Urteil des VG Braunschweig vom 26.06.2013

VG Braunschweig: geistiges eigentum, veröffentlichung, wissenschaftsfreiheit, wissenschaft und forschung, wissenschaftliche forschung, grundrecht, patent, forschungsarbeiten, selbstbestimmungsrecht

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Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz
Der Schutz geistigen Eigentums i.S.d. § 6 Satz 1 IFG umfasst neben dem
Urheberrecht und den gewerblichen Schutzrechten auch Tätigkeiten nach
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, die nicht dem privaten Regelungssystem unterfallen.
Die Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährt
wissenschaftlich tätigen Personen ein Selbstbestimmungsrecht, aufgrund
dessen diese Personen frei darüber entscheiden können, ob und wann sie
welches Forschungsmaterial an Dritte herausgeben oder veröffentlichen
wollen. Dieses umfassende Selbstbestimmungsrecht besteht auch nach
einer erfolgten Veröffernlichung fort.
Der aus dem Demokratieprinzip hergeleitete Anspruch auf
Informationszugang muss im Einzelfall hinter dem Grundrecht auf
Wissenschaftsfreiheit zurücktreten.
VG Braunschweig 5. Kammer, Urteil vom 26.06.2013, 5 A 33/11
Art 5 Abs 3 GG, § 6 IFG
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt den Zugang zu Messergebnissen, die die Beklagte bei
Testfahrten gewonnen hat.
Vom 30. August 2010 bis zum 5. September 2010 führte die Beklagte in F.
eine Testveranstaltung durch. Thematisch behandelten die Tests Probleme,
die bei Geschwindigkeitsmessungen mit Videonachfahrsystemen auf
Motorrädern in Schräglage – im Folgenden: Schräglagenproblematik –
auftreten. Die Beklagte verwendete dabei das Videonachfahrsystem ProVioa
2000. Der Kläger ist als Sachverständiger für Gerichte tätig und befasst sich
schwerpunktmäßig mit Unfallanalysen und Fahrzeugtechnik. Am 4. Oktober
2010 beantragte er bei der Beklagten, ihm eine Abschrift der Messergebnisse
zukommen zu lassen. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2010 lehnte sie seinen
Antrag mit der Begründung ab, die gewonnenen Testergebnisse seien Teil
eines Forschungsprozesses. Es handele sich um unmittelbare
Vorbereitungshandlungen für eine geplante Veröffentlichung.
Am 7. und 8. September 2010 tagte der von der Vollversammlung für das
Eichwesen eingesetzte Arbeitsausschuss „Geschwindigkeitsmessgeräte“ der
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Beklagten und befasste sich unter anderem mit der Schräglagenproblematik.
In diesem Zusammenhang stellte ein Mitarbeiter eine Grobauswertung der
Testergebnisse vor.
Am 7. Oktober 2010 erließ die Beklagte die 2. Neufassung der
Bauartzulassung 18.03/97.07 vom 8. Juli 1997 – im Folgenden: 2. Neufassung
– für das Geschwindigkeitsmessgerät ProVioa 2000. Unter Punkt 4.1.1 der 2.
Neufassung heißt es wörtlich: „Im Betrieb mit einem Motorrad dürfen
Messungen mit Schräglage (auf kurvigen Strecken) nicht verwendet werden.
Mit E-Mail vom 12. November 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten
erneut, ihm die gewonnenen Messergebnisse aus der Testveranstaltung in F.
zu überlassen.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers vom 12. November 2010 mit
Bescheid vom 29. November 2010 ab. Sie verwies hierzu auf die Begründung
des Bescheides vom 5. Oktober 2010. Darüber hinaus berief sie sich auf den
Schutz des § 4 Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Sie führte im Wesentlichen
aus, erst bei der geplanten Veröffentlichung werde sie, im Rahmen ihres
gesetzlichen Forschungsauftrages, bekannt geben, wie sie sich zu der
Schräglagenproblematik entschieden habe. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben
sei sie der Allgemeinheit verpflichtet und könne infolgedessen vorbereitende
Erkenntnisse prinzipiell nicht vor einer allgemeinen Veröffentlichung an Dritte
weitergeben. Dies beinhalte auch, die Entscheidungsfindung darüber zu
schützen, ob in den Forschungsergebnissen erfindungs- oder patentrechtlich
relevante Aspekte enthalten seien, die vor einer Veröffentlichung rechtlich
abgesichert werden müssten. Die genannten Gründe seien nicht mit dem
Erlass der 2. Neufassung weggefallen.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 legte der Kläger Widerspruch gegen
den Bescheid vom 29. November 2010 ein. Er trug hierzu im Wesentlichen vor,
sein Antrag berühre nicht den Prozess der Willensbildung. § 4 IFG schütze
nicht die Grundlagen der Entscheidungsfindung, d.h. die Fakten und die
Sachverhaltsdarstellung und nicht die Entscheidung selbst. Der Verweis auf
eine Entscheidung vom 5. Oktober 2010 sei hinfällig, da die Beklagte mit der 2.
Neufassung bereits entschieden habe. Mit dieser Neufassung könne das
Messverfahren weiter als Messgrundlage für die Verurteilungen von
Betroffenen dienen. Eine weitere Entscheidung stehe diesbezüglich nicht an. §
4 IFG sehe eine „unmittelbare Vorbereitung“ und damit eine zeitliche
Einschränkung vor. Seit der Messveranstaltung in F. sei fast ein halbes Jahr
vergangen und es sei nicht abzusehen, wann mit einer Veröffentlichung
gerechnet werden könne. In der Arbeitsausschusssitzung am 8. September
2010 habe eine Veröffentlichung mit einer Grobauswertung stattgefunden.
