Die Europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA) bewerte gesundheitsbezogene Angaben in
Bezug auf Knochen für Vitamin D und Calcium – auch in Kombination – bereits
positiv. Die Stellungnahmen der EFSA belegten für Calcium und Vitamin D
ernährungsphysiologische bzw. diätetische Zwecke im Allgemeinen, explizit
aber gerade auch Wirkungen bezüglich der Aufrechterhaltung der Knochen.
Das Produkt entspreche dem besonderen Ernährungserfordernis der Gruppe
der Kinder.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2011 untersagte die Beklagte der Klägerin
vorläufig, das Produkt „D. E.“ als diätetisches Lebensmittel in den Verkehr zu
bringen. Zur Begründung nahm sie auf ihr Anhörungsschreiben Bezug und
führte ergänzend im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6
DiätV lägen vor, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 DiätV nicht erfüllt
seien. „D. E.“ eigne sich aufgrund der zu gering dosierten Vitamin D3-Zufuhr
pro täglicher Verzehrsmenge für die ausgelobte Personengruppe und des
nicht für alle Kinder vorliegenden besonderen Ernährungserfordernisses für
Calcium nicht für den angeführten Ernährungszweck. Nach der EsKiMo-Studie
liege die mediane Vitamin D3-Zufuhr der 6 bis 11-jährigen Jungen 3,5 bis 3,7
µg/Tag, bei den Mädchen dieser Altersgruppe 3,6 bis 3,8 µg/Tag unterhalb der
D.A.CH.-Referenzwerte. Bei den 12 bis 17-jährigen Jungen liege die mediane
Vitamin D3-Zufuhr 2,5 bis 3,1 µg/Tag, bei den gleichaltrigen Mädchen 3,2 bis
3,4 µg/Tag unter den D.A.CH.-Referenzwerten. Die empfohlene Tagesdosis
von 1,26 µg/Tag reiche nicht aus, um den angegebenen Ernährungszweck zu
erfüllen. Die mediane Calciumzufuhr von Jungen im Alter von 6 Jahren liege
120 mg über den D.A.CH.-Referenzwerten. Jungen nähmen im Alter von 12
Jahren 92 mg Calcium pro Tag zu wenig auf. Im Alter von 13 bis 14 Jahren
nähmen Jungen 117 mg/Tag und im Alter von 15 bis 17 Jahren 324 mg/Tag
mehr an Calcium auf, als nach D.A.CH. empfohlen werde. Die DONALD-Studie
gebe an, dass Moderatverzehrer im Alter von 1 bis 6 Jahren zwischen 28 und
97 mg zu wenig Calcium pro Tag aufnähmen. Auch für diese Altersgruppe sei
das Produkt daher mit einer zusätzlichen täglichen Zufuhr von 200 mg Calcium
zu hoch dosiert. Die Diskussion um die Diäteigenschaft eines Lebensmittels
gleiche nicht derjenigen um die sogenannten Health-Claims. Durch die
Stellungnahmen der EFSA werde gerade keine Aussage zur Verkehrsfähigkeit
eines Lebensmittels getroffen. Die Untersagung des weiteren
Inverkehrbringens des Produktes sei zweckmäßig, ein milderes Mittel sei nicht
ersichtlich. Das Ermessen sei aufgrund des vorbeugenden
Verbraucherschutzes auf null reduziert.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2011 erhob die Klägerin Widerspruch gegen
den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2011. Sie verwies hierzu auf ihr
Schreiben vom 19. August 2011 und trug ergänzend im Wesentlichen vor, die
Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 DiätV lägen nicht vor, weil die Anforderungen
des § 1 Abs. 2 DiätV im Hinblick auf das Produkt „D. E.“ erfüllt seien. Die DGE
habe Anfang Januar 2012 den Referenzwert für Vitamin D3 von 5 auf 20
µg/Tag erhöht. Die gewünschte Versorgung könne zwar bei häufiger
Sonnenbestrahlung ohne die Einnahme eines Vitamin D-Präparates erreicht
werden, diese Versorgung sei bei der Zielgruppe durch das Lebensumfeld und
die Freizeitgestaltung im Kinderalltag heutzutage aber kaum mehr gegeben.
Durch die Anhebung des Referenzwertes würden nunmehr lediglich 6 bis 12,5
Prozent des Referenzwertes von Kindern und Jugendlichen erreicht. Das
Produkt unterscheide sich auch deutlich von den Lebensmitteln des
allgemeinen Verzehrs, sodass die Vorgaben des § 1 Abs. 2 Nr. 3 DiätV erfüllt
seien. Die wissenschaftlichen Gutachten der EFSA ließen sich für die
Beurteilung der Diäteigenschaft eines Lebensmittels heranziehen. Die EFSA
beschäftige sich im Rahmen der Zulassungsverfahren für die Health-Claims
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mit gesundheitsbezogenen Wirkungen von Diätetika. Wenn sie als höchste
behördliche wissenschaftliche Instanz der EU eine Wirkung bei einer
Personengruppe bestätigt habe, sei dies kaum zu widerlegen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2012 wies die Beklagte den
Widerspruch der Klägerin zurück. Sie verwies zur Begründung auf die
Ausführungen in ihrem Anhörungsschreiben und dem Bescheid vom 10.
