Urteil des VG Berlin vom 22.02.2005

VG Berlin: amtshandlung, umsetzung des gemeinschaftsrechts, behörde, gegenleistung, allgemeininteresse, begriff, vollzug, aufwand, rechtsgrundlage, öffentlich

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Gericht:
VG Berlin 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 A 510.05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 11 TEHG, § 22 Abs 1 TEHG, §
23 Abs 1 ZuG 2007, § 154 Abs 1
VwGO
Klage gegen die Erhebung von Kosten für die Zuteilung von
Emissionsberechtigungen für die Handelsperiode 2005-2007
Tenor
Der Kostenbescheid der Beklagten vom 22. Februar 2005 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 9. November 2005 wird mit Ausnahme der Festsetzung
der Kontoeinrichtungsgebühr aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 10.163,36 Euro nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Dezember
2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten und des Rückzahlungsbetrages gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die von der Beklagten erhobenen Gebühr für die
Zuteilung von Emissionsberechtigungen.
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2004 teilte die Beklagte der Klägerin 439.224
Emissionsberechtigungen zu und erließ am 22. Februar 2005 einen Kostenbescheid über
Gebühren für die Zuteilung in Höhe von 20.526,72 Euro.
Die Klägerin entrichtete die Gebühr entsprechend der Fälligkeit.
Die Klägerin legte am 18. März 2005 Widerspruch ein, der im Wesentlichen wir folgt
begründet wurde: Der Kostenbescheid sei mangels Ermächtigungsgrundlage
rechtswidrig, da die Emissionshandelskostenverordnung 2007 (EHKostV 2007) nichtig
sei. Die EHKostV 2007 verstoße gegen das Äquivalenz- und das Kostendeckungsprinzip,
gegen das Verwaltungskostengesetz, die Finanzverfassung, den Grundsatz der
Gebührengleichheit und sei mit der in Art. 10 der Emissionshandelsrichtlinie
vorgesehenen kostenlosen Zuteilung der Zertifikate nicht vereinbar.
Bei der Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes der Berechtigungen seien die
Besonderheiten des Emissionshandelssystems, wie die jährliche Abgabepflicht und die
ex-post Kontrolle nicht berücksichtigt worden.
Die Ausgestaltung der allgemeinen Emissionshandelsgebühr löse die
Gebührenerhebung von der nach dem Verwaltungskostengesetz und auch nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlichen konkreten und
besonderen Inanspruchnahme der Verwaltungsleistung.
Die Gebührenerhebung in ihrer konkreten Ausgestaltung kollidiere mit der Begrenzungs-
und Schutzfunktion der Finanzverfassung, weil es unklar bleibe, welche konkreten
Verwaltungsmaßnahmen als Leistung für die Gebühren erbracht würden.
Durch das pauschale und ausschließliche Abstellen auf die Menge der zugeteilten
Berechtigungen verstoße die Gebührenerhebung gegen den Grundsatz der
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Berechtigungen verstoße die Gebührenerhebung gegen den Grundsatz der
Gebührengleichheit, da der tatsächlich anfallende Verwaltungsaufwand nicht von der
Anzahl der zugeteilten Berechtigungen abhänge.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 9. November 2005
zurück und führte im Wesentlichen aus, die Emissionshandelsgebühr sei weder
rechtswidrig noch nichtig. Es liege kein Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip vor.
Der Begriff „kostendeckende Gebühren“ bringe zum Ausdruck, dass die Kostendeckung
an Amtshandlungen bzw. sonstigen Verwaltungsleistungen anknüpfe. Aus der
Gesetzesbegründung, wonach die Kosten für den Vollzug des Gesetzes durch Gebühren
in voller Höhe refinanziert werden sollten, könne entnommen werden, dass mit
Kostendeckung im Sinne des § 22 Satz 1 TEHG sowie § 23 Satz 1 ZuG 2007 die Deckung
der Vollzugskosten der Gesetze einschließlich der Kosten für den Aufbau der
Infrastruktur der DEHSt gemeint sei. Dies sei der Kostenrahmen, der nicht überschritten
werden dürfe. Es handele sich damit um einen eigenständigen Kostendeckungsbegriff,
der nicht mit den Vorgaben des § 3 Satz 2 VwKostG identisch sei.
Die konkrete Ausgestaltung der Emissionshandelsgebühr in der EHKostV 2007 sei
Ausfluss der von der Rechtsprechung anerkannten Pauschalierungs- und
Typisierungsbefugnis des Verordnungsgebers im Abgabenrecht. Mit der EHKostV 2007
habe der Verordnungsgeber keine anderen Gebührenzwecke als die der Kostendeckung
verfolgt. Die Gebührenerhebung diene nicht der wirtschaftlichen Wertabschöpfung, der
wirtschaftliche Wert sei lediglich ein Aspekt der Binnenverteilung der Gebühren.
Das Fehlen von Obergrenzen führe auch nicht zu einem unkalkulierbaren
Gebührenaufkommen, da sich die Begrenzung des Gebührenaufkommens zwangsläufig
durch die Anzahl der in der Zuteilungsperiode zu vergebenden Berechtigungen
gesetzlich ergebe.
Die Gebührenerhebung sei auch mit Europarecht, insbesondere mit Art. 10 der
Emissionshandelsrichtlinie vereinbar. Der in Art. 10 der Richtlinie verwendete Begriff der
„kostenlosen Zuteilung“ bedeute lediglich, dass die Berechtigungen nicht im Sinne einer
Gegenleistung zu vergüten seien. Die Gebühr nach der EHKostV 2007 stehe zu den
Berechtigungen in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis, vergüte vielmehr allein den
Verwaltungsaufwand.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit der am 14. Dezember 2005 erhobenen Klage
weiter und trägt vor, die EHKostV 2007 sei nichtig. Sie vertieft ihre Ausführungen aus der
Widerspruchsbegründung und führt insbesondere aus:
Die EHKostV 2007 sei nicht von den Ermächtigungsgrundlagen (§ 22 TEHG und § 23 ZuG
2007) gedeckt. Der Amtshandlungsbegriff sei im Hinblick auf die Definition im
Verwaltungskostengesetz so zu verstehen, dass damit nur die Zuteilung von
Emissionsberechtigungen erfasst sei. Ferner habe die Emissionshandelsgebühr keinen
Gebühren- sondern einen Beitragscharakter, da damit nicht nur die konkrete
Inanspruchnahme einer Leistung der öffentlichen Verwaltung, sondern auch potentiell in
der Zukunft in Anspruch genommene Leistungen abgegolten werden sollen. Die
Erhebung eines Beitrages sei von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt.
Der Gesetzgeber habe mit der Formulierung „für Amtshandlungen“ die Geltung des
speziellen Kostendeckungsprinzips angeordnet, dieser enge auf den durchschnittlichen
Personal- und Sachaufwand für die Zuteilungsentscheidung beschränkte
Gebührentatbestand könne auch nicht im Wege der Auslegung erweitert werden. Der
Wille des Gesetzgebers könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
nur insoweit berücksichtigt werden, als er im Gesetz selbst einen hinreichend
bestimmten Ausdruck gefunden habe.
Das Äquivalenzprinzip sei verletzt, da die Gebührenfestsetzung völlig unabhängig von
den Kosten der gebührenpflichtigen Leistung erfolgt sei und im offensichtlichen
Missverhältnis zu dem Verwaltungsaufwand der Beklagten stehe.
Die Emissionshandelsgebühr verstoße gegen die Finanzordnung des Grundgesetzes, da
sie sich in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht hinreichend von einer Steuer
unterscheide. Die dem Gebührenbegriff immanente individuelle Zurechenbarkeit fehle,
außerdem liege ein Verstoß gegen das Prinzip der Vollständigkeit des Haushaltsplans
und der Budgethoheit des Parlaments vor.
Die Klägerin beantragt,
den Kostenbescheid der Beklagten vom 22. Februar 2005 in Gestalt des
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den Kostenbescheid der Beklagten vom 22. Februar 2005 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 9. November 2005 aufzuheben,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 10.363,36 Euro
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.
