Urteil des VG Aachen vom 20.07.2004
VG Aachen: öffentlicher zweck, vermietung, ausschreibung, öffentliches recht, unternehmen, kennzeichen, gemeindeordnung, kreis, eingriff, gebäude
Verwaltungsgericht Aachen, 4 L 113/04
Datum:
20.07.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 L 113/04
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung
untersagt, Räume im Gebäude des Kreishauses, K. S. , F. zum Zwecke
der Herstellung und des Vertriebes von Kfz-Kennzeichen entgeltlich
oder unentgeltlich an Dritte zu überlassen, ohne der Antragstellerin für
den Fall, dass sie nicht im Kreishaus als Betrieb vertreten sein wird, die
Möglichkeit einzuräumen, in angemessener Weise für ihre Lage, ihre
Angebote und ihre Konditionen im Zusammenhang mit der Prägung von
Kfz-Kennzeichen zu werben.
Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 2/3 und der
Antragsgegner zu 1/3.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Antragstellerin wendet sich gegen die Absicht des Antragsgegners, im Gebäude
des Kreishauses, in dem auch die Kfz-Zulassungsstelle untergebracht ist, Räume
privaten Schilderprägern zu überlassen.
3
Die Antragstellerin betreibt in F. eine Prägestelle für Kfz-Schilder. Ihr Geschäftslokal
liegt ungefähr 120 Meter von der Zulassungsstelle entfernt. Der Betrieb eines weiteren
Schilderprägers in F. in der Roitzheimer Straße liegt etwa einen Kilometer oder mehr
von der Zulassungsstelle entfernt.
4
Im Laufe des Jahres 2003 gestaltete der Antragsgegner zwei Räume in seinem
Verwaltungsgebäude in unmittelbarer Nähe der Kfz-Zulassungsstelle in der Absicht um,
diese künftig an Kfz-Schilderprägeunternehmen zu vermieten. Ende 2003 wandte sich
die Antragstellerin, nachdem sie von dessen Absicht erfahren hatte, an den
Antragsgegner. Unter Hinweis auf § 26 Abs. 2 Satz 1 GWB erklärte die Antragstellerin,
dass der Antragsgegner in einen funktionierenden Markt eingreife. Der Eingriff werde
höhere Preise zur Folge haben.
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Mit Anwaltsschriftsatz vom 26. Januar 2004 erklärte die Antragstellerin, die
beabsichtigte Vermietung stelle eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 GWB dar
und verstoße gegen § 107 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NW) in
Verbindung mit § 53 Absatz 1 der Kreisordnung Nordrhein-Westfalen (KrO NW). Zudem
werde sie in ihren Grundrechten aus Art. 12 und 14 des Grundgesetzes (GG) verletzt.
Die Antragstellerin setzte dem Antragsgegner eine Frist bis zum 30. Januar 2004, um
verbindlich zu erklären, dass die Vermietung unterbleiben werde.
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Am 4. Februar 2004 hat die Antragstellerin bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz
nachgesucht und ausgeführt, sie wende sich gegen einen ihre Interessen verletzenden
Verstoß des Antragsgegners gegen das Verbot wirtschaftlicher Betätigung aus § 107
Absatz 1 Satz 1 GO NW, § 53 Absatz 1 KrO NW. Ihr stünden auch Ansprüche aus § 33
GWB in Verbindung mit § 20 GWB sowie aus § 1 UWG zu, über die das
Verwaltungsgericht gemäß § 17 GVG ebenfalls zu entscheiden habe. Für einen Satz
Schilder bezahle der Privatkunde bei ihr derzeit 23,- EUR. Im benachbarten Kreis E.
betrage der Preis derzeit 31,- EUR. Der Durchschnitt in NRW belaufe sich auf 28,- EUR.
