Urteil des StGH Hessen vom 14.02.1996
StGH Hessen: hessen, umweltrecht, strafrecht, steuerrecht, versicherungsrecht, verwaltungsrecht, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verfassungsrecht
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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 797
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 16 Verf HE, Art 94 Verf HE,
Art 131 Verf HE, § 48 Abs 3
StGHG HE, § 40 VwGO
(Verwaltungsrechtsweg bei Parlamentspetition in Hessen)
Leitsatz
1. Für Streitigkeiten über die Erledigung von Petitionen an Behörden oder das
Parlament ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
2. Zur Rechtsnatur eines Petitionsbescheides des Hessischen Landtags.
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Gebühr wird auf 250,-- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wurde im Jahre... bei der ehemaligen "Bundesstelle für
Entwicklungshilfe" in Frankfurt am Main als... angestellt. Vor Ablauf der
sechsmonatigen Probezeit wurde er entlassen. Das Bundesarbeitsgericht wies
seine Klage gegen die Kündigung in letzter Instanz durch Urteil vom 27. Juni 1974
zurück.
Daraufhin wandte sich der Antragsteller mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde vom
10. November 1974 an den Präsidenten des Landesarbeitsgerichts in Frankfurt am
Main, in der er rügte, daß der zuständige Kammervorsitzende des
Landesarbeitsgerichts in der Berufungsverhandlung Zurufe von Bediensteten der
Bundesstelle für Entwicklungshilfe aus dem Zuhörerraum über seine Tätigkeit bei
der Universitätsbibliothek... und über die Persönlichkeit des Präsidenten der
Bundesstelle für Entwicklungshilfe zu seinen Lasten berücksichtigt habe. Der
Präsident des Landesarbeitsgerichts wies die Dienstaufsichtsbeschwerde mit
Bescheid vom 12. Dezember 1974 zurück. Auch die weitere
Dienstaufsichtsbeschwerde des Antragstellers vom 7. Januar 1975 an den
Hessischen Sozialminister blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 24. Januar 1975).
II.
Am 31. Januar 1975 richtete der Antragsteller wegen der nach seiner Ansicht
fehlerhaften Behandlung seiner Dienstaufsichtsbeschwerden eine Petition an den
Hessischen Landtag, in der er dem Präsidenten des Landesarbeitsgerichts und
dem Hessischen Sozialminister vorwarf, ihre Dienstaufsichtspflicht gegenüber dem
zuständigen Kammervorsitzenden des Landesarbeitsgerichts nicht erfüllt zu
haben. Dieser, so trug er vor, habe ihm gegenüber in der Berufungsverhandlung
vor dem Landesarbeitsgericht seine richterlichen Amtspflichten verletzt.
Der Hessische Landtag beschloß in seiner Sitzung vom 22. Mai 1975, die Petition
an die Landesregierung mit der Bitte zu überweisen, den Antragsteller über die
Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Der Präsident des Hessischen Landtags
teilte dem Antragsteller diesen Beschluß unter dem 9. Juni 1975 mit und fügte
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teilte dem Antragsteller diesen Beschluß unter dem 9. Juni 1975 mit und fügte
hinzu, er werde von dem zuständigen Fachminister weitere Nachricht erhalten. Der
Hessische Sozialminister wies den Antragsteller mit Bescheid vom 24. Juni 1975
darauf hin, daß nach der Stellungnahme des damaligen Kammervorsitzenden
etwaige Äußerungen aus dem Zuhörerraum ohne Bedeutung für die Entscheidung
des Kündigungsprozesses gewesen seien. Darüber hinaus verbiete es der
Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, Ermittlungen über eine Frage
anzustellen, die mit dem Klagegegenstand - Rechtmäßigkeit der Kündigung - eng
verbunden sei. Die Feststellung des Tatbestandes und die Beweiswürdigung seien
grundsätzlich unüberprüfbare richterliche Entscheidungen. Auch obliege die
Entscheidung darüber, ob und welche sitzungspolizeilichen Maßnahmen bei
Störungen der Gerichtsverhandlung zu treffen seien, allein dem Gericht.
