Urteil des VG Aachen vom 23.04.2009

VG Aachen: erstellung, disziplinarverfahren, bestandteil, beamter, vollstreckung, vergleich, form, beitrag, umkehrschluss, kompetenz

Verwaltungsgericht Aachen, 1 K 684/08
Datum:
23.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 684/08
Tenor:
Die dienstliche Beurteilung der Wehrbereichsverwaltung West vom
00.00.0000 und deren Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 werden
aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für den Beurteilungszeitraum
vom 1. Februar 2004 bis 31. Dezember 2006 eine neue dienstliche
Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu
erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H.
des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H.
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger steht als Regierungshauptsekretär (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) im
Dienst der beklagten Bundesrepublik. Im Zeitraum vom 1. Februar 2004 bis 31.
Dezember 2006 war er der Bekleidungsgesellschaft M. mbH zugewiesen und als Leiter
der Servicestation O. tätig. Diese Tätigkeit übt er auch derzeit aus.
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Für den vorgenannten Zeitraum beurteilte der Abteilungspräsident, Abteilungsleiter I der
Wehrbereichsverwaltung West, den Kläger im Rahmen der Regelbeurteilung am 13.
September 2007 mit der Gesamtbewertung "C" und wies darauf hin, dass dieser
innerhalb der Notenstufe dem oberen Bereich zuzuordnen sei. Diese Bewertung
entspricht dem Ergebnis der Beurteilungskonferenz vom 23. März 2007, an der unter
anderem der Abteilungspräsident und der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, der
sog. Berichterstatter, teilgenommen haben. Dieser hatte den Kläger im Rahmen eines -
zwischenzeitlich vernichteten - ersten Entwurfs mit der Note "B+" bewertet. Im Rahmen
der Regelbeurteilung 2004 war der Kläger ebenfalls mit der Gesamtbewertung "B"
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beurteilt worden.
Gegen die dienstliche Beurteilung vom 13. Juli 2007, dem Kläger am 27. September
2007 eröffnet, legte er mit Schreiben vom 5. Oktober 2007 Widerspruch ein. Er machte
geltend, es fehle an einer ausreichenden und nachvollziehbaren Begründung für die
gegenüber den vorangegangenen Einschätzungen und Beurteilungen schlechtere
Beurteilung. Nach Aussage seines unmittelbaren Vorgesetzten sei ausschließlicher
Grund für die schlechtere Beurteilung ein noch laufendes Disziplinarverfahren. Da
letzteres noch anhängig sei, habe nur eine Vorbehaltsbeurteilung ergehen dürfen. Auch
rechtfertige der dem Disziplinarverfahren zugrunde liegende Sachverhalt nicht die
deutlich schlechtere Beurteilung.
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Unter dem 10. Dezember 2007 erging gegen den Kläger eine Disziplinarverfügung. Die
hiergegen erhobene Klage ist beim VG Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 38 K
1678/08.BDG anhängig.
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Die Wehrbereichsverwaltung West wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 6. März 2008 zurück und führte aus: Die nach Ansicht des Klägers schlechtere
Beurteilung sei keine Konsequenz aus dem Disziplinarverfahren. Die Beurteilung
beruhe allerdings auch auf dem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes. Der
Kläger habe eingeräumt, dienstliche Ressourcen zu privaten Zwecken genutzt zu
haben. Infofern sei das Verhalten bei der Beurteilung berücksichtigt worden, und zwar
im Rahmen der Leistungsbeurteilung bei dem Einzelmerkmal 3.3 "Zuverlässigkeit". Im
Übrigen seien bei der Beurteilerkonferenz auch die Richtwerte für die einzelnen
Bewertungsstufen angesprochen worden. Der Kläger sei unter Beachtung der
Richtwerte in die Stufe "übertrifft die Anforderungen - oberer Bereich" eingeordnet
worden. Eine "Vorbehaltsbeurteilung" mit Blick auf das anhängige Disziplinarverfahren
käme nicht in Betracht.
