Urteil des VG Aachen vom 05.09.2008
VG Aachen: aufschiebende wirkung, verfügung, vollziehung, witterungsschutz, auflage, behörde, erlass, tierhaltung, interessenabwägung, futter
Verwaltungsgericht Aachen, 6 L 373/08
Datum:
05.09.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 L 373/08
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
1
Der - sinngemäß gestellte - Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 6 K 1682/08 geführten Klage
gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 22. Juli 2008
wiederherzustellen bzw. anzuordnen,
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ist zulässig, aber unbegründet.
4
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des auf zwei Jahre befristeten Verbots der
Pferdehaltung und -betreuung ist zunächst in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden.
Insbesondere entspricht sie den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), demzufolge das besondere Interesse an der
sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO schriftlich zu begründen ist.
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Erforderlich ist dabei eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des
besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige
Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das
Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm bekämpften
Verwaltungsakt nicht betroffen zu werden.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 80 Rn. 85.
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Diesen Anforderungen hat der Antragsgegner genügt. Er hat mit Blick auf den
vorliegenden Einzelfall ausgeführt, dass die aufschiebende Wirkung eines
Rechtsmittels zu dem nicht hinzunehmenden Ergebnis führen würde, dass vom
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Antragsteller gehaltene Tiere während der Dauer eines verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens weiterhin trotz der wiederholten und massiven Verletzung
tierschutzrechtlicher Vorschriften nicht hinreichend engmaschig kontrolliert werden
könnten. Es stehe zu befürchten, dass andernfalls Tiere nicht tierschutzgerecht gehalten
würden oder ihnen gar Schaden zugefügt werde, ohne dass dies durch die
entsprechende behördliche Kontrolle unterbunden bzw. geahndet werden könne. Nach
der amtstierärztlichen Prognose sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Antragsteller
auch zukünftig die von ihm gehaltenen und betreuten Pferde nicht angemessen pflegen
und verhaltensgerecht unterbringen werde.
Die sodann in materieller Hinsicht vorzunehmende Interessenabwägung fällt
zuungunsten des Antragstellers aus.
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Maßgebliches Kriterium innerhalb der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten
des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt
bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen
summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das
Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Stellt der Verwaltungsakt sich als
offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich
hingegen bei summarischer Überprüfung eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht
treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige
Vollziehung sprechenden Interessen einerseits und dem Interesse des Betroffenen an
einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im
Hauptsacheverfahren andererseits an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch
unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind,
umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die
Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen
Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht.
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Gemessen an diesem Maßstab überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das
Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
11
Die streitbefangene Verfügung des Antragsgegners vom 22. Juli 2008 erweist sich bei
der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und
gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.
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Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung eines Verbots der Pferdehaltung und -
betreuung ist § 16 a Satz 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) in Verbindung mit § 16 a
Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 TierSchG.
13
Nach § 16 a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung
festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen
Anordnungen. Sie kann nach § 16 a Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 TierSchG insbesondere
demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG oder einer Anordnung nach § 16 a
Satz 2 Nr. 1 TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm
gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder
Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren
einer bestimmten Art oder jeder Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.
14
Diese Voraussetzungen sind nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand gegeben.
15
Der Antragsteller hat sowohl der Verpflichtung aus § 2 Nr. 1 TierSchG, wonach, wer ein
Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen
entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltsgerecht unterbringen muss,
als auch Anordnungen des Antragsgegners nach § 16 a Satz 2 Nr. 1 TierSchG, wonach
die zuständige Behörde im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2
TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen kann, wiederholt und grob
zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen Pferden erhebliche und länger
anhaltende Schmerzen und Leiden zugefügt.