III.
Mit seinem "Antrag zur Verteidigung der Grundrechte gemäß §§ 45 Abs. 2, 46 ff.
StGHG gegen den Hessischen Landtag als Antragsgegner" hat der Antragsteller
unter dem 9. Juli 1975 den Staatsgerichtshof angerufen und beantragt, dem
Hessischen Landtag aufzugeben, die Petition des Antragstellers vom 31. Januar
1975 zu prüfen und zu bescheiden.
Der Antragsteller ist der Auffassung, daß auf seine Petition der Landtag selbst
einen Bescheid zu erteilen habe, der entweder den angefochtenen Bescheid
aufhebe oder die Petition als unzulässig oder unbegründet zurückweise. Zur
Begründung führt er aus, die Überweisung seiner Petition an die Landesregierung
mit der Bitte, ihn über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten, sei keine
ordnungsgemäße Erledigung seiner Petition. Vielmehr habe der Landtag damit
zum Ausdruck gebracht, daß er seiner "Erledigungspflicht" nicht nachkommen
wolle.
Darüber hinaus sei die Überweisung an den Hessischen Sozialminister zu
beanstanden, da er sich in seiner Petition gerade auch gegen dessen Bescheid
vom 24. Januar 1975 gewandt habe. Nur wenn der Hessische Sozialminister nicht
die Stelle gewesen wäre, die den mit der Petition angegriffenen Bescheid erlassen
habe, hätte der Hessische Landtag ihm die Petition zur Unterrichtung des
Petenten über die Sach- und Rechtslage überweisen können. So habe er aber zum
Ausdruck gebracht, daß überhaupt keine andere Stelle den Bescheid des
Hessischen Sozialministers überprüfen solle. Selbst wenn der Hessische
Sozialminister den Bescheid nicht erlassen hätte, wäre die Überweisung zur
Unterrichtung über die Sach- und Rechtslage nur dann statthaft gewesen, wenn er
beantragt hätte, eine von ihm in seiner Petition als unklar bezeichnete Sach- und
Rechtslage aufzuklären. Werde in einer Petition aber ein bestimmter Sachverhalt
und eine bestimmte Rechtsauffassung dargelegt, so müsse der Hessische
Landtag sie selbst bescheiden. Der Minister habe dann lediglich dem Landtag
gegenüber zu der Petition Stellung zu nehmen.
IV.
Der Präsident des Hessischen Landtags hält den Antrag für zulässig, aber nicht für
begründet. Er führt aus, der Zulässigkeit des Antrags stehe nicht entgegen, daß
der Antragsteller den Verwaltungsrechtsweg nach Maßgabe des § 48 Abs. 3
StGHG zuvor nicht ausgeschöpft habe. Dieser Rechtsweg sei gegen die
angefochtene Entscheidung des Landtags nicht gegeben, da es sich bei den
Streitigkeiten, die Entscheidungen der Parlamente über Petitionen zum
Gegenstand hätten, nicht um Verwaltungsstreitigkeiten im Sinne des § 40 Abs. 1
VwGO handele.
Im einzelnen legt er hierzu dar:
1. Die Behandlung von Petitionen gehöre zwar nicht zu den legislativen Aufgaben
der Parlamente, sondern zu den sogenannten parlamentarischen Hilfstätigkeiten.
Sie sei jedoch keine Verwaltungstätigkeit und unterscheide sich dem Wesen nach
sowohl von den typischen Aufgaben der Parlamentsverwaltung als auch von der
Art und Weise, wie Behörden Petitionen gemäß Art. 17 GG/Art. 16 HV behandelten.