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Der Kläger hat am 1. April 2008 Klage erhoben. Er trägt vor: Die rechtmäßige
Anwendung von Richtsatzwerten setze voraus, dass die Vergleichsgruppe hinreichend
groß sei. Dies sei hier nicht der Fall. Bei einer Vergleichsgruppe von weniger als 30
Personen seien Richtwertempfehlungen nicht unmittelbar anzuwenden, und es verbiete
sich in der Regel auch eine bloße rechnerische Anlehnung an den durch die Richtsätze
vorgegebenen Rahmen. Bei ihm sei die Beurteilung in Abweichung von den
Voreinschätzungen allein in Anlehnung an die Richtwertempfehlungen geändert
worden.
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Der Kläger beantragt,
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die dienstliche Beurteilung der Wehrbereichsverwaltung West vom 00.00.0000 und
deren Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, ihm für den Beurteilungszeitraum vom 1. Februar 2004 bis 31. Dezember
2006 eine neue dienstliche Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts zu erteilen.
9
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt vor: In dem Beurteilungsdurchgang "Beamtinnen und Beamte des einfachen
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und mittleren Dienstes, Stichtag 31. Dezember 2006" seien insgesamt 2.317
Beamtinnen und Beamte zu beurteilen gewesen. Hiervon hätten 1.022 Beamtinnen und
Beamte der Besoldungsgruppe A 8 BBesO angehört, von denen 18 Beamtinnen und
Beamte der M1. zugewiesen gewesen seien. Auf der Beurteilungskonferenz vom 23.
März 2007 sei nach ausführlicher Erörterung des Leistungsbildes des Klägers auch im
Vergleich zu den übrigen der M1. zugewiesenen Beamtinnen und Beamten und unter
vergleichender Betrachtung aller Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 8
im gesamten Wehrbereich das angefochtene Ergebnis festgelegt worden. Die
Beurteilung beruhe auf den individuellen Angaben des Berichterstatters zu den
Leistungs- und Befähigungsmerkmalen des Klägers. Die anschließende Ausrichtung
der Voreinschätzungen an der Vergleichsgruppe diene hingegen der Wahrung eines
einheitlichen Beurteilungsmaßstabes. Die Richtwertempfehlungen seien lediglich als
Anhaltspunkt herangezogen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf den sonstigen
Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen,
die der Kammer in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist begründet.
15
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte, ihn unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 31. Dezember 2006
neu zu beurteilen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
Die Beurteilung der Wehrbereichsverwaltung West vom 13. September 2007 und deren
Widerspruchsbescheid vom 6. März 2008 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in
seinen Rechten.
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Dienstliche Beurteilungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, verwaltungsgerichtlich nur
beschränkt überprüfbar. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Grad ein
Beamter die für sein Amt und für seine Laufbahn erforderliche Befähigung und fachliche
Leistung aufweist, ist ein dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Die
verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der
Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich
bewegen kann, verkannt, ob er einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt,
allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.
Hat der Dienstherr Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen,
sind die Beurteiler auf Grund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden
Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das
Gericht kann folglich kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im
Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den
gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen.
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Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 -, juris
Rn. 8, m. w. N.
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Maßgeblich für die streitbefangene dienstliche Beurteilung sind die Bestimmungen über
die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen/Beamten und
Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der
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Verteidigung (Beurteilungsbestimmungen - BeurtBest -) vom 13. April 2004 und die
hierzu ergangenen Durchführungshinweise (Dfh BeurtBest) vom selben Tag. Denn der
Kläger gehört als Beamter des mittleren Dienstes der Wehrbereichsverwaltung an, bei
der der Bundesminister der Verteidigung Dienstvorgesetzter ist. Ergänzend findet der
Erlass betreffend die dienstliche Beurteilung der nach § 123a BRRG a.F. zugewiesenen
Beamtinnen/Beamten vom 17. Februar 2006 Anwendung, weil der Kläger der
Bekleidungsgesellschaft M. mbH zugewiesen ist. Die angeführten Regelungswerke
galten am Beurteilungsstichtag 31. Dezember 2006 und waren daher auch für die
streitbefangene Beurteilung des Klägers verbindlich. Dem steht nicht entgegen, dass
nach diesen Bestimmungen Leistungen des Klägers bewertet worden sind, die zum Teil
unter der Geltung früherer Regelungen erbracht worden sind.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 -,
juris Rn. 9.