Oktober 2011 und führte ergänzend im Wesentlichen aus, die Ergebnisse der
EsKiMo-Studie zeigten, dass die mediane Vitamin D3-Zufuhr bei Jungen im
Alter von 6 bis 11 Jahren bei 1,3 bis 1,5 µg/Tag und bei Mädchen dieser
Altersgruppe bei 1,2 bis 1,4 µg/Tag liege. Bei Jungen in Alter von 12 bis 17
Jahren liege die mediane Vitamin D3-Zufuhr bei 1,9 bis 2,5 µg/Tag, bei
Mädchen in dieser Altersgruppe bei 1,6 bis 1,8 µg/Tag. Vor dem Hintergrund
der Erhöhung des Vitamin D-Referenzwertes von 5 auf 20 µg/Tag sei eine
zusätzliche Zufuhr von 1,26 µg/Tag zu gering, um einen nennenswerten
Beitrag zu einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D3 zu gewährleisten.
Die Verbraucher erwarteten bei einem mit Vitamin D3 angereicherten
diätetischen Lebensmittel, dass das Produkt einen ausreichenden Beitrag zur
Nährstoffversorgung leiste. Diese Erwartung werde bei „D. E.“ nicht erfüllt.
Am 30. März 2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung verweist
sie auf ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend im
Wesentlichen vor, der besondere Nutzen des Produktes für Kinder beruhe
insbesondere auf den Stoffen Calcium und Vitamin D. Dass für diese Stoffe ein
erhöhtes Bedürfnis bestehe, sei unstreitig. Die Ergebnisse der EsKiMo-Studie
zeigten, dass die mediane Vitamin D-Zufuhr bei Mädchen und Jungen im Alter
von 6 bis 11 Jahren nur bei 24 bis 36 Prozent des Referenzwertes liege. In
dieser Altersgruppe erreiche das 5. Perzentil der Mädchen nur 2 bis 6 Prozent,
das 5. Perzentil der Jungen nur 6 bis 10 Prozent des Referenzwertes. Bei den
12 bis 17-Jährigen liege die mediane Vitamin D-Zufuhr der Mädchen bei 32 bis
36 Prozent, die der Jungen bei 38 bis 50 Prozent des Referenzwertes. In
dieser Altersgruppe erreiche das 5. Perzentil der Mädchen nur 12 bis 14
Prozent, das 5. Perzentil der Jungen nur 16 bis 18 Prozent des
Referenzwertes. Die Referenzwerte bei Calcium erreichten nach der Donald-
Studie nur die Hochverzehrer von Milchprodukten, während die Moderat- und
Niedrigverzehrer deutlich unter diesen Werten lägen. Zwar könne eine
Tagesportion des Produktes von 150 ml den Mangel nicht vollständig
beheben, dies sei jedoch auch keine Voraussetzung für die Einordnung als
Diätetikum. § 1 Abs. 2 Nr. 2 DiätV erfordere lediglich, dass sich
das Lebensmittel für den angegebenen Ernährungszweck „eignen“ müsse.
Angegebener Ernährungszweck von „D. E.“ sei die Unterstützung des
Knochenaufbaus. Der vollständige Ersatz einer Aufnahme von Vitamin D und
Calcium durch die sonstige Ernährung sei nicht der hinter dem Produkt
stehende Ernährungszweck. Es solle lediglich ein gezielter Beitrag zur
Erhöhung der in der regulären Ernährung mangelhaft vorhandenen Stoffe
Vitamin D3 und Calcium erzielt werden. Dass durch den Verzehr einer Portion
„D. E.“ der Tagesbedarf an Vitamin D3 nicht gedeckt werde, werde dem
Verbraucher durch die auf dem Etikett befindliche Tabelle deutlich aufgezeigt.
Dort sei aufgeführt, dass – bezogen auf den alten Referenzwert von 5 µg/Tag
– lediglich 25 Prozent des Tagesbedarfes an Vitamin D gedeckt würden. Der
Weg über das Diätrecht sei auch deshalb notwendig gewesen, weil die
Beklagte bei einer Vitamin D-Konzentration in dem Umfang, wie sie bei dem
streitgegenständlichen Saft vorliege, keine Ausnahmegenehmigung als
„normales Lebensmittel“ erteilt hätte. Zudem sei eine höhere Vitamin D-
Konzentration in dem Produkt problematisch, weil der Grenzaufnahmewert
(UL) in einigen Altersgruppen mit 25 µg/Tag sehr nahe an dem D.A.CH.-
Referenzwert von 20 µg/Tag liege. Zu beachten sei, dass bei Calcium nach
der Verzehrsempfehlung der Referenzwert teilweise zu 100 Prozent erreicht
werde. Ob sich ein Lebensmittel für den angegebenen diätetischen Zweck –
hier: „Unterstützung des Knochenaufbaus“ – eigne, sei fachlich-
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wissenschaftlich zu beurteilen. Die EFSA setzte sich in ihren Stellungnahmen
genau mit der Frage auseinander, ob ein bestimmter Stoff besondere
Wirkungen hervorrufe, also einen besonderen Ernährungszweck verfolge.