Der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg (vgl. OVG Hamburg, DVBl
1967, 86), Parlamente handelten bei der Bearbeitung von Petitionen in der
gleichen Aufgabenstellung wie Verwaltungsbehörden, könne nicht zugestimmt
werden. Eine rein äußerliche Ähnlichkeit der Aufgabenstellung mit derjenigen der
übergeordneten Behörde sei nur in den Fällen gegeben, in denen der Petent die
Korrektur einer Entscheidung der Exekutive in einem Einzelfall erstrebe. Die
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Korrektur einer Entscheidung der Exekutive in einem Einzelfall erstrebe. Die
Ähnlichkeit bestehe aber auch hier nur hinsichtlich des Begehrens des Petenten,
nicht aber in der Art der Bearbeitung und der Möglichkeiten des Parlaments, das
Anliegen des Petenten zu fördern. Diese erschöpften sich nämlich für die
Legislative darin, der Exekutive unverbindliche Empfehlungen für die
verwaltungsmäßige Behandlung des Falles zu geben. Auch im Falle der
stärkstmöglichen Empfehlung zugunsten des Anliegens des Petenten
(Überweisung der Petition an die Landesregierung "zur Berücksichtigung") könne
das Parlament die angefochtene Entscheidung weder aufheben oder abändern
noch die Exekutive verbindlich anweisen, eine entsprechende Entscheidung zu
fällen, wie es einer vorgesetzten Behörde möglich wäre.
Die Volksvertretungen seien andererseits zwar in der Lage, auf die Exekutivorgane,
die ihrer parlamentarischen Kontrolle unterlägen, im Sinne einer bestimmten
Erledigung einer Petition politischen Einfluß auszuüben. So könne der Landtag auf
die Landesregierung entweder unter Berufung auf die Verantwortung der Minister
gegenüber dem Landtag (Art. 102 Satz 2 HV) oder - im Extremfall - dadurch einen
politischen Einfluß ausüben, daß er dem Ministerpräsidenten im Falle der
Nichtbefolgung seiner Empfehlungen das Vertrauen entziehe (Art. 114 Abs. 1 HV).
In keinem der beiden Fälle handele der Landtag aber in "gleicher Aufgabenstellung
wie eine Verwaltungsbehörde".
2. Auch die Hilfskonstruktion, die die Tätigkeit des Parlaments in Petitionssachen
als "sonstige Amtshandlung" begreifen wolle, die durch Leistungsklage beim
Verwaltungsgericht erzwungen werden könne, müsse scheitern. Die Verurteilung
zur Leistung setze die hinreichende Bestimmung des Inhalts der Leistung voraus.
Das Verwaltungsgericht müßte demnach rechtlich in der Lage sein, die
geschuldete Leistung, nämlich die richtige Behandlung der Petition, dem
Parlament bis ins einzelne gehend mit verbindlicher Wirkung aufzuzeigen. Die
Parlamente seien jedoch nach der bisher - insoweit - unbestrittenen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 2, 225 ff.) hinsichtlich
der Art und Weise der Behandlung frei, d.h. jede Behandlung, die über eine bloße
Empfangsbestätigung hinausgehe und die Kenntnisnahme von der Petition sowie
die Art und Weise der Behandlung erkennen lasse, genüge den Anforderungen des
Art. 17 GG. Diese Handlungsfreiheit der Parlamente noch weiter einzuschränken,
bedeute einen mit dem Gewaltenteilungsprinzip unvereinbaren Eingriff der Justiz in
die Legislative. Ein Gericht könne daher ohne Verletzung des freien Spielraums für
die Parlamente auf Antrag des Petenten nur feststellen, daß die angefochtene
Entscheidung gegen Art. 17 GG verstoße, da sie nicht einmal den vom
Bundesverfassungsgericht aufgestellten Mindestanforderungen genüge. Eine
solche Entscheidung könne weder Inhalt eines Leistungsurteils noch eines
sonstigen im Rahmen der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen
Urteilsspruchs sein; es handele sich hierbei vielmehr um eine Feststellung, die nur
von einem Verfassungsgericht ausgesprochen werden könne.