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Die dienstliche Beurteilung des Klägers ist rechtswidrig, weil die nach dem
Vorstehenden einschlägigen und von der Beklagten angewandten Vorschriften keinen
hinreichend effektiven Rechtsschutz des/der Beurteilten gewährleisten (vgl. Art. 19 Abs.
4 des Grundgesetzes).
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Gemäß Nr. 13 Abs. 6 Satz 1 BeurtBest erstellt die Berichterstatterin/der Berichterstatter
zunächst einen ersten Entwurf zur Leistungs- und Befähigungsbeurteilung sowie zum
Eignungs- und Verwendungsvorschlag. Die Festlegung des Gesamturteils durch die
Beurteilerin/den Beurteiler bildet die verbindliche Grundlage für die Erstellung des
abschließenden Entwurfs zur Leistungs- und Befähigungsbeurteilung (§ 13 Abs. 6 Satz
2 BeurtBest). Die/der für die Beurteilung zuständige Vorgesetzte hat vor der Erstellung
von Beurteilungen gegenüber den Berichterstatterinnen/Berichterstattern und
Fachvorgesetzten durch Beurteilungskonferenzen auf die Anwendung eines
einheitlichen Beurteilungsmaßstabes hinzuwirken und die zu beurteilenden
Beamtinnen/Beamten ihren Leistungen und Befähigungen entsprechend differenziert zu
vergleichen (Nr. 18 Abs. 1 Satz 1 BeurtBest).
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Gemäß Nummer 18 Ziffer 2. Sätze 3 und 4 Dfh BeurtBest wird der erste
Beurteilungsentwurf der Berichterstatterin/des Berichterstatters (im folgenden Text wird
zur Vereinfachung ausschließlich die männliche Form benutzt) nicht Bestandteil der
Beurteilung; dieser Entwurf ist - wie hier nach den Angaben der Beklagten in der
mündlichen Verhandlung auch geschehen - nach Abschluss des
Beurteilungsverfahrens zu vernichten und dem zu Beurteilenden nicht zur Kenntnis zu
geben. Indem der Betroffene im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren regelmäßig
keine Kenntnis von einer im Vergleich zur abschließenden Beurteilung ggf. besseren
Voreinschätzung des Berichterstatters erlangt, fehlt dem Beurteilungsverfahren die
notwendige Transparenz. Dieser Klarheit bedarf es, um mit der erforderlichen Sicherheit
feststellen zu können, ob die Beklagte das in ihren Richtlinien niedergelegte Verfahren
im Übrigen eingehalten hat; erst diese Feststellung ermöglicht sodann die Prüfung,
welche konkreten Einwände erhoben werden.
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Die fehlende Nachvollziehbarkeit des Verfahrens hat insbesondere deshalb eine
unzumutbare Erschwernis effektiver Rechtsschutzgewährung zur Folge, weil die
Erstellung des ersten Entwurfs des Berichterstatters wesentlicher Bestandteil des
Beurteilungsverfahrens ist und ihm daher eine erhebliche Bedeutung zukommt. Denn
auch wenn die/der Berichterstatter/in nicht in eigener Kompetenz den abschließenden
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Entwurf, also die vorbehaltlich weiterer Stellungnahmen verbindliche Beurteilung
erstellt, geht seine Funktion über eine untergeordnete "Gehilfentätigkeit", welche die
Beklagte in der mündlichen Verhandlung ins Zentrum ihrer Argumentation gestellt hat,
deutlich hinaus.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 11. Februar
2004 - 1 A 2138/01 -, juris Rn. 38 ff., und 11. Juni 2003 - 1 A 482/01 -, juris Rn. 9 ff. (36);
VG Wiesbaden, Urteil vom 13. November 2007 - 8 E 541/06 -, juris Rn. 36.