Es entspreche der Lebenserfahrung, dass ein außerhalb der Zulassungsstelle
gelegener Anbieter von Kfz-Schildern gegenüber einem Mitbewerber innerhalb der
Zulassungsstelle so erhebliche Nachteile habe, dass er seinen Betrieb nicht mehr
rentabel weiterführen könne. Aus diesem Umstand sei in zahlreichen
höchstrichterlichen Entscheidungen die überragende Marktstellung eines
Schilderprägers innerhalb der Zulassungsstelle angenommen worden. Die
beabsichtigte Vermietung sei daher für die Antragstellerin existenzbedrohend. Ein
öffentlicher Zweck im Sinne von § 107 GO NW, § 53 Absatz 1 KrO NW sei nicht
ersichtlich. An dem Ausschreibungsverfahren könne sie sich zwar beteiligen, ein
Zuschlag zu ihren Gunsten sei aber nahezu ausgeschlossen, da sich an der
Ausschreibung zahlreiche, zum Teil bundesweit operierende Großunternehmen
beteiligen würden, die in der Lage seien, eine Prägestelle auch über einen längeren
Zeitraum defizitär zu betreiben. Sie könnten daher bis zu einer Verdrängung des
Marktes außerhalb des Kreishauses vergleichsweise niedrige Preise anbieten. In
Ingolstadt habe der dortige Landkreis den Betrieb einer Prägestelle im Gebäude des
Landratsamtes ausgeschrieben. Den Zuschlag habe ein Bieter erhalten, der dem Kreis
eine Umsatzbeteiligung von 65 % geboten habe. Zahlreiche weitere Gebote hätten
zwischen 55 und 65 % gelegen. Der Bieter habe, um rentabel arbeiten zu können, den
Preis für einen Schildersatz von früher 29,- EUR auf 58,40 EUR erhöhen müssen. Der
dortige Kreis habe letztlich rund 77 % des Nettoverkaufspreises erhalten. Es sei
offensichtlich, dass auch der Antragsgegner ausschließlich fiskalische Interessen
verfolge.
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Die Antragstellerin beantragt,
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es dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung - bis zu einer
Entscheidung in einem noch zu eröffnenden Hauptsacheverfahren - zu untersagen,
Räume im Gebäude des Kreishauses, K. S. , F. zum Zwecke der Herstellung und des
Vertriebes von Kfz-Kennzeichen entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte zu überlassen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er führt aus, dass er zur Zeit den Hauptsitz seiner Verwaltung durch einen Anbau
erweitere. Im Zuge dessen werde auch die Zulassungsstelle umgestaltet. In
unmittelbarer Nähe des Straßenverkehrsamtes befänden sich zwei Räume von circa 35
bzw. 40 qm Größe. Er beabsichtige, diese Räume an zwei verschiedene Schilderpräger
im Wege einer öffentlichen Ausschreibung für vier Jahre zu vermieten. Einziges
Zuschlagkriterium sei die Höhe der gebotenen Bruttoumsatzbeteiligung. Der
Mindestmietpreis betrage 2.200,- EUR pro Raum. Die Antragstellerin sei derzeit im
Umkreis von einem Kilometer der einzige Anbieter für Kfz-Kennzeichen. Mit der
beabsichtigten Vermietung betreibe er, der Antragsgegner, kein Unternehmen. Es
handele sich vielmehr um ein Nebengeschäft, das nicht den Schranken des § 107
Absatz 1 Satz 1 GO NW, § 53 Absatz 1 KrO NW unterworfen sei. Die Vermietung stehe
mit der hoheitlichen Kraftfahrzeugzulassung und Kennzeichenzuteilung in einem engen
Zusammenhang und sei daher dem hoheitlichen Zweck als Hilfstätigkeit im Sinne von §
107 Absatz 2 Nr. 5 GO NW, § 53 Absatz 1 KrO NW unterzuordnen. Durch die
Vermietung von Räumen zur Herstellung von Kfz-Kennzeichen in unmittelbarer Nähe
des Straßenverkehrsamtes werde die Beschaffung für die Bürger erleichtert und das
behördliche Verfahren beschleunigt. Unabhängig hiervon erfordere auch ein öffentlicher
Zweck die Betätigung. Er verfolge vornehmlich das Ziel, den Bürgern den Vorgang des
Zulassens eines KFZ durch die unmittelbare Nähe von Kennzeichenprägern zur
Zulassungsstelle zu erleichtern. Die beabsichtigte Vermietung verstoße auch nicht
gegen §§ 30, 20 GWB. Der Antragstellerin stehe es frei, sich an der Ausschreibung zu
beteiligen. Der Standortvorteil der Wettbewerber im Kreishaus werde durch die höhere
Miete ausgeglichen.