Dezember 2005 zu zahlen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, sowohl die EHKostV als auch § 22 TEHG und § 23 ZuG 2007
seien mit höherrangigem Recht, insbesondere auch mit dem Europarecht vereinbar und
führt aus:
Aus dem Wortlaut des Artikels 10 der RL lasse sich kein Gebührenerhebungsverbot
entnehmen. Die Anlagenbetreiber erhielten die Berechtigungen kostenlos (ohne
Gegenleistung), da die Verwaltungsgebühr keine Gegenleistung für den Erhalt der
Berechtigungen, sondern eine Gegenleistung für den administrativen Aufwand darstelle.
Die Menge der zugeteilten Berechtigungen sei lediglich einer von mehreren Faktoren
einer Berechnungsmethode, anhand derer die Verwaltungskosten der DEHSt auf die
Anlagenbetreiber umgelegt würden. Eine Wertabschöpfung sei mit der
Gebührenerhebung nicht verbunden.
Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der europäische Gesetzgeber durch das
Schweigen zu der Frage der Gebührenerhebung deren Unzulässigkeit vorausgesetzt
habe. Auch die Möglichkeit, 5 Prozent der Zertifikate zu versteigern (und dadurch den
Verwaltungsaufwand zu refinanzieren) bedeute nicht, dass die Erhebung von
Verwaltungsgebühren ausgeschlossen sei.
Auch die Gebührenhöhe verstoße nicht gegen Gemeinschaftsrecht, eine Begrenzung der
Verwaltungsgebührenerhebung auf den mit einer konkreten Amtshandlung verbundenen
Verwaltungsaufwand lasse sich weder aus Artikel 10 der Emissionshandelsrichtlinie noch
aus sonstigen gemeinschaftsrechtlichen Rechtssätzen entnehmen.
Die Emissionshandelsgebühr sei von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verstoße
nicht gegen höherrangiges (nationales) Recht.
Die Emissionshandelsgebühr werde für jene Amtshandlungen erhoben, die in den
konkreten Gebührentatbeständen der EHKostV festgelegt seien. Die Formulierung
„kostendeckend“ lege nicht fest, wie weit der Begriff reiche, der Kostendeckungsrahmen
ergebe sich vielmehr zulässigerweise aus den Gesamtkosten der DEHSt. Damit sei ein
eigener neuer Kostendeckungsbegriff von Gesetzgeber eingeführt worden, dessen
Ausmaß und Zweck aus den Gesetzesmaterialen durch Auslegung ermittelbar sei. Als
Gegenstück der Kostendeckung sei die Gewinnerzielung zu verstehen.
Die Rechtfertigung für die Erhebung der Gebühr liege in der Inanspruchnahme der
Leistungen der DEHSt, die ihrer Natur nach (wegen der Berichts- und Abgabepflicht)
kontinuierlich erbracht würden. Alle, die eine Zuteilung erhielten, lösten auch den
Folgeaufwand aus, daher sei die Anknüpfung des Gebührentatbestandes an die
Zuteilung auch im Hinblick auf die Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des
Verordnungsgebers und den vom Gesetzgeber in den Gesetzesbegründungen deutlich
gemachten Finanzierungsauftrag, den Aufwand der DEHSt durch Gebühren zu decken,
gerechtfertigt. Das seiner Art nach bestehende Dauerbenutzungsverhältnis zwischen der
DEHSt und dem Kreis der Verantwortlichen nach dem TEHG sei nicht mit der klassischen
Konstellation der Erhebung einer Verwaltungsgebühr vergleichbar. Das konkrete
Leistungsverhältnis, das von der Gebühr nach § 22 TEGH und § 23 ZuG 2007 erfasst
werde, weise Besonderheiten auf, die näher am Modell einer Benutzungs- als dem einer
Verwaltungsgebühr stünden, daher komme dem Begriff der Amtshandlung eine andere
Bedeutung zu.
Es liege auch kein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vor. Zum einen werde über die
Gebühren allein der Verwaltungsaufwand in unmittelbarer Verbindung mit der DEHSt
umgelegt. Außerdem sei es zulässig, auch den Nutzen und den Wert
der mit der Gebühr abgegoltenen Leistung zu berücksichtigen. Etwaige Härten könnten
durch die Anwendung des § 19 VwKostG aufgefangen werden.
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Hinsichtlich der Einwände der Klägerin gegen die Gebührenkalkulation des Gutachtens D.
aus 2006 trägt die Beklagte vor, es entspreche der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, dass eine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation nicht
(bereits) im Zeitpunkt des Beschlusses einer Gebührenverordnung vorliegen müsse,
vielmehr genüge es, wenn die Kalkulation zur Erläuterung der in der Verordnung
festgelegten Gebührensätzen (später) gefertigt und vorgelegt werde. Das im Vorfeld
erstellte Gutachten der Wirtschaftsprüfergesellschaft PWC, ein Forschungs- und
Entwicklungsvorhaben zur Erstellung einer ersten Aufbau- und Ablauforganisation der
DEHSt, sei nicht für die Gebührenkalkulation relevant.
Der Prozess „Weiterentwicklung des Emissionshandelssystems“ stehe in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Zuteilung von Emissionsberechtigungen; die aus der
Zusammenarbeit im Rahmen des europäischen Handelssystems gewonnenen
Festlegungen kämen den einzelnen Anlagebetreibern in Deutschland unmittelbar
zugute. Auch hinsichtlich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bestehe ein sachlicher
Bezug zum Emissionshandel, außerdem seien in dem Fachgebiet E 1.3. der DEHSt
neben der Öffentlichkeitsarbeit auch schwerpunktmäßig solche Tätigkeiten gebündelt,
die eine einheitliche Außenkommunikation (insbesondere auch die Aufrechterhaltung
einer Kundenhotline) gewährleisteten.
Die Einnahmen aus Gebühren aus dem Projektmechanismengesetz (ProMechG) seien
strikt getrennt ausgewiesen und eine Bewirtschaftung erfolge auch getrennt. Alle
anderen Tätigkeiten der DEHSt hätten einen sachlichen Bezug zum Vollzug des
Emissionshandels, so dass eine Berücksichtigung in der Ermittlung des
Gesamtaufwandes zu Recht erfolgt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte,
die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, insbesondere auch die Unterlagen zur
Gebührenkalkulation und der Wirtschaftsprüfergesellschaft P. vom 31. März 2004 sowie
das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft D. und Partner vom 12. August 2006,
die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind,
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der
Kostenbescheid war mit Ausnahme der Kontoeinrichtungsgebühr aufzuheben und auf
Antrag der Klägerin die Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung der entrichteten
Gebühren auszusprechen. Der Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind hinsichtlich
darin festgesetzten allgemeinen Emissionshandelsgebühr rechtswidrig und verletzen die
Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO).
Für ihren Rückzahlungsanspruch waren der Klägerin Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit
zuzusprechen.
1. Die streitigen Bescheide sind rechtswidrig, denn ihnen liegt keine wirksame
Gebührenregelung zurunde.
Die Rechtsgrundlage für die Erhebung der allgemeinen Emissionshandelsgebühr ist
nichtig, § 1 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 1 (1.1. bis 1.4) des Anhangs der
Emissionshandelskostenverordnung (EHKostV 2007 vom 31. August 2004, BGBl. I, S.
2273ff) ist nicht von der Verordnungsermächtigung des § 22 Satz 1 Treibhaus-
Emissionshandelsgesetz (TEHG) i.d. hier maßgeblichen Fassung vom 8. Juli 2004 (BGBl. I
S. 1578) und des § 23 Satz 1 Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG 2007) in der Fassung vom 26.
August 2004 (BGBl. I S. 2211) gedeckt.
Nach den im Wesentlichen gleich lautenden § 22 Satz 1 TEHG und § 23 Satz 1 ZuG 2007
werden für Amtshandlungen nach dem TEHG bzw. ZuG 2007 kostendeckende Gebühren
erhoben.