Dass über die Stellungnahmen der EFSA hinausgehende wissenschaftliche
Nachweise erforderlich seien, fordere die DiätV nicht, die knochenaufbauende
Wirkung von Calcium und Vitamin D ergebe sich jedoch auch aus zahlreichen
anderen Studien. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, da vergleichbare
Produkte – wie etwa „F. G.“ oder „D. H.“ – seit Jahrzehnten im Verkehr seien.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2011 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, zwar bestehe bei Kindern in
Bezug auf Vitamin D grundsätzlich ein besonderes Ernährungserfordernis
i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 b DiätV, das streitgegenständliche Produkt eigne sich
aber im Hinblick auf seine Dosierung nicht für den angegebenen diätetischen
Zweck. Auch die German Representative Study of Toddler Alimentation
(GRETA-Studie) zeige, dass die Vitamin D-Aufnahme bei Säuglingen ab 6
Monaten und Kleinkindern ab 3 Jahren im Mittelwert weit unter der bislang
gültigen Empfehlung von 5 µg/Tag liege. Das Erfordernis einer kontrollierten
Aufnahme i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 DiätV beinhalte, dass der aufzunehmende
Stoff in qualitativer und quantitativer Hinsicht jeweils den Bedürfnissen
angepasst sei. Gleichsinnig sei auch die Forderung des § 7b Abs. 1 DiätV,
wonach alle in der Anlage 2 der DiätV aufgeführten Stoffe diätetischen
Lebensmitteln in Art und Menge nur so zugesetzt werden dürften, dass diese
den besonderen Ernährungserfordernissen der Personengruppen
entsprächen, für die sie bestimmt seien. Eine zusätzliche Vitamin D-Zufuhr von
1,26 µg/Tag unterschreite den täglichen Bedarf von bis zu 20 µg deutlich. Die
Aufnahme sei daher nicht kontrolliert und dem Bedarf nicht angepasst. Die
Anforderungen des § 7b Abs. 1 DiätV seien nicht erfüllt. Die Angaben des
Etiketts – „Kinder benötigen ausreichend Calcium und Vitamin D, damit sich
ihre Knochen optimal entwickeln können. […].“ – suggerierten dem
Verbraucher, dass durch den Verzehr dieses Produktes das besondere
Ernährungserfordernis in Bezug auf Vitamin D gestillt und eine ausreichende
Versorgung mit diesem Nährstoff gewährleistet werden könne. Nach den
Angaben der Klägerin – wonach der Bedarf durch das Produkt nicht zu 100
Prozent gedeckt werden müsse – sei überhaupt nicht beabsichtigt, ein
diätetisches Lebensmittel in den Verkehr zu bringen. Es werde nicht einmal
versucht, einen besonderen Nutzen aus einer kontrollierten Aufnahme zu
begründen. Aufgrund des geringen Beitrages zur Beseitigung der
Unterversorgung mit Vitamin D sei durch die Aufnahmen dieses Lebensmittels
kein besonderer Nutzen in Bezug auf die Versorgungssituation gegeben. Auch
aus diesem Grund seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 DiätV nicht
erfüllt. Positive Stellungnahmen der EFSA seien grundsätzlich auch bei der
Prüfung der Diäteignung zu berücksichtigen. Solche Stellungnahmen träfen
aber lediglich Aussagen über allgemeine physiologische Körperfunktionen und
seien daher Grundvoraussetzung für den Nachweis der Diäteignung eines
Stoffes. Über den Beleg einer Wirkung eines Stoffes für allgemeine
physiologische Stoffwechselprozesse hinaus, müssten diätetische
Lebensmittel besonderen, spezifischen Ernährungsbedürfnissen entsprechen.
Es sei im Einzelfall zu prüfen, welche physiologischen Umstände vorlägen, die
das besondere Ernährungserfordernis bedingten und mit welchen spezifischen
diätetischen Maßnahmen diesem Erfordernis entsprochen werden könne. Ein
widersprüchliches Verhalten ihrerseits liege nicht vor. Für die Durchführung der
Lebensmittelüberwachung seien die Bundesländer zuständig, deren Behörden
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in ihren Entscheidungen frei seien. Sie sei den Länderbehörden gegenüber
nicht weisungsbefugt. Die Diskussion und Entscheidung im Fall „F. G.“ sei
unbeachtlich. Dieses Produkt sei, ebenso wie „D. H.“ nicht von ihr geprüft
worden, da sie als Behörde erst 2002 gegründet worden sei. Im Übrigen
handele es sich – im Vergleich zu „D. E.“ – aufgrund der Inhaltsstoffe nicht um
wesentlich gleiche Produkte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen
Verwaltungsvorgang Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin kann die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 10.
Oktober 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2012
nicht beanspruchen. Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die
Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beklagte hat ihr zu Recht vorläufig
untersagt, ihr Produkt „D. E.“ als diätetisches Lebensmittel in den Verkehr zu
bringen.
