Urteil des StGH Hessen vom 26.01.2006

StGH Hessen: wiedereinsetzung in den vorigen stand, hessen, wohnung, kündigung, räumung, minderung, aussetzung, willkürverbot, subsidiaritätsprinzip, ermessen

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1952
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 321a ZPO, § 44 StGHG
Leitsatz
1. Vor Erhebung einer Grundrechtsklage sind Antragsteller aus Gründen der
Subsidiarität gehalten, sich in entsprechender Anwendung von § 321a ZPO a.F. über ein
Abhilfeverfahren um eine Beseitigung der behaupteten Grundrechtsverletzungen vor
den Fachgerichten zu bemühen.
2. Das gilt auch, wenn sie gleichzeitig die Verletzung des Rechts auf Gewährung
rechtlichen Gehörs und anderer Grundrechte rügen. Eine zulässige und begründete
Gehörsrüge führt zur Fortsetzung des fachgerichtlichen Prozesses und bietet die
Möglichkeit, sämtliche verfassungsrechtliche Mängel zu beseitigen.
3. Nach einem Abhilfeverfahren ist Entscheidung des höchsten in der Sache
zuständigen Gerichts des Landes Hessen im Sinne von § 44 Abs. 1 StGHG die nicht
anfechtbare Entscheidung in der Fassung der Abhilfeentscheidung.
Tenor
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
A.
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit der Grundrechtsklage gegen ein Urteil des
Landgerichts Darmstadt, mit dem ihre Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts
Offenbach in einer mietrechtlichen Streitigkeit zurückgewiesen wurde.
Die Antragstellerin, die Beklagte des Ausgangsverfahrens, hatte von den
Begünstigten, den Klägern des Ausgangsverfahrens, zwei im 1. und 2.
Obergeschoss einer Liegenschaft in Q gelegene Wohnungen gemietet.
Erstmals mit Schreiben vom 14. Mai 2002 kündigten die Begünstigten die
Mietverhältnisse mit der Antragstellerin fristlos wegen Zahlungsverzugs. Die
Antragstellerin erhob mit Schriftsatz vom 13. Juni 2002 bei dem Amtsgericht
Offenbach Klage auf Feststellung, dass die Mietverhältnisse nicht beendet seien
(350 C 232/02). Nach Erweiterung der Klage machte sie Ansprüche auf
Rückzahlung des wegen Minderung in der Zeit von September 1999/Januar 2000
bis August 2002 zu viel gezahlten Mietzinses geltend. Die Kündigungen mit
Schreiben vom 14. Mai 2002 wurden durch die Vermieter nicht weiter verfolgt, weil
die Antragstellerin die Mietschulden unter Vorbehalt beglich.
Im August 2002 kündigten die Begünstigten die Mietverhältnisse mit der
Antragstellerin unter Hinweis auf die Zahlungsrückstände für die Monate Juni bis
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Antragstellerin unter Hinweis auf die Zahlungsrückstände für die Monate Juni bis
August 2002 fristlos und forderten sie zur Räumung der Wohnungen auf. Mit
weiterem Schreiben vom 23. Dezember 2002 wurde die Kündigung wiederholt,
nachdem die Antragstellerin auch die Miete für die Monate September bis
Dezember 2002 nicht gezahlt hatte. Die Antragstellerin widersprach den
Kündigungen und führte aus, sie verfüge über die Mietzinsforderungen
übersteigende Gegenforderungen, mit denen sie gegen die Mietzinsforderungen
aufrechne.
Während die Klage der Antragstellerin gegen die erste Kündigung zu Az. 350 C
232/02 noch rechtshängig war, erhoben die Begünstigten mit Schriftsatz vom 20.
Januar 2003 Klage vor dem Amtsgericht Offenbach, zunächst mit den Anträgen,
die Antragstellerin zur Räumung der beiden Wohnungen sowie zur Zahlung
ausstehenden Mietzinses in Höhe von insgesamt 7.815,76 € zu verurteilen.
Nachdem die Antragstellerin die Wohnung im 1. Obergeschoss nach einer von ihr
mit Gesundheitsgefahren der Wohnung begründeten eigenen fristlosen Kündigung
am 30. März 2003 aufgegeben hatte, begehrten die Begünstigten die Räumung
der im 2. Obergeschoss gelegenen Wohnung. Die Zahlungsklage wurde hinsichtlich
der Mieten und Mietnebenkosten für die Monate Februar bis April (Wohnung im 2.