Die Normen sind so auszulegen, dass die Erhebung für Gebühren für von den
Anlagenbetreibern konkret-individuell veranlasste Amtshandlungen der Deutschen
Emissionshandelsstelle (DEHSt), deren Rechtsgrundlage im TEHG bzw. ZuG 2007 zu
finden ist nur in Höhe des Gesamtaufwandes für diese Amtshandlungen gedeckt ist
(dazu unten a)). Die Gebührensätze der Emissionshandelskostenverordnung sind indes
so kalkuliert, dass sie neben dem Verwaltungsaufwand für Amtshandlungen nach dem
TEHG und dem ZuG 2007 auch die sonstige Tätigkeit der DEHSt berücksichtigen (vgl.
dazu unten b))
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a) Der Begriff der „Amtshandlung“ in § 22 Satz 1 TEHG und § 23 ZuG 2007 ist einzig so
zu verstehen, dass damit nicht sämtliche Tätigkeiten der DEHSt umfasst sind, sondern
nur diejenigen, die von den Anlagenbetreibern konkret-individuell veranlasst und daher
ihnen zurechenbar sind:
Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung der Verordnungsermächtigungen muss
sich an den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien der Normenklarheit
und der Normenwahrheit messen lassen. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu
aus (BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 – 2 BvL 9/98, 2 BvL 10/98, 2 BvL 11/98, 2 BvL
12/98 - Rn. 63, 64, zitiert nach juris):
„Nur dann, wenn solche legitimen Gebührenzwecke nach der tatbestandlichen
Ausgestaltung der konkreten Gebührenregelung von einer erkennbaren
gesetzgeberischen Entscheidung getragen werden, sind sie auch geeignet, sachlich
rechtfertigende Gründe für die Gebührenbemessung zu liefern (vgl. zur Verfolgung von
Lenkungszwecken durch den Steuergesetzgeber BVerfGE 105, 73 <112 f.>, im
Anschluss an BVerfGE 93, 121 <147 f.>; 99, 280 <296>). Der Gesetzgeber hat dabei
auch den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normenklarheit zu beachten (vgl. BVerfGE 21,
73 <79>; 45, 400 <420>; 52, 1 <41>; 63, 312 <324>; 65, 1 <44>; 78, 214 <226>).
Der Gebührenpflichtige muss erkennen können, für welche öffentliche Leistung die
Gebühr erhoben wird und welche Zwecke der Gesetzgeber mit der Gebührenbemessung
verfolgt. Eine - erforderlichenfalls im Wege der Auslegung gewinnbare - hinreichende
Regelungsklarheit darüber, welche Kosten einer öffentlichen Leistung sowie welche durch
die öffentliche Leistung gewährten Vorteile in die Bemessung der Gebührenhöhe
eingeflossen sind, ist zudem notwendige Voraussetzung dafür, dass mehrere
Gebührenregelungen in der Rechtsordnung so aufeinander abgestimmt werden können,
dass die Gebührenschuldner nicht durch unterschiedliche Gebühren zur Deckung
gleicher Kosten einer Leistung oder zur Abschöpfung desselben Vorteils einer Leistung
mehrfach herangezogen werden.
Die Anforderung erkennbarer und hinreichend klarer gesetzgeberischer
Entscheidungen über die bei der Bemessung der Gebührenhöhe verfolgten
Gebührenzwecke hat schließlich eine demokratische Funktion. Sie ist gleichsam die
Kehrseite des weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums des
Gebührengesetzgebers. Dem Gesetzgeber obliegt es, in eigener Verantwortung auf
Grund offener parlamentarischer Willensbildung erkennbar zu bestimmen, welche
Zwecke er verfolgen und in welchem Umfang er die Finanzierungsverantwortlichkeit der
Gebührenschuldner einfordern will. Wählt der Gesetzgeber einen im Wortlaut eng
begrenzten Gebührentatbestand, kann nicht geltend gemacht werden, er habe auch
noch weitere, ungenannte Gebührenzwecke verfolgt. Zur Normenklarheit gehört auch
Normenwahrheit.“
aa) Aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung des § 22 Satz 1 TEHG und des §
23 Satz 1 ZuG 2007 lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine
Vollfinanzierung der DEHSt im Wege eines weiten, sämtliche Behördentätigkeiten
erfassenden Amtshandlungsbegriffs erwogen hat.
Die in § 22 Satz 1 TEHG und § 23 Satz 1 ZuG 2007 durch das Wort „für“ hergestellte
Verknüpfung der Amtshandlung mit der Gebühr und die dadurch angelegte Beziehung
von Leistung und Gegenleistung steht der Annahme entgegen, der Gesetzgeber habe
unter „Amtshandlungen“ sämtliche Tätigkeiten der DEHSt erfassen wollen. Die
Verwendung des Wortes „für“ im Zusammenhang mit dem Begriff „Amtshandlung“
bringt zum Ausdruck, dass die Gebühr eine Gegenleistung für die erbrachte
Amtshandlung ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 a.a.O.). Damit wäre es nicht zu
vereinbaren, wenn – wie die Beklagten meint – die Gebühr als Gegenleistung für
sämtliche Tätigkeiten der Behörde erhoben würde. Die Definition der Gebühr prägt daher
auch den Amtshandlungsbegriff. Die Gebühr ist eine öffentlich-rechtliche Geldleistung,
die aus Anlass einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung dem
Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche
Maßnahmen auferlegt wird und regelmäßig dazu bestimmt ist, in Anknüpfung an diese
Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (vgl. BVerfGE 7, 244 (254); 18, 392
(396); 20, 257 (269); 28, 66 (86ff); BVerwGE 5, 136 (141); 12, 162 (170) BVerwG, Urteil
vom 19. September 2001 – 6 C 13/00 m.w.N, BVerfG, Urt. V. 19. März 2003 a.a.O - juris
; Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, 1973, S 16ff, 24ff, 55ff, 90ff). Damit wird
vorausgesetzt, dass zwischen der kostenverursachenden Leistung der Verwaltung und
dem Gebührenschuldner eine besondere – synallagmatische - Beziehung besteht, die es
gestattet, die Amtshandlung dem Gebührenschuldner individuell zuzurechnen.
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Die Gegenteilige Auffassung der Beklagten führte zu dem Ergebnis, dass unter anderem
auch die im Gutachten der Wirtschaftsprüfergesellschaft D. & Partner AG vom 12.
August 2006 (im Folgenden Gutachten D.) als „übergreifende Prozesse“ bezeichnete
Tätigkeiten wie die Bereitstellung der Informationstechnologie, Verfahrenssteuerung und
Qualitätssicherung, Berichterstattung, Statistiken, Nationaler Allokationsplan und
Mitarbeiterführung (vgl. S. 6 des Gutachtens), sowie z.B. auch die Schulungen der
Mitarbeiter, Dienstreisen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (gebührenpflichtige)
Amtshandlungen wären. Von einer vom Bild der dem Gebührenschuldner individuell
zurechenbarer Leistung der Verwaltung und Gegenleistung des Gebührenschuldners
geprägten Beziehung kann im Zusammenhang mit den oben erwähnten
verwaltungsinternen Tätigkeiten indes nicht ausgegangen werden.
Gegen die Annahme eines weiten, sämtliche Behördentätigkeiten umfassenden
Amtshandlungsbegriffs spricht weiterhin, dass der Gesetzeswortlaut von
„Amtshandlungen nach diesem Gesetz “, also nach dem TEHG bzw. ZuG 2007 spricht.