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So obliegt der/dem Berichterstatter/in bei der Erstellung des ersten Entwurfes durchaus
eine Bewertung der Leistungen und Befähigung des zu Beurteilenden. Dies ergibt sich
aus einem Umkehrschluss der Nr. 20 Abs. 1 Satz 1 BeurtBest. Danach holt der
Berichterstatter, der nicht selbst über die erforderlichen Fachkenntnisse zur Bewertung
der Leistungen und Befähigung einer Beamtin/eines Beamten verfügt, einen Beitrag
der/des Fachvorgesetzten ein. Verfügt der Berichterstatter dagegen selbst über die
insoweit erforderlichen Fachkenntnisse, holt er keinen Betrag des jeweiligen
Fachvorgesetzten ein und gibt selbst ein Werturteil ab. Nach Nr. 21 Abs. 1 Satz 1
BeurtBest erstellt der Berichterstatter unter den dort genannten Voraussetzungen sogar
einen eigenen Beurteilungsbeitrag.
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Vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 13. November 2007 - 8 E 541/06 -, juris Rn. , 28 und 36.
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Die so verstandene Tätigkeit des Berichterstatters dient dazu, dass die/der Beurteiler/in
eine eigenständige Bewertung auf der Grundlage einer ausreichenden
Tatsachengrundlage treffen kann. Dies gilt namentlich dann, wenn sie/er den zu
Beurteilenden nicht persönlich kennt oder nicht mit ihm zusammengearbeitet hat. Um
der/dem Beurteiler/in Kenntnis vom richtigen und vollständigen Sachverhalt zu
verschaffen, soll der Berichterstatter seine unter Verwertung ggf. erforderlicher
Beurteilungsbeträge gewonnene Einschätzung in einem ersten Entwurf schriftlich
fixieren; in der Beurteilungskonferenz kann sie/er diese sodann auch mündlich
erläutern.
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Dass der erste Entwurf des Berichterstatters über diesen formellen Aspekt der
Tatsachenvermittlung hinaus weiter gehend auch gewichtige materielle Auswirkungen
haben kann, kommt in Nr. 15 Abs. 3 Sätze 3 und 4 sowie Abs. 4 BeurtBest zum
Ausdruck. Nach Nr. 15 Abs. 3 BeurtBest gilt: Die Beurteilerin/der Beurteiler hat alle für
die einzelne Beurteilung bedeutsamen individuellen, bereichsbezogenen sowie
bereichsübergreifenden Erkenntnisse zu berücksichtigen und für die Wahrung des
allgemein gültigen Maßstabs sowie für die Schlüssigkeit der Beurteilung Sorge zu
tragen (Satz 1). Die Beurteilerin/der Beurteiler hat ggf. durch Nachfrage bei dem
Berichterstatter auch dafür Sorge zu tragen, dass insbesondere Frauen und Männer
sowie Voll- und Teilzeitbeschäftigte nach den gleichen Maßstäben beurteilt werden
(Satz 2). Hierzu kann sie/er die im Beurteilungsentwurf in einzelnen Merkmalen der
Leistungsbeurteilung und Befähigungsbeurteilung zuerkannte Bewertung und/oder die
Gesamtbewertung der Leistungsbeurteilung herauf- oder herabsetzen (Satz 3). Die
Änderung ist zu begründen (Satz 4). Gemäß Nr. 15 Abs. 4 BeurtBest ist der
abschließende Entwurf bei Formfehlern oder offensichtlicher Unschlüssigkeit an den
Berichterstatter zur Neuerstellung zurückzugeben. Diesen Regelungen liegt offenbar die
Vorstellung zugrunde, dass die/der Beurteiler/in den Entwurf des Berichterstatters
grundsätzlich, d.h. ungeachtet der in Nr. 15 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 BeurtBest
genannten Fälle, übernimmt, eben weil dieser Entwurf die maßgebliche
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Tatsachengrundlage bildet. Denn die Vorschriften in Nr. 15 Abs. 3 und Abs. 4 BeurtBest
wären überflüssig, wenn die/der Beurteiler/in in keiner Weise an den Entwurf gebunden
wäre.