Eine Meinungsbildung habe deshalb bereits stattfinden können, da ansonsten
die 2. Neufassung der Bauartzulassung nicht zu erklären sei. Messergebnisse
allein könnten keine Grundlage für erfindungs- oder patentrechtliche
Ansprüche sein, dies treffe lediglich auf die Lösung eines Problems zu; eine
Lösung sei jedoch nicht angefragt worden. Der Ablehnungsbescheid nehme
keinen Bezug darauf, wer gegebenenfalls patentrechtliche Ansprüche geltend
machen könne bzw. wer an einer Lösung interessiert sei. Obwohl die Beklagte
vortrage, dass der Sachverhalt bzgl. der Schräglagenproblematik nicht
abschließend geklärt sei, was die Frage nach § 25 a Eichordnung (EichO)
aufwerfe, werde ein Messverfahren geeicht und zur Messung zugelassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2011 wies die Beklagte den
Widerspruch des Klägers überwiegend und auch im Hinblick auf die
beantragten Messergebnisse zurück. Sie wiederholte ihr Vorbringen aus dem
ablehnenden Bescheid vom 29. November 2010 und führte ergänzend im
Wesentlichen aus, ein Anspruch des Klägers auf Informationszugang nach
dem IFG würde der in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) geschützten
Wissenschaftsfreiheit zuwiderlaufen. Danach stehe ihr das Recht zu, über die
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Bewertung und Verbreitung ihrer mit erheblichem Aufwand generierten
Forschungsergebnisse selbst entscheiden zu können. Die Entscheidung über
eine in der Fachöffentlichkeit zu führende oder eben nicht zu führende
Diskussion von Forschungsergebnissen sei nach der Rechtsprechung als
zentrales Element der Forschung anzusehen. Wenn sie die
Forschungsergebnisse vor einer Veröffentlichung herauszugeben hätte, werde
ihr die Möglichkeit genommen, diese wissenschaftlich geordnet zu verteidigen.
Es könne dann nicht ausgeschlossen werden, dass Teilergebnisse aus dem
Zusammenhang herausgerissen und falsch dargestellt werden würden. Die
angeforderten Unterlagen hätten keinen Bezug zur Zulassung des Gerätes
Pro Vida 2000 und seien daher nicht Bestandteil der Zulassungsakte zu
diesem Gerät. Die in der 2. Neufassung enthaltendeÄnderung betreffe nicht
das Messverfahren, sondern nur dessen Anwendung in der Praxis. Es
bestünden keine Fragen im Hinblick auf § 25 a EichO. Die fachlich ungeklärte
Schräglagenproblematik unterfalle nach den Formulierungen in der 2.
Neufassung eindeutig nicht der Bauartzulassung. Die begehrten Unterlagen
berührten ihre Meinungsbildung. Sie seien von der beschriebenen
Entscheidungsfindung nicht abgrenzbar. Die Besprechung am 8. September
2010 sei Teil einer vorbereitenden Maßnahme im Rahmen des
Forschungsvorhabens gewesen und stelle keine Veröffentlichung von
Ergebnissen dar. Es sei nicht relevant, wer gegebenenfalls patenrechtliche
Ansprüche geltend machen könne. Es gehe darum, dass sie sich vorbehalte,
Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten zum Patent anzumelden. Das
Herausgabeverlangen sei auch nach § 3 Nr. 3b) IFG abzulehnen. Der
Anspruch nach § 1 Absatz 1 IFG werde zwar voraussetzungslos gewährt, er
werde jedoch – neben den immanenten Schranken des IFG – durch die
Grundsätze der unzulässigen Rechtsausübung begrenzt. Davon sei etwa
dann auszugehen, wenn ein Rechtsanspruch offensichtlich ohne
nachvollziehbare Motive verfolgt werde.
Am 27. Februar 2011 hat der Kläger Klage erhoben. Hierzu wiederholt er seine
Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er im
Wesentlichen vor,die Beklagte betreibe Wissenschaft nur im Rahmen ihrer
Zulassungstätigkeit, was bedeute, dass auch die Messungen im Rahmen
dieser Tätigkeit erfolgt seien. Es sei lediglich ein bereits zugelassenes
Messverfahren überprüft worden. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 Abs. 3
GG könnten alle Daten von der Beklagten geheim gehalten werden. Die später
erfolgte Veröffentlichung sei deshalb nicht als primäres Ziel einer
wissenschaftlichen Tätigkeit zu werten, sondern als ein Nebenprodukt der
Zulassungstätigkeit. Bei der Interessenabwägung des Art. 5 Abs. 3 GG sei zu
berücksichtigen, dass das Messgerät ProVioa 2000 bereits mehrere Jahre im
Betrieb gewesen sei, bevor die Schräglagenproblematik durch einen
Sachverständigen bekannt geworden sei. Er selbst habe sich auch mit diesem
Problem befasst und sei zu der Auffassung gelangt, dass sich die Problematik
auch bei Geradeausfahrten stelle. Diese Annahme würden auch die
Messergebnisse bestätigen. Es handele sich nicht um ein allgemeines
Problem, da es seines Wissens kein anderes Geschwindigkeitsmessgerät für
Motorräder gebe als das ProVioa. Sein Interesse an den Messergebnissen
gehe dem Interesse der Beklagten, ihre Forschungsarbeiten zu
veröffentlichen, vor. Nur mit den angeforderten Messergebnissen könne
gezeigt werden, dass die Erkenntnisse der Grobauswertung fehlerhaft seien.