16
Ohne dass es eines Rückgriffs auf die "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen
unter Tierschutzgesichtspunkten", die durch eine beim Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gebildete Sachverständigengruppe unter dem
10. November 1995 aufgestellt worden sind und denen aussagekräftige Anhaltspunkte
für die tierschutzgerechte Ausgestaltung der Haltung von Pferden entnommen werden
können,
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vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Urteil vom
25. September 1997 - 20 A 688/96 -, juris Rn. 29; Verwaltungsgericht (VG) Aachen,
Urteil vom 25. Oktober 2006 - 6 K 3359/04 -, juris Rn. 110,
18
bedarf, ergibt sich das Vorliegen wiederholter und grober Verstöße des Antragstellers
gegen die Pflichten des § 2 Nr. 1 TierSchG bereits daraus, dass seine Pferdehaltung
mehrfach Veranlassung zu einem veterinärbehördlichen Einschreiten des
Antragsgegners mit dem Ziel der Herstellung tierschutzgerechter Haltungsbedingungen
gab und der Antragsteller den tierschutzrechtlichen Anordnungen des Antragsgegners
nicht Folge leistete bzw. diese nicht zum Anlass nahm, seine Pferdehaltung den
Anforderungen des § 2 Nr. 1 TierSchG entsprechend einzurichten. Denn in einer
Zuwiderhandlung gegen eine auf § 16 a Satz 2 Nr. 1 TierSchG gestützte Verfügung liegt
in der Regel auch ein Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten des § 2 TierSchG.
19
Vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2003, § 16 a Rn. 24.
20
Eine solche Situation ist hier gegeben.
21
Mit - zwischenzeitlich bestandskräftiger - Ordnungsverfügung vom 12. Juni 2006 gab der
Antragsgegner dem Antragsteller auf, den in seiner Obhut befindlichen Pferden
pferdetaugliches Futter in ausreichender Menge und in pferdetauglicher Qualität zur
Verfügung zu stellen. Mit - ebenfalls inzwischen bestandskräftiger - Ordnungsverfügung
vom 14. Juli 2006 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, den von ihm
gehaltenen Pferden und Ponys einen geeigneten künstlichen Witterungsschutz zur
Verfügung zu stellen. Mit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung vom 12.
Dezember 2006 ordnete der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller an, den in
seiner Obhut befindlichen Pferden pferdetaugliches Tränkwasser in ausreichender
Menge anzubieten. Mit Bescheid vom 28. Juni 2007 gab der Antragsgegner dem
Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, die sich in seiner Obhut
befindliche Shettystute "Maxima" tierärztlich untersuchen zu lassen, sie entsprechend
dem tierärztlichen Befund zu behandeln und Untersuchung und Behandlung dem
Antragsgegner nachzuweisen. Der Antragsgegner hatte bei Kontrollen am 25. und am
26. Juni 2007 festgestellt, dass die Stute "Maxima" Veränderungen der Haut zeigte, die
als "Sommerekzem" bezeichnet werden und bei dem befallenen Tier einen extremen
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Juckreiz hervorrufen.
Was die Ordnungsverfügung vom 12. Juni 2006 und namentlich, was die mit
Ordnungsverfügung vom 14. Juli 2006 aufgegebene Zurverfügungstellung eines
künstlichen Witterungsschutzes anbelangt, musste der Antragsgegner mit der
Festsetzung von Zwangsgeldern Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen, weil der
Antragsteller diese Verpflichtungen nicht erfüllte.
23
Noch im Januar 2008 stellte der Antragsgegner bei Vor-Ort-Kontrollen fest, dass es
entgegen der Verfügung vom 14. Juli 2006 an einem ausreichenden künstlichen
Witterungsschutz fehlte. Dies war auch am 4. Juni 2008 nach wie vor der Fall, als der
Berichterstatter der Kammer im Verfahren 6 K 322/08, in dem der Antragsteller sich
gegen die Festsetzung eines (weiteren) Zwangsgeldes durch den Antragsgegner mit
Verfügung vom 16. Januar 2008 wandte, einen Ortstermin durchführte und das
Grundstück des Antragstellers an der L. Straße 75 in Augenschein nahm. Obwohl der
Antragsteller sich anlässlich des Ortstermins im Vergleichsweg verpflichtete, einen
geeigneten künstlichen Witterungsschutz bis zum 18. Juli 2008 zu errichten, hat er sich
auch an diese Vereinbarung - soweit ersichtlich - nicht gehalten.