Rechtsgrundlage für das Verbot ist § 4a Abs. 6 DiätV. Hiernach kann das
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit das
Inverkehrbringen eines Erzeugnisses als diätetisches Lebensmittel vorläufig
untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn es auf die Anzeige des
Herstellers oder Einführers gemäß § 4a Abs. 1 DiätV festgestellt hat, dass das
angezeigte Erzeugnis nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 2 DiätV an ein
diätetisches Lebensmittel entspricht.
Die Voraussetzungen von § 4a Abs. 6 DiätV sind gegeben. Das Produkt „D.
E.“ der Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 DiätV für ein
diätetisches Lebensmittel.
Diätetische Lebensmittel sind nach der allgemeinen Begriffsbestimmung des §
1 Abs. 1 DiätV Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind.
Nach § 1 Abs. 2 DiätV sind Lebensmittel für eine besondere Ernährung
bestimmt, wenn die Voraussetzungen der Nummern 1 bis 3 erfüllt sind.
Danach müssen sie den besonderen Ernährungserfordernissen einer der drei
in Nr. 1 a bis c genannten Verbrauchergruppen entsprechen. Als
Verbrauchergruppen für diätetische Lebensmittel kommen hiernach in
Betracht: bestimmte Gruppen von Personen, deren Verdauungs- oder
Resorptionsprozess oder Stoffwechsel gestört ist (Buchstabe a), bestimmte
Gruppen von Personen, die sich in besonderen physiologischen Umständen
befinden und deshalb einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten
Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können
(Buchstabe b) oder gesunde Säuglinge oder Kleinkinder (Buchstabe c). Die
Lebensmittel müssen sich des Weiteren für den angegebenen
Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht
werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind (Nr. 2) und sich aufgrund
ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer
Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs
unterscheiden (Nr. 3).
„D. E.“ erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 DiätV nicht.
Insbesondere erfüllt das Produkt nicht die Anforderungen, die sich aus § 1
Abs. 2 Nr. 1b und Nr. 2 DiätV ergeben.
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Der Saft richtet sich zwar an die Gruppe der Kinder und damit – i.S.d. § 1 Abs.
2 Nr. 1b DiätV – an eine bestimmte Gruppe von Personen, die sich in
besonderen physiologischen Umständen befindet. Als eine solche Gruppe ist
unter anderem die Gruppe der Kinder anerkannt (Zipfel/Rathke,
Lebensmittelrecht, Stand: September 2013, § 1 DiätV Rn. 22). Nach den
Auslobungen auf der Rückseite des Etikettes ist „D. E.“ für diese
Verbrauchergruppe bestimmt. Das Produkt wird dort als „Diätetischer
Mehrfruchtsaft für Kinder […]“ bezeichnet. Der abgedruckte Text und die
darunter aufgebrachte Tabelle lassen ebenfalls erkennen, dass sich das
Produkt an die Gruppe der Kinder richtet. Der Text behandelt inhaltlich
ausschließlich diese Verbrauchergruppe und weist auf den bei Kindern
bestehenden Mangel an Calcium und Vitamin D hin. Die Tabelle bezieht sich
überwiegend auf die Gruppe der Kinder, indem sie Altersstufen von 1 bis 14
aufführt. Zusätzlich werden Schwangere und Stillende aufgeführt, was aber,
angesichts der eindeutigen Aussagen in der Produktbezeichnung und dem
abgedruckten Text, nicht zu einer Ausweitung der Verbrauchergruppe führt.
§ 1 Abs. 2 Nr. 1b i.V.m. Nr. 2 DiätV geht in seinen Voraussetzungen, die ein
Lebensmittel erfüllen muss, um als diätetisches Lebensmittel zu gelten, jedoch
weiter, als dass es für sich genommen bereits ausreichend ist, diejenige
Gruppe zu benennen, die sich in besonderen physiologischen Umständen
befindet. Das Vorhandensein besonderer physiologischer Umstände allein
genügt für die Annahme eines diätetischen Lebensmittels nicht (Zipfel/Rathke,
Lebensmittelrecht, Stand: September 2013, § 1 DiätV Rn. 25b). Darüber
hinaus muss die kontrollierte Aufnahme der in dem Produkt enthaltenen Stoffe
auch zu einer nicht unerheblichen Verbesserung derjenigen Umstände führen,
aufgrund derer bei einer bestimmten Personengruppe das besondere
Ernährungserfordernis besteht. Schon der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 1 b
DiätV verdeutlicht, dass allein die Tatsache, dass sich eine Personengruppe in
besonderen physiologischen Umständen befindet und das Produkt für diese
Gruppe gedacht ist, nicht dazu führen kann, dass ein Lebensmittel als
Diätetikum einzustufen ist. So fordert § 1 Abs. 2 Nr. 1 b DiätV im Hinblick auf
die Verbrauchergruppe, der das besondere Ernährungserfordernis
entsprechen muss „bestimmte Gruppen von Personen, die sich in besonderen
physiologischen Umständen befinden und deshalb einen besonderen Nutzen
aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltener Stoffe
ziehen können“. Der Zweite Halbsatz der Vorschrift spricht dafür, dass der
Verordnungsgeber hier über die Benennung einer bestimmten
Personengruppe hinaus zusätzliche Voraussetzungen schaffen wollte. Dies
wird zunächst anhand der Einleitung des zweiten Satzteils mittels der Wörter
„und deshalb“ deutlich. Diese Wortwahl spricht dafür, dass für den Eintritt der
Rechtsfolge über das Vorhandensein einer Verbrauchergruppe hinaus,
kumulativ weitere Voraussetzungen vorliegen müssen. Dass dies erforderlich
ist, ergibt dann auch der Sinngehalt des zweiten Satzteils selbst. Die
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 b DiätV sollen dem
Wortlaut nach nur dann erfüllt sein, wenn die Personengruppen aufgrund ihres
physiologischen Umstandes „einen besonderen Nutzen aus der kontrollierten
Aufnahme bestimmter, in der Nahrung enthaltener Stoffe ziehen können“. Dies
bedeutet zum einen, dass der physiologische Umstand der Personengruppe
für sich betrachtet den Tatbestand nicht erfüllen kann. Hinzutreten muss
vielmehr ein „besonderer Nutzen“, also eine positive Wirkung in Bezug auf den
physiologischen Umstand. Dass hierbei nicht jeglicher – gegebenenfalls auch
minimaler – Nutzen, unabhängig von seinem tatsächlichen Wirkungsgrad
ausreichend sein kann, wird dadurch deutlich, dass es sich um einen
besonderen Nutzen handeln muss. Des Weiteren muss die Personengruppe
den „besonderen Nutzen“ aus einer „kontrollierten Aufnahme“ ziehen können.