3. Die Entstehung einer Rechtsprechung, die die Handlungsfreiheit der Parlamente
bei der Behandlung von Petitionen in zunehmendem Masse einengen würde,
führte außerdem zu einer den Interessen der Petenten abträglichen
rechtspolitischen Entwicklung. Sie wirke sich auf die Bereitschaft der Parlamente,
insbesondere in Einzelfällen unbürokratische Lösungen jenseits der bereits
erfolglosen Bemühungen der Verwaltungsbehörden zu suchen, nachteilig aus. Die
Aussieht auf Kritik durch die Verwaltungsgerichte, die sich nicht darauf beschränke,
die Einhaltung der verfassungsrechtlich gebotenen Mindestanforderungen zu
überwachen, sondern sich bis auf die Einzelheiten des parlamentarischen
Verfahrens erstrecke - wie dies sich bereits im Urteil des Verwaltungsgerichts
Kassel vom 8. Februar 1972 - III E 177/70 - abgezeichnet habe -würde diejenigen
Bestrebungen im Parlament begünstigen, die das Beschreiten neuer Wege
zugunsten der herkömmlichen ablehne. Das Parlament müsse auch in den Fällen,
in denen die Entscheidung der Exekutive zwar rechtlich nicht zu beanstanden sei,
jedoch im Ermessensbereich zu unbefriedigenden Ergebnissen führe, eine Abhilfe
auch außerhalb der Möglichkeiten der Exekutive suchen, entweder durch
besondere gesetzgeberische Akte oder durch sonstige Maßnahmen.
4. Der Landtagspräsident weist ferner darauf hin, daß er die rechtsdogmatischen
Schwierigkeiten nicht übersehe, die der Zuordnung der Streitigkeiten über
Petitionsentscheidungen der Parlamente zu den Öffentlich-rechtlichen
Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art gemäß § 40 VwGO vor allem deshalb
entgegenstehen könnten, weil sich in solchen Verfahren nicht wie in "klassischen"
Verfassungsstreitigkeiten auf beiden Seiten Staatsorgane, sondern wie in den
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Verfassungsstreitigkeiten auf beiden Seiten Staatsorgane, sondern wie in den
typischen Verwaltungsstreitigkeiten Bürger und Staatsdomäne gegenüberstünden.
Die Zuordnung dieser besonderen Streitigkeiten zu den
nichtverfassungsrechtlichen Streitigkeiten im Sinne des § 40 VwGO allein aus
diesem Grunde begegne jedoch ebenso schwerwiegenden rechtsdogmatischen
Bedenken. Eine zufriedenstellende Bestimmung des Rechtsweges allein aufgrund
der rechtlichen Merkmale der Streitigkeiten über Petitionsentscheidungen der
Parlamente nach Maßgabe des § 40 VwGO erscheine nicht möglich, da dieses
Verfahren sowohl einzelne Elemente von Verwaltungsrechts- als auch von
Verfassungsstreitigkeiten aufweise.
Unter diesen Umständen sollten, so meint der Landtagspräsident, für die
Entscheidung des Staatsgerichtshofs, welcher Rechtsweg für Streitigkeiten über
Petitionsentscheidungen des Hessischen Landtags gegeben sei, die dargelegten
rechtspolitischen Überlegungen ausschlaggebend sein. Es sollte aus
rechtspolitischen Gründen bei der Entscheidung nicht außer acht bleiben, daß die
Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs auf absehbare Zeit die wichtigste
Richtschnur für die Befugnisse des Landtags bei der Behandlung von Petitionen
bleiben werde.
5. Die Unbegründetheit des Antrags rechtfertigt der Landtagspräsident damit, daß
der Landtag seine Petitionserledigungspflicht gegenüber dem Petenten erfüllt
habe. Eine sachliche Prüfung der Petition durch den Petitionsausschuß sei erfolgt.