24
Indem der Antragsteller den von ihm gehaltenen Pferden Futter, Tränkwasser - dies
auch während einer Hitzeperiode Ende April/Anfang Mai 2007, als den Pferden nach
den Feststellungen des Antragsgegners über Tage hinweg kein Tränkwasser in
ausreichender Menge zur Verfügung stand - Witterungsschutz und tierärztliche
Versorgung vorenthielt, verstieß er wiederholt und grob gegen die aus § 2 Nr. 1
TierSchG folgenden Pflichten, die Tiere angemessen zu ernähren, zu pflegen und
verhaltensgerecht unterzubringen.
25
Dass die amtstierärztlichen Einschätzungen, die zu der Annahme von Verstößen gegen
§ 2 Nr. 1 TierSchG führten und dem Erlass der vorgenannten Ordnungsverfügungen
zugrunde lagen, zutreffend waren, ist - auch ungeachtet der Bestandskraft der
Ordnungsverfügungen vom 12. Juni 2006 und vom 14. Juli 2006 - nicht zweifelhaft. Der
fachlichen Einschätzung des Amtstierarztes kommt bei der Durchführung
tierschutzrechtlicher Vorschriften von Gesetzes wegen - wie in §§ 15 Abs. 2, 16 a Satz 2
Nr. 2 TierSchG hervorgehoben wird - eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu.
26
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. September 1997 - 20 A 688/96 -, juris Rn. 32;
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 4. März 2008 - 9 CS
07.3396 -, juris Rn. 5; Hessischer Verwaltungsgerichtshof (HessVGH), Beschluss vom
24. April 2006 - 11 TG 677/06 -, juris Rn. 22.
27
Es ist nicht ersichtlich, dass die Amtstierärzte des Antragsgegners diese
Beurteilungskompetenz vorliegend überschritten haben könnten.
28
Zu den dargelegten Pflichtenverstößen tritt der weitere Verstoß gegen § 2 Nr. 1
TierSchG in Verbindung mit § 1 Satz 2 TierSchG, der es verbietet einem Tier ohne
vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, lediglich hinzu, der
darin zu sehen ist, dass der Antragsteller nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand
mit großer Wahrscheinlichkeit am 4. Juli 2008 in F. ein von ihm gehaltenes Pferd mit
einem Hammer erschlagen bzw. es niedergeschlagen hat, wodurch es infolge eines
Herz-Kreislauf-Versagens starb.
29
Dies folgt aus dem Ergebnis der bisherigen behördlichen Ermittlungen. Der von der
Polizei hinzugezogene Amtstierarzt des Kreises Aachen stellte - wie sich seiner
gutachterlichen Stellungnahme vom 14. Juli 2008 entnehmen lässt - fest, dass dem
hochgradig abgemagerten Pferd, bei dem es sich um den Fuchsscheckwallach "Pinto"
handelte, am Kopf im Bereich der Stirnplatte unterhalb der Ohrwurzel mit einem Schlag
mit einem schweren Vorschlaghammer eine frisch blutige Verletzung zugefügt worden
war, aus der sich auf Druck weiteres Blut entleerte. Die Polizei beschlagnahmte einen
im Kofferraum des Pkw des Antragstellers liegenden Hammer (Fäustel), an dem
Tierhaaranhaftungen erkennbar waren. Nach der Sektion des Pferdes durch eine
Amtstierärztin des Kreises Düren, bei der sich keine Anhaltspunkte dafür ergaben, dass
das Tier an einer Erkrankung der inneren Organe gelitten haben könnte, wurden dessen
Kopf und der beschlagnahmte Hammer durch das Chemische und
Veterinäruntersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper (CVUA-RRW) in Krefeld einer
weiteren Untersuchung unterzogen. Das CVUA-RRW gelangte zu dem Befund, dass
dem Schecken im Bereich des Stirn- und Scheitelbeines seitlich rechts des
Sagitalkammes ein schwerer Schlag beigebracht wurde, wobei diese Knochen
durchschlagen wurden und eine Impressionsfraktur mit diversen Knochenfragmenten
entstand. Durch die Wucht des Schlages zerriss die harte Hirnhaut und trat eine
schwere Schädigung vornehmlich der rechten Hirnhälfte mit Quetschung und
Zerreißung von Hirnmaterial ein. Der mit großer Kraft ausgeführte Schlag verursachte
eine herdförmige Zerstörung des Gehirnes. Nach Ansicht des CVUA-RRW war der
Schlag nicht sofort todbringend. Vielmehr sei das Tier an Herz- Kreislauf-Versagen
verstorben. Der beschlagnahmte Hammer komme als Tatwerkzeug in Betracht.