Dieses Erfordernis stellt eine Einschränkung dar. Der Stoff muss für den
jeweiligen Umstand in qualitativer oder quantitativer Hinsicht bedeutsam sein.
Unter kontrollierter Aufnahme ist nicht eine ständige Kontrolle durch einen Arzt
mit regelmäßiger Überprüfung der Wirkung zu verstehen. Die Beachtung der
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Gebrauchs- und Dosierungsanweisungen des Herstellers muss genügen
(Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: September 2013, § 1 DiätV Rn. 25b).
In eben diese Richtung geht auch § 1 Abs. 2 Nr. 2 DiätV. Nach dieser
Vorschrift muss sich das Lebensmittel für den angegebenen Ernährungszweck
eignen. Bei verständiger Würdigung ist daraus abzuleiten, dass es dem Zweck
zumindest dienlich sein bzw. einen nicht ganz unerheblichen Beitrag zur
Erreichung dieses Zweckes leisten muss. Nicht geeignet, sind dagegen
Lebensmittel, die nur einen unwesentlichen Beitrag zur Erreichung des
Ernährungszweckes leisten. Der Verzehr diätetischer Lebensmittel erfolgt
regelmäßig in der Erwartung, einen zumindest spürbaren Erfolg im Hinblick auf
das besondere Ernährungserfordernis zu erzielen, der sich mit der normalen
Nahrung nicht in gleicher Weise erreichen ließe. Dies zugrunde gelegt, kann
sich ein Lebensmittel nur dann für den angegebenen Ernährungszweck
eignen, wenn es dieser Erwartung gerecht wird. Erforderlich ist daher, dass die
sich aus dem besonderen physiologischen Umstand ergebenen
Auswirkungen abgemildert oder beseitigt werden. Bewirkt ein Lebensmittel
hingegen – etwa im Hinblick auf einen Mangelzustand – lediglich, dass die
Konzentration des im Körper mangelhaft vorhandenen Stoffes durch den
Verzehr leicht angehoben wird, ohne aber den Mangel selbst zumindest
merklich zu reduzieren, ist es nicht geeignet i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 DiätV.
Für eine derartige Auslegung sprechen auch systematische Gesichtspunkte.
Nach § 7b Abs. 1 Satz 1 DiätV dürfen alle in den Anlagen 2 und 9 aufgeführten
Stoffe diätetischen Lebensmitteln in Art und Menge nur so zugesetzt werden,
dass diese den besonderen Ernährungserfordernissen der Personengruppe
entsprechen, für die sie bestimmt sind. Die Vorschrift ist einschlägig, die hier in
Rede stehenden Stoffe – Calciumgluconat und Vitamin D3 – sind in der Anlage
2 aufgeführt. Die Bezugnahme auf „Art und Menge“, die den
Ernährungserfordernissen der Gruppe entsprechen müssen, verdeutlicht, dass
sowohl die inhaltliche Zusammensetzung des Lebensmittels, als auch die
konkrete Dosierung auf das jeweilige Bedürfnis abgestimmt sein müssen. Dies
ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn sich eine Gruppe in besonderen
physiologischen Umständen befindet, ihre Mitglieder aber – z.B. aufgrund einer
zu geringen Dosierung – mit dem Verzehr des Lebensmittels keine oder nur
eine unerhebliche Verbesserung ihrer Situation erzielen können. Ist dies der
Fall, entsprechen die zugeführten Stoffe nicht dem besonderen
Ernährungserfordernis der Personengruppe. Es ist – im Hinblick auf die
Anforderungen an diätetische Lebensmittel – davon auszugehen, dass der
Verordnungsgeber bei § 1 Abs. 2 Nr. 1b und Nr. 2 DiätV einerseits und bei §
7b Abs. 1 Satz 1 DiätV andererseits einheitliche Maßstäbe setzen wollte. Dies
gilt schon deshalb, weil es sich um Vorschriften innerhalb eines
Regelungswerkes – der DiätV – handelt.