Sie würden zeigen, dass bei der Überprüfung entweder eine falsche
Messanordnung gewählt worden sei oder gar keine Erkenntnisse zur
Geradeausfahrt vorlägen. Dem Messverfahren werde die Zulassung nach § 25
a EichO nicht entzogen, obwohl bekannt sei, dass die Eich- und
Verkehrsfehlergrenzen nicht eingehalten werden könnten. Hier sei ein im PKW
verbautes System ohne weitere Prüfung auf ein Motorrad übertragen worden.
Eine völlig andere Fahrdynamik sei dabei nicht beachtet worden. Für
„Gemessene“ sei keine Rechtssicherheit mehr gegeben. Das Messverfahren
genieße den Schutzschirm eines standardisierten Verfahrens, was die Prüfung
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eines Betroffenen bei Gericht erheblich einschränke. Fehlmessungen könnten
möglicherweise Fehlurteile bei Gericht nach sich ziehen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 29. November
2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2011
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Messergebnisse aus der
Testveranstaltung in F. in der Kalenderwoche 35/2010 zur Verfügung
zu stellen,
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
Ergänzend trägt sie im Wesentlichen vor, bei einem Zulassungsverfahren
bringe der Hersteller ein bestimmtes Gerät zu ihr, welches dann z. B. im
Hinblick auf die Messgenauigkeit und Streubreite geprüft werde. Bei der
Testveranstaltung in F. habe es sich darum gehandelt, dass ein grundsätzlich
bestehendes messtechnisches Problem unabhängig von einem bestimmten
Gerät erkannt worden sei und einer Lösung habe zugeführt werden sollen. Ihr
wissenschaftlicher Auftrag sei lediglich durch die Thematik begrenzt. Wenn sie
die Messdaten vorher bekannt gäbe, vereitele dies den Erfolg einer
Veröffentlichung, in der Praxis entstandene messtechnische Fragen zu klären
und damit Rechtsicherheit zu schaffen. Es sei zu erwarten, dass die auf
Fragmenten beruhende, unzutreffende Bewertung des Klägers Eingang in
Gerichtsverfahren finden und zu Rechtsunsicherheit bzw. fehlerhaften
Entscheidungen führen werde. Sie würde dann, ohne sich zuvor eine mit
Daten belegte, abschließende Meinung bilden zu können, von Gerichten und
Sachverständigen aufgefordert werden, die klägerischen Wertungen zu
kommentieren oder zu bewerten. Dem Kläger bleibe es unbenommen,
nachdem die geplante Veröffentlichung erschienen sei, dort enthaltene Fehler
nachzuweisen. Das Motiv des Klägers, zu zeigen, dass ihre Erkenntnisse aus
der Grobauswertung falsch seien, könne nicht im Wege einer Abwägung ihren
berechtigten und gesetzlich geschützten Interessen vorgehen. Es fehle nicht
an einer Unmittelbarkeit im Sinne von § 4 Absatz 1 Satz 1 IFG. Der
Beratungsgegenstand lasse sich hier nicht vom Beratungsprozess trennen
und werde daher auch vom Schutzzweck des § 3 Nr. 3 b) IFG erfasst. Einer
Herausgabe der begehrten Messdaten stehe auch § 6 Satz 1 IFG entgegen,
weil sie zu einer Verletzung ihres Urheberrechts führen würde und damit dem
Schutz geistigen Eigentums widerspräche. Die Beklagte sei eine
Ressortforschungseinrichtung des Bundes. Nach der amtlichen Begründung
des IFG solle § 6 Satz 1 IFG die wissenschaftliche Tätigkeit von
Forschungseinrichtungen schützen.
Die Beklagte hat in der Zeitschrift „pvt – Polizei, Verkehr, Technik“ (pvt) einen
Beitrag zur Schräglagenproblematik veröffentlicht. Der erste Teil des Artikels ist
in der Ausgabe 3/2012, der zweite Teil in der Ausgabe 4/2012 erschienen.
Der Kläger führt ergänzend aus, die Beklagte habe inzwischen veröffentlicht.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei die Klageerwiderung hinfällig. Bei den
begehrten Messwerten handele es sich um aneinandergereihte Zahlen,
welche keinen Urheberrechtsschutz genössen. Die Beklagte habe zunächst
damit geworben, dass es zu der Schräglagenproblematik patentierte Konzepte
gäbe. Auf seine Nachfrage habe sie ihm dann mitgeteilt, es gäbe hierzu gar
kein Patent. Er bezweifle, ob überhaupt ein Patent angemeldet worden sei. Die
Auffassung der Beklagten zur Schräglagenproblematik sei fachlich
erwiesenermaßen falsch. Sie verweigere es, die Messdaten herauszugeben,
da ansonsten die Videomesssysteme der Polizei auf Krafträdern zum Erliegen
gebracht werden würden. Die Polizei hätte dann bundesweit etwa 3,5 Millionen
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Euro umsonst für ein Messsystem ausgegeben. Die Beklagte sei gutachterlich
bei Gericht tätig und nehme in diesem Zusammenhang Stellung zu
Messgeräten, die sie geprüft und zugelassen habe. Sie sei selbst an
Lizenzgebühren der von ihr zugelassenen Geräte beteiligt. Sie wolle daher
verhindern, dass Messdaten herausgegeben werden. Sie schaffe sich ein
eigenes abgeschlossenes „Arbeitsspielfeld“ mit einem eingeforderten
Anspruch auf Akzeptanz bei Gericht.