30
Bei dieser Sachlage spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragsteller das Pferd mit
dem beschlagnahmten Hammer erschlagen bzw. niedergeschlagen und solchermaßen
zu Tode gebracht hat.
31
Die Einlassungen des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner im Rahmen seiner
Anhörung am 18. Juli 2008 stehen dieser Einschätzung nicht entgegen. Es ist nicht
glaubhaft, dass das Pferd ohne Gewalteinwirkung durch den Antragsteller an einer
schweren Kolik verstorben sei. Ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme des
Amtstierarztes des Kreises B. vom 14. Juli 2008 zeigte das Tier keine Vorerkrankung.
Die starke Abmagerung mit Muskelabbau (Atrophie) sei nicht auf einer Erkrankung der
inneren Organe oder eine Infektion, sondern vielmehr auf Zahnfehlstellungen und die
Ausbildung von Zahnhaken bei Fehlen mehrerer Backenzähne zurückzuführen, was
nicht durch einen Zahntierarzt korrigiert worden sei. Gegen das Vorbringen des
Antragstellers spricht ferner, dass der im Kofferraum seines Pkw vorgefundene Hammer
Tierhaaranhaftungen aufwies und die Verletzungen dem Tier nach den
sachverständigen Stellungnahmen nur durch erhebliche Gewalteinwirkung mit einem
schweren Werkzeug - wie dem beschlagnahmten Hammer - zugefügt worden sein
können. Würde der Hammer dem Antragsteller - wie er behauptet - nicht gehören und
hätte er diesen nur benötigt, um sich "hinsichtlich der Einzäunung Platz zu verschaffen,
um mit (seinem) Pkw auf die Weide fahren zu können", hätte zudem kein Anlass
bestanden, diesen im Kofferraum seines Fahrzeugs zu verstauen, anstatt ihn wieder auf
die Wiese zurückzulegen, wo er nach den Angaben des Antragstellers zuvor gelegen
habe.
32
Soweit der Antragsteller einwendet, § 16 a Satz 1 TierSchG setze "festgestellte
Verstöße" voraus, die hier nicht gegeben seien, verkennt er einerseits, dass § 16 a Satz
1 TierSchG als Vorschrift mit ordnungsrechtlichem Charakter,
33
vgl. insoweit Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2003, § 16 a Rn. 1,
34
genauso zum Erlass von Anordnungen "zur Verhütung künftiger Verstöße" befugt, die
im Falle des Antragstellers - wie noch auszuführen sein wird - zu befürchten sind, sowie
andererseits, dass die Untersagung der Tierhaltung an die besonderen
Voraussetzungen des § 16 a Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 TierSchG geknüpft ist. Wie
dargelegt, ist jedoch nach summarischer Prüfung als festgestellt zu betrachten, dass der
Antragsteller § 2 Nr. 1 TierSchG und behördlichen Anordnungen nach § 16 a Satz 2 Nr.