Dabei habe sich der Ausschuß im Ergebnis der im Bescheid des Hessischen
Sozialministers vom 24. Juni 1975 vertretenen Auffassung angeschlossen. Der
Minister habe für die Landesregierung dem Landtag lediglich Formulierungshilfe
geleistet; eine Unterrichtung des Petenten über die Sach- und Rechtslage hätte
ebensogut vom Landtag ausgehen können.
V.
Auch der Landesanwalt hält den Antrag für zulässig, da der Antragsteller nicht auf
den Verwaltungsrechtsweg verwiesen werden könne. Er hält die Streitigkeit um den
vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch für eine verfassungsrechtliche
Streitigkeit. Der Antragsteller mache nämlich geltend, der Landtag habe bei der
Behandlung der Petition seine Pflicht zur sachlichen Prüfung und Bescheidung
deshalb nicht erfüllt, weil er sein Kontrollrecht gegenüber der Exekutive nicht
sachentsprechend ausgeübt und nicht selbst entweder den mit der Petition
angegriffenen Bescheid aufgehoben oder die Petition zurückgewiesen habe. Ein
Rechtssatz, der dieses Begehren zu stützen geeignet wäre, könne im Falle seines
Bestehens nur dem Verfassungsrecht angehören. Es gehe bei der Streitigkeit
einerseits um den Umfang der aus Art. 16 HV für das Parlament sich ergebenden
Erledigungspflicht und andererseits um das Ausmaß der petitionsspezifischen
Kontrollrechte des Landtags, wobei in letzter Konsequenz sogar die Frage nach
einem Sachentscheidungsrecht des Parlaments auftauche. Beide miteinander
korrespondierenden Tätigkeitsfelder würden durch Normen des Verfassungsrechts
bestimmt. Deshalb sei der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben. Jedenfalls könne
dem Antragsteller die Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs nach § 48 Abs. 3
StGHG deshalb nicht zugemutet werden, weil die Zulässigkeit dieses Rechtswegs
zumindest zweifelhaft sei und die Aussichten einer Rechtsschutzerlangung sonach
ungewiß wären (vgl. Hess.StGH, Urt. v. 28.11.1973 - P.St. 653 -).
In der Sache selbst habe der Landtag seine Erledigungspflicht mit dem
Überweisungsbeschluß in dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang erfüllt. Die
vom Landtag beschlossene Überweisung an den Hessischen Sozialminister sei
mehr als die verwaltungsmäßige Weiterleitung des Vorgangs an die zur
Sachprüfung kompetente Stelle. Sie setze voraus, daß der Landtag auf Grund
einer sachgemäßen Information über die Umstände des Falles und die Tätigkeit
der Verwaltung die formelle und materielle Berechtigung der Petition geprüft habe.
Diese Prüfung sei erfolgt.
VI.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
1. Er ist nicht zulässig.
Nach Art. 131 Abs. 3 HV bestimmt das Gesetz über den Staatsgerichtshof, in
welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen jedermann das Recht hat, den
Staatsgerichtshof anzurufen. Gemäß § 45 Abs. 2 StGHG kann jedermann den
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Staatsgerichtshof anzurufen. Gemäß § 45 Abs. 2 StGHG kann jedermann den
Antrag auf Verteidigung der Grundrechte stellen, der geltend macht, daß ein ihm
von der Verfassung gewährtes Grundrecht verletzt sei. Ein Verfahren wegen
Grundrechtsverletzung findet aber nach § 48 Abs. 3 StGHG nur dann statt, wenn
der Antragsteller zuvor eine Entscheidung des höchsten in der Sache zuständigen
Gerichts herbeigeführt hat und innerhalb eines Monats seit Zustellung dieser
Entscheidung den Staatsgerichtshof anruft. Diese Vorbedingung ist nicht erfüllt.
Der Antragsteller hätte zunächst den Verwaltungsrechtsweg beschreiten müssen.