Die Beklagte trägt daraufhin ergänzend vor, auf Ihrer Internetseite sei
fälschlicherweise ein Patent erwähnt worden, welches noch nicht existiere.
Nachdem der Kläger nachgefragt habe, sei dieser Fehler korrigiert worden. Bei
den Messdaten handele es sich um ca. 100 Millionen Einzelmesswerte. In die
Veröffentlichung seien bei weitem nicht alle Rohdaten eingegangen. Zudem
beabsichtige sie weitere Forschungsarbeiten zur Schräglagenproblematik.
Auch wenn diese zeitlich noch nicht im Einzelnen feststünden, sei eine weitere
wissenschaftliche Nutzung der Daten beabsichtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Kläger ist durch die Ablehnung des Informationszuganges nicht in seinen
Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat gegenüber der Beklagten
keinen Anspruch auf Zugang zu den begehrten Messdaten. Der Anspruch aus
§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG ist nach § 6 Satz 1 IFG ausgeschlossen. Nach dieser
Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der
Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. Diese Voraussetzungen liegen
vor.
Die von dem Kläger begehrten Messdaten stellen geistiges Eigentum der
Beklagten dar. Der Schutz geistigen Eigentums umfasst neben dem
Urheberrecht und den gewerblichen Schutzrechten auch Tätigkeiten nach Art.
5 Abs. 3 Satz 1 GG, die nicht dem privatrechtlichen Regelungssystem
unterfallen (Jastrow/Schlatmann, IFG, Berlin 2006, § 6 Rn. 12; a. A. wohl:
Schoch, IFG, München 2009, § 6 Rn. 4, 15f.). Hierzu zählen alle Tätigkeiten
aus dem Bereich der Wissenschaft und Forschung. Für diese – weite –
Auslegung des Begriffs „geistiges Eigentum“ spricht zunächst die Begründung
des Gesetzentwurfes zum IFG. Zu § 6 Satz 1 IFG heißt es dort, zum geistigen
Eigentum gehörten insbesondere Urheber-, Marken-, Patent-, Gebrauchs- und
Geschmacksmusterrechte (Bt-Ds. 15/4493, S. 14). Darüber hinaus wird in der
Begründung ausgeführt, die Tätigkeit von Hochschulen und
Forschungseinrichtungen in Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre nach
Art. 5 Abs. 3 GG werde ebenfalls von Satz 1 erfasst (Bt-Ds. 15/4493, a.a.O.).
Diese Formulierungen beinhalten zwei relevante Aspekte. Zum einen
erschöpft sich das geistige Eigentum im Rahmen des § 6 Satz 1 IFG nach der
Vorstellung des Gesetzgebers nicht abschließend in den privatrechtlichen
Schutzrechten. Durch die Wahl des Wortes „insbesondere“ im Zusammenhang
mit der Aufzählung eben dieser Rechte macht er deutlich, dass neben den
aufgezählten auch andere Rechte als geistiges Eigentum in Betracht kommen.
Des Weiteren werden Tätigkeiten nach Art. 5 Abs. 3 GG ausdrücklich – über
die privatrechtlichen Schutzrechte hinaus – dem Schutz geistigen Eigentums
unterstellt. Für ein solches Verständnis sprechen auch die Regelungen einiger
Informationsfreiheitsgesetze auf Länderebene. Nach dem Thüringer
Informationsfreiheitsgesetz (§ 2 Abs. 5 ThürIFG) und nach dem
Informationsfreiheitsgesetz Nordrein-Westfalens (§ 2 Abs. 3 IFGNRW)
erstreckt sich der Geltungsbereich der Informationsfreiheit von vornherein u. a.
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nicht auf den Bereich von Forschung und Lehre. In den entsprechenden
Gesetzesbegründungen heißt es hierzu sinngemäß, die jeweiligen
Vorschriften dienten dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3
GG und hätten klarstellenden Charakter (vgl. für § 2 Abs. 5 ThürIFG: Lt-Ds.
5/4986, S. 16; für § 2 Abs. 3 IFGNRW: Lt-Ds. 13/1311, S. 10). Eine lediglich
klarstellende Funktion der Vorschriften ist aber nur dann denkbar, wenn die
Tätigkeiten aus dem Bereich der Wissenschaftsfreiheit auch bereits ohne
ausdrückliche Regelung in den Informationsfreiheitsgesetzen allein aufgrund
der Stellung des Grundrechts in der Normenhierarchie geeignet sind, einen
Informationsanspruch auszuschließen. Unter Berücksichtigung der
Ausführungen in Bezug auf die Begründung des Gesetzentwurfes zum IFG
des Bundes ist davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber das
Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit – trotz fehlender gesetzlicher Klarstellung
im IFG – in gleichem Maße achten wollte. Für diese Auslegung spricht im
Übrigen der Grundsatz der größtmöglichen Grundrechtseffektivität, welcher
beinhaltet, dass in Zweifelsfällen diejenige Auslegung zu wählen ist, welche
die juristische Wirkungskraft der Grundrechtsnorm am stärksten entfaltet
(BVerfG, U. v. 25.02.1975 – 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 –, BVerfGE 39, 1, 38; v.
Münch in: v. Münch/Kunig, GG, 5. Aufl., Vorb. Art. 1-19, Rn.51).