Obergeschoss) sowie von Februar bis März zusätzlich einer
Nutzungsentschädigung für den Monat April (Wohnung im 1. Obergeschoss) auf
insgesamt 10.669,98 € zuzüglich Zinsen erweitert.
Die Antragstellerin trat ihrer Mietzahlungsverpflichtung in der Sache entgegen und
erklärte gegen den Anspruch auf rückständige Mietzahlungen die Aufrechnung mit
Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 13.472,04 €, unter anderen mit einem
in dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Offenbach - 350 C 232/02 - geltend
gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.789,52 €. Da ein
Zahlungsrückstand nicht bestehe, seien auch die Kündigungen unwirksam.
Nach Beweiserhebung verurteilte das Amtsgericht Offenbach die Antragstellerin
mit Urteil vom 3. Juli 2003 - 390 C 25/03 - zur Räumung der Wohnung im 2.
Obergeschoss sowie zur Zahlung ausstehenden Mietzinses in Höhe von nunmehr
10.669,68 € nebst Zinsen. Ein Recht zur Minderung der Miete stehe der
Antragstellerin nicht zu. Der Schadensersatzanspruch, der im Verfahren 350 C
232/02 geltend gemacht werde, sei bislang nicht festgestellt worden, so dass eine
aufrechenbare Gegenforderung nicht bestehe.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 3. Juli 2003 legte die
Antragstellerin Berufung bei dem Landgericht Darmstadt ein und beantragte, den
Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils vom 3. Juli 2003 zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Offenbach zurückzuverweisen.
Sie machte geltend, über die Berechtigung zur Mietminderung werde nach Grund
und Höhe in dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Offenbach 350 C 232/02
entschieden. Dieses Verfahren sei noch nicht abgeschlossen und vorgreiflich. Ihre
Minderungsansprüche seien in diesem Verfahren geltend gemacht und unter
Beweis gestellt. Im vorliegenden Rechtsstreit würden diese Ansprüche, die sich
nach ihren Berechnungen auf 13.959,65 € beliefen, zur Abwehr der Kündigung
wegen Zahlungsverzugs vorgetragen, weil bei Berücksichtigung der Minderungen
ein Zahlungsverzug nicht gegeben sei. Wenn die vor dem vorliegenden
Rechtsstreit rechtshängig gemachten Minderungsansprüche berechtigt seien, sei
sowohl der Räumungsanspruch als auch der Zahlungsanspruch der Begünstigten
abzuweisen, weil ein Zahlungsverzug nicht bestehe bzw. nicht von ihr zu vertreten
sei. Das Amtsgericht Offenbach, das ohne Ermessen zu klären gehabt habe, ob
Vorgreiflichkeit vorliege, habe sich mit der Frage der Vorgreiflichkeit nicht
auseinandergesetzt, so dass ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliege. Die
Zurückweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Offenbach sei sachdienlich,
da wegen der Vorgreiflichkeit des Verfahrens 350 C 232/02 das Verfahren nicht
entscheidungsreif sei. Sollte der Klage im Verfahren 350 C 232/02 stattgegeben
werden, wäre die angefochtene Entscheidung nicht haltbar. Das Berufungsgericht
könne nicht selbst eine Entscheidung treffen, weil im erstinstanzlichen Verfahren
eine ausreichende Sachaufklärung unterblieben sei.
Mit Urteil vom 12. Februar 2004 - 6 S 197/02 - wies das Landgericht Darmstadt die
Berufung der Antragstellerin zurück.
