Urteil des VG Aachen vom 06.09.2010

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Verwaltungsgericht Aachen, 6 K 1135/10
Datum:
06.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Aachen
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 K 1135/10
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
G r ü n d e :
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Der sinngemäß gestellte Antrag,
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dem Kläger für die Klage mit dem Antrag,
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1. die versammlungsrechtlichen Verfügungen des Beklagten vom 18. Mai 2010
aufzuheben,
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2. festzustellen, dass der Kläger die für den 1., 2., 3., 8., 9. und 10. April 2010 im Gebiet
der Stadt T. geplanten Veranstaltungen wirksam im Sinne des § 14 VersG angemeldet
hat,
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Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin T1. X. aus T. zur vorläufig
unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte beizuordnen,
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ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO).
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Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG und an Art. 19
Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht
erst dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung
gewiss ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe zu versagen ist, wenn ein
Erfolg in der Hauptsache nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance indes
nur eine entfernte ist.
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Vgl. etwa: OVG NRW, Beschluss vom 5. März 2004 - 12 E 1097/02 -, m. w. N.
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Davon ausgehend bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende
Aussicht auf Erfolg, weil nicht einmal entfernt ersichtlich ist, dass die Klage Erfolg haben
könnte.
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1. Soweit der Kläger die Aufhebung der versammlungsrechtlichen Verfügungen des
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Beklagten vom 18. Mai 2010 begehrt, bietet die Klage keine Aussicht auf Erfolg, weil die
Verfügungen offensichtlich rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten
verletzen, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die ihrem Regelungsgehalt nach als sogenannte "feststellende Verwaltungsakte" zu
qualifizierenden streitigen Verfügungen finden ihre Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 1 und
§ 15 Abs. 1 VersG.
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Die Kammer teilt die Rechtsauffassung des OVG Berlin-Brandenburg,
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- vgl. Urteil vom 2. Mai 2006 - OVG 1 B 4.05 -, , durch den das von der
Prozessbevollmächtigten des Klägers zitierte erstinstanzliche Urteil des VG Berlin
abgeändert worden ist -
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dass die aus § 14 Abs. 1 VersG abzuleitende Befugnis der Versammlungsbehörde, die
Versammlungseigenschaft einer angemeldeten Veranstaltung zu prüfen, in Verbindung
mit der in § 15 Abs. 1 VersG geregelten Eingriffsbefugnis auch die Ermächtigung
enthält, durch feststellenden Verwaltungsakt verbindlich über die
Versammlungseigenschaft einer als Versammlung unter freiem Himmel im Sinne des
Art. 8 Abs. 1 GG angemeldeten Veranstaltung zu entscheiden.
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Aus den dafür ausschlaggebenden, in der zitierten Entscheidung des OVG Berlin-
Brandenburg im Einzelnen dargelegten Gründen ist den §§ 14 Abs. 1 und 15 Abs. 1
VersG darüber hinaus ebenso die Ermächtigung der Versammlungsbehörde zu
entnehmen, durch Verwaltungsakt festzustellen, dass eine angemeldete Veranstaltung
unter freiem Himmel, die - wie hier die 36 vom Kläger angemeldeten Versammlungen -
unstreitig den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG genießt, nicht von der Versammlungsbehörde
dahingehend "bestätigt" werden kann, die Veranstaltung könne wie angemeldet und frei
von Auflagen im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG stattfinden. Denn ebenso wie es in dem
vom OVG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall im Interesse des Anmeldenden lag,
durch einen feststellenden Verwaltungsakt Rechtsklarheit darüber herzustellen, ob die
damals geplante Versammlung grundrechtlich durch Art. 8 GG geschützt war, liegt es im
wohlverstandenen Interesse des Anmelders wie auch der Versammlungsbehörde,
Rechtsklarheit und damit Rechtssicherheit durch einen feststellenden Verwaltungsakt
auch dann herzustellen, wenn zwar unstreitig eine Versammlung im Sinne des Art. 8
Abs. 1 GG geplant ist, jedoch - wie im vorliegenden Fall - rechtliche Unsicherheit
dahingehend besteht, ob eine angemeldete Veranstaltung exakt wie angemeldet zur
angemeldeten Zeit am angemeldeten Ort oder nur eingeschränkt durch Auflagen im
Sinne des § 15 Abs. 1 VersG stattfinden kann und der Veranstalter aus Gründen der
"Planungssicherheit" - wie hier der Kläger - auf eine rasche und rechtlich verbindliche
Klärung der Wirksamkeit seiner versammlungsrechtlichen Anmeldung dringt.
