Urteil des VG Aachen vom 26.04.2006
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Verwaltungsgericht Aachen, 3 K 128/06
Datum:
26.04.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 128/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
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Am 19. Juli 2004 beantragte der Kläger die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung
nach §§ 3 und 10 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage (FeiertG NRW) für einen
automatisierten Waschsalon in B. , K. Straße 0. , mit einer Grundfläche von ca. 120 qm
sowie mit 12 Waschmaschinen und 5 Trocknern, wobei die Betriebszeiten von 8.00 Uhr
bis 20.00 Uhr geplant sind. Ergänzend führte der Kläger aus: Er rechne an Sonn- und
Feiertagen mit etwa 30 Kunden täglich. Viele berufstätige Personen, insbesondere die,
die außerhalb Aachens arbeiten, könnten nur an Sonntagen ihre Wäsche waschen. Für
die Nachbarschaft sei keine negative Beeinträchtigung zu erwarten, da die Kundschaft
überwiegend aus der näheren Umgebung komme und somit kein zusätzliches
Verkehrsaufkommen zu erwarten sei. Ein Personaleinsatz sei am Feiertag nicht
erforderlich.
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Mit Bescheid vom 12. November 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab
und führte in der Begründung aus: Nach § 3 FeiertG NRW seien alle öffentlich
bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet seien, die äußere Ruhe des Tages zu
stören, sofern sie nicht besonders erlaubt seien. Das Waschen im Waschsalon mit
Automaten sei eine solche öffentlich bemerkbare Arbeit, weil die Öffnung des
Waschsalons mit der Benutzung durch die Kunden den Eindruck vermittele, der
Waschsalon werde wie werktags genutzt. Solche Arbeiten würden nach ihrem
Erscheinungsbild üblicherweise nur an Werktagen durchgeführt und störten deshalb die
Ruhe des Tages. Die Voraussetzungen für eine Ausnahmeerteilung lägen nicht vor. Ein
dringendes Bedürfnis sei nämlich nicht erkennbar. Jedem Bürger sei es zuzumuten,
einen entsprechenden Waschsalon an Werktagen aufzusuchen. Dass sich ein
Waschsalon zu einem beliebten Treffpunkt entwickelt habe, sei kein Argument für ein
dringendes Bedürfnis.
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Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid
vom 23. Februar 2005 zurück mit dem Hinweis, dass bei der Frage, ob es sich um eine
typisch werktägliche Arbeit handele, auf die Sicht des Unternehmers und nicht auf die
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Tätigkeit des Kunden abzustellen sei.
Der Kläger hat entsprechend der Rechtsmittelbelehrung am 17. März 2005 beim
Verwaltungsgericht L. Klage erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 16.
Januar 2006 an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht B. verwiesen hat.
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Der Kläger ergänzt seinen Vortrag und ist der Ansicht, die Waschtätigkeit seiner Kunden
sei dem Freizeitverhalten zuzurechnen. Der Waschsalon habe sich zu einem beliebten
Treffpunkt zur Kontaktaufnahme wie in einem Straßencafé oder in einer Gastwirtschaft
entwickelt. Der eigentliche Waschvorgang sei äußerlich nicht wahrnehmbar. Eventuelle
Reparaturarbeiten würden an den folgenden Werktagen durchgeführt werden.
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Der Kläger beantragt,
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den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 12. November 2004 und deren
Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, ihm die beantragte Ausnahmebewilligung auf seinen Antrag vom 19. Juli
2004 zu erteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie weist darauf hin, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung auch die
Tätigkeit von Maschinen Arbeit im Sinne des § 3 FeiertG NRW ist. Es reiche aus, dass
diese dem werktäglichen Gelderwerb dienende Tätigkeit geeignet sei, die
Sonntagsruhe zu stören.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach §§ 3
und 10 FeiertG NRW.
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Nach § 3 FeiertG NRW sind an Sonn- und Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren
Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, sofern sie
nicht besonders erlaubt sind.
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Das Betreiben eines automatisierten Münzwaschsalons stellt eine Arbeit im Sinne der
vorgenannten Vorschrift dar, weil damit den Kunden Wasch- und Trockenmaschinen
durch den Kläger entgeltlich zur Verfügung gestellt werden, damit diese ihre Wäsche
reinigen können. Arbeit im Sinne dieser Regelung ist eine auf die Erstellung eines
Produktes oder die Erbringung einer Dienstleistung gerichtete Tätigkeit zur Befriedigung
materieller oder geistiger Bedürfnisse. Die Reinigung von Wäsche ist eine solche
Dienstleistung. Unerheblich ist dabei, dass dieser Betrieb automatisch erfolgt. Der
Arbeitsbegriff erfordert weder nach seinem Wortlaut noch nach dem Sinn der Vorschrift
eine menschliche Tätigkeit. Denn Sinn dieser Regelung ist, den Sonn- und Feiertag von
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Werktagsarbeit freizuhalten, unabhängig davon, ob es sich um eine menschliche
Tätigkeit oder um eine automatisierte Tätigkeit handelt,
vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. Juli 2002 - 3 B 767/00 -,
Sächsisches Verwaltungsblatt (SächsVBl.) 2002, 269; Oberlandesgericht (OLG)
Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 1998 - 5 Ss (OWi) 155/98 -, Gewerbearchiv
(GewArch) 1998, 497 = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Recht-sprechungsreport -
(NVwZ-RR) 1999, 309; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW), Beschluss vom 22. Februar 1994 - 4 B 2309/93 -, GewArch 1994, 264 = NVwZ-
RR 1994, 439 = Nordrhein- westfälische Verwaltungsblätter (NWVBl.) 1994, 273;
Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH) Urteil vom 24. November 1993 - 8 UE 737/92
- GewArch 1994, 160.