Diese Formulierung lässt auch nur ein enges Verständnis des Amtshandlungsbegriffs zu,
eindeutig beschränkt auf solche Amtshandlungen, deren Rechtsgrundlage in dem TEHG
oder ZuG 2007 zu finden sind. Die Gesamttätigkeit der DEHSt besteht unstreitig aus
mehr als Amtshandlungen nach dem TEHG bzw. ZuG 2007; zweifellos fallen zum Beispiel
die Bereitstellung von IT-Technologie, Dienstreisen oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
nicht darunter.
bb) Der sich aus dem Wortlaut ergebende enge Amtshandlungsbegriff lässt sich auch im
Wege der historischen Auslegung nicht erweitern. Die Auffassung der Beklagten, der
Gesetzgeber habe Gebühren für sämtliche Amtshandlungen im Zusammenhang mit
dem Emissionshandel einführen wollen, findet keine hinreichende Stütze in den
Gesetzgebungsmaterialien. Diese auch vom Oberverwaltungsgerichts Berlin-
Brandenburg im einstweiligen Rechtschutzverfahren zur Rechtmäßigkeit der EHKostV
(OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. November 2005, OVG 12 S 9.05 - juris)
vertretene Auffassung würde zwar dem in den Gesetzgebungsmaterialien (BT-Drs.
15/2328, BT-Drs. 15/2540 zum TEHG und BT-Drs. 15/2966 zum ZuG 2007) geäußerten
politischen Willen, durch die Vollfinanzierung der DEHSt einen für den Staat
kostenneutralen Vollzug des Emissionshandels zu ermöglichen, Rechnung tragen, ist
jedoch mit dem Wortlaut der Normen nicht in Einklang zu bringen:
Das Bundesverfassungsgericht ist in dem bereits zitierten Urteil zu den
Hochschulrückmeldegebühren trotz der in den Gesetzesmaterialien zu § 120a Abs. 1
Satz 1 UG BW enthaltenen Anhaltspunkte für den Willen des baden-württembergischen
Gesetzgebers, mit der Rückmeldegebühr auch Vorteile aus dem Studentenstatus
abzuschöpfen, davon ausgegangen, dass sich eine gesetzgeberische Entscheidung für
die Vorteilsabschöpfung dem Wortlaut der Norm nicht entnehmen ließe (BVerfG, Urteil
vom 19. März 2003, a.a.O - Rn. 77 und 80).
Zum gleichen Ergebnis kommt die Kammer im Hinblick auf den Inhalt der
Gesetzesentwürfe zu § 22 Satz 1 TEHG und § 23 Satz 1 ZuG 2007. Der Gesetzgeber hat
den in den allgemeinen Ausführungen zu den Kosten der Umsetzung des TEHG bzw.
ZuG 2007 geäußerten Willen nicht in den Wortlaut der Normen einfließen lassen.
In den o.g. Gesetzesentwürfen heißt es in dem einleitenden allgemeinen Teil im
Wesentlichen, dass die Kosten für den Aufbau der administrativ-organisatorischen
Infrastruktur für den Emissionshandel in voller Höhe durch Gebühren refinanziert werden
sollen. In dem „Besonderen Teil“ der Gesetzesentwürfe sind jedoch keine Anhaltspunkte
dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Umsetzung des im „Allgemeinen
Teil“ geäußerten Willens im Wortlaut der Verordnungsermächtigungen Erwägungen
angestellt hat, die für die Auslegung des hier strittigen Wortlauts herangezogen werden
könnten. In der Drucksache 15/2328 steht auf Seite 16 zu „§ 21 – Kosten von
Amtshandlungen nach diesem Gesetz“ lediglich: „Für Amtshandlungen nach diesem
Gesetz werden kostendeckende Gebühren erhoben. Das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit setzt Art und Höhe der Kosten durch
Rechtsverordnung fest.“ In der Drucksache 15/2966 ist ebenfalls nur zu lesen, dass § 23
Satz 1 (ZuG 2007) klarstelle, dass für Amtshandlungen nach dem ZuG 2007
kostendeckende Gebühren erhoben werden können.
Die bereits zitierte Absichtserklärung des Gesetzgebers im einleitenden Teil der
Gesetzesentwürfe (BT-Drs. 15/2328 und BT-Drs. 15/2966) führt zu keinem anderen
Ergebnis, da darin keine Aussagen über die Gründe für die Formulierung der hier
streitgegenständlichen Normen genannt sind. Daher gibt es für die von der Beklagten
vertretene Auffassung eines jede Tätigkeit der DEHSt umfassenden
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vertretene Auffassung eines jede Tätigkeit der DEHSt umfassenden
Amtshandlungsbegriffs keine hinreichende Stütze in den Gesetzesmaterialien.
Die Ansicht der Beklagten, der Gesetzgeber habe keine dem Typus der
Verwaltungsgebühr, sondern dem Typus der Benutzungsgebühr angenäherte Gebühr
einführen wollen, lässt sich mit dem Wortlaut der Verordnungsermächtigungen ebenfalls
nicht vereinbaren. Benutzungsgebühren werden für die Benutzung der öffentlichen
Einrichtungen, der damit im Zusammenhang stehenden Leistungen, sowie für sonstige
öffentlich-rechtlicher Dienstleistungen, die keine Amtshandlungen sind und für die
Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen erhoben. Die Grundformen der
Verwaltungs- und der Benutzungsgebühr sind durch bestimmte in den
Tatbestandsmerkmalen verwendeten Begriffe voneinander abzugrenzen: bei den
Verwaltungsgebühren die Bezeichnung der Staatsleistung (Leistung, Amtshandlung,
Verwaltungstätigkeit, sonstige Tätigkeit), bei den Benutzungsgebühren die Benennung
der Leistungsentgegennahme (Benutzung, Inanspruchnahme) und die Bezeichnung der
den Vorteil produzierenden Verwaltungseinheit (s. ausführlich zur Abgrenzung Kirchhof,
Die Höhe der Gebühr, 1981, S. 24 ff). Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus den
Gesetzesmaterialien lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass dort die
Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme der DEHSt vorgesehen ist.
cc) Schließlich entspricht die hier vorgenommene Auslegung auch der Definition des
Amtshandlungsbegriffs in § 1 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungskostengesetz (VwKostG).
Danach ist unter kostenpflichtige Amtshandlung eine besondere Inanspruchnahme oder
Leistung der öffentlichen Verwaltung zu verstehen. Die Beklagte kann sich nicht
erfolgreich darauf berufen, diese Definition des Amtshandlungsbegriffs sei nicht
maßgeblich, da das Verwaltungskostengesetz das Fachrecht nur insoweit ergänze, als
dieses eigene Regelungen nicht treffe (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.
November 2005, a.a.O., m.w.N. -). Zum einen ergibt sich der Umfang des Begriffs der
gebührenpflichtigen Amtshandlung – wie oben bereits ausgeführt - aus dem
Entgeltcharakter der Gebühr. Zum anderen fehlt es in § 22 TEHG und § 23 ZuG 2007 an
einem hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers für die
Einführung einer eigenen Definition des Amtshandlungsbegriffs. Ein deutlich erkennbarer
Wille ist jedoch gerade bei einer beabsichtigten Abweichung von dem die Grundsätze des
Gebührenrechts normierenden Verwaltungskostengesetz im Wege speziellerer
Regelungen im Hinblick auf die Anforderungen der Normenklarheit und Normenwahrheit
unverzichtbar, da der Gebührenschuldner sonst nicht erkennen kann, welche
Handlungen der Verwaltung eine Gebührenpflicht auslösen.
dd) Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung „ für Amtshandlungen nach diesem
Gesetz kostendeckende Gebühren“ ordnet eindeutig an, dass der zulässige Umfang der
abzudeckenden Kosten auf die berücksichtigungsfähigen Amtshandlungen zu begrenzen
ist.
Im Gegensatz zu „anlässlich“ oder „bei“ stellt das Wort „für“ eine enge Verbindung
zwischen dem Gebührentatbestand und dessen Kosten her.Auch wenn in § 22 Satz 1
TEHG und § 23 Satz 1 ZuG 2007 keine konkrete einzelne Amtshandlung benannt ist,
führt dies lediglich dazu, dass der Kostenrahmen entsprechend dem generellen und
nicht dem strikten, an den Kosten des konkreten Verwaltungsaufwandes für die
Einzelleistung orientierten Kostendeckungsprinzip vorgegeben ist (zum generellen und
strikten Kostendeckungsprinzip ausführlich in Kirchhof, a.a.O. S. 96ff). Dieser vom
Gesetz vorgegebene Kostenrahmen umfasst nicht die Gesamtkosten der DEHSt, da die
Kammer der von der Beklagten vertretenen weiten Auslegung des
Amtshandlungsbegriffs aus den bereits ausgeführten Gründen nicht folgt.