Der Antrag, den Rechtsstreit an das Amtsgericht zurückzuverweisen, sei nicht
begründet, da die Rüge, das Amtsgericht hätte den Rechtsstreit wegen
Vorgreiflichkeit des Verfahrens 350 C 232/02 aussetzen müssen, keinen
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Vorgreiflichkeit des Verfahrens 350 C 232/02 aussetzen müssen, keinen
wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 538 ZPO darlege. Wesentlich seien
nur Verstöße gegen Grundprinzipien des Zivilprozesses. Ein solcher würde selbst
durch eine fehlerhafte Nichtaussetzung des erstinstanzlichen Verfahrens nicht
begründet. Die Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO stehe darüber hinaus
im Ermessen des Gerichts. Aus dem Verfahren 350 C 232/02 habe die
Antragstellerin lediglich einen Anspruch in Höhe von 1.789,52 € zur Aufrechnung
gestellt. Der nunmehrige Vortrag, in dem genannten Verfahren sei ein Anspruch in
Höhe knapp 14.000,-- € geltend gemacht, sei gemäß § 531 ZPO in der
Berufungsinstanz präkludiert. Da der eingeklagte Mietrückstand eine Höhe von
10.669,-- € erreiche, sei der Betrag von 1.789,52 € für die Frage der Wirksamkeit
der streitgegenständlichen Kündigung ohne Bedeutung und nicht vorgreiflich. Eine
Aussetzung würde zu einer unzulässigen Prozessverschleppung führen. Dieses
Urteil wurde der Antragstellerin am 4. März 2004 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004 beantragte die Antragstellerin bei dem
Landgericht Darmstadt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts
Offenbach vom 3. Juli 2003 abzuweisen, das Verfahren bis zur Entscheidung über
das Verfahren vor dem Amtsgericht Offenbach 350 C 232/02 auszusetzen und ihr
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der
Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
Mit Beschluss vom 22. April 2004 wies das Landgericht den
Wiedereinsetzungsantrag zurück. Eine unverschuldete Fristversäumung im Sinne
des § 233 ZPO habe nicht vorgelegen. Die Antragstellerin habe sich nicht darauf
verlassen dürfen, dass das Gericht einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteile.
Am 5. April 2004, einem Montag, hat die Antragstellerin Grundrechtsklage
erhoben. Sie rügt einen Verstoß gegen das Willkürverbot sowie eine Verletzung
des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs und auf effektiven Rechtsschutz.
Die Antragstellerin beantragt,
1. festzustellen, dass das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 12.02.2004 - 6 S
197/03 - das Gleichheitsgrundrecht der Antragstellerin aus Art. 1 der Hessischen
Verfassung in dessen Ausprägung als Willkürverbot sowie das Grundrecht der
Antragstellerin auf Menschenwürde in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot in
dessen Ausprägung als Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt,
2. das Urteil für kraftlos zu erklären und den Rechtsstreit an eine andere Kammer
des Landgerichts Darmstadt zurückzuverweisen.
3. hilfsweise für den Fall, dass der Hessische Staatsgerichtshof zu der Auffassung
gelangt, die Grundrechtsklage sei deshalb unzulässig, weil in einem
entscheidungserheblichen Umfang nicht die Auslegung von Verfahrensrecht,
sondern von materiellem Recht des Bundes zur Überprüfung gestellt worden sei,
das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 3 des Grundgesetzes dem
Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
II.
Der Antragsgegner hält die Grundrechtsklage für unzulässig.
Soweit eine Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs gerügt
werde, stehe der Zulässigkeit der Grundrechtsklage der Grundsatz der
Subsidiarität entgegen. Dieser verlange die Durchführung des Abhilfeverfahrens
nach § 321a ZPO a.F. vor Erhebung der Grundrechtsklage. Die Möglichkeit einer
Verletzung des Willkürverbots habe die Antragstellerin nicht plausibel dargelegt.
III.
Die Landesanwaltschaft hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
IV.
Die Begünstigten des Ausgangsverfahrens verteidigen das angefochtene Urteil.
V.
Die Akten des Ausgangsverfahrens vor dem Landgericht Darmstadt - 6 S 197/03 -
haben dem Staatsgerichtshof vorgelegen.
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B.
I.
Die Grundrechtsklage ist unzulässig.
Ihrer Zulässigkeit steht der Grundsatz der Subsidiarität verfassungsgerichtlichen
Rechtsschutzes entgegen.
Der Rechtsweg war zwar erschöpft.
Über die Erschöpfung des Rechtsweges hinaus war die Antragstellerin aus Gründen
der Subsidiarität der Grundrechtsklage jedoch gehalten, sich vor deren Erhebung
um eine Beseitigung der behaupteten Grundrechtsverletzungen vor dem
Fachgericht im Wege der Durchführung eines Abhilfeverfahrens in entsprechender
Anwendung von § 321a ZPO in der Fassung des Zivilprozessreformgesetzes vom
27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887 [1902]) - im Folgenden: § 321 a ZPO a.F. - zu
bemühen (ständige Rechtsprechung des StGH, Beschlüsse vom 13.08.2003 - P.St.