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Dem Vortrag des Klägers, der Betrieb eines Münzwaschsalons sei dem üblichen
Freizeitverhalten zuzurechnen, kann der Einzelrichter nicht zustimmen. Vielmehr dürfte
sich nach der Beurteilung eines Durchschnittsbetrachters das Erfordernis des
Waschens auch in der heutigen Zeit als ein lästiger Arbeitsvorgang darstellen. Dass die
Kunden sich dabei die Wartezeit so angenehm wie möglich gestalten, indem sie z. B.
mit anderen Kunden kommunizieren, ändert nichts an dem Charakter des
Arbeitsvorgangs "Waschen". Die freizeitorientierten gewerblichen Arbeiten sind nur
insoweit privilegiert, als sie der Erholung dienen, wie z.B. der Betrieb eines Kinos, einer
Sauna oder eines Fitnessstudios. Davon kann aber bei dem Vorgang des
Wäschewaschens, der der Reinigung von Gegenständen dient, nicht die Rede sein,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Februar 1994 - 4 B 2309/93 -, a.a.O.
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Soweit der Kläger zum Ausdruck bringen will, dass sich in weiten Teilen der
Bevölkerung ein nachhaltiger Wandel des Freizeitverhaltens vollzogen habe und
verstärkt Dienstleistungen auch an Sonn- und Feiertagen nachgefragt würden, führt dies
zu keiner anderen Beurteilung des Arbeitsvorganges. Eine mögliche Änderung der
gesellschaftlichen Auffassung über Inhalt und Reichweite der Sonn- und Feiertagsruhe
könnte nur von dem Gesetzgeber zum Anlass genommen werden, eine entsprechende
Neuregelung vorzunehmen. Ein solcher Vorgang kann jedoch nicht durch von der
Gesetzeslage abweichende Entscheidungen einzelner Behörden oder Gerichte
eingeleitet werden.
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Das Betreiben eines Münzwaschsalons ist auch eine öffentlich bemerkbare Arbeit. Eine
Tätigkeit ist "öffentlich bemerkbar", wenn sie von einer unbestimmten Anzahl von
Personen entweder unmittelbar akustisch oder optisch wahrgenommen werden kann,
oder wenn - mittelbar - aufgrund bestimmter Begleitumstände auf ihre Vornahme zu
schließen ist. Letzteres gilt z. B. aufgrund eines erkennbar verstärkten Zu- und
Abgangsverkehrs von Fahrzeugen oder aufgrund von Werbemaßnahmen durch
Hinweisschilder oder Zeitungsinserate,
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vgl. Verwaltungsgericht (VG) Mainz, Urteil vom 25. März 2004 - 1 K 826/03. MZ-in juris
zu einer Autowaschanlage; Mattner, Sonntagsruhe im Spiegel des Grundgesetzes und
der Feiertagsgesetze der Länder, Neue juristische Wochenzeitschrift (NJW) 1988, 2207
(2211).
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Die öffentliche Bemerkbarkeit des von dem Kläger betriebenen Waschsalons ergibt sich
daraus, dass der Arbeitsvorgang als solcher von Personen wahrgenommen werden
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kann. Hierfür ist ausreichend, dass der Waschsalon an Sonn- und Feiertagen geöffnet
ist und dort der übliche Geschäftsverkehr stattfindet,
vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. Juli 2002 - 3 B 767/00 -,
a.a.O.; Hessischer VGH, Urteil vom 24. November 1993 - 8 UE 737/92 -, a.a.O.
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Für Passanten und Kunden ist erkennbar, dass hier der Arbeitsvorgang des
Wäschewaschens an Sonn- und Feiertagen durchgeführt wird.
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Diese öffentlich bemerkbare Arbeit ist auch geeignet, die äußere Ruhe der Sonn- und
Feiertage zu stören, da sie eine typisch werktägliche Tätigkeit ist. Sie widerspricht dem
Wesen des Sonn- und Feiertags im Sinne des § 3 FeiertG NRW. Nach Art. 25 der
Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen werden der Sonntag und die staatlich
anerkannten Feiertage als Tage der Gottesverehrung, der seelischen Erhebung, der
körperlichen Erholung und der Arbeitsruhe anerkannt und gesetzlich geschützt. Hierbei
handelt es sich um eine so genannte institutionelle Garantie,
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vgl. VG Mainz, Urteil vom 25. März 2004 - 1 K 826/03 .MZ- in juris mit Hinweis auf
Hoeren/Mattner, Feiertagsgesetze der Bundesländer, Synoptischer Kommentar, Rdnr.
