Urteil des StGH Hessen vom 22.04.1998

StGH Hessen: öffentliches interesse, drohende gefahr, schule, erlass, hessen, mitbewerber, vergleich, verhinderung, beförderung, zustand

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1307 e.A.
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 26 StGHG
Leitsatz
Bei der Würdigung der Umstände, die für oder gegen den Erlaß einer einstweiligen
Anordnung sprechen, überwiegt das öffentliche Interesse an der keine statusrechtlichen
Folgen auslösenden Besetzung des Dienstpostens eines Schulleiters gegenüber der im
Auswahlverfahren als Mitbewerberin unterlegenen
Antragstellerin an dessen Freihaltung.
Tenor
Der Antrag wird als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
I.
Der am 14. April 1998 beim Staatsgerichtshof eingegangene Antrag,
dem Land Hessen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verbieten, die
Schulleiterstelle an der W-Schule in Q bis zur Entscheidung über die am 6. April
1998 beim Verwaltungsgericht Wiesbaden erhobene Klage der Antragsteller,
hilfsweise bis zur Entscheidung über ihre Grundrechtsklage P.St. 1289 anderweitig
- auch nur kommissarisch - zu besetzen,
ist offensichtlich unbegründet.
Der Staatsgerichtshof interpretiert diesen Antrag so, dass (nur) die - endgültige
oder kommissarische- Übertragung des umstrittenen Dienstpostens an einen
Mitbewerber oder an eine sonstige Person verhindert werden soll. Dagegen ist
Gegenstand des Eilantrages nicht die Verhinderung einer eventuellen späteren
Beförderung eines Mitbewerbers auf diesen Dienstposten. Auf eine solche
Beförderungsentscheidung bezieht sich auch die in der Hauptsache erhobene
Grundrechtsklage nicht. Im übrigen ist nicht ersichtlich, dass insoweit der
fachgerichtliche Rechtsweg im Eilverfahren erschöpft wäre.
Nach § 26 Abs. 1 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 30. November
1994 (GVBl. S. 684) - StGHG - kann der Staatsgerichtshof, um im Eilfall einen
Zustand vorläufig zu regeln, eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn es zur
Abwendung schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus
einem anderen wichtigen Grund dringend geboten ist und ein vorrangiges
öffentliches Interesse nicht entgegensteht. Dabei haben die Gründe, die für die
Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden,
grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Grundrechtsklage erweist
sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. StGH,
Beschluss vom 2. August 1972 - P.St. 692, 693 -, ESVGH 22, 215 [217 f.]M Urteil
vom 20. Juli 1983 - P.St. 1001 -, ESVGH 34, 8 [9]). Der Staatsgerichtshof muss
vielmehr die nachteiligen Folgen gegeneinander abwägen, die einerseits einträten,
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vielmehr die nachteiligen Folgen gegeneinander abwägen, die einerseits einträten,
wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Grundrechtsklage aber später
Erfolg hätte, bzw. die andererseits entstünden, wenn die begehrte einstweilige
Anordnung erginge, der Grundrechtsklage aber letztlich der Erfolg zu versagen
wäre (vgl. StGH, a.a.O.). Bei dieser Abwägung sind nicht nur die Interessen des
Antragstellers, sondern alle in Frage kommenden Belange und Gesichtspunkte zu
berücksichtigen, wobei nach § 26 Abs. 1 StGHG entgegenstehenden vorrangigen
öffentlichen Interessen ein besonderes Gewicht zukommt.
Es mag dahinstehen, ob dem Erlass einer einstweiligen Anordnung der von der
Antragstellerin begehrten Art schon der Umstand entgegensteht, dass die von der
Antragstellerin befürchtete Übertragung des Dienstpostens eines Schulleiters an
der W-Schule in Q an einen Mitbewerber oder an eine sonstige Person
möglicherweise noch gar nicht unmittelbar bevorsteht und daher der Erlass einer
Eilentscheidung nicht im Sinne des Gesetzes geboten ist. Zweifel hieran könnten
sich aus dem Inhalt des Schreibens des Hessischen Kultusministeriums vom 26.
November 1997 an den Bevollmächtigten der Antragstellerin ergeben, in welchem
der weitere Verfahrensablauf aus der Sicht des Kultusministeriums prognostiziert
wird.
Gegenwärtig mag auch offen bleiben, ob die von der Antragstellerin erhobene
Grundrechtsklage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist und ob schon aus
diesem Grunde der Erlass einer einstweiligen Anordnung ausscheidet.