12
Während des laufenden Eilverfahrens hat der Antragsgegner beim Bürgermeister der
Stadt F. wegen der geplanten Änderung der Nutzung von Räumlichkeiten im Kreishaus
eine Baugenehmigung beantragt, die mit Bescheid vom 14. Mai 2004 erteilt worden ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners Bezug genommen.
14
II.
15
Der Antrag ist zulässig.
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Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist gemäß § 40 Absatz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung eröffnet. Nach dieser Vorschrift ist der
Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht
verfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz
einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
17
Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn - wie
hier - eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des
Rechtsverhältnisses, aus dem der im Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch
abgeleitet wird,
18
vgl. OVG NW, Beschluss vom 25. Mai 2004 - 21 E 62/04 -; BVerwG, Urteil vom 6.
November 1986 - 3 C 72.84 - BVerwGE 75, 109; Diefenbach, Zur Konkurrentenklage
gegen unzulässige kommunale Wirtschaftstätigkeit, Wirtschaft und Verwaltung 2003,
115.
19
Öffentlich-rechtlich sind danach Streitigkeiten, wenn sie sich als Folge eines
Sachverhaltes darstellen, der nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist. Der Charakter
des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel
des Rechtsschutzbegehrens und den vom Antragsteller zu dessen Begründung
vorgetragenen Behauptungen tatsächlicher Art. Maßgeblich ist allein die wirkliche Natur
des behaupteten Rechtsverhältnisses, nicht dagegen die rechtliche Qualifizierung des
geltend gemachten Anspruches durch den Antragsteller selbst,
20
vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33.91 - BVerwGE 96, 71 -.
21
Wesentliche Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den
Verwaltungsgerichten ist damit, dass die für das Rechtsschutzbegehren in Betracht
kommende Anspruchsgrundlage dem öffentlichen Recht zuzurechnen ist. Diese
Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.
22
Das Begehren der Antragstellerin ist auf einen öffentlich-rechtlichen
Unterlassungsanspruch gerichtet. Der Antragsgegner soll die Überlassung von im
Kreishaus belegenen Räumen an Kfz-Schilderpräger unterlassen. Dieser Anspruch ist
öffentlich-rechtlich, weil die Antragstellerin einen Eingriff in ihre subjektiven Rechte
durch die wirtschaftliche Betätigung des Antragsgegners rügt, dessen Zulässigkeit unter
anderem durch § 107 GO NW, § 53 Absatz 1 KrO NW geregelt wird,
23
vgl. OVG NW, Beschluss vom 13. August 2003 - 15 B 1137/03 - NWVBl 2003, 462-466.
24
Dass sich der Rechtsstreit auch am Maßstab der von der Antragstellerin wohl
nachrangig angeführten zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen (§ 33 GWB in
Verbindung mit § 20 GWB sowie aus § 1 UWG) beurteilen lässt, steht der Eröffnung des
Verwaltungsrechtsweges nicht entgegen. Unabhängig von der Frage, ob in einem
Verstoß gegen § 107 Absatz 1 GO NW, § 53 Absatz 1 KrO NW immer zugleich ein
Verstoß gegen die vorgenannten zivilrechtlichen Vorschriften zu sehen ist,
25
vgl. verneinend OVG NW, Beschluss vom 13. August 2003, a.a.O.; bejahend
Diefenbach, a.a.O., S. 127.