Anhaltspunkte für die von der Beklagten vorgetragenen Konzeption eines neuen
eigenständigen Kostendeckungsbegriffs, dessen Umfang die Vollfinanzierung der DEHSt
abdecken würde, sind nicht ersichtlich. Wie oben zur Auslegung des Begriffs
Amtshandlung bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber außer einer Willensbekundung
des die Gesetzesvorlage erarbeitenden Fachministeriums im allgemeinen Teil der
Gesetzesentwürfe keine Ausführungen zu den Inhalten der Einzelnormen § 22 TEHG und
§ 23 ZuG gemacht. Unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG,
Urt. v. 19. März 2003, a.a.O.) aufgestellten Kriterien der Normenklarheit und
Normenwahrheit entspräche die Einführung eines Kostendeckungsbegriffs sui generis
mit einem bisher nicht verwendeten, neuen Inhalt ohne erkennbarer und hinreichend
klarer gesetzgeberischer Entscheidungen nicht den verfassungsrechtlichen
Anforderungen, insbesondere nicht den Maßgaben des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Danach
müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigung zum Erlass einer
Rechtsverordnung im Gesetz selbst bestimmt werden. Tendenz und Programm der
Rechtsverordnung sind gesetzlich so weit zu umreißen, dass schon aus der
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Rechtsverordnung sind gesetzlich so weit zu umreißen, dass schon aus der
Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein
soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.September 2001, 6 C 13/00 Rn. 11– zitiert nach juris
m.w.N. etwa BVerfGE 78, 249, 272; 85, 97, 104 f.; BVerwG, Urteile vom 22. November
2000 - BVerwG 6 C 8.99 - BVerwGE 112, 194, 200; vom 1. März 1996 -BVerwG 8 C 29.94
- BVerwGE 100, 323, 325 f.). Dem genügt allein die hier erfolgte Auslegung der
Verordnungsermächtigungen.
b) Die allgemeine Emissionshandelsgebühr, die nach § 1 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 1
(1.1. bis 1.4) des Anhangs der EHKostV 2007 von der zuständigen Behörde für die
Zuteilung von Berechtigungen erhoben wird und alle anschließenden Maßnahmen nach
dem TEHG - soweit diese Maßnahmen nicht gesondert im Gebührenverzeichnis
aufgeführt sind - abdecken soll, wurde so kalkuliert, dass damit die Finanzierung der
gesamten Tätigkeit der DEHSt – insgesamt geschätzt ca. 42 – 44 Millionen Euro – und
nicht nur der Kosten der berücksichtigungsfähigen Amtshandlungen abzüglich eines
Anteils für das Kollektivnutzen erfolgt, überschreitet den in den
Verordnungsermächtigungen vorgegebenen Rahmen und ist bereits aus diesem Grunde
nichtig.
Die Gebührensätze der allgemeinen Emissionshandelsgebühr wurden mit dem Ziel einer
– von der Verordnungsermächtigung nicht gedeckten - Gesamtfinanzierung der DEHSt
für den Zeitraum 2005-2007 kalkuliert. In die Ermittlung der Gesamtkosten der DEHSt,
die im Wesentlichen (in Höhe von 98,35 Prozent) durch die allgemeine
Emissionshandelsgebühr gedeckt werden sollen, sind die prognostizierten
Gesamtkosten (Sach- und Personalkosten) der Behörde und damit auch die Anteile der
Verwaltungstätigkeit der Behörde eingeflossen, die keine Amtshandlungen nach dem
TEHG bzw. ZuG 2007 sind.
Dies ergibt sich eindeutig aus der Begründung der EHKostV (abrufbar unter ), wonach
die Gebührensätze so kalkuliert seien, dass neben dem Verwaltungsaufwand für die
Amtshandlungen nach TEHG und ZuG 2007 über die Berücksichtigung des
wirtschaftlichen Wertes der zugeteilten Berechtigungen auch der sonstige Aufwand der
DEHSt mit abgedeckt sei. Mit dem Grundbetrag werde ein Teil des
Verwaltungsaufwandes abgedeckt; durch den von der Anzahl der zugeteilten
Berechtigungen abhängigen variablen Teil der Gebührenbemessung werde dem
wirtschaftlichen Wert der zugeteilten Berechtigungen Rechnung getragen.
Aus dem von der Beklagten vorgelegten Gutachten D. stellt sich die Festlegung der
Gebührenhöhen konkret wie Folgt dar: 98,35 Prozent der auf rund 44 Millionen Euro
prognostizierten Gesamtkosten der DEHSt für den Zeitraum 2004-2007 sollten durch
Einnahmen aus der allgemeinen Emissionshandelsgebühr erzielt werden, die Einnahmen
aus den in Nr. 2-4 der Anlage zu § 1 EHKostV genannten Gebührentatbeständen dienten
zur Deckung des übrigen Gesamtaufwandes in Höhe von insgesamt 1,65 Prozent.
Damit entspricht die Bemessung der allgemeinen Emissionshandelsgebühr in der
EHKostV nicht der Verordnungsermächtigung. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg ist in dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren noch davon
ausgegangen, dass es nicht ersichtlich sei, dass die der DEHSt neben den
gebührenpflichtigen Amtshandlungen obliegenden weiteren Verwaltungstätigkeiten
einen ins Gewicht fallenden Anteil des Gesamtverwaltungsaufwandes der DEHSt
ausmachten und somit ihre Berücksichtigung die Rechtsgrundlage für die Verordnung
nicht überschreite (OVG Berlin-Brandenburg a.a.O S.8). Diese Annahme hat sich nicht
bestätigt. Aus der von der Beklagten eingereichten (nachträglichen)
Gebührenkalkulation im Gutachten D. ergibt sich, dass von den insgesamt 92,5 Stellen
der DEHSt 6 Mitarbeiter für IT-Administration und IT-Support, 4,5 Mitarbeiter für
Verfahrenssteuerung und Qualitätssicherung, 7 Mitarbeiter für Berichterstattung,
Statistiken und Nationalen Allokationsplan kalkuliert waren (Gutachten D., S. 26f).
Insgesamt sind demnach allein für diese internen Prozesse 17,5 Mitarbeiter veranschlagt
worden, dies macht 18,91 Prozent der Gesamtmitarbeiterzahl aus. In dieser
Größenordnung kann von einem nicht ins Gewicht fallenden Anteil nicht mehr
gesprochen werden.
2. Unabhängig davon ist die allgemeine Emissionshandelsgebühr ist aus folgenden
weiteren Gründen nichtig: Sie nimmt den hier gebotenen Abzug für den Kollektivnutzen
der Tätigkeit der DEHSt nicht vor (dazu unten a)); wahrt den Gebührencharakter nicht
(dazu unten b)); verstößt gegen den Grundsatz der Typengerechtigkeit (dazu unten c));
führt eine (von den Verordnungsermächtigungen nicht gedeckte) Wertgebühr ein (dazu
unten d)); und beachtet nicht das Äquivalenzprinzip (dazu unten e)).
a) Von den berücksichtigungsfähigen Gesamtkosten der Amtshandlungen der DEHSt ist
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a) Von den berücksichtigungsfähigen Gesamtkosten der Amtshandlungen der DEHSt ist
ein Abzug für den Kollektivnutzen vorzunehmen, da die Bemessung einer Gebühr nur
dann gerechtfertigt ist, wenn bei der Ermittlung der Kosten des Verwaltungsaufwandes
von den Gemeinkosten der behördlichen Organisation grundsätzlich ein Abzug für deren
Kollektivnutzen vorgenommen wird (vgl. Kirchhof, a.a.O. S.113; so auch BVerwG, Urteil
vom 22. November 2000, 6 C 8/99 m.w.N. -juris).