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Die damit auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 VersG mit
den streitigen Bescheiden vom 18. Mai 2010 getroffene Feststellung, die 36 vom Kläger
angemeldeten Versammlungen seien nicht bestätigungsfähig und die Anmeldungen
würden zurückgewiesen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Der Beklagte war berechtigt, die vom Kläger zeitgleich angemeldeten Versammlungen
als nicht bestätigungsfähig einzustufen und die Anmeldungen zurückzuweisen, weil die
Anmeldungen nicht die für die Entscheidung darüber, ob die Versammlungen wie
angemeldet und frei von einschränkenden Auflagen bestätigt werden konnten,
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erforderlichen Angaben enthielten und der Kläger schon mit den Anmeldungen sein
Interesse an einer schnellen "Bestätigung" der angemeldeten Versammlungen zu
erkennen gab.
Dass der Beklagte zu Recht angenommen hat, der Kläger begehre zeitnah Klarheit über
die Wirksamkeit seiner Anmeldungen, wird durch die Klageerhebung bestätigt, die der
Kläger u.a. damit begründet, er benötige "Planungssicherheit" und habe deshalb die
Versammlungen so frühzeitig angemeldet.
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Auch hat der Beklagte zu Recht angenommen, dass die Anmeldungen in Bezug auf alle
36 Versammlungen nicht die nach Sinn und Zweck des § 14 VersG erforderlichen
Angaben enthielten.
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§ 14 VersG ist eine versammlungsrechtliche Ordnungsvorschrift, deren Zweck in erster
Linie darin besteht, den Schutz von Versammlungen und Aufzügen sicherzustellen
sowie den Ausgleich der Interessen der Versammlungsbeteiligten mit kollidierenden
Drittinteressen oder Sicherheitsinteressen herzustellen. Für diesen Zweck begründet §
14 VersG eine positive Informationspflicht des Veranstalters, die sich auf eine konkret
geplante und zu bezeichnende Veranstaltung bezieht. Erforderlich sind damit z.B.
Angaben über Ort und Zeit sowie Ablauf der geplanten Versammlung, vorgesehene
Hilfsmittel und die Mitteilung der beabsichtigten Ordnerzahl. Mit einer "vorsorglichen"
Anmeldung für eine Serie von Veranstaltungen, deren tatsächliche Durchführung offen
und fraglich bleibt, genügt der Veranstalter seiner Informationspflicht demgegenüber
nicht. Schon deshalb kann mit einer Vielzahl nicht konkreter "Vorratsanmeldungen" die
Reservierung bevorzugter öffentliche Veranstaltungsflächen nicht erreicht werden.
Schließlich verpflichtet § 14 Abs. 2 VersG den Veranstalter ausdrücklich, in der
Anmeldung anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung verantwortlich
ist, damit sie an einem ggf. einzuleitenden Verwaltungsverfahren beteiligt werden und
die Behörde die Eignung des Versammlungsleiters feststellen kann.
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Vgl. Dietel/Gintzel/Kniesel, Versammlungsgesetz, 15. Auflage, § 14 Rdnrn. 5-8 und 14.
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Daran gemessen waren die 36 Anmeldungen von Versammlungen an insgesamt 6
Tagen im April 2011 nicht bestätigungsfähig und durften zurückgewiesen werden.