1 TierSchG wiederholt und grob zuwidergehandelt hat.
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Mit seinem Hinweis auf die Unschuldsvermutung dringt der Antragsteller gleichfalls
nicht durch.
36
Die in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip
sowie in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte
Unschuldsvermutung greift nicht ein. Denn die Untersagung der Tierhaltung und -
betreuung enthält keine verbindliche Aussage über Schuld oder Unschuld des
Betroffenen.
37
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 30. Juni 2006 - 5 B 704/06 -;
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 16. Mai 2002 -1 BvR 2257/01-, Neue
Juristische Wochenschrift 2002, 3231 = juris Rn. 9.
38
Durch die aufgeführten Verstöße hat der Antragsteller den von ihm gehaltenen Pferden
erhebliche und länger anhaltende Schmerzen und Leiden zugefügt.
39
Davon ist bei einem Vorenthalten elementarer Versorgungsleistungen wie dem
Zurverfügungstellen von Futter, Tränkwasser und Witterungsschutz sowie mit Blick auf
den Vorfall vom 4. Juli 2008 auszugehen.
40
Überdies ist bei Vorliegen gravierender und zahlreicher Verstöße gegen § 2 TierSchG
eine Untersagung der Pferdehaltung bereits dann gerechtfertigt, wenn die Gefahr
besteht, dass den Tieren andernfalls erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden
zugefügt werden. Es muss nicht zu erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden der
Tiere gekommen sein; ausreichend ist eine entsprechende Gefahrenprognose der
zuständigen Behörde, bei der der hypothetische Geschehensablauf - bei unterstelltem
Nichteinschreiten der Veterinärbehörde - zu berücksichtigen ist. Mit anderen Worten:
Die Tierschutzbehörde muss nicht sehenden Auges zuwarten, bis den Tieren, nachdem
weniger belastende Einzelanordnungen keine nachhaltige Besserung der
Pferdehaltung gebracht haben, erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt sein
würden.
41
Vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH B.- W.), Beschluss vom 25. April
2002 - 1 S 1900/00 -, juris Rn. 10 f.; HessVGH, Beschluss vom 24. April 2006 - 11 TG
677/06 -, juris Rn. 26.
42
Darauf, ob dem Tierhalter zugleich eine Straftat im Sinne von § 17 TierSchG
nachgewiesen werden kann, kommt es nicht an.
43
Vgl. VGH B.-W., Beschluss vom 25. April 2002 - 1 S 1900/00 -, juris Rn. 12.
44
Demgemäß besteht im zugrunde liegenden Fall aufgrund der gravierenden und
zahlreichen Pflichtenverstöße des Antragstellers, die bislang aufgetreten sind, auch die
den Erlass einer Untersagungsverfügung tragende Gefahr, dass es ohne die
Untersagung der Pferdehaltung und -betreuung zu erheblichen Schmerzen und Leiden
der von ihm gehaltenen Tiere kommen würde.
45
Im Anschluss daran ist auch die Annahme, dass der Antragsteller weiterhin
Zuwiderhandlungen gegen die Halterpflichten des § 2 Nr. 1 TierSchG begehen wird,
durch Tatsachen ohne Weiteres gerechtfertigt.
46
Vgl. zu der insoweit zu erstellenden Prognose OVG NRW, Beschluss vom 25. April
2005 - 20 B 267/05 -.
47
Die Untersagungsverfügung des Antragsgegners leidet nicht an einem Ermessensfehler
im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO. Insbesondere ist sie verhältnis- mäßig.
48
Dem Antragsgegner stand kein milderes Mittel als das Verbot der Pferdehaltung und -
betreuung zur Verfügung, um künftigen Verstößen des Antragstellers gegen
Bestimmungen des Tierschutzgesetzes effektiv vorzubeugen. Spezielle, auf einzelne
Missstände bezogene tierschutzrechtliche Ordnungsverfügungen haben in der
Vergangenheit nicht zu einer den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden
Tierhaltung des Antragstellers geführt.