Die von der Beklagten bei der Testveranstaltung in F. gewonnenen
Messergebnisse fallen in den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit. In
sachlicher Hinsicht umfasst das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG jede
wissenschaftliche Tätigkeit, d. h. alles, was nach Inhalt und Form als
ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist
(BVerfG, U. v. 29.05.1973 – 1 BvR 424/71 –, BVerfGE 35, 79, 113; B. v.
01.03.1978 – 1 BvR 333/75, 174, 178, 191/71 –, BVerfGE 47, 327, 367; B. v.
11.01.1994 – 1 BvR 434/87 –, BVerfGE 90, 1, 12; BverwG, U. v. 11.12.1996 –
6 C 5/95 –, NJW 1997, 1996). Forschung dient als Unterfall der Wissenschaft
der selbstständigen Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse (BVerfG, B. v.
20.10.1982 – 1 BvR 1467/80 –, BVerfGE 61, 210, 244). Nach diesem Maßstab
ist die Beklagte bei der Testveranstaltung in F. und der Gewinn der
Messergebnisse i. S. d. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG wissenschaftlich tätig
gewesen. Sie trägt hierzu vor, auf dem Gebiet der
Geschwindigkeitsmessungen mit Videonachfahrsystemen gäbe es die fachlich
ungeklärte Schräglagenproblematik. In diesem Bereich forsche sie und hierzu
habe sie die Testveranstaltung durchgeführt. Die Kammer sieht keine
Anhaltspunkte, an diesem Vorbringen zu zweifeln. Forschung auf dem Gebiet
des Messwesens ist ein gesetzlich zugewiesenes Betätigungsfeld der
Beklagten. Nach der maßgeblichen gesetzlichen Vorschrift des § 13 Absatz 2
Nr. 1 EichG gehört es zu ihren Aufgaben, das physikalisch-technische
Messwesen wissenschaftlich zu bearbeiten, insbesondere wissenschaftliche
Forschung auf diesem Gebiet zu betreiben. Gemäß § 2 Nr. 2 der Satzung der
Beklagten vom 12. März 1996 erstreckt sich ihre Tätigkeit auf die
wissenschaftliche Bearbeitung des Messwesens, insbesondere der
Präzisionsmesstechnik. Dass die Beklagte die Testveranstaltung nach
wissenschaftlichen Methoden i. S. d. oben genannten Definition durchgeführt
hat, belegt auch der von Mitarbeitern der Beklagten verfasste Aufsatz über die
Testfahrten und die Schräglagenproblematik in der Zeitschrift Polizei Verkehr
und Technik (pvt) in den Ausgaben 3/2012 bzw. 4/2012.Der Beitrag zeigt, dass
die Beklagte bei den Testfahrten ernsthaft und planmäßig vorgegangen ist um
denkbare Lösungen für die Schräglagenproblematik zu erarbeiten. Der erste
Teil stellt das Problem des Schräglageneffekts zunächst theoretisch dar. Es
folgt eine Beschreibung der Versuchsaufbauten und der verwendeten Technik.
Im zweiten Teil wird zunächst ausgeführt, dass verschiedene Experimente mit
unterschiedlichen Schräglagen, verschiedenen Reifen, etc. durchgeführt
worden sind. Im Anschluss daran werden die daraus resultierenden
Ergebnisse herausgearbeitet und die bestehende Problematik beschrieben.
Es folgen zwei Lösungsansätze mit denen das Problem behoben werden
könnte.
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Unter Berücksichtigung dieser Umstände geht die Kammer nicht davon aus,
dass die Beklagte die Testfahrten nur im Rahmen ihrer Zulassungstätigkeit
durchgeführt hat, um ein bereits zugelassenes Messgerät zu überprüfen. Ob
die Tests sowohl der wissenschaftlichen als auch der Zulassungstätigkeit
dienten und welches Betätigungsfeld der Auslöser bzw. das vorrangige Ziel für
die Durchführung der Testreihe war, vermag die Kammer nicht zu beurteilen.
Einer derartigen Differenzierung kommt jedoch keine entscheidungserhebliche
Bedeutung zu, da die Beklagte sich im Hinblick auf die Testfahrten jedenfalls
auch wissenschaftlich betätigt hat und damit der sachliche Schutzbereich des
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eröffnet ist. Dass die Beklagte die Testfahrten mit
wissenschaftlichen Methoden durchgeführt hat, bestreitet im Übrigen auch der
Kläger nicht.
Der Schutz aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ist für die Beklagte nicht entfallen,
nachdem sie in der Zeitschrift pvt den Artikel zu der Schräglagenproblematik
veröffentlicht hat. Durch die Wissenschaftsfreiheit sind vor allem die auf
wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse,
Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen,
ihrer Deutung und Weitergabe, die Fragestellung, die Grundsätze der Methodik
sowie die Bewertung der Forschungsergebnisse und ihre Verbreitung
geschützt (BVerfG, U. v. 29.05.1973 – 1 BvR 424/71 –, BVerfGE 35, 79, 113;
BverwG, U. v. 11.12.1996, a.a.O.). Dieser wissenschaftliche Freiraum ist
grundsätzlich ohne Vorbehalt geschützt. Gewährleistet sind ein von staatlicher
Fremdbestimmung freier Bereich persönlicher und autonomer
Verantwortlichkeit des einzelnen Wissenschaftlers und ein Schutz vor
staatlichen Einwirkungen auf den Prozess der Gewinnung und Vermittlung
wissenschaftlicher Erkenntnisse (BVerfG, U. v. 29.05.1973 – 1 BvR 424/71 –,
BVerfGE 35, 79, 112; B. v. 01.03.1978 – 1 BvR 333/75, 174, 178, 191/71 –,
BVerfGE 47, 327, 367; BverwG, U. v. 11.12.1996, a.a.O.). Das Grundrecht der
Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG beinhaltet nach der
dargestellten weiten Definition der Rechtsprechung ein
Selbstbestimmungsrecht wissenschaftlich tätiger Personen. Dieses Recht gilt
auch für die Frage, ob forschungsbezogene Unterlagen herauszugeben sind.
