Urteil des VG Aachen vom 26.05.2009

VG Aachen: schichtdienst, wechsel, zulage, belastung, vollstreckung, empfang, gerichtsakte, rechtsgrundlage, vollstreckbarkeit, abrechnung

Verwaltungsgericht Aachen, 1 K 188/07
Datum:
26.05.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 188/07
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Leiters der
Justizvollzugsanstalt F. vom 00.00.0000 sowie des
Widerspruchsbescheides des Präsidenten des
Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein- Westfalen vom 00.00.0000
verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni
2006 sowie vom 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2006 eine
Schichtzulage gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) iVm Abs. 4 Satz 1
der Verordnung über die Gewährung von Erschwerniszulagen
(Erschwerniszulagenverordnung - EZulV) zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu 11/12, der Kläger zu
1/12.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des auf Grund des
Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger, der als
Justizvollzugshauptsekretär bei der Justizvollzugsanstalt F. im Dienst des beklagten
Landes steht, eine Zulage für geleisteten Schichtdienst zu gewähren.
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Mit dem angefochtenen Bescheid vom 00.00.0000 stellte der Leiter der
Justizvollzugsanstalt F. die Zahlung der dem Kläger in der Vergangenheit gewährten
Schichtzulage rückwirkend ab dem 1. Januar 2006 ein. Zur Begründung führte er aus,
ab diesem Zeitpunkt bestehe kein Anspruch mehr auf die Zahlung der Schichtzulage
gemäß § 20 Abs. 2 EZulV, weil dem Dienstplan des Klägers entnommen werden könne,
dass er seit dem 1. Januar 2006 die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfülle.
Die Schichtzulage erhalte nur, wer ständig und regelmäßig zwischen Früh- und
Spätdienst wechsele. Die Voraussetzungen könnten erfüllt sein, wenn der Kläger
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zwischen Tages-, Spät- und Frühdienst wechsele, wobei es dann darauf ankomme,
dass Tagesdienst nur gelegentlich geleistet werde und im Übrigen eine etwa
gleichwertige Heranziehung zu Früh- und Spätdienst erfolge.
Der Kläger erhob Widerspruch, den der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes
Nordrhein-Westfalen durch Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2007 unter
Wiederholung der Ausführungen im angefochtenen Bescheid als unbegründet
zurückwies.
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Der Kläger hat am 28. Februar 2007 Klage erhoben. Er verfolgt sein Begehren auf
Gewährung der Schichtzulage nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EZulV weiter und
beruft sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das hinsichtlich der
gleichlautenden Vorschrift des § 33 a BAT einen annähernd gleichmäßigen Einsatz in
den verschiedenen Schichten innerhalb eines Monats nicht als
Anspruchsvoraussetzung für die Schichtzulage fordere. Er, der Kläger, habe im Jahr
2006 nach einem ständigen Schichtplan gearbeitet und in jedem Monat mindestens ein
Mal Schichtdienst innerhalb einer Zeitspannung von mindestens 13 Stunden geleistet.
Demgemäß stehe ihm - unter Berücksichtigung der ihm gewährten Stellenzulage nach
Nr. 12 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B - die
Schichtzulage nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EZulV, nach § 20 Abs. 4 EZulV zur
Hälfte zu.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Leiters der Justizvollzugsanstalt F.
vom 00.00.0000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Präsidenten des
Landesjustizvollzugsamtes vom 00.00.0000 zu verpflichten, ihm ab dem 1. Januar 2006
bis zum 31. Dezember 2006 monatlich eine Schichtzulage in Höhe von 17,90 EUR zu
zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen aus den angefochtenen
Bescheiden und meint, nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sei der
Anspruch auf eine Schichtzulage nur dann begründet, wenn für den Beamten durch die
Ableistung des Schichtdienstes eine wesentliche Belastung eintrete. Werde
Wechselschichtarbeit nur gelegentlich geleistet oder handele es sich nur um einen
kurzfristigen Einsatz, seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Schichtzulage
nicht erfüllt. Sie solle die sozialen und speziell familiären Belastungen ausgleichen, die
mit der Teilnahme an einem Wechselschichtdienst verbunden seien. Eine derartige
Belastung sei seit dem Januar 2006 beim Kläger nicht mehr aufgetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Personalakten
verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Kammer kann ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden,
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nahem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben, vgl. §§ 87a Abs. 2 und
3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Klage ist zulässig. Sie ist nicht verfristet erhoben worden, weil nicht zweifelsfrei
festgestellt werden kann, wer in der Justizvollzugsanstalt F. den Widerspruchsbescheid
für den Kläger in Empfang genommen hat; auf die Erörterung im Termin vom 20. April
2007 wird verwiesen.
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Die Klage ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - überwiegend -
begründet, im Übrigen unbegründet. Der Kläger besitzt für die Zeit ab 1. Januar 2006 bis
zum 30. Juni 2006 und ab dem 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2006 einen
Anspruch auf Gewährung der Schichtzulage. Insoweit sind die angefochtenen
Bescheide rechtswidrig und verletzen ihn in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO.
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Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Buchst. c) EZulV.
Hiernach erhalten Beamte, wenn sie ständig Schichtdienst zu leisten haben (Dienst
nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in
Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht), eine Schichtzulage von 35,79
EUR monatlich, wenn der Schichtdienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13
Stunden geleistet wird. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist Zeitspanne die Zeit zwischen
dem Beginn der frühesten und dem Ende der spätesten Schicht innerhalb von 24
Stunden. Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EZulV wird die Zulage nur zur Hälfte gewährt, weil
der Kläger - zusätzlich - eine Zulage für Beamte in Justizvollzugseinrichtungen erhält.