Dafür, dass ein diätetisches Lebensmittel nur dann vorliegt, wenn bei einer
kontrollierten Aufnahme auch eine nicht unerhebliche Verbesserung
derjenigen Besonderheiten eintritt, die bei der Verbrauchergruppe gerade
aufgrund ihres physiologischen Zustandes bestehen, sprechen auch die
europarechtlichen Grundlagen der DiätV. In der Richtlinie 89/398/EWG des
Rates vom 3. Mai 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt
sind (RL 89/398/EWG), auf der die DiätV weitgehend beruht, heißt es in
Erwägungsgrund Nr. 4: „Die unter diese Richtlinie fallenden Erzeugnisse sind
Lebensmittel, deren Zusammensetzung und Herstellung besonders
beschaffen sein müssen, damit sie den besonderen Ernährungsbedürfnissen
des Personenkreises entsprechen, für den sie in erster Linie bestimmt sind.“
Einem Ernährungsbedürfnis „entspricht“ ein Produkt aber jedenfalls dann
(noch) nicht, wenn es keine erhebliche Verbesserung des körperlichen
Zustandes nach sich zieht. § 7b Abs. 1 Satz 1 DiätV beruht auf der Richtlinie
2001/15/EG der Kommission vom 15. Februar 2001 über Stoffe, die
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Lebensmitteln, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, zu
besonderen Ernährungszwecken zugefügt werden dürfen (RL 2001/15/EG).
Im Erwägungsgrund Nr. 1 dieser Richtlinie heißt es unter anderem: „Einige
Stoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Aminosäuren und andere können
Lebensmitteln für eine besondere Ernährung zugefügt werden, um
sicherzustellen, dass die besonderen ernährungsphysiologischen Bedürfnisse
der Personen, für die diese Lebensmittel bestimmt sind, erfüllt werden, […].“
„Erfüllt“ ist ein besonderes ernährungsphysiologisches Bedürfnis aber
jedenfalls dann nicht, wenn der Verzehr des Lebensmittels nur zu einer
unerheblichen Anhebung der Stoffkonzentration im Körper führt, ohne die
Situation der Verbrauchergruppe merklich zu verbessern.
Schließlich spricht auch die notwendige Abgrenzung zwischen diätetischen
Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln für eine solche Auslegung der
DiätV. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 der Verordnung über
Nahrungsergänzungsmittel (NemV) ist ein Nahrungsergänzungsmittel ein
Lebensmittel, das dazu bestimmt ist, die allgemeine Nahrung zu ergänzen (Nr.
1), ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit
ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in
Zusammensetzung darstellt (Nr. 2). Im Gegensatz zu einem diätetischen
Lebensmittel ist es nach dieser Definition bei einem
Nahrungsergänzungsmittel ausreichend, dass ihm überhaupt eine
physiologische Wirkung zukommt. Einen positiven Effekt auf ein bestehendes
Ernährungserfordernis fordert die NemV nicht. Hier verläuft die Grenze zu den
diätetischen Lebensmitteln, welche einen besonderen Nutzen bzw. die
Eignung im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse der jeweiligen
Verbrauchergruppe voraussetzen.
Diese Maßstäbe sind bei „D. E.“ nicht erfüllt. Die Gruppe der Kinder kann
aufgrund ihrer physiologischen Begebenheiten keinen besonderen Nutzen
aus der Aufnahme von Vitamin D und Calcium in der bei dem Produkt
empfohlenen Dosierung ziehen. „D. E.“ ist für den angegebenen
Ernährungszweck nicht geeignet.
Der D.A.CH.-Referenzwert bei Vitamin D liegt für die Gruppe der Kinder bei 20
µg/Tag. Nach der EsKiMo-Studie bestehen bei Vitamin D für diese Gruppe
folgende mediane Zufuhrmengen:
Jungen
Mädchen
6 Jahre
1.4 µg/Tag 1.3 µg/Tag
7 bis 9 Jahre
1.3 µg/Tag 1.2 µg/Tag
10 bis 11 Jahre 1.5 µg/Tag 1.4 µg/Tag
12 Jahre
1.9 µg/Tag 1.8 µg/Tag
13 bis 14 Jahre 2.0 µg/Tag 1.6 µg/Tag
Nach der von der Klägerin empfohlenen täglichen Verzehrmenge von 150 ml
„D. E.“ erhält die Verbrauchergruppe der Kinder zusätzlich 1,26 µg/Tag Vitamin
D3. Diese Menge ist nicht ausreichend, um dem besonderen
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Ernährungserfordernis der Gruppe zu entsprechen, bzw. dieses sogar zu
erfüllen. Zwar wird die Vitamin D-Zufuhr durch den Verzehr des Produktes
leicht gesteigert, dies ist jedoch nicht ausreichend. Erforderlich wäre ein nicht
unerheblicher Beitrag des Produktes in Bezug auf die mangelnde Vitamin D-
Versorgung und, damit einhergehend, positive Auswirkungen auf das
Knochenwachstum der Kinder. Dies ist bei der ausgelobten Dosierung nicht
erkennbar. Die mangelnde Versorgung mit Vitamin D bleibt auch bei einem
Verzehr des Produktes nahezu unverändert. Auszugehen ist hierbei von dem
D.A.CH.-Referenzwert in Höhe von 20 µg/Tag. Bei dieser Zufuhrmenge ist ein
optimaler Nutzen des Stoffes Vitamin D für das Knochenwachstum
anzunehmen. Gemessen an diesem Wert läge die Vitamin D-Versorgung aller
Kinder auch bei einem Verzehr des Produktes weiterhin deutlich unter 20
Prozent. Unter Berücksichtigung der derzeitigen medianen Zufuhrmengen
würden Jungen im Alter von 13 bis 14 Jahren mit „D. E.“ auf eine Zufuhrmenge
von 3,26 µg/Tag und damit auf 16,3 Prozent des Referenzwertes kommen.