Wissenschaftler können aufgrund des ihnen verfassungsrechtlich
zugestandenen autonomen Verantwortlichkeitsbereiches und des Schutzes
vor Einwirkungen auf den Prozess der Vermittlung wissenschaftlicher
Erkenntnisse, frei darüber entscheiden, ob und wann sie welches
Forschungsmaterial an Dritte herausgeben oder veröffentlichen wollen. Dieses
umfassende Selbstbestimmungsrecht besteht auch nach einer erfolgten
Veröffentlichung – z. B. in Form eines Aufsatzes – fort. Andernfalls müsste ein
Wissenschaftler, bevor er veröffentlicht, abwägen, ob er über die von ihm
selbst gewollte Veröffentlichung hinaus gegebenenfalls auch bereit wäre, alle
der Veröffentlichung zugrunde liegenden Daten und Ergebnisse seiner
Forschungsarbeiten herauszugeben. Für den Fall einer Veröffentlichung
müsste er diese Bereitschaft haben. Ohne diese Bereitschaft bliebe ihm
alternativ nur, von einer Veröffentlichung Abstand zu nehmen. Dieses Ergebnis
wäre mit dem der Wissenschaftsfreiheit immanenten Selbstbestimmungsrecht
i.S. eines freien Bereiches persönlicher und autonomer Verantwortlichkeit nicht
vereinbar. Eine Rechtspflicht, forschungsrelevante Daten aufgrund des
Antrags einer außenstehenden Person herausgeben zu müssen, würde
bedeuten, dass nicht nur der Wissenschaftler selbst, sondern auch die
beantragende Person mit ihrem Informationsverlangen maßgeblich darüber
entscheiden würde, ob und in welchem Umfang Daten herauszugeben wären.
Damit einhergehend hätte ein potenzieller Antragsteller dann möglicherweise
auch Einfluss auf die Entscheidung, ob überhaupt wie geplant veröffentlicht
wird. Die Wissenschaftler wären unter Umständen dauerhaft damit konfrontiert,
nicht für eine Veröffentlichung gedachte Datensätze an Dritte herausgeben zu
müssen. Im Übrigen dürfte es in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten
bereiten, das Datenmaterial, welches einer Veröffentlichung zugrunde liegt,
eindeutig zu bestimmen. Oftmals basieren wissenschaftliche Beiträge auf einer
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Vielzahl von verschiedenen Datensätzen oder Teilen davon. Oftmals gehen
einer Veröffentlichung Forschungen über mehrere Jahre voraus. Ein
Wissenschaftler hätte im Zweifel alle Ergebnisse seiner möglicherweise
jahrelangen Forschungstätigkeiten auf Verwendung für eine bestimmte
Veröffentlichung zu filtern. Dies könnte bei komplexen Tätigkeiten dazu führen,
dass er einen erheblichen Zeitaufwand aufbringen müsste, durch den seine
eigentliche wissenschaftliche Tätigkeit beeinflusst wäre oder sogar zeitweise
zum Erliegen käme. Gegen ein Ende des Selbstbestimmungsrechts über die
Daten nach einer Veröffentlichung eines Ergebnisses spricht zudem, dass die
wissenschaftlichen Arbeiten nicht zwangsläufig mit der ersten Veröffentlichung
abgeschlossen sind. Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem
Zusammenhang von der „prinzipiellen Unabgeschlossenheit jeglichen
wissenschaftlichen Bemühens“ (BVerfG, B. v. 01.03.1978 – 1 BvR 333/75 und
174, 178, 191/71 –, BVerfGE 47, 327, 367 f., 383). Denkbar ist insoweit, dass
auf der Basis eines bestimmten Datensatzes mehrere Veröffentlichungen
geplant sind. Wenn ein Wissenschaftler gezwungen wäre, den grundlegenden
Datensatz bereits nach der ersten Veröffentlichung herauszugeben, könnte
dies die noch geplanten Veröffentlichungen gefährden. Dritte könnten ihm
beispielsweise mit eigenen Publikationen zuvorkommen. Die Beklagte hat
vorgetragen, weitere Forschungsarbeiten zu beabsichtigen. Auch wenn sie
hierzu keine konkreten Angaben gemacht hat, schützt sie das Grundrecht der
Wissenschaftsfreiheit davor, bereits nach der ersten Veröffentlichung alle
zugrunde liegenden Messdaten an den Kläger herausgeben zu müssen.
Der personale Schutzbereich ist ebenfalls eröffnet. Die Beklagte ist, soweit sie
Forschung betreibt, Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Auf
das Abwehrrecht kann sich jeder berufen, der sich wissenschaftlich betätigt
(vgl. BVerfG, U. v. 29.05.1973 – 1 BvR 424/71 –, BVerfGE 35, 79, 125; B. v.
11.01.1994 – 1 BvR 434/87 –, BVerfGE 90, 1, 11). Dies gilt auch für juristische
Personen des öffentlichen Rechts (vgl. Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl.,
Art. 5 Rn. 125).