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Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Ausweislich der vorgelegten Aufstellungen über
seine persönlichen Dienstzeiten hat der Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum
30. Juni 2006 und vom 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2006 regelmäßig
Schichtdienst in vorgenanntem Sinne geleistet. Denn er hat in jedem der Monate
mindestens ein Mal zwischen Tagesdienst und Früh- oder Spätdienst gewechselt.
Dabei erfolgte der Schichtdienst innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13
Stunden, denn die Frühschicht begann um 5.48 Uhr und die Spätschicht endete um
22.00 Uhr. Lediglich im Juli 2006 verrichtete er nur an 4 Tagen Tagesdienst und befand
sich die übrige Zeit im Urlaub bzw. hatte er dienstfreie Tage.
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Der Wechsel der Schichten erfolgte auch regelmäßig im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1
EZulV. Hierzu hat das
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Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 5. März
2008 - 6 A 4791/05 -, NRWE und juris,
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unter anderem ausgeführt:
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"... Das Tatbestandsmerkmal der Regelmäßigkeit ist nicht schon dann erfüllt, wenn ein
Arbeitszeitwechsel als solcher regelmäßig stattfindet. Entscheidend ist vielmehr, dass
die Abfolge der vom Schichtplan vorgesehenen Wechsel der täglichen Arbeitszeit
regelmäßig ist und die Zeitabschnitte, in denen der betroffene Beamte zu
unterschiedlichen Arbeitszeiten Dienst leisten muss, sich hinsichtlich ihrer Länge im
weitesten Sinne entsprechen. Zur Länge dieser Zeitabschnitte unterschiedlicher
Arbeitszeit verhält sich § 20 Abs. 2 EZulV zwar nur insoweit, als ihr Wechsel nach
längstens einem Monat erfolgen muss, doch ergibt sich aus dem Zweck der §§ 1 Satz 1,
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20 Abs. 2 EZulV, dass die Zeitabschnitte im Hinblick auf ihre Länge nicht derart
voneinander abweichen dürfen, dass mit dem Arbeitszeitwechsel bei wertender
Betrachtung keine nennenswerten negativen Folgen für den betroffenen Beamten
verbunden sind. Die Schichtzulage soll die besonderen, bei der Bewertung des
jeweiligen Amtes nicht berücksichtigten Erschwernisse ausgleichen, die mit einem
ständigen Schichtdienst verbunden sind. Solche Erschwernisse sind in der von dem
Schichtdienstleistenden geforderten ständigen Umstellung des Arbeits- und
Lebensrhythmus und den damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen
Auswirkungen zu sehen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 - 2 C 24.95 -, ZBR 1996, 260."
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Die im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2006 und vom 1. August 2006 bis zum
31. Dezember 2006 geleisteten Dienste des Klägers erfüllen diese Voraussetzungen.
Ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Datenblätter über die
"persönlichen Dienstzeiten" hat er im streitgegenständlichen Zeitraum - unter
Abrechnung von dienstfreien und Kranken- sowie Urlaubstagen - die folgenden Dienste
geleistet:
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im Januar 2006 von 21 Tagen 16 x Tagesdienst und 5 x zusammenhängend Spätdienst;
im Februar 2006 von 18 Tagen 6 x Frühdienst (1 x 3 Tage, 1 x 2 Tage und 1 x 1 Tag) 10
x Tagesdienst und an 2 aufeinanderfolgenden Tagen Spätdienst; im März 2006 von 21
Tagen an 4 aufeinanderfolgenden Tagen Frühdienst, an 15 Tagen Tagesdienst und 2 x
Spätdienst; im April 2006 von 11 Tagen 1 x Frühdienst und 10 x Tagesdienst; im Mai
2006 von 17 Tagen 3 x Frühdienst, 9 x Tagesdienst und 5 x Spätdienst (davon 3
aufeinanderfolgende Tage); im Juni 2006 von 19 Tagen 5 x Frühdienst (davon 2 Tage in
Folge), 12 x Tagesdienst und 2 x in Folge Spätdienst; im August 2006 von 16 Tagen an
4 aufeinanderfolgenden Tagen Frühdienst, 9 x Tagesdienst und 2 x Spätdienst; im
September 2006 von 17 Tagen an 5 aufeinanderfolgenden Tagen Frühdienst, 9 x
Tagesdienst und 2 x Spätdienst; im Oktober 2006 von 13 Tagen 2 x Frühdienst, 10 x
Tagesdienst und 1 x Spätdienst; im November 2006 von 16 Tagen 3 x Frühdienst, 11 x
Tagesdienst und 2 x Spätdienst; im Dezember 2006 von 11 Tagen 1 x Frühdienst mit
anschließendem Tagesdienst, 7 x Tagesdienst und 2 x Spätdienst.
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Damit ist das von § 20 Abs. 2 Satz 1 EZulV geforderte Tatbestandsmerkmal der
Regelmäßigkeit bis auf den Monat Juli 2006 erfüllt. Dagegen spricht nicht, dass der
Kläger tatsächlich überwiegend im Tagesdienst eingesetzt gewesen ist. Abgesehen
davon, dass der Verordnungstext einen gleichmäßigen Einsatz in den verschiedenen
Schichten nicht verlangt, dürften unter Beachtung der vorgenannten Rechtsprechung die
unterschiedlichen Dienstzeiten durchaus nennenswerte negative Folgen für den Kläger
mit sich gebracht haben. Insbesondere kann nicht davon gesprochen werden, dass er
nur vereinzelt zu Früh- oder Spätdiensten herangezogen worden wäre. Eine solche
Annahme verbietet sich bereits mit Blick auf die teilweise mehrere Tage umfassenden
Schichtdienstblöcke.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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