Eine Vorabentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 3 StGHG kommt nicht in Betracht,
weil die Entscheidung des Landtags über die Petition des Antragstellers in ihrer
Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausgeht.
a) § 40 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - eröffnet den
Verwaltungsrechtsweg für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten
nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Gesetz einem anderen Gericht
zugewiesen sind. Der Antragsteller, der sich gegen die Art der Erledigung seiner
Petition an den Hessischen Landtag wendet und verlangt, diese Petition in anderer
Weise, als bisher geschehen, zu prüfen und zu bescheiden, erhebt einen Anspruch
auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts. Sachlich übereinstimmend mit dem vom
Antragsteller angeführten Art. 17 GG gewährt Art. 16 HV, auf dessen Anwendung
sich die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs beschränkt, nach allgemeiner
Auffassung dem Petenten ein subjektives öffentliches Recht auf Entgegennahme
und Erledigung seiner Petition durch die zuständige Behörde oder die
Volksvertretung, an die er sich gewandt hat (Hess.StGH, Beschl. vom 5. November
1975 - P.St. 782 - mit weiteren Nachweisen wie schon BVerfG, Beschl. vom 22.
April 1953 in BVerfGE 2, 225 zu Art. 17 GG).
Für Rechtsstreitigkeiten um die Erledigung von Petitionen, die nicht ans Parlament,
sondern an Behörden gerichtet werden, ist der Verwaltungsrechtsweg zweifelsfrei
gegeben. Insofern bestehen lediglich noch Meinungsverschiedenheiten über die
richtige Klageart. Sie hängt davon ab, ob der erstrebte Petitionsbescheid über das
Petitionsrecht des Petenten entscheidet und einen Verwaltungsakt darstellt (u.a.
Dagtoglou, Kommentar zum Bonner Grundgesetz - Bonner Komm. - Art. 17 GG,
Zweitbearbeitung, Rdnrn. 139 f.; Dürig in Maunz-Dürig-Herzog, GG, Art. 17 Rdnrn.
80 f.) oder ob er eine sonstige Amtshandlung ist, durch die eine
verfassungsrechtliche Pflicht tatsächlich erfüllt wird (Bayer. VerfGH, Entsch. vom
28. November 1958, BayVGHE n.F. 11 II 187 = DVBl. 1959, 675; OVG Hamburg,
Urt. vom 20. August 1965, DVBl. 1967, 86 unter Hinweis auf Obermayer in NJW
1956, 362 f.; Hess.VGH, Beschl. vom 4. Juni 1974 - IV OE 93/72 -; OVG Berlin, Urt.
vom 26. August 1975, DVBl. 1976, 261; BVerwG, Beschl. vom 1. September 1976,
JZ 1976, 682; Eyermann-Fröhler, VwGO, 7. Aufl., § 42 Rdnr 34; Köhler, VwGO, § 42
Anm. A IX 10 q; herrschende Meinung). Hierzu braucht der Staatsgerichtshof in
diesem Falle nicht Stellung zu nehmen; denn nach der einen wie nach der anderen
Auffassung kann und muß der Rechtsweg ausgeschöpft werden, ehe der
Staatsgerichtshof wegen Verletzung eines Grundrechts angerufen werden kann.
b) Nach überwiegender Ansicht, die der Staatsgerichtshof schon in seinem oben
genannten Beschluß vom 5. November 1975 geteilt hat und weiterhin für
zutreffend erachtet, ist der Verwaltungsrechtsweg auch für Streitigkeiten um die
Erledigung von Petitionen an den Landtag gegeben. Bei ihnen handelt es sich
ebenfalls um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art
(OVG Hamburg, OVG Berlin, und BVerwG, a.a.O.; Dürig, a.a.O., Art. 17 Rdnr. 81;
Eyermann-Fröhler, a.a.O., § 40 Rdnr. 63 a; a.A. u.a. Bayer.VerfGH, Entsch. v.