45 zu § 3, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.
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Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Sonn- und Feiertagsschutzes ist somit
ein Grundelement sozialen Lebens und der staatlichen Ordnung,
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 15. März 1988 -1 C 25.84 -
Entscheidungssammlung des BVerwG (BVerwGE) 79, 118 = NJW 1988, 2254 =
GewArch 1988, 188 (190).
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"Das bedeutet, dass der Kernbereich der Sonntagsgarantie, gekennzeichnet eben durch
jene Arbeitsruhe und seelische Erhebung, ungeachtet der als Konsequenz einer
zunehmenden Säkularisierung und tiefgreifender Wandlungen des gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Lebens zu beachtenden Veränderungen im Freizeitverständnis
und- verhalten der Bevölkerung weder zur Disposition der Freizeitgesellschaft noch des
einfachen Gesetzgebers und erst recht nicht der Verwaltungsgerichte steht. Von daher
beruht die in der verwaltungsrechtlichen Literatur gelegentlich gerügte restriktive
Handhabung der gesetzlichen Sonn- und Feiertagsbestimmungen durch die Gerichte
nicht, wie dort formuliert wurde, auf den offensichtlich zu stark von den religiösen und
gesellschaftlichen Vorstellungen der aus dem oberen Mittelstand stammenden
Verwaltungsjuristen..., die wenig Einblick in das gesellschaftliche Verhalten der unteren
Mittelschicht...haben, sondern auf eindeutigen verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das
hiermit kollidierende Recht auf individuelle Freizeitgestaltung, das zutreffend zum
Schutzbereich der allgemeinen Hand-lungsfreiheit und der personellen
Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 und 1 Abs. 1 GG) gezählt wird, wird eingegrenzt durch
die Rechte anderer und die verfassungsmäßige Ordnung, also auch die institutionelle
Garantie der Sonntagsruhe als Grundelement der staatlichen Ordnung und einer
humanen Kultur",
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vgl. VG Mainz, Urteil vom 25. März 2004 - 1 K 826/03 .MZ- in juris.
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Die Voraussetzungen für die gesetzlich geregelte Ausnahme von Arbeitsverboten
gemäß § 4 FeiertG NRW sind ersichtlich nicht erfüllt, da insbesondere ein gewerblicher
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Arbeitsvorgang in einem Waschsalon nicht zu den unaufschiebbaren Arbeiten zur
Befriedigung dringender häuslicher Bedürfnisse gehört.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach
§ 10 FeiertG NRW von dem Verbot des § 3 FeiertG NRW. Nach dieser Vorschrift
können beim Vorliegen eines dringendes Bedürfnisses Ausnahmen zugelassen
werden, sofern damit keine erheblichen Beeinträchtigungen des Sonn- und
Feiertagsschutzes verbunden sind.
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Das für die Zulassung einer Ausnahme erforderliche dringende Bedürfnis ist im
vorliegenden Fall nicht erkennbar. Ein wirtschaftlicher Bedarf reicht insoweit nicht aus,
sondern es müssen vielmehr Gründe vorliegen, die dem Schutz des Feiertags
mindestens gleichwertig sind, Gründe, die die Durchführung des Arbeitsvorganges
gerade in den gesetzlich nicht zulässigen Zeitraum geboten sein lassen,
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vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2005 - 3 L 585/05 -, in juris.
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Eine Ausnahmebewilligung soll nur atypische Fallgestaltungen erfassen, in denen das
Verbot des § 3 FeiertG NRW unverhältnismäßige Auswirkungen hat, die vom Zweck
des Gesetzes nicht gerechtfertigt sind. Dies könnte der Fall sein, wenn ein Vorhaben
den Schutzzweck des Arbeitsverbotes nur unwesentlich berührt und wenn
schutzwürdige und gewichtige öffentliche oder private Belange eine Ausnahme
rechtfertigen. Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Einerseits wird der
Schutzzweck wesentlich berührt, weil der Arbeitsvorgang des Waschens in einem
krassen Widerspruch zu einem sonst üblichen sonntäglichen der Erholung dienenden
Freizeitverhalten steht. Andererseits ist es mit Blick auf die umfangreichen
Nutzungszeiten an Werktagen jedem Bürger ohne weiteres möglich, seine Wäsche an
diesen Werktagen waschen zu lassen, wie ihm auch das werktägliche Einkaufen z.B an
arbeitsfreien Samstagen oder sonst nach Schluss der üblichen Arbeitszeiten zugemutet
wird. Warum dies bzgl. des Wäschewaschens nicht möglich sein soll, hat der Kläger
weder dargelegt noch ist dies für das Gericht erkennbar.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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