Kommt der Berichterstatterentwurf nach alledem sowohl in formeller als auch in
materieller Hinsicht in vielfältiger Weise zum Tragen, muss es dem zu Beurteilenden
möglich sein zu prüfen, ob die diesbezüglichen Verfahrensschritte richtliniengemäß
durchgeführt worden sind. Durch die Vernichtung dieses Entwurfs verdunkelt die
Beklagte jedoch, wie das Verfahren tatsächlich abgelaufen ist. Sie verhindert damit
regelmäßig die Prüfung, ob sich der Berichterstatter selbst (Nr. 20 f. BeurtBest) wie auch
die/der Beurteiler/in über die/den Betroffene/Betroffenen eine hinreichende
Tatsachenbasis verschafft haben, und ob eine begründungsbedürftige Abweichung im
Sinne des Nr. 15 Abs. 3 BeurtBest vorgelegen hat.
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Eine abweichende Einschätzung folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31/01 - (juris
Rn. 21). Danach könne ein Beurteilungsvorschlag im Verlauf des Verfahrens mit
mehreren Beurteilern jederzeit geändert werden; erst wenn sich die Beurteiler geeinigt
hätten, erlange der Entwurf eine eröffnungsfähige Fassung. Auf diese Rechtssprechung
kann sich die Beklagte hier nicht stützen, weil sie in Nr. 15 Abs. 3 Satz 4 BeurtBest eine
besondere Begründungspflicht in den Fällen der Nr. 15 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BeurtBest
vorgesehen hat. Um deren Einhaltung überprüfen zu können, bedarf es der Kenntnis
des ersten Berichterstatterentwurfs. Hiervon ausgehend darf dem Betroffenen jedenfalls
nicht durch eine Vernichtung des ersten Entwurfs die Möglichkeit genommen werden,
Einsicht in diesen Entwurf zu nehmen.
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Nach allem musste die Kammer nicht weiter aufklären, ob im Hinblick auf die
Anwendung dieser Richtwertempfehlungen im Sinne der Nr. 17 Ziff. 5 Dfh BeurtBest ein
Rechtsfehler vorliegt. Legt man in tatsächlicher Hinsicht die Angaben der Beklagten im
Erörterungstermin vom 20. Juni 2008 und somit eine unmittelbare Anwendung der
Richtwerte auf eine Vergleichsgruppe von acht Personen zugrunde, stellt sich das
Erfordernis einer hinreichend groß Vergleichsgruppe als problematisch dar.
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Vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 16 und 17; VG Düsseldorf, Urteil vom 4. Januar 2008 - 13
K 3715/05 -, juris Rn. 33 f.,
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Zudem kann dahinstehen, ob die Beklagte bei der angegriffenen Beurteilung des
Klägers die Gleichstellungsbeauftragten, wie in Nr. 18 Abs. 2 BeurtBest vorgeschrieben,
in geeigneter Form eingebunden hat; einen schriftlicher Nachweis über diese
Mitwirkungspflicht hat die Beklagte nicht vorgelegt.
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Schließlich bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob die Beklagte das dem
Disziplinarverfahren zugrunde liegende Verhalten des Klägers (ausschließlich) im
Rahmen der Leistungsbeurteilung unter dem Merkmal "Zuverlässigkeit" berücksichtigen
durfte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung
mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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