49
Die Anordnung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der Antragsgegner hat den
Interessen des Antragstellers hinreichend Rechnung getragen, indem er das Verbot der
Pferdehaltung und -betreuung auf zwei Jahre befristet hat.
50
Vgl. hierzu auch VG Münster, Beschluss vom 2. April 2008 - 1 L 194/08 -, juris Rn. 20,
wonach auch ein unbefristetes Haltungsverbot mit Blick auf die
Wiedergestattungsmöglichkeit nach § 16 a Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 2 TierSchG
verhältnismäßig sein kann.
51
Besondere Umstände, die trotz der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der
streitgegenständlichen Verfügung ausnahmsweise eine andere Interessenbewertung
zugunsten des Antragstellers gebieten könnten, sind nicht ersichtlich. Das private
Interesse des Antragstellers, die Pferdehaltung und -betreuung einstweilen fortzusetzen,
ist in Anbetracht der zu erwartenden weiteren Beeinträchtigungen der Gesundheit und
des Wohlbefindens seiner Pferde geringer zu werten als das öffentliche Interesse an
ihrem sofortigen Schutz.
52
Die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 200,- EUR für jeden Fall der
Zuwiderhandlung gegen das Verbot der Pferdehaltung und -betreuung stellt sich
gleichfalls als offensichtlich rechtmäßig dar, so dass die Interessenabwägung auch
insoweit zum Nachteil des Antragstellers ausfällt. Die Zwangsgeldandrohung steht im
Einklang mit §§ 63, 60, 57 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, 55 Abs. 1 des Verwaltungs-
vollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen.
53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
54
Die Bestimmung des § 155 Abs. 4 VwGO führt nicht zu einer abweichenden
55
Kostenverteilung, weil - wie der Antragsteller vorbringt -, der Antragsgegner ihn
gezwungen habe, gleichsam "blind" Rechtsbehelfe einzulegen, weil er ihm eine
Akteneinsicht ohne sachlichen Grund verwehrt habe.
Gemäß § 155 Abs. 4 VwGO können Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten
entstanden sind, diesem auferlegt werden.
56
Dies setzt voraus, dass der betreffende Beteiligte unter Außerachtlassung der
erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt durch sein Verhalten einen anderen Beteiligten
oder das Gericht zu Prozesshandlungen oder Entscheidungen veranlasst hat, die an
sich nicht erforderliche Kosten verursacht haben. Der Begriff des Verschuldens schließt
immer die Vorwerfbarkeit des Verhaltens ein.
57
Vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, 2. Auflage 2006, § 155 Rn. 80.
58
Das schuldhafte Verhalten des Beteiligten muss ursächlich für das Entstehen
bestimmter Kosten gewesen sein, die ohne dieses schuldhafte Verhalten nicht
entstanden wären.
59
Vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, 2. Auflage 2006, § 155 Rn. 81.
60
Daran gemessen sind die Verfahrenskosten nicht nach § 155 Abs. 4 VwGO abweichend
von § 154 Abs. 1 VwGO dem Antragsgegner aufzuerlegen. Der Antragsgegner hat die
Stellung des Eilantrags durch den Antragsteller nicht schuldhaft veranlasst. Der
Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass der Stellung des Eilantrags bereits am
12. August 2008 eine eigenverantwortliche Entscheidung des Antragstellers zugrunde
liegt, welche die Ursächlichkeit etwaiger Verfahrensfehler des Antragsgegners für die
Antragstellung - die im Übrigen nicht ersichtlich sind - unterbricht.
61
Vgl. dazu Neumann, in: Sodan/Ziekow, 2. Auflage 2006, § 155 Rn. 97.
62
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 des
Gerichtskostengesetzes (GKG). Sie berücksichtigt, dass in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten
Entscheidung der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG, der hier mangels
anderweitiger Anhaltspunkte zugrunde zu legen ist, regelmäßig lediglich zur Hälfte
angesetzt wird.
63