Urteil des VG Arnsberg vom 22.05.2006
VG Arnsberg: sozialhilfe, anhörung, alter, öffentlich, arbeitsrecht, ausführung, rechtsverletzung, bezirk, bindungswirkung, klagefrist
Verwaltungsgericht Arnsberg, 5 K 991/06
Datum:
22.05.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Arnsberg
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 K 991/06
Tenor:
Der Verwaltungsrechtsweg wird für unzulässig erklärt. Der Rechtsstreit
wird an das Sozialgericht Dortmund verwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
G r ü n d e :
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I.
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Die Klägerin und ihr am 00.00.0000 verstorbener Ehemann haben am 19. August 2005
beim Sozialgericht Dortmund Prozesskostenhilfe beantragt und angekündigt, im Falle
der Bewilligung der Prozesskostenhilfe eine Klage auf Gewährung weiterer Leistungen
nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung (Grundsicherungsgesetz - GSiG -) zu erheben. Das Sozialgericht
Dortmund hat sich nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 2.
November 2005 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das
Verwaltungsgericht Arnsberg verwiesen.
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Am 21. April 2006 ist das Verfahren beim Verwaltungsgericht Arnsberg eingegangen.
Mit Beschluss vom 2. Mai 2006 hat das beschließende Gericht die beantragte
Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage bewilligt.
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Am 11. Mai 2006 hat die Klägerin - gemeinsam mit ihrem Ehemann - Klage erhoben, mit
der sie - sinngemäß - beantragt, Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist zu
gewähren und den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 28. April 2004
und 19. Juli 2004 sowie des Widerspruchsbescheides des Landrats des I. vom 21. Juli
2005 zu verpflichten, weitere Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz für den
Zeitraum vom 1. April 2004 bis zum 31. Dezember 2004 zu gewähren. Das
beschließende Gericht hat die Beteiligten zu der beabsichtigten Verweisung des
Rechtsstreits an das Sozialgericht Dortmund angehört.
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Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2006 haben die Prozessbevollmächtigten zu 2. der Klägerin
mitgeteilt, dass der Ehemann der Klägerin am 00.00.0000 verstorben sei und die
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Klägerin als dessen Alleinerbin den Prozess allein fortführe.
II.
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Für das geltend gemachte Klagebegehren ist der beschrittene Verwaltungsrechtsweg
für unzulässig zu erklären und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Dortmund zu
verweisen. Nach der gemäß § 173 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 17 a Abs. 2 Satz 1 des
Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) spricht das Gericht, sofern der - zu ihm -
beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, dies nach Anhörung der Parteien von Amts
wegen aus und verweist den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen
Rechtsweges. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
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Das beschließende Gericht ist durch den im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren
ergangenen Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 2. November
2005 - S 29 SO 314/05 - nicht an der Verweisung des Rechtsstreits gehindert. Die
Verweisung des Prozesskostenhilfeantrags entfaltet für die erst am 11. Mai 2006
anhängig gemachte Klage keine Bindungswirkung. Ein vor Rechtshängigkeit der Klage
ergehender Verweisungsbeschluss eines anderen Gerichts nach § 17 a GVG beruht auf
einer „krassen Rechtsverletzung" und bindet deshalb das Gericht, an das der
Rechtsstreit verwiesen wurde, nicht.
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Vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG), Beschluss vom 9. Februar 2006 - 5 AS 1/06 -, Neue
Juristische Wochenschrift (NJW) 2006, 1371 = Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA)
2006, 454.
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Das gilt auch und erst recht, wenn eine Klage - wie hier - noch nicht anhängig ist und
lediglich im isolierten Prozesskostenhilfeverfahren eine Verweisung des
Prozesskostenhilfegesuchs erfolgt ist.
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Zudem steht der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund in offenem Widerspruch zur
höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Gemäß § 51 Abs.
1 Nr. 6 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Fassung des Art. 1 des am 1. Januar
2005 in Kraft getretenen Siebenten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes
(7. SGGÄndG) vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3302) entscheiden die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit - nunmehr auch - über öffentlich- rechtliche Streitigkeiten in
Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die
Angelegenheiten der Sozialhilfe sind seit 1. Januar 2005 im Sozialgesetzbuch (SGB)
Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - geregelt. In dessen 4. Kapitel finden sich unter den §§
41 ff. SGB XII nunmehr die Vorschriften über die Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung. Auch in darauf bezogenen Angelegenheiten entscheiden mithin bei
Rechtsstreitigkeiten, die ab 1. Januar 2005 anhängig geworden sind bzw. werden, die
Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Dies gilt nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts auch dann, wenn - wie hier - der geltend gemachte Anspruch sich
- für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 - nach dem Grundsicherungsgesetz richtet.
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Vgl. BSG, Beschluss vom 21. Oktober 2005 - B 9b SF 2/05 R -.
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Nach alldem ist für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf
Gewährung weiterer Leistungen der bedarfsorientierten Grundsicherung das
Sozialgericht sachlich zuständig. Örtlich zuständig ist gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG
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das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz
oder Wohnsitz hat. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im Hochsauerlandkreis, so dass das
Sozialgericht Dortmund örtlich zuständig ist (§§ 51 Abs. 1 Nr. 6 a und 57 Abs. 1 Satz 1
SGG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Sozialgerichtsgesetzes
im Lande Nordrhein-Westfalen - AG SGG -).
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten (§ 17 b Abs. 2 GVG).
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