26
hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 17 Absatz 2 Satz 1 des
Gerichtsverfassungsgesetzes hingenommen, dass einem Kläger oder Antragsteller bei
einem einheitlichen Lebenssachverhalt und einem etwaigen Anspruch, der sich sowohl
nach öffentlich-rechtlichen als auch nach privatrechtlichen Vorschriften bemessen lässt,
eine Wahlmöglichkeit zukommt, welchen Rechtsweg er beschreitet,
27
vgl. Diefenbach, a.a.O., S. 127.
28
Das Gericht ist für eine Entscheidung über den Rechtsstreit grundsätzlich umfassend
zuständig, sofern es - wie hier - auch nur für eine normative Grundlage des geltend
gemachten Anspruchs zuständig ist,
29
vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 1995 - 1 B 211/94 - NJW 1995, 2938.
30
Richtiger Antragsgegner ist der Kreis F. , vertreten durch den Landrat, da die
Antragstellerin vom Antragsgegner in einem noch zu betreibenden
Hauptsacheverfahren weder den Erlass eines Verwaltungsaktes begehren noch einen
31
Verwaltungsakt anfechten würde,
vgl. zur Korrektur von Amts wegen: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner-Meissner,
VwGO-Kommentar, § 78 Rz. 57 m.w.N..
32
Die Antragstellerin ist entsprechend § 42 Absatz 2 VwGO antragsbefugt, weil es
zumindest als möglich erscheint, dass sie in ihren durch § 107 Absatz 1 GO NW, § 53
Absatz 1 KrO NW geschützten Rechten beeinträchtigt wird.
33
Der Antragstellerin fehlt es auch im Hinblick auf etwaige zivilprozessuale
Vorgehensmöglichkeiten nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Zwar kann
letzteres entfallen, wenn der bei den Verwaltungsgerichten Rechtsschutzsuchende
einfacher und/oder effektiver auf dem Zivilrechtsweg vorgehen könnte,
34
vgl. OVG NW, Beschluss vom 8. Februar 1995 - 20 B 73/95 - NVwZ-RR 1996, 182,.
35
aber dafür, dass dies vorliegend der Fall wäre, fehlen jegliche Anhaltspunkte.
36
Der Antrag ist teilweise begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht
eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die
Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert
werden könnte. Voraussetzung ist, dass ein Anordnungsgrund (mithin die
Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Sicherung) sowie ein Anordnungsanspruch
(also ein subjektives öffentliches Recht des Antragstellers, dessen Durchsetzung - erst -
im Hauptsacheverfahren gefährdet ist) durch den Antragsteller dargelegt und glaubhaft
gemacht ist (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1, 2, 294 ZPO).
37
Diese beiden Voraussetzungen sind nach Maßgabe der folgenden Ausführungen erfüllt.
38
Der Antragstellerin kann ein Abwarten auf die Entscheidung in einem noch
durchzuführenden Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden. Die ohne Erlass der
beantragten einstweiligen Anordnung drohenden Nachteile können die Antragstellerin
in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährden. Mit der Ausschreibung und der Vergabe der
Räume in unmittelbarer Nähe der Kfz-Zulassungsstelle an Konkurrenten der
Antragstellerin würde die Wettbewerbslage zu ihren Lasten erheblich verändert.
39
Die Antragstellerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines
Anordnungsanspruches glaubhaft gemacht. Allerdings steht ihr der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch nicht vollumfänglich zu. Die Antragstellerin kann nur
eingeschränkt eine Unterlassung beanspruchen. Das beabsichtigte Handeln des
Antragsgegners verstößt in der gegenwärtig geplanten Form gegen § 107 Absatz 1 Satz
1 Nr. 1 GO NW, § 53 Absatz 1 KrO NW, der auch subjektive Rechte der Antragstellerin
schützt.