1857 -, StAnz. 2003, S. 3793 -3794-; vom 14.08.2003 - P.St. 1870 -; Urteil vom
13.04.2005 - P.St. 1885 -, StAnz. 2005, S. 2321 ff. mit ausführlicher Begründung;
Beschluss vom 12.05.2005 - P.St. 1930 -, StAnz. 2005, S. 2326; ebenso
Verfassungsgericht Brandenburg in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse
vom 16.10.2003 - VfGBbg 228/03 -, NJW 2004, S.1651, vom 22.01.2004 - VfGBbg
285/03 -, vom 27.05.2004 - VfGBbg 23/04 -, NJW 2004, S. 3259, und vom
09.12.2004 - VfGBbg 44/04 -; a.A. Thüringer Verfassungsgerichtshof, Beschluss
vom 21.12.2004 - VerfGH 29/03 -).
Das allgemeine Subsidiaritätsprinzip führt dazu, dass die Grundrechtsklage nach
Erschöpfung jedes zumutbaren Abhilfeverfahrens nur die letzte Möglichkeit sein
kann, der Verletzung eines Grundrechts entgegenzutreten (vgl. StGH, Beschluss
vom 08.10.1997 - P.St. 1279 -, StAnz. 1997, S. 3337; Günther,
Verfassungsgerichtsbarkeit in Hessen, 2004, § 44 Rdnr. 7). Der Grundsatz der
Subsidiarität erfordert, dass ein Antragsteller über das Gebot der
Rechtswegerschöpfung im engeren Sinne hinaus die ihm zur Verfügung stehenden
und zumutbaren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten
Grundrechtsverletzungen außerhalb des verfassungsgerichtlichen Verfahrens zu
erwirken (ständige Rechtsprechung des StGH, vgl. etwa Beschlüsse vom
14.09.2000 - P.St. 1314 -, StAnz. 2000, S. 3571 -3573-, vom 19.06.2002 - P.St.
1455 -, StAnz. 2002, S. 2748 -2752-, und vom 10.12.2002 - P.St. 1609 -, StAnz.
2003, S. 742).
Das Subsidiaritätsprinzip erfordert von einem Antragsteller auch, Rechtsbehelfe
vor den Fachgerichten zu ergreifen, deren Zulässigkeit in der fachgerichtlichen
Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt ist (ständige Rechtsprechung des StGH,
vgl. etwa Beschlüsse vom 20.06.2002 - P.St. 1365 - und vom 10.12.2002 - P.St.
1609 -, StAnz. 2003, S. 742 -744-). Nur wenn die Unzulässigkeit jedes
Rechtsweges oder eines Rechtsmittels offensichtlich oder deren Inanspruchnahme
aus anderen Gründen unzumutbar ist, weil sie aus Rechtsgründen von vornherein
keinen Erfolg haben kann, oder die angefochtene Maßnahme auf einer gefestigten
Rechtsprechung beruht und eine Abweichung deshalb nicht zu erwarten ist, soll
sich der Antragsteller diesen Umweg ersparen können (ständige Rechtsprechung
des StGH, vgl. etwa Urteil vom 03.05.1999 - P.St. 1296 -, StAnz. 1999, S. 1790 -
1794-; Beschlüsse vom 25.07.1984 - P.St. 997 -, StAnz. 1984, S. 1585 -1588-, und
vom 01.02.1995 - P.St. 1187 -, StAnz. 1995, S. 1057 -1058-; vgl. auch Günther,
a.a.O., § 44 Rdnr. 5). Dies kann hier für das Verfahren der Gehörsrüge nach § 321a
ZPO a.F. nicht angenommen werden (vgl. grundlegend StGH, Urteil vom
13.04.2005 - P.St. 1885 -, a.a.O.).