Jedenfalls kommt die von der Antragsteller begehrte Anordnung - und dies gilt für
eine dem Haupt- wie dem Hilfsantrag Rechnung tragende Maßnahme - deshalb
nicht in Betracht, weil die Nachteile, die im Falle des Ergehens einer solchen
Entscheidung bei späterem Misserfolg der Grundrechtsklage einträten, deutlich
schwerwiegender wären als die Nachteile, die die Antragstellerin hinnehmen
müsste, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Antragstellerin aber
letztlich im Grundrechtsklageverfahren obsiegen würde.
Im Falle des Erlasses der von der Antragstellerin gewünschten einstweiligen
Anordnung durch den Staatsgerichtshof könnte die Schulleiterstelle an der W-
Schule in Q und damit eine zentrale Funktionsstelle in diesem schulischen Bereich
trotz Abschlusses der um die Besetzung dieser Stelle geführten fachgerichtlichen
Eilverfahren möglicherweise auf Monate hinaus nicht besetzt werden. Damit lägen
die auf diesem Dienstposten im öffentlichen Interesse wahrzunehmenden
Aufgaben weiterhin brach, was sich - und dies bedarf keiner weiteren Vertiefung -
nachteilig auf den gesamten organisatorischen und unterrichtsbezogenen Ablauf
an dieser Schule auswirken würde und erhebliche Nachteile für Schüler, Eltern und
Lehrkräfte mit sich brächte.
Im Vergleich hierzu wiegen die Nachteile, die die Antragstellerin im Falle der
Ablehnung einer einstweiligen Anordnung zu ertragen hätte, weniger schwerer.
Möglicherweise würde in diesem Fall die Wahrnehmung des umstrittenen
Dienstpostens einem Mitbewerber der Antragstellerin oder einer sonstigen Person
übertragen werden. Diesem von der Antragstellerin befürchteten Vorgangs kommt
indes - anders als einer Beförderung - eine statusrechtliche Bedeutung nicht zu, er
schafft keine vollendeten und später nicht mehr umkehrbaren Verhältnisse (vgl.
Hess.VGH, Beschluss vom 27. November 1990 - 1 TG 2527/90 -, NVwZ 1992,
195). Ein der Antragstellerin erwachsender Nachteil könnte sich aus einer
derartigen Dienstpostenübertragung somit allenfalls insofern ergeben, als der
diesen Dienstposten für einige Zeit wahrnehmende Mitbewerber möglicherweise
einen für die spätere Beförderungsentscheidung ins Gewicht fallenden
Bewährungsvorsprung erlangen könnte. Insoweit ist allerdings in der
fachgerichtlichen Rechtsprechung schon umstritten, ob ein auf diese Weise
erzielter Bewährungsvorsprung bei einer Beförderungsentscheidung überhaupt
berücksichtigt werden dürfte, wenn sich das die Vergabe des Dienstpostens
betreffende Auswahlverfahren später als fehlerhaft herausstellt (vgl. hierzu
verneinend: OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. April 1992 - 1 W 7/89 -, NVwZ
1990, 637; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Mai 1987 - 2 B 68/87 - ZBR 1988, 65;
Bejahend: Hess.VGH, Beschluss vom 30. April 1992 - 1 TG 703/92). Was insofern
verfassungsrechtlich geboten ist, mag indes dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls
kann eine solche der Antragstellerin möglicherweise drohende Gefahr nicht als so
bedeutend eingeschätzt werden, dass sie den Erlass einer einstweiligen
Anordnung und damit die Beeinträchtigung des zuvor dargestellten gewichtigen
öffentlichen Interesses rechtfertigen könnte, zumal die von der Antragstellerin
befürchtete Bewährung eines Mitbewerbers keineswegs als sicher erscheint. Im
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befürchtete Bewährung eines Mitbewerbers keineswegs als sicher erscheint. Im
Vergleich hierzu überwiegt die konkret und unabweisbar drohende
Beeinträchtigung vorrangiger öffentlichen Interessen durch die Schwächung der
Funktionsfähigkeit der Schule, so dass die vom Staatsgerichtshof durchzuführende
Abwägung zu einer Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung führen muss.
II.
Dieser Beschluss ist mit der qualifizierten Mehrheit des § 26 Abs. 3 Satz 2 StGHG
ergangen. Widerspruch gegen ihn kann deshalb nicht erhoben werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 28 StGHG.
Lange F. Fertig Kern Rainer Enders G. Paul Dr. Wilhelm Buchberger Voucko
Schmidt- Teufel von Rhein
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.