Der mit einem Informationszugangsanspruch des Klägers verbundene Eingriff
in den Schutzbereich des Grundrechts der Beklagten aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG ist nicht gerechtfertigt. Begrenzungen der Wissenschaftsfreiheit durch
Gesetz sind ausgeschlossen. Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit als
schrankenlos gewährleistetes Grundrecht sind allein aus der Verfassung
selbst herzuleiten. Die durch die Rücksichtnahme auf kollidierende
Verfassungswerte notwendig werdende Grenzziehung oder
Inhaltsbestimmung kann nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch
Güterabwägung vorgenommen werden (BVerfG, B. v. 01.03.1978 – 1 BvR
333/75 und 174, 178, 191/71 –, BVerfGE 47, 327, 368 ff.; Jarass, a.a.O., Rn.
131 ff.).
Die gebotene Güterabwägung geht zulasten des vom Kläger geltend
gemachten Informationszugangsanspruchs aus. Er kann seinen Anspruch auf
Eröffnung einer Informationsquelle aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG nicht auf
grundrechtliche Gewährleistungen stützen. Insbesondere das Grundrecht der
Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG ist nicht geeignet, den
Anspruch verfassungsrechtlich zu stützen. Die Informationsfreiheit erstreckt
sich nur auf allgemein zugängliche Quellen und gewährleistet kein Recht auf
Eröffnung einer Informationsquelle. Zwar zählen zu den allgemein
zugänglichen Quellen nunmehr – nach Inkrafttreten der
Informationsfreiheitsgesetze – auch Behördenakten. Soweit aber das
Informationsfreiheitsgesetz den Zugang beschränkt oder bestimmte Behörden
oder Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausnimmt, kann die
Entscheidung des Gesetzgebers nicht unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1
Alt. 2 GG übergangen werden (vgl. VG Braunschweig, U. v. 17.10.2007 – 5 A
188/06 –, juris Rn. 35; zum IFG NRW: VG Köln, U. v. 06.12.2012 – 13 K
2679/11 –, juris R. 48, 50). Im Übrigen ist ein grundrechtlicher Anspruch auf
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Informationszugang aufgrund des Charakters der Grundrechte als
Abwehrrechte zu verneinen (vgl. VG Braunschweig, U. v. 17.10.2007, a.a.O.;
Schoch, a.a.O., Einl. Rn.52 f. m. w. N.).
Als verfassungsrechtliche Basis dient der Informationsfreiheit das
Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG (vgl. Schoch, a. a. O. Rn.58). In der
Begründung des Gesetzentwurfes zum IFG heißt es hierzu im Allgemeinen
Teil A. unter I. Zielsetzung: „Lebendige Demokratie verlangt, dass die Bürger
die Aktivitäten des Staates kritisch begleiten, sich mit ihnen auseinandersetzen
und versuchen, auf sie Einfluss zu nehmen. Das Informationsfreiheitsgesetz ist
daher notwendig, um entsprechend innerstaatlichen, europäischen und
internationalen Tendenzen die demokratischen Beteiligungsrechte der
Bürgerinnen und Bürger durch eine Verbesserung der
Informationszugangsrechte zu stärken. Denn unabhängig von einer
individuellen Betroffenheit sind Sachkenntnisse entscheidende Voraussetzung
für eine Beteiligung der Bürger an staatlichen Entscheidungsprozessen. Das
Informationsfreiheitsgesetz dient damit vor allem der demokratischen
Meinungs- und Willensbildung.“ Unabhängig von der Frage, ob sich aus dem
Demokratieprinzip ein umfassender Anspruch auf Informationszugang ableiten
lässt (verneinend: VG Köln, U. v. 06.12.2012 a. a. O., Rn. 51 ff.), ist hier im
Rahmen der gebotenen Güterabwägung der Wissenschaftsfreiheit Vorrang zu
gewähren.
Bei Betrachtung der abstrakten Werteverhältnisse kommt zwar beiden
Verfassungsgütern grundsätzlich eine hohe Bedeutung zu. Hierbei ist
zunächst zu berücksichtigen, dass das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG schrankenlos gewährleistet wird. Die hierzu getroffene Entscheidung der
an der Entstehung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte ist auf den hohen
Stellenwert der Wissenschaftsfreiheit zurückzuführen. Die Gewährleistung des
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG stellt eine wertentscheidende Grundsatznorm dar. Sie
beruht auf der Schlüsselfunktion, die einer freien Wissenschaft sowohl für die
Selbstverwirklichung des Einzelnen als auch für die gesamtgesellschaftliche
Entwicklung zukommt (BVerfG, U. v. 29.05.1973 – 1 BvR 424/71 –, BVerfGE
35, 112, 114; B. v. 01.03.1978 – 1 BvR 333/75 und 174, 178, 191/71 –,
BVerfGE 47, 327, 368). Die freie Wissenschaft trägt als Grundlage für den
zivilisatorischen Fortschritt nicht nur zur materiellen Lebensentwicklung bei,
sondern schafft auch die unentbehrlichen Voraussetzungen für die
demokratische Organisation von Staat und Gesellschaft. Zugleich ist das
Erkenntnisstreben als angeborene Eigenschaft Ausdruck menschlicher
Eigenart und Würde, so dass die Forschungsfreiheit in einem spezifischen
Zusammenhang mit dem obersten Verfassungsprinzip der Menschenwürde
steht (Losch/Radau, NVwZ 2003, 390, 391). Auf der anderen Seite stellt das
Demokratieprinzip eine verfassungsrechtliche Grundentscheidung dar. Deren
hohen Stellenwert verkörpert insbesondere die Ewigkeitsklausel des Art. 79
Abs. 3 GG. Nach dieser Vorschrift ist unter anderem eine Änderung, durch
welche die in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze – also auch das
Demokratieprinzip – berührt werden, unzulässig.
