Urteil des StGH Hessen vom 02.04.2017
StGH Hessen: wiederaufnahme des verfahrens, rechtskräftiges urteil, hessen, notzucht, leiter, grundrecht, unvereinbarkeit, verfassungsbeschwerde, arbeitsrecht, bankrecht
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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 154
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 45 Abs 2 StGHG
Leitsatz
Einzelfall einer unbegründeten Grundrechtsklage betr. Wiederaufnahme eines
Strafverfahrens.
Tenor
Der Antrag wird als offenbar unbegründet zurückgewiesen.
Die Gebühr wird auf DM 50 festgesetzt und ist vom Antragsteller zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist durch rechtskräftiges Urteil der großen Strafkammer des
Landgerichts ... vom 14.I.52 wegen Gefangenenmeuterei, gemeinschaftlichen
schweren Diebstahls im Rückfall, Notzucht und gemeinschaftlichen schweren
Raubes als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher zu einer Gesamtzuchthausstrafe
von 12 Jahren verurteilt worden. Auch wurde gegen ihn auf Sicherungsverwahrung
und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht endlich, auf Verlust der bürgerlichen
Ehrenrechte für die Dauer von 10 Jahren erkannt.
Soweit Verurteilung wegen schweren Raubes und wegen Notzucht erfolgt ist, hat
der Antragsteller am. 2.IV.53 unter Berufung auf § 359 Ziff. 5 StPO eine
Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.
Dieser Antrag ist mit Beschluss der Strafkammer des Landgerichts ... vom
16.IV.53 mangels eines Wiederaufnahmegrundes als unzulässig verworfen worden.
Hiergegen hat der Antragsteller rechtzeitig sofortige Beschwerde erhoben, die
vom Ferienstrafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt-Main (OLG) mit Beschluss
vom 16.VII.53 als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Nach einem Aktenvermerk ist eine Ausfertigung dieses Beschlusses formlos am
29.VII.53 an den Antragsteller abgesandt worden.
Unter Berufung auf Art. 1 und 131 HV "meldete" der Antragsteller "gegen die
Begründung" des Beschlusses mit Schreiben vom 9.VIII.53 "eine Grundrechtsklage
an."
In einem auf sein Schreiben vom 9.VIII.53 verweisenden, als "Begründung der
Grundrechts klage" bezeichneten Schriftsatz vom 23.VIII.53 beschuldigt er die
Richter, die bei jenem Beschluss des OLG vom 16.VII.53 mitgewirkt haben,
"willkürlicher Verletzung rechtsstaatlicher Beweis- und Verfahrensregeln", auch
"des Verfassungsbruchs" sowie "des Missbrauchs richterlichen Ermessens".
Wörtlich bemerkt er hierzu:
"Das OLG Frankfurt-M. hat Rechtsnormen angewandt, die sich mit den
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"Das OLG Frankfurt-M. hat Rechtsnormen angewandt, die sich mit den
verfassungsrechtlich geschützten Individualrechten nicht vereinbaren lassen. Der
Antragsteller hat daher die Verfassungsbeschwerde erhoben, mit dem Ziel, dass
der angefochtene Beschluss des OLG Frankfurt/M. vom 16.7.53 aufgehoben, die
Unvereinbarkeit der angewandten Rechtssätze mit der Verfassung des Landes
Hessen festgestellt wird, und ihm daher jede Rechtsverbindlichkeit abzusprechen."
Als verletzte Grundrechte bezeichnet er diejenigen der Art. 1, 2 and 3 HV, wobei er
sich im wesentlichen darauf beruft, dass seine zum Wiederaufnahmeverfahren
gestellten Beweisanträge keine Berücksichtigung erfahren haben.
Ferner richtet der Antragsteller erstmalig in, jenem Schriftsatz vom 23.VII.53 auch
gegen den Leiter des Landeskriminalpolizei-Kommissariats in ... Vorwürfe, die zum
Gegenstand der Grundrechtsklage gemacht werden. Er beschuldigt den mit
Namen nicht genannten Polizeibeamten, ihn bei Vernehmungen beschimpft und
geschlagen, auch mit Totschlag bedroht zu haben.
II.
Soweit der Antragsteller die Aufhebung des vom OLG am 16.VII.53 erlassenen
Beschlusses herbeiführen will, verkennt er, dass nach ständiger Rechtsprechung
des StGH (vergl. Entsch.P.St. 12, 20, 51, 57, 65 und 147) die Behauptung, ein von
der Verfassung gewährten Grundrecht sei verletzt worden, nicht dazu führen kann,
dass eine neue Rechtsmittelinstanz, welche allgemein die Entscheidungen der
Gerichte in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung nachzuprüfen hätte, eröffnet
wird. Voraussetzung für die Zulässigkeit solcher Nachprüfung ist vielmehr, dass
Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, in welchem die angefochtene
Entscheidung ergangen, eben das Grundrecht, dessen Verletzung im Antrag
geltend gemacht wird, gewesen ist. Im vorliegenden Falle aber handelt es sich nur
um die Frage, ob der Antragsteller, soweit er von der Strafkammer des
Landgerichts ... der Verbrechen des schweren Raubes und der Notzucht für
schuldig befunden worden ist, eine Wiederaufnahme des rechtskräftig
abgeschlossenen Verfahrens mit Erfolg beantragen kann oder nicht.
Hierüber zu entscheiden, ist jedoch allein Aufgabe der Strafgerichte, nicht eines
Verfassungsgerichts.
Insbesondere kann die verfassungsrichterliche Zuständigkeit nicht schon durch die
Behauptung herbeigeführt werden, die Richter, die beim Beschluss des OLG vom.
16.VII.53 mitgewirkt haben, seien eines Verfassungsbruchs schuldig, was im
übrigen jeder tatsächlichen Begründung entbehrt.
Soweit der Antragsteller den Leiter des Lande kriminalpolizei-Kommissariats in ...
strafbarer Handlungen bezichtigt, kann er auf dem Weg über eine
Grundrechtsklage eine etwa begehrte Strafverfolgung des Beschuldigten nicht
erzwingen.
Auch sonst bietet hierfür, da ein Verfassungsbruch im Sinne des § 38 des
Gesetzes über den Staatsgerichtshof (StGHG) Vom 12.XII.47 (GVBl 48 S.3) nicht in
Frage kommt, die Anrufung des StGH keine Möglichkeit.
Es bleibt indes dem Antragsteller unbenommen, bei der zuständigen
Strafverfolgungsbehörde Anzeige zu erstatten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.