Das Bundesverwaltungsgericht führte in dem o.g. Urteil vom 22. November 2000 zu
Beiträgen nach der EMVBeitrV aus, die Grundsätze der Belastungsgleichheit und der
vorteilsgerechten Verteilung der Lasten erforderten, dass das Allgemeininteresse bei der
Festlegung der Beitragssätze angemessen berücksichtigt werde. Die Verfassung gebiete
es zwar nicht, dass der Gesetzgeber selbst das Allgemeininteresse bewerte und
beziffere. Vielmehr sei es sachgerecht, die erforderlichen Ermittlungen und die
Einschätzung des Allgemeininteresses im Verhältnis zu dem besonderen Interesse der
Senderbetreiber dem Verordnungsgeber zu überlassen.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts befasst sich mit einem Beitrag, die
dort aufgestellten Maßstäbe gelten jedoch auch für die Festlegung von Grenzen der
zulässigen Bemessung von Gebühren, die zur Vollfinanzierung einer Behörde dienen
sollen, da der Gebühr immanente rechtliche Verknüpfung von Leistung und
Gegenleistung (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2003, a.a.O.) erst recht erfordert, einen
Anteil für die im Allgemeininteresse liegende Tätigkeit der Behörde von den in die
Gebührenermittlung einfließenden Kosten abzuziehen.
Der Verordnungsgeber hat es unterlassen, eine Einschätzung des Allgemeininteresses
an der Tätigkeit der DEHSt im Verhältnis zu dem besonderen Interesse der
Anlagenbetreiber an der Abwicklung des Emissionshandels vorzunehmen. Der
Verordnungsgeber wollte ausdrücklich 100 Prozent der Kosten der DEHSt über Gebühren
finanzieren und zog einen Abzug für das zweifellos bestehende Allgemeininteresse gar
nicht in Betracht. Ein solcher Abzug war hier entgegen der Ansicht der Beklagten, der
zulässige Kostenrahmen erfordere im Falle der DEHSt keinen Abzug für den
Kollektivnutzen, da es keine Tätigkeit der DEHSt gebe, die ausschließlich im
Allgemeininteresse erbracht werde, geboten. Es kommt dabei nicht darauf an, ob es
Tätigkeiten der DEHSt gibt, die ausschließlich im Allgemeininteresse erbracht werden,
sondern ob die Behörde ausschließlich im Interesse der Anlagenbetreiber tätig ist. Aus
dem Zusammenhang der Einführung des Emissionshandelssystems in Deutschland wird
deutlich, dass die Errichtung einer Behörde für den Vollzug der von der Bundesregierung
auf völkerrechtlicher und europarechtlicher Ebene eingegangenen Verpflichtungen zum
Schutz des Klimas unter keinen vernünftigen Gesichtspunkten ausschließlich im
Interesse der dem Emissionshandel unterworfenen Anlagenbetreibern erfolgte.
Maßgeblich ist dabei zu berücksichtigen, dass die Einführung des Emissionshandels auf
die Übereinkunft der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zur Erfüllung
ihrer Verpflichtungen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen gemäß Art. 4 Abs. 1
des Kyoto-Protokolls (Lastenteilungsvereinbarung, Art. 2 der Entscheidung 2002/358/EG,
ABl. Nr. L 130 vom 15. Mai 2002) beruht. Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen hat die
Europäische Gemeinschaft die Richtlinie 2003/87/EG (Emissionshandelsrichtlinie, ABl. Nr.
L 275 vom 25. Oktober 2003) erlassen, die bis zum 31. Dezember 2003 von den
Mitgliedstaaten umgesetzt werden musste. Der deutsche Gesetzgeber hat in
Umsetzung des Gemeinschaftsrechts das Treibhaus-Emissionshandelsgesetz und das
Zuteilungsgesetz 2007 erlassen. Demnach ist die DEHSt zweifellos auch im Interesse
der Allgemeinheit tätig, in dem sie zur Umsetzung des deutschen Beitrages zur
Verhinderung des Fortschreitens der globalen Erwärmung durch Maßnahmen für den
Klimaschutz beiträgt.
b) Nach Nr. 1 des Anhangs zu § 1 Abs. 1 der EHKostV wird die allgemeine
Emissionshandelsgebühr für die Zuteilung von Berechtigungen, die alle anschließenden
Maßnahmen nach dem TEHG abdeckt, erhoben. Folgte das Gericht der Auffassung der
Beklagten, die Erhebung der allgemeinen Emissionshandelsgebühr erfolge sowohl für die
Zuteilung als auch für alle anschließenden Maßnahmen, entspräche die Ausgestaltung
des Gebührentatbestandes nicht der Definition der Gebühr, hätte vielmehr
Beitragscharakter.
Die Gebühr wird anlass- und kostenorientiert, der Beitrag generalisiert und
vorteilsorientiert erhoben (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.November 2000, a.a.O.).
Dementsprechend darf die Gebühr nur erhoben werden, wenn dem Gebührenpflichtigen
eine bestimmte kostenverursachende Handlung oder Leistung der Behörde individuell
zugerechnet werden kann. Dagegen reicht die abstrakte Möglichkeit, dass Einzelne von
der künftigen Aufgabenerfüllung profitieren könnte, für eine gebührenrechtliche
Zurechnung nicht aus; in Betracht kommt insoweit vielmehr nur eine Beitragsregelung
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Zurechnung nicht aus; in Betracht kommt insoweit vielmehr nur eine Beitragsregelung
(BVerwG, Urteil vom 19.September 2001, 6 C 13/00, Rn. 23 – juris).
Auch die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im
einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Beschluss vom 28. November 2005, a.a.O) zur
Zulässigkeit einer solchen Gebührenerhebung für zukünftige Tätigkeiten im Wege einer
typisierenden und generalisierenden Ausgestaltung durch die Anknüpfung an die den
Schwerpunkt der Behördentätigkeit ausmachende Amtshandlung (d.h. an die Zuteilung)
vermögen keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-
Brandenburg ging im Wege der summarischen Prüfung davon aus, eine solche
Gebührenerhebung im Interesse einer möglichst einfachen Handhabung sei jedenfalls so
lange gerechtfertigt, wie die Kosten des mit der Gebühr für die Zuteilung zugleich
abgegoltenen zukünftigen und nicht gegenüber allen Anlagenbetreibern anfallenden
Verwaltungsaufwandes im Verhältnis zum Gesamtaufwand nicht wesentlich ins Gewicht
fielen (vgl. S. 12 des Umdrucks).
Diese Annahme hat sich im Hauptsacheverfahren nach Vorlage des Gutachtens D.
durch die Beklagte nicht bestätigt. Aus der dort erfolgten näheren Erläuterung der
Personalkostenprognose (S.20ff des Gutachtens) ergibt sich, dass von der dort
errechneten Gesamtmitarbeiterzahl von 100,5 der Bedarf für den Kernprozess
„Zuteilung der Emissionsberechtigungen“ 29,7 Mitarbeiter, für den Kernprozess
„Überprüfung der Emissionsberichte und Sanktionierung“ 16,5 Mitarbeiter, für den
Prozess „Überprüfung der Zuteilungsentscheidungen nach § 11 TEHG“ 10,6 Mitarbeiter
und für die „Bearbeitung von Kundenanliegen“ 27,7 Mitarbeiter ist. Außerdem wird in
dem Gutachten zum Kernprozess „Überprüfung der Zuteilungsentscheidungen“
ausgeführt, dass aufgrund der Erstmaligkeit im Jahr 2005 mit 1000 Überprüfungen zu
rechnen sei, in den Folgejahren reduziere sich die Anzahl der Prozessdurchläufe auf 200.
Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass für die Zuteilung ca. 29 Prozent der kalkulierten
Gesamtmitarbeiterzahl veranschlagt wurde und für den Prozess der Überprüfung der
Zuteilungsentscheidungen, der nach dem Gutachten im ersten Jahr in 1000 und in den
Folgejahren in 200 von insgesamt 2400 Fällen – also eindeutig nicht alle
Anlagenbetreiber betreffend – geplant war, ca. 10 Prozent der Gesamtmitarbeiterzahl.