Bei der vorzunehmenden Abwägung im konkreten Einzelfall dagegen muss
der aus dem Demokratieprinzip hergeleitete Anspruch des Klägers auf
Informationszugang hinter der Wissenschaftsfreiheit zurücktreten. Dies gilt
selbst dann, wenn die Beklagte mit den Testreihen nicht ausschließlich einen
wissenschaftlichen Ansatz verfolgt hat, sondern auch die Zulassung des
Messgerätes ProVioa 2000 überprüft hat und damit als klassische
Verwaltungsbehörde tätig geworden ist. Maßgeblich ist insoweit vor allem die
Frage der Eingriffsintensität. Ein Anspruch des Klägers auf Zugang zu den
Messwerten der Beklagten würde ihr von der verfassungsrechtlichen
Gewährleistung umfasstes Recht unterlaufen, selbst über Art, Umfang und
Zeitpunkt einer Herausgabe von Forschungsdaten oder einer Veröffentlichung
zu entscheiden. Hiermit wäre ein erheblicher Eingriff in ihre grundrechtlich
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geschützte wissenschaftliche Autonomie und damit gleichbedeutend, in den
Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit verbunden. Beeinträchtigungen, die
sich im Hinblick auf das Demokratieprinzip ergeben, wenn dem Kläger der
geltend gemachte Anspruch versagt wird, sind demgegenüber weniger
gravierend. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass das IFG – auch nach
der Begründung des Gesetzentwurfes zum IFG (s. o.) – der demokratischen
Meinungs- und Willensbildung dient. Mit Inkrafttreten des Gesetzes geht daher
(lediglich) eine Verbesserung der demokratischen Beteiligungsrechte einher.
Zweifelsfrei haben das demokratische Prinzip und der Prozess der
demokratischen Meinungs- und Willensbildung bereits existiert und auch
funktioniert, bevor das IFG in Kraft getreten ist. Die Gefahr, dass das
Demokratieprinzip – ohne gesetzlich normierten Informationszugangsanspruch
– seine elementare Funktion für den Staat nicht mehr erfüllen könnte, haben
während dieser Zeit offenkundig nicht bestanden. Unter Berücksichtigung
dieser Umstände können sich negative Auswirkungen, soweit man den
behaupteten Anspruch verneint, allenfalls für den Bereich der mit dem IFG
erzielten Verbesserung ergeben. Keinesfalls ist die verfassungsrechtliche
Grundentscheidung aus Art. 20 Abs. 1 GG für die Demokratie fundmental oder
gar grundsätzlich in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund sind die
Beeinträchtigungen des Demokratieprinzips, auch im Hinblick auf das
gebotene Ziel der Abwägung, die Herstellung praktischer Konkordanz,
hinzunehmen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich die
Beeinträchtigungen auf die Fälle beschränken, in denen ein
Informationsbegehren den Bereich wissenschaftlicher Tätigkeit berührt.
Der Schutz des geistigen Eigentums steht dem Anspruch auf
Informationszugang auch entgegen.Die nach § 6 Satz 1 IFG erforderliche
Kollisionslage ergibt sich vorliegend aus dem durch die Wissenschaftsfreiheit
grundrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungs- und Publikationsrecht der
Beklagten in Bezug auf ihre Forschungsdaten.
Die sonstigen Einwendungen des Klägers führen zu keiner anderen
rechtlichen Beurteilung. Soweit er vorträgt, mit den Messergebnissen könne
gezeigt werden, dass ein von der Beklagten zugelassenes Messverfahren
fehlerhaft sei, ändert dies nichts daran, dass der Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz
1 IFG hier gemäß § 6 Satz 1 IFG ausgeschlossen ist. Für die Kammer
bestehen keine Anhaltspunkte, daran zu zweifeln, dass die Testfahrten in F.
auch zu Forschungszwecken durchgeführt worden sind und die dabei
erzielten Messergebnisse als geistiges Eigentum der Beklagten nicht dem
Informationszugangsanspruch unterliegen. Etwaige Fehler in einem von der
Beklagten zugelassenen Messverfahren wären nicht geeignet, den gesetzlich
vorgesehenen Schutz von Tätigkeiten nach Art. 5 Abs. 3 GG zu umgehen.
Gleiches gilt für den Vorwurf, die Ansicht der Beklagten zu der
Schräglagenproblematik sei erwiesenermaßen falsch und sie verweigere die
Herausgabe der Messwerte aus wirtschaftlichen Gründen. Im Übrigen ist für
die Kammer – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – nicht ersichtlich,
um welches zugelassene Messverfahren es sich handeln soll. Im Hinblick auf
das Geschwindigkeitsmessgerät ProVioa 2000 hat die Beklagte zu Recht
darauf hingewiesen, dass Messungen mit Motorrädern in Schräglage von der
2. Neufassung gerade ausdrücklich ausgenommen werden. Wenn der Kläger
vorträgt, sein Interesse an den Messergebnissen gehe dem Interesse der
Beklagten vor, ist dies bei Betrachtung der gesetzlichen Systematik des IFG
nicht zu berücksichtigen. Eine Interessenabwägung sieht § 6 Satz 1 IFG nicht
vor. Es handelt sich um einen Ausschlusstatbestand, der dem
Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG entgegensteht,
sobald die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO; die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.
11, 711 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG (Auffangwert).