Alle anderen Kinder lägen noch unter diesem Wert. Die Gruppe der 7 bis 9-
jährigen Mädchen würde – auch mit dem Produkt – nur 12,3 Prozent des
Referenzwertes erreichen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil als Ernährungszweck auf
dem Etikett für die Vorderseite (nur) die „Unterstützung des Knochenaufbaus“
angegeben ist und aus der rückseitigen Tabelle ersichtlich wird, dass der
Tagesbedarf an Vitamin D durch das Produkt nur zu 25 Prozent erfüllt wird. Zu
beachten ist diesbezüglich zum einen, dass sich die Prozentangaben der
Tabelle – wie die Klägerin selbst vorträgt – noch auf den alten D.A.CH.-
Referenzwert von 5 µg/Tag beziehen. Die Angabe in der Tabelle ist daher
nicht mehr richtig, die Vitamin D-Versorgung der Gruppe der Kinder liegt
insgesamt, gemessen an dem neuen Referenzwert von 20 µg/Tag, auch beim
Verzehr des Produktes deutlich darunter. Entscheidend ist aber, dass bei der
vorliegenden Dosierung auch der angegebene Ernährungszweck nicht
erreicht wird. Die medianen Zufuhrmengen bei Vitamin D liegen bei Kindern
ohne zusätzliche Aufnahme zwischen 6 und 10 Prozent. Die zusätzliche
Aufnahme dieses Stoffes aus „D. E.“ führt dazu, dass 12,3 bis 16,3 Prozent
des Referenzwertes erreicht werden. Eine relevante „Unterstützung des
Knochenaufbaus“ ist angesichts dieser Werte nicht zu erwarten. Der Vitamin
D-Mangel wird durch das Produkt nicht in beachtlicher Weise behoben,
sondern besteht auch im Falle seines Verzehrs fort. Aufgrund dieser Tatsache
wird auch die Beeinträchtigung des Knochenaufbaus durch das Produkt nicht
erheblich abgemildert oder gar behoben. Genau dies wäre aber für die
Einstufung als diätetisches Lebensmittel notwendig.
Soweit die Klägerin vorträgt, ihr Produkt „D. E.“ hätte mit der bestehenden
Vitamin D-Konzentration keine Ausnahmegenehmigung als „normales
Lebensmittel“ bekommen und der Weg über das Diätrecht sei daher notwendig
gewesen, führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Die Kammer
vermag dieser Argumentation schon deshalb nicht zu folgen, weil sie auf einer
hypothetischen Grundlage basiert. Die Klägerin hat diese Genehmigung nicht
beantragt und die Beklagte hat – wie in der mündlichen Verhandlung dargelegt
– ein solches Verfahren in der Vergangenheit nicht durchgeführt. Nach ihren
Angaben ist die Rechtslage in Bezug auf den hier gegenständlichen Saft nicht
klar.
Wenn die Klägerin vorträgt, dass eine höhere Anreicherung des Produktes mit
Vitamin D deshalb problematisch sei, weil der UL in einigen Altersgruppen nur
knapp über dem D.A.CH.-Referenzwert liege, ist dem ebenfalls nicht zu folgen.
Die höchste tägliche Zufuhrmenge an Vitamin D bei Verzehr des Produktes
erreichen Jungen im Alter von 13 bis 14 Jahren mit 3,26 µg/Tag. In Anbetracht
des D.A.CH.-Referenzwertes von 20 µg/Tag und der auch bei den
Aufnahmemengen der 13 bis 14-jährigen Jungen noch bestehenden großen
Differenz zu diesem Wert, erschließt sich der Kammer nicht, aus welchen
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Gründen die Klägerin an einer höheren Anreicherung gehindert wäre. Die
Kammer braucht hierbei nicht zu entscheiden, ob im Falle von „D. E.“ ein
diätetisches Lebensmittel nur dann vorliegt, wenn der Referenzwert von
Vitamin D durch den Verzehr (vollständig) erreicht wird oder ob der diätetische
Zweck im Hinblick auf den bestehenden Vitamin D-Mangel schon bei einer
erheblichen Anhebung der Stoffkonzentration bejaht werden kann. Jedenfalls
in der zweiten Alternative könnte ein Sicherheitsabstand zum UL
unproblematisch eingehalten werden. Im Falle von „D. E.“ stellt sich diese
Frage aber schon deshalb nicht, weil sich die Vitamin D-Konzentration der
Verbraucher des Produktes durch den Verzehr gerade nicht erheblich,
sondern nur ganz geringfügig erhöht. Dies ist nach Auffassung der Kammer
aber keinesfalls ausreichend.