Bei dem mit der Gebühr für die Zuteilung mit abgedeckten zukünftigen
Verwaltungsaufwand handelt es sich also weder um einen nicht wesentlich ins Gewicht
fallenden Aufwand, noch um einen, der zwangsläufig bei allen Anlagebetreibern anfällt
und damit eine Vorauserhebung der Gebühren rechtfertigen würde.
c) Ferner hat der Verordnungsgeber die Grenzen der zulässigen Typisierung nicht
beachtet, in dem er vorsah, dass die allgemeinen Emissionshandelsgebühr für alle an
die Zuteilung anschließenden Maßnahmen erhoben werde, obwohl nicht alle
Maßnahmen bei (fast) allen Anlagenbetreibern anfallen.
Zwar erkennt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung an (BVerfG,
Beschluss vom 8. Februar 1983, 1 BvL 28/79 m.w.N. - juris), dass der Gesetzgeber bei
der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende Regelungen treffen darf. Eine noch
hinzunehmende Typisierung setzt jedoch voraus, dass die durch sie eintretenden Härten
oder Ungerechtigkeiten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und
dass der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 26, 265
(275 f.)). Wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist ebenfalls, ob
eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre
(BVerfGE 45, 376 (390)). Hierfür sind auch praktische Erfordernisse der Verwaltung von
Gewicht (BVerfGE 9, 20 (31 ff.)).
Unabhängig von den Zweifel daran, dass bei einer überschaubaren Anzahl von ca. 1850
Anlagenbetreibern im Zusammenhang mit dem Vollzug des Emissionshandels von
Massenerscheinungen im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung die Rede sein kann,
dringt die Beklagte jedenfalls mit dem Argument nicht durch, der Verordnungsgeber der
EHKostV 2007 habe eine völlig neuartige Materie regeln und wegen der damit
verbundenen praktischen Unwägbarkeiten sich darauf beschränken müssen, aus den
einzig verlässlich bekannten Parametern (die ungefähre Anzahl der Anlagen und die
Anzahl der Berechtigungen entsprechend der 495 Millionen Tonnen CO2/Jahr) die
Gebührentatbestände zu bestimmen. Diese Darstellung der Ausgangslage bei der
Konzeption der Verordnung berücksichtigt nicht, dass dem Verordnungsgeber das
Gutachten der Wirtschaftsprüfergesellschaft Price Waterhouse Coopers vom 31. März
2004 vorlag, das eine detaillierte Ausarbeitung der Prozesse und Aufgaben der zu
errichtenden DEHSt einschließlich Mengen- und Kapazitätsschätzungen enthielt. Aus der
Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Typisierungsbefugnis kann die
Beklagte nicht die Ermächtigung herleiten, eine bis auf die Behebung von Formfehlern,
Kontoeinrichtung und Widerspruchsbearbeitung alle Tätigkeiten umfassende allgemeine
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Kontoeinrichtung und Widerspruchsbearbeitung alle Tätigkeiten umfassende allgemeine
Emissionshandelsgebühr zu konzipieren. Zweifellos ist ein derart pauschaler
Gebühretatbestand für die Verwaltung am einfachsten zu Handhaben. Der
Verordnungsgeber war dennoch im Hinblick auf die Anforderungen des Gleichheitssatzes
gehalten, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Verwaltung an
einer möglichst einfachen Handhabung der Gebührenerhebung und dem Bestreben,
dass die durch die Pauschalierung entstehende Ungleichbehandlung nur eine möglichst
geringe Anzahl der Anlagenbetreibern erfasst, zu schaffen.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Grenze der zulässigen Typisierung
zumindest dann überschritten ist, wenn mit einer einzigen pauschal erhobenen Gebühr
auch die Kosten für die Sanktionierung der gegen ihre Pflichten (z.B. die Berichtspflicht
und die Abgabepflicht, vgl. §§ 17, 18 TEHG) verstoßenden Anlagenbetreiber von allen
Anlagenbetreibern zu tragen sind. Damit werden die sich gesetzeskonform verhaltenden
Anlagenbetreiber für die Folgen fremden Fehlverhaltens finanziell in Anspruch
genommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Juli 2005, 2 BvR 2335/95, 2 BvR 2391/95 – zitiert
nach juris). Das eben genannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Solidarfonds
Abfallrückführung betraf zwar nicht eine Gebührenordnung, sondern eine Sonderabgabe.
Die für die Zulässigkeit der Sonderabgabe erforderliche Sachnähe der sich gesetzestreu
verhaltenden Abfallexporteure zum fremden Fehlverhalten, die vom
Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das Allgemeininteresse an der Durchsetzung
der völkerrechtlich und gemeinschaftsrechtlich im Interesse eines wirksamen
Umweltschutzes begründeten Pflichten der Bundesrepublik verneint wurde, ist
vergleichbar mit der dem Wesen der Gebühr immanenten konkret-individuellen
Zurechenbarkeit der Amtshandlung. Daher ist die Einbeziehung von Kosten für die
Sanktionierung von Fehlverhalten bzw. für die Durchsetzung von Verhaltenspflichten im
Zusammenhang mit dem Emissionshandel, wobei es sich um - wie im vom
Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall – auf durch völkerrechtliche und
gemeinschaftsrechtliche Vereinbarungen begründeten Pflichten der Bundesrepublik
handelt, in einen pauschalen Gebührentatbestand nicht von der Typisierungs- und
Pauschalierungsbefugnis des Verordnungsgebers gedeckt.
d) Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes der zugeteilten Berechtigungen in
der Ausgestaltung der allgemeinen Emissionshandelsgebühr über den an die Anzahl der
Berechtigungen gekoppelten variablen Teil der Gebühr ist gleichermaßen nicht von der
Verordnungsermächtigung gedeckt. Die Erhebung kostendeckender Gebühren für
Amtshandlungen ist nicht damit zu vereinbaren, dass die Höhe der Gebühr
ausschließlich von der Anzahl der zugeteilten Berechtigungen abhängt. Diese
Vorgehensweise führt dazu, dass der anfallende Verwaltungsaufwand für die
Gebührenhöhe keine Rolle (mehr) spielt. Beispielhaft seien die durch die Beklagte
bestätigten Fälle des Widerrufs von Zuteilungsentscheidungen erwähnt, in denen die
bereits entrichtete Gebühr für die zurückgegebenen Berechtigungen trotz des bereits
angefallenen Verwaltungsaufwandes für die Zuteilung und des zusätzlichen Aufwandes
für die Rücknahmeentscheidung in voller Höhe von der Behörde zurückerstattet wird.
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Anknüpfung an die Zuteilung und die Anzahl der
Berechtigungen inhaltlich nicht die Erhebung von Kosten für den Verwaltungsaufwand
bewirkt, sondern sich von der gesetzlich vorgesehenen Kostendeckung für
Amtshandlungen so weit entfernt, dass die allgemeine Emissionshandelsgebühr zu einer
Wertgebühr wird. Die Erhebung einer Wertgebühr ist nicht mit der
Verordnungsermächtigung, die ausdrücklich die Erhebung kostendeckender Gebühren
vorsieht – und dadurch zugleich die Erhebung von Wertgebühren ausschließt (vgl.
BVerwG, Urteil vom 8.Dezember 1961, VII C 2.61 – juris) – zu vereinbaren.
e) Schließlich verstößt die allgemeine Emissionshandelsgebühr gegen das auch hier zu
wahrende Äquivalenzprinzip.