40
§ 107 Absatz 1 Nr. 1 GO NW begründet subjektive Rechte der durch die Betätigung
betroffenen privaten Unternehmen. Die Norm erschöpft sich nicht darin, die Gemeinden
vor den Gefahren wirtschaftlicher Betätigung zu schützen,
41
vgl. grundlegend: OVG NW, Beschluss vom 13. August 2003 - 15 B 1137/03 - NWVBl
2003, 462 mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
42
Die Antragstellerin gehört zum geschützten Personenkreis, weil sie in F. derselben
wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht, wie die Betriebe, deren Ansiedlung der
Antragsgegner durch Vermietung von Räumen im Kreishaus erreichen will.
43
Die beabsichtigte Vermietung von Räumen im Kreishaus an Schilderpräger - auf diese
ist mangels übergeordneter wirtschaftlicher Haupttätigkeit als eigenständiger
Unternehmensgegenstand abzustellen - stellt keine zulässige wirtschaftliche Betätigung
im Sinne von § 107 Absatz 1 Satz 1 GO NW dar. Zwar fehlt es nicht an öffentlichen
Zwecken für die beabsichtigte Betätigung des Antragsgegners. Diese öffentliche
Zwecke erfordern jedoch im Sinne von § 107 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 GO NW nicht die
vom Antragsgegner ins Auge gefasste konkrete Form der Überlassung.
44
Gegen die Anwendbarkeit des § 107 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 GO NW bestehen keine
Bedenken; sie ist - entgegen der Auffassung des Antragsgegners - auch nicht durch §
107 Absatz 2 Nr. 5 GO NW ausgeschlossen. Bei der Vermietung der Räume handelt es
sich nicht um eine Einrichtung, die ausschließlich der Deckung des Eigenbedarfs des
Antragsgegners dient, wie es § 107 Absatz 2 Nr. 5 GO NW voraussetzt,
45
vgl. Meyer, Kommunalwirtschaftsrecht und kommunale Handwerkstätigkeiten, Wirtschaft
und Verwaltung 2003, 57, 84ff,
46
denn die Vermietung von Räumen an Unternehmen, die ihrerseits Kfz-Schilder an
Private verkaufen sollen, ist ersichtlich auf die Deckung des Bedarfs von Bürgern
ausgerichtet.
47
Auch der Gesichtspunkt der sogenannten Annextätigkeit,
48
vgl. Rehn / Cronauge, Gemeindeordnung-Kommentar, § 107, Anm. 6,
49
führt zu keinem anderen Ergebnis. Angesichts des klaren Wortlauts der Regelungen des
§ 107 Absatz 2 GO NW ist bereits zweifelhaft, ob - letztlich aus Gründen der
Verwaltungsökonomie - weitere im Gesetz nicht geregelte Ausnahmen zulässigerweise
angenommen werden können. Dies kann jedoch dahinstehen, da der Antragsgegner im
vorliegenden Fall keineswegs die beabsichtigte Fremdbedarfsdeckung nur "bei
Gelegenheit" der eigentlichen, bislang wahrgenommenen Aufgabenverwirklichung unter
Ausschöpfung vorhandener, sonst brachliegender Kapazitäten betreiben will. Vielmehr
hat der Antragsgegner durch die entsprechende bauliche Umgestaltung der Räume in
unmittelbarer Nähe der Zulassungsstelle erst die Vermietungskapazitäten geschaffen.
Sein Handeln bezweckt also gerade nicht die bessere Auslastung vorhandener
Kapazitäten, sondern die Schaffung neuer Kapazitäten zum Zwecke der Aufnahme
wirtschaftlicher Betätigung.
50
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. April 1974,
51
vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1974 - 1 ZR 8/73 - DÖV 1974, 785 mit Anm. Püttner,
52
steht dem nicht entgegen. Unabhängig davon, dass über die wirtschaftliche Betätigung
eines Kreises in Niedersachsen zu entscheiden war, hat der Bundesgerichtshof den
Verkauf von Kfz-Schildern durch den Landkreis nur wettbewerbsrechtlich für zulässig
erklärt. Im Übrigen ist die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Unterordnung des
53
Verkaufs unter den öffentlichen Zweck der Vereinfachung und Beschleunigung des
behördlichen Verfahrens im Rahmen von § 107 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 GO NW und nicht
bei § 107 Absatz 2 Nr. 5 GO NW zu berücksichtigen.