Das Erfordernis, vor Erhebung einer Grundrechtsklage ein Abhilfeverfahren nach §
321a ZPO a.F. vor dem Fachgericht durchzuführen, hat keine Verkürzung des
verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes zur Folge. In den Fällen, in denen der
Antragsteller - wie hier - aus Gründen der Subsidiarität gehalten ist, vor Erhebung
der Grundrechtsklage das Abhilfeverfahren nach § 321a ZPO a.F. durchzuführen,
ist die auf dieses Verfahren ergehende Entscheidung in Verbindung mit der nicht
anfechtbaren Entscheidung im Sinne von § 321a Abs. 1 ZPO a.F. die Entscheidung
des höchsten in der Sache zuständigen Gerichts des Landes Hessen im Sinne von
§ 44 Abs. 1 StGHG (vgl. hierzu StGH, Beschlüsse vom 13.12.2004 - P.St. 1904 -
und vom 12.05.2005 - P.St. 1930 -, StAnz. 2005, S. 2326).
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Der Grundsatz der Subsidiarität steht der Zulässigkeit der Grundrechtsklage der
Antragstellerin schließlich auch insoweit entgegen, als sie neben den
Gehörsverstößen weitere Grundrechtsverletzungen durch die
berufungsgerichtliche Entscheidung des Landgerichts Darmstadt rügt. Denn das
Abhilfeverfahren nach § 321a ZPO a.F. bietet zugleich eine Möglichkeit, diese
behaupteten verfassungsrechtlichen Mängel zu beseitigen, da eine zulässige und
begründete Gehörsrüge gemäß § 321a Abs. 5 ZPO a.F. zur Fortsetzung des
fachgerichtlichen Prozesses führt (vgl. StGH, Beschlüsse vom 13.08.2003 - P.St.
1857 -, StAnz. 2003, S. 3793 -3794- und vom 14.08.2003 - P.St. 1870 -; Urteil vom
13.04.2005 - P.St. 1885 -, a.a.O., und Beschluss vom 12.05.2005 - P.St. 1930 -,
StAnz. 2005, S. 2326; BVerfG, Beschluss vom 25.04.2005 - 1 BvR 644/05 -, NJW
2005, S. 3059). Mit dem Zweck des Subsidiaritätsprinzips vertrüge es sich nicht,
für unterschiedliche Verfassungsrechtsverletzungen verschiedene parallel
einzulegende Rechtsbehelfe mit unterschiedlichen Fristen vorzusehen und das
Verfassungsgericht bereits in einem frühen Stadium mit einem Verfahren zu
befassen, dessen Ausgang vor den Fachgerichten noch unklar ist. Es ist zunächst
Sache der Fachgerichte, sich mit dem behaupteten Gehörsverstoß auseinander zu
setzen. Liegt ein solcher tatsächlich vor und war er entscheidungserheblich (vgl. §
321a Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F.), ist davon auszugehen, dass das Gericht ihm abhilft.
Ein Grundrechtskläger wird daher möglicherweise auch in Bezug auf andere
Grundrechtsrügen nach Durchführung des Anhörungsrügeverfahrens nicht mehr in
gleicher Weise beschwert sein. Nach Durchführung des Anhörungsrügeverfahrens
steht dem Grundrechtskläger die Grundrechtsklage innerhalb der Frist des § 45
Abs. 1 StGHG offen, in deren Rahmen er die Verletzung seiner Grundrechte in
einem einheitlichen Verfahren geltend machen kann (vgl. BVerfG, a.a.O.; StGH,
Urteil vom 13.04.2005 - P.St. 1885 -, a.a.O.; Beschluss vom 12.05.2005 - P.St.
1930 -, a.a.O.).
Die Antragstellerin stellte keinen Antrag entsprechend § 321a ZPO a.F. Ihr Antrag
mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004, die Klage unter Abänderung des Urteils 1.
Instanz abzuweisen sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der
Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, war nicht auf die
Beseitigung einer Gehörsverletzung durch das Berufungsurteil gerichtet, das der
Antragstellerin noch nicht vorlag und dessen Begründung sie noch nicht zur
Kenntnis nehmen konnte, da es erst am 4. März 2004 zugestellt wurde.
Danach ist die Grundrechtsklage mit den Anträgen zu 1 und 2 unzulässig. Einer
Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es nicht, da die Entscheidung über die
Grundrechtsklage nicht auf der Anwendung von materiellem Bundesrecht beruht.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 28 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.