„Das Äquivalenzprinzip als Ausprägung des (bundes-)verfassungsrechtlichen
Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Gebühr in keinem groben
Missverhältnis zu dem Wert der mit ihr abgegoltenen Leistung der öffentlichen Hand
steht (vgl. Urteil vom 25. Juli 2001 -BVerwG 6 C 8.00 - BVerwGE 115, 32 <44> m.w.N.;
BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 – 6 C 5/02 – zitiert nach juris; BVerfG, Beschluss vom
7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 - BVerfGE 83, 363 <392>). Bei Anwendbarkeit des
Äquivalenzprinzips verfügt der Gesetz- und Verordnungsgeber über einen weiten
Entscheidungs- und Gestaltungsraum hinsichtlich der Bemessung der Gebühr. Diese
muss sich nicht auf die Kosten des Verwaltungsaufwandes beschränken, sondern kann
auch andere Gesichtspunkte einfließen lassen, wie etwa den wirtschaftlichen Wert der
gebührenpflichtigen Leistung der Verwaltung. Gleichwohl sind die für diese Leistung
entstandenen Kosten nicht gänzlich ohne Bedeutung. Das Äquivalenzprinzip verbietet
die Festsetzung der Gebühr völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen
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die Festsetzung der Gebühr völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen
Leistung (vgl. Urteil vom 19. September 2001 - BVerwG 6 C 13.00 - BVerwGE 115, 125
<130 f.>; BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 – 6 C 5/02 – zitiert nach juris; BVerfG,
Beschluss vom 6. Februar 1979 - 2 BvL 5/76 - BVerfGE 50, 217 <227>; Beschluss vom
12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - BVerfGE 85, 337 <346>; Beschluss vom 10. März 1998 -
1 BvR 178/97 - BVerfGE 97, 332 <345>). Das folgt aus dem Zweck der Gebühr, die dem
Gebührenschuldner vom Staat anlässlich einer individuell zurechenbaren öffentlichen
Leistung in der Absicht auferlegt wird, die Kosten dieser Leistung ganz oder teilweise zu
decken (vgl. Urteil vom 19. September 2001, a.a.O., S. 128 f. m.w.N.; BVerfG, Beschluss
vom 10. März 1998, a.a.O., S. 345). Aus dem Gesagten folgt, dass die Kosten des
Verwaltungsaufwandes auch dann nicht völlig vernachlässigt werden dürfen, wenn bei
der Bemessung der Gebühr der wirtschaftliche Wert der Amtshandlung in Rechnung
gestellt wird. Auch in diesem Fall muss der Entgeltcharakter der Gebühr dadurch
gewahrt bleiben, dass diese sich hinsichtlich ihrer Höhe nicht völlig von den Kosten des
Verwaltungsaufwandes lösen darf. Erforderlich ist insoweit eine wertende Beurteilung des
Verhältnisses zwischen den Kosten des Verwaltungsaufwandes und der Gebührenhöhe.
Die von dem Äquivalenzprinzip gezogene Obergrenze für die Gebührenbemessung kann
nicht abschließend festgelegt werden.“ (BVerwG, Urteile vom 30. April 2003 – 6 C 4/02
und 6 C 5/02 – zitiert nach juris)
Die Festlegung der Gebührenhöhe in der Form, dass zunächst die Gesamtkosten
ermittelt werden und danach eine – nach weder aus dem Gutachten P. noch aus dem
von D. erkennbaren Gründen – erfolgte Aufteilung derart, dass 98,35 Prozent der
Gesamtkosten durch die allgemeine Emissionshandelsgebühr gedeckt werden sollen,
und damit die Konzeption der allgemeinen Emissionshandelsgebühr in der EHKostV
2007 die Kosten der gebührenpflichtigen Leistung(en) von vornherein nicht in Betracht
zog, führt zu einer Missachtung des Äquivalenzprinzips, weil hierbei nicht der Aufwand für
die einzelne Amtshandlung in Blick genommen geschweige denn ermittelt wurde.
Darüber hinaus erfolgte auch keine Festlegung von Obergrenzen für die
Gebührenerhebung, die zur Verhinderung der völligen Abkopplung der Gebührenhöhe
von dem Verwaltungsaufwand geboten gewesen wäre. Die Wahrung des
Äquivalenzprinzips erfordert nicht nur ein angemessenes Verhältnis zwischen
Gebührenhöhe und Wert der damit abgegoltenen Leistung unter Berücksichtigung des
wirtschaftlichen Wertes dieser Leistung. Wie das Bundesverwaltungsgericht in den oben
zitierten Urteilen vom 30. April 2003 zu den Rufnummernzuteilungsgebühren
ausdrücklich differenziert, sind auch wenn in die Bemessung der Gebühr der
wirtschaftliche Wert der gebührenpflichtigen Leistung einfließen darf, die für diese
Leistung entstandenen Kosten nicht gänzlich ohne Bedeutung. Der Verordnungsgeber
hat die Bedeutung des Äquivalenzprinzips verkannt, als er in der Begründung zum
EHKostV 2007 allein ausführte, durch die degressive Ausgestaltung des variablen Teils
der allgemeinen Emissionshandelsgebühr sei sichergestellt, dass der wirtschaftliche Wert
der zugeteilten Berechtigungen auch bei hohen Zuteilungsmengen in einem
angemessenen Verhältnis zu dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand stehe
(Begründung der EHKostV 2007, S. 6/7). Der Verordnungsgeber hat dabei nicht
berücksichtigt, dass es auch auf das Verhältnis der Höhe der Gebühr und den Kosten für
die der Gebührenerhebung zugrunde liegende Amtshandlung ankommt.
3. Auf europarechtliche Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Erhebung von Gebühren
zur Vollfinanzierung der DEHSt mit Art. 10 Satz 1 der Emissionshandelsrichtlinie (RL
2003/86/EG, ABl. EG L 275 von 25. Oktober 2003, S. 32), die für die erste
Zuteilungsperiode die kostenlose Zuteilung von mindestens 95 Prozent der Zertifikate
vorsieht, kam es wegen der Unvereinbarkeit der allgemeinen Emissionshandelsgebühr
mit nationalem Recht nicht an.
4. Die Unvereinbarkeit der allgemeinen Emissionshandelsgebühr in der EHKostV 2007
mit den Verordnungsermächtigungen führt zur Nichtigkeit der § 1 Abs. 1 i.V.m. Nr. 1
(1.1. bis 1.4.) der Anlage zur EHKostV. Da die Klägerin den Gebührenbescheid insgesamt
angefochten hat, war die Klage - soweit sich die Klägerin darin auch gegen die
Kontoeinrichtungsgebühr (Nr. 3 des Anhangs zu § 1 Abs. 1 EHKostV 2007) in Höhe von
200 Euro wandte - im Übrigen abzuweisen.
5. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist einschließlich des Zinsanspruchs im
Wesentlichen begründet.
Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann gleichzeitig mit der Aufhebung des
rechtswidrigen Verwaltungsakts ausgesprochen werden, dass und wie dessen
Vollziehung rückgängig gemacht wird. Die Klägerin hat unstreitig die durch den
angefochtenen Bescheid festgesetzte Gebühr bezahlt. Damit ist der Verwaltungsakt im
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angefochtenen Bescheid festgesetzte Gebühr bezahlt. Damit ist der Verwaltungsakt im
Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO "vollzogen". Mit der Aufhebung des angefochtenen
Bescheides ist der Rechtsgrund für den weiteren Verbleib des Gebührenbetrages bei der
Beklagten entfallen. Der Klägerin steht ein Rückzahlungsanspruch auf der Grundlage
eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zu, wobei der Rückzahlungsanspruch
um den Betrag der Kontoeinrichtungsgebühr zu kürzen war.
Der Klägerin stehen in entsprechender Anwendung von § 291 Satz 1 BGB Prozesszinsen
von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu. Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich aus
entsprechender Anwendung von § 291 Satz 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Danach ist
eine Geldschuld ab Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
im Sinne von § 247 BGB zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Danach waren die Kosten
des Verfahrens der Beklagten ganz aufzuerlegen, da die Klägerin nur zu einem geringen
Teil – in Höhe der Kontoeinrichtungsgebühr – unterlegen ist. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1
und 2 ZPO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war für notwendig
zu erklären, da angesichts der schwierigen Rechtslage die Klägerin anwaltliche Hilfe im
Vorverfahren in Anspruch nehmen durfte (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
Gemäß § 124 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 VwGO war die Berufung wegen der besonderen
rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen.
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