Ein öffentlicher Zweck im Sinne des § 107 Absatz 1 Nr. 1 GO NW ist gegeben.
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Der Begriff des öffentlichen Zwecks umfasst jedweden im Aufgabenbereich der
Gemeinde liegenden Gemeinwohlbelang und schließt lediglich die
Gewinnerwirtschaftung als öffentlichen Zweck aus,
55
vgl. OVG NW, Beschluss vom 13. August 2003, a.a.O. m. w. N.
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Dem Antragsgegner kommt bei der Entscheidung, ob sein Handeln durch einen
öffentlichen Zweck gefordert wird, ein Beurteilungsspielraum zu, der nur eingeschränkt
gerichtlich überprüfbar ist. Denn worin eine Kommune eine Förderung des allgemeinen
Wohls erblickt, ist hauptsächlich den Anschauungen und Entschließungen ihrer
maßgebenden Organe überlassen und hängt von den örtlichen Verhältnissen,
finanziellen Möglichkeiten der Kommune, Bedürfnissen der Einwohnerschaft und
anderen Faktoren ab. Es handelt sich um eine Frage sachgerechter Kommunalpolitik,
die in starkem Maße von Zweckmäßigkeitsüberlegungen bestimmt wird,
57
vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1972 - 1 C 24.69 - BVerwGE 39, 329; Rehn /
Cronauge, Gemeindeordnung, § 107 Anm. III 2; Held / Becker,
Kommunalverfassungsrecht, § 107 GO, Anm. 5; Articus / Schneider, Gemeindeordnung
NRW, § 107 Anm. 3.
58
Der Antragsgegner verfolgt mit der beabsichtigten Vermietung der Räume nach eigenen
Angaben den Zweck, den Bürgern den Vorgang des Zulassens eines Kraftfahrzeuges
zu erleichtern und zugleich das behördliche Verfahren zu beschleunigen. Gründe dafür,
dass mit diesen Zielsetzungen keine öffentlichen Zwecke verfolgt werden könnten, sind
nicht ersichtlich. Die beabsichtigte Vermietung von Räumen in unmittelbarer Nähe der
Zulassungsstelle ist auch grundsätzlich geeignet, diesem Zweck zu dienen.
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Die weitere in § 107 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 GO NW für eine wirtschaftliche Betätigung
einer Kommune genannte Voraussetzung, dass der verfolgte öffentliche Zewck die
konkret wirtschaftliche Betätigung erfordert, ist hingegen nicht erfüllt. Die Vermietung in
der beabsichtigten Art und Weise wird durch die vorstehend genannten öffentlichen
Zwecke nicht erfordert. Erfordern bedeutet zwar nicht, dass für den öffentlichen Zweck
die wirtschaftliche Betätigung unausweichlich ist. Es reicht vielmehr aus, dass die
wirtschaftliche Betätigung für den öffentlichen Zweck objektiv erforderlich im Sinne von
vernünftigerweise geboten ist. Der durch die wirtschaftliche Betätigung bewirkte Eingriff
muss in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten öffentlichen Zweck stehen. Je
schwerer der Eingriff ist, desto dringlicher von der Art des öffentlichen Zwecks oder von
der Gebotenheit im Rahmen des Erfordernisses muss die wirtschaftliche Betätigung
sein,
60
vgl. OVG NW, Beschluss vom 13. August 2003, a.a.O. m. w. N.