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Dies folgt schon daraus, dass der Kläger für keine der 36 angemeldeten Kundgebungen
einen verantwortlichen Versammlungsleiter benannt hat. Außerdem hat er ersichtlich
keine bereits konkret geplanten Kundgebungen angemeldet, sondern "formularmäßig"
für alle Kundgebungen gleichlautend einen Zeitrahmen von 16.00 Uhr bis 22.00 Uhr,
eine erwartete Teilnehmerzahl von 500 Personen sowie die gleichen Hilfsmittel
angemeldet. Untermauert wird der Eindruck, dass lediglich "vorsorglich" durch eine
Vielzahl von Anmeldungen erwartete Demonstrationen rechtsextremer Veranstalter
Anfang April 2011 in der Stolberger Innenstadt verhindert werden sollen, auch dadurch,
dass die am 1. April 2011 an 6 verschiedenen Versammlungsorten mit jeweils
verschiedenen Versammlungsthemen geplanten Versammlungen an 5 anderen Tagen
im April 2011 mit jeweils identischem Versammlungsthema wiederholt werden sollen.
Dass der Kläger innerhalb von 11 Tagen jede der 6 für den 1. April 2011 angemeldeten
Veranstaltungen fünfmal am gleichen Ort mit identischem Versammlungsthema
wiederholen wird, ist unglaubhaft, weil ein solches Versammlungsgeschehen jeder
Lebenserfahrung und den Erfahrungen des Gerichts mit den Aprilversammlungen in der
Stolberger Innenstadt in den letzten Jahren widerspricht. Zusammenfassend drängt sich
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deshalb geradezu auf, dass der Kläger nicht wirklich konkret geplante Veranstaltungen
angemeldet hat, sondern nur versucht, durch flächendeckende sogenannte
"Vorabanmeldungen" zu erwartende Demonstrationen der rechtsextremen Szene im
Stadtgebiet der Stadt T. an einem der von ihm reservierten Tage dadurch zu verhindern,
dass er für diesen Tag - und zwar nur für diesen Tag - konkrete Versammlung an den
sechs für diesen Tag angemeldeten Versammlungsorten organisiert, sobald ihm das
Datum der Demonstrationen der rechtsextremen Szene bekannt ist. In dieser Wertung
sieht sich die Kammer letztlich durch das vom Kläger mit der Klagebegründung
eingereichte "Demonstrationskonzept T. April 2011" bestätigt, wenn darin ausgeführt
wird, dass die einzelnen Kundgebungsorte von Einzelpersonen oder Organisationen als
Paten übernommen werden sollen, die dann selbst entscheiden werden, mit welchen
Aktionen sie ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit setzen. In diesem Stadium der
Vorüberlegungen kann von einer konkreten Planung für die 36 angemeldeten
Veranstaltungen ersichtlich nicht gesprochen werden.
Dieses Ergebnis belastet den Kläger nicht übermäßig. Denn einen wesentlichen
rechtlichen Nachteil erleidet er durch die Verfügung vom 18. Mai 2010 nicht. Es ist ihm
nämlich unbenommen, die geplanten Kundgebungen erneut anzumelden, sobald er
über die für eine wirksame Anmeldung gemäß § 14 VersG notwendigen inhaltlichen
Angaben verfügt. Aber auch dann - dies sei vorsorglich angemerkt - wird der Beklagte in
der Regel zunächst nur gehalten sein, den Eingang der vollständigen Anzeige zu
bestätigen und ein Verwaltungsverfahren, das erfahrungsgemäß ein
Kooperationsgespräch einschließt, durchzuführen, bevor er entscheidet, ob die
angemeldeten Versammlungen wie angemeldet oder verbunden mit Auflagen bestätigt
werden. Diesen Aspekt einer "Planungsunsicherheit" muss der Kläger hinnehmen, denn
anders kann die Versammlungsbehörde die ihr durch die §§ 14 und 15 VersG
übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß wahrnehmen.
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Insgesamt hat der Beklagte damit zu Recht festgestellt, dass eine "bestätigungsfähige"
Anmeldung der Kundgebungen nicht erfolgt ist und die Anmeldungen zurückzuweisen
sind.
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2. Da der Feststellungsbescheid sich als rechtmäßig erweist, bietet auch die auf die
Feststellung der wirksamen Anmeldung von 36 Veranstaltungen gerichtete Klage keine
Aussicht auf Erfolg. Die Frage der wirksamen Anmeldung kann im Rahmen der
Feststellungsklage nicht anders als im Rahmen der Anfechtungsklage entschieden
werden.
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