Bei Calcium bestehen für die Gruppe der Kinder folgende D.A.CH.-
Referenzwerte:
1 bis 4 Jahre
600 mg/Tag
4 bis 7 Jahre
750 mg/Tag
7 bis 10 Jahre 900 mg/Tag
10 bis 13 Jahre 1.100 mg/Tag
13 bis 15 Jahre 1.200 mg/Tag
Nach der EsKiMo-Studie bestehen bei Calcium für diese Gruppe folgende
mediane Zufuhrmengen:
Jungen
Mädchen
6 Jahre
820 mg/Tag 716 mg/Tag
7 bis 9 Jahre
887,4 mg/Tag 824,1 mg/Tag
10 bis 11 Jahre 908,0 mg/Tag 871,2 mg/Tag
12 Jahre
1.192,2 mg/Tag 1.073,4 mg/Tag
13 bis 14 Jahre 1.317,0 mg/Tag 1.204,4 mg/Tag
15 bis 17 Jahre 1.524,8 mg/Tag 1.259,5 mg/Tag
Nach der von der Klägerin empfohlenen täglichen Verzehrmenge von 150 ml
„D. E.“ erhält die Verbrauchergruppe der Kinder zusätzlich 200 mg Calcium pro
Tag. Ein besonderes Ernährungserfordernis – in Form einer Unterstützung des
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Knochenaufbaus – besteht in dieser Dosierung bei der Gruppe der Kinder
insgesamt nicht. Der Großteil dieser Verbrauchergruppe wird aus der
Aufnahme von zusätzlichen 200 mg Calcium pro Tag keinen positiven Effekt
für den Knochenaufbau ziehen können. Alle Kinder ab 12 Jahren erreichen die
Referenzwerte bei Calcium bereits ohne zusätzlich Aufnahme des Stoffes.
Gleiches gilt für die Gruppe der 6-jährigen Kinder, in der die Jungen bereits
ohne zusätzliche Aufnahme über dem Referenzwert und die Mädchen nur 34
mg/Tag unter diesem Wert liegen. Bei den 7 bis 9-jährigen Kindern liegen die
Jungen ohne zusätzliche Aufnahme von Calcium nur 12,6 mg/Tag unter dem
Referenzwert. Die Mädchen dieser Altersgruppe liegen 75 mg/Tag darunter.
Einen besonderen Nutzen aus dieser Dosierung ziehen lediglich die 10 bis 11-
jährigen Kinder, die aufgrund der zusätzlichen Aufnahme von 200 mg/Tag mit
ihrer Calciumzufuhr ungefähr den Bereich des Referenzwertes erreichen.
Auf die Stellungnahmen der EFSA zu Calcium und Vitamin D kommt es nicht
mehr entscheidend an. Unabhängig davon, ob sie sie grundsätzlich bei der
Prüfung der Diäteigenschaft eines Lebensmittels heranzuziehen sind, können
sie den erforderlichen besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme der
Stoffe bzw. die Eignung von „D. E.“ für den angegebenen Ernährungszweck
nicht begründen. Die Stellungnahmen vermögen den Umstand, dass das
Produkt in seiner Dosierung bei Vitamin D keinen ausreichenden Beitrag für
den Ernährungszweck, leistet nicht zu verändern und setzen sich mit dieser
speziellen Frage auch nicht auseinander. Gleiches gilt für den Umstand, dass
die Gruppe der Kinder in Bezug auf Calcium kein besonderes
Ernährungserfordernis hat.
Da „D. E.“ bereits nicht den Anforderungen des § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 DiätV
entspricht, braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen
des § 1 Abs. 2 Nr. 3 DiätV erfüllt sind.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Das Ermessen der Beklagten war nicht
über Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) aufgrund vergleichbarer
Entscheidungen dahingehend reduziert, im Falle von „D. E.“ von einer
vorläufigen Untersagung des Inverkehrbringens abzusehen. Ein Verstoß
gegen Art. 3 Abs. 1 GG scheidet – unabhängig von der Frage nach den
jeweiligen Inhaltsstoffen – schon deshalb aus, weil die angeführten Produkte
nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten nicht durch diese auf ihre
Diäteigenschaft geprüft worden sind. Eine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3
Abs. 1 GG liegt aber nur dann vor, wenn die Vergleichsfälle der gleichen Stelle
zuzuordnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei
verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der
Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen
konkreten Zuständigkeitsbereich (Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl., Art.
3 Rn. 9 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11,
711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG)
und legt den anwaltlich mitgeteilten Jahresgewinn zugrunde (VG
Braunschweig, B.v. 15.12.2009 - 5 A 240/08).