61
Mit der Vermietung von Räumen im Kreishaus in unmittelbarer Nähe der
Zulassungsstelle an Schilderpräger greift der Antragsgegner in schwerwiegender Weise
in den lokalen Markt ein und ermöglicht den den Zuschlag erhaltenden Unternehmen
62
eine potentiell marktbeherrschende Position,
vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2003 - KZR 39/99 - NJW 2003, 2684; Urteil vom 24.
September 2002 - KZR 4/01 - NJW 2003, 752; Urteil vom 14. Juli 1998 - KZR 1/97 -
NJW 1998, 3778.
63
Diesen sich aus dem Standort ergebenden Vorteil hat der Antragsgegner potentiell
dadurch abgeschwächt, dass in der Ausschreibung zum alleinigen Zuschlagskriterium
das höchste prozentuale Umsatzbeteiligungsgebot bestimmt werden soll, und so dem
erheblichen Standortvorteil ein erheblicher Kostennachteil gegenüber stehen wird.
64
vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 14. Juli 1998, a.a.O.
65
Diese ausgleichende Wirkung kann aber nur dann zum Tragen kommen, wenn den
nicht im Kreishaus angesiedelten Konkurrenzunternehmen - also ggf. auch der
Antragstellerin - an geeigneter Stelle in unmittelbarer Nähe zur Zulassungsstelle eine
angemessene Möglichkeit eingeräumt wird, auf ihre Angebote und ihre Konditionen
hinzuweisen.
66
vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 14. Juli 1998, und Urteil vom 26. April
1974 - 1 ZR 8/73 -
67
Dies sieht die Ausschreibung des Antragsgegners jedoch nicht vor, obwohl der
Antragsgegner ohne eine entsprechende Klausel nach Erteilung des Zuschlags
zivilrechtlich gehindert sein könnte, derartige Werbung im Kreishaus noch zuzulassen,
68
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Juli 2001 - - 24 U 174/00 - ZMR 2002, 38; BGH, Urteil
vom 24. Januar 1979 - 8 ZR 56/78 - NJW 1979, 1404.
69
Der Antragsgegner hat daher bereits im Rahmen der Ausschreibung und der sich
anschließenden Miet- oder Pachtverträge auf seine Verpflichtung hinzuweisen,
etwaigen Konkurrenzunternehmen, die nicht im Kreishaus angesiedelt sind, in
unmittelbarer Nähe der Zulassungsstelle die Möglichkeit einzuräumen, in geeigneter
Weise für ihre Angebote und ihre Konditionen bei der Prägung von Kfz-Kennzeichen zu
werben.
70
Der geltend gemachte weitergehende Anspruch auf völlige Unterlassung des
Überlassens im Kreishaus an Schilderpräger besteht jedoch nicht. Mit der Regelung des
Zuschlags an denjenigen, der die höchte Umsatzbeteiligungsquote bietet und der
Werbemöglichkeit für die nicht im Kreishaus ansässigen Unternehmen ist der
Markteingriff auf ein vertretbares Mass abgemildert worden.
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Der geltend gemachte weitergehende Anspruch auf völlige Unterlassung des
Überlassens von Räumen kann auch nicht mit Erfolg auf § 20 Absatz 1 GWB oder § 1
UWG gestützt werden. Insoweit ist in der Zivilrechtsprechung geklärt, dass eine
Kommune wettbewerbs- und kartellrechtlich nicht gehindert ist, in unmittelbarer Nähe
der Zulassungsstelle Räume an Schilderpräger zu vermieten, wenn die Ausschreibung
grundsätzlich allen Unternehmen offen steht, die Ausschreibung in regelmäßigen
Zeitabständen wiederholt wird und den Konkurrenzunternehmen ausreichende
Werbemöglichkeiten in oder in unmittelbarer Nähe der Zulassungsstelle eingeräumt
werden,
72
vgl. BGH, Urteile vom 8. April 2003, vom 24. September 2002, vom 14. Juli 1998 und
vom 26. April 1974, jeweils a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. Januar 2000 - U
(Kart) 6/99 - NJWE- WettbR 2000, 174.
73
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Absatz 1, 1
74