15.5.1957, BayVGHE n.F. 10 II 20 [25]; Wolff, Verwaltungsrecht, Bd. III, 3. Aufl., §
166 III f; Schmelter, Rechtsschutz gegen nicht zur Rechtsetzung gehörende Akte
der Legislative, Berlin 1977, S. 162 ff.). Welche öffentlich-rechtliche Streitigkeit
verfassungsrechtlich ist, richtet sich nicht etwa nach einer
verfassungsgerichtlichen Zuständigkeit, zu deren Gunsten ohnehin der Vorbehalt
des § 40 Abs. 1 2. Halbsatz VwGO ("soweit...") eingreifen würde, sondern nach ihrer
Rechtsnatur. Demnach kann eine Streitigkeit dann verfassungsrechtlich sein, wenn
das streitige Rechtsverhältnis entscheidend vom Verfassungsrecht geformt ist
(BVerwG, Urt. vom 6. Juli 1966, BVerwGE 24, 272 [279]). Jedoch ist eine
Verfassungsstreitigkeit nicht immer dann gegeben, wenn jemand einen Anspruch
erhebt, den er aus der Verfassung herleitet. In einer großen Zahl von
Verwaltungsstreitverfahren werden Forderungs- oder Abwehrrechte, die sich auf
ein Verwaltungshandeln beziehen, unmittelbar der Verfassung entnommen, und
auch in anderen Prozeßarten kann Verfassungsrecht und können insbesondere die
Grundrechte unmittelbar zur Anwendung kommen. Der Staatsgerichtshof geht mit
der überwiegenden Meinung davon aus, daß ein Verfassungsrechtsstreit nur die
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der überwiegenden Meinung davon aus, daß ein Verfassungsrechtsstreit nur die
Ebene des Verfassungslebens, das heißt, die Rechtsbeziehung zwischen
Verfassungsorganen oder am Verfassungsleben beteiligten Organen zueinander
betrifft (OVG Hamburg, OVG Berlin, und BVerwG, a.a.O., ferner BVerwG, Urt. vom
28. Oktober 1970, BVerwGE 36, 218 [228], und vom 28. November 1975, NJW
1976, 637; Eyermann- Fröhler u. Maunz-Dürig-Herzog, a.a.O.; Redeker von
Oertzen, VwGO, 5. Aufl., § 40 Rdnr. 3). Demnach sind bei Anwendung des § 40 (1)
VwGO dem Verfassungsrecht - mindestens in der Reg el - nicht die
Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat zuzurechnen, auch dann nicht,
wenn, wie im vorliegenden Falle, ein Verfassungsorgan beteiligt ist (hier nicht
einschlägige Ausnahmen möglicherweise bezüglich Wahlen und
Volksabstimmungen; vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allg. Teil, 10.
Aufl., S. 12 u. dort Fn. 3 mit weiteren Nachweisen; OVO Münster, Beschl. vom 20.
Februar 1974, NJW 1974, 1671).
Die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung kann nicht im Hinblick auf das
Institut der Verfassungsbeschwerde bezweifelt werden (so aber Maunz, Deutsches
Staatsrecht, 20. Aufl., § 30 III S. 280 f.). Die Entscheidung über die
bundesrechtliche Verfassungsbeschwerde und ebenso über die landesrechtliche
Grundrechtsklage ist zwar eine den Verfassungsgerichten verfassungsrechtlich
zugewiesene Aufgabe, aber nicht schon deshalb, weil sie auf Verfassungsrecht
gestützt wird, eine Verfassungsstreitigkeit im eigentlichen Sinne. Dieses Ergebnis
wird durch § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG bzw. § 48 Abs. 3 Satz 1 StGHG gestützt, die
für Streitigkeiten zwischen Bürger und Staat primär eine Zuständigkeit der
Gerichte außerhalb der Verfassungsgerichtsbarkeit voraussetzen.
c) Für Streitigkeiten um Parlamentspetitionen ist der Verwaltungsrechtsweg auch
nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil die Erledigung der Petition ein Akt der
gesetzgebenden Körperschaft, ihres Präsidenten oder eines Ausschusses ist. Zwar
erstreckt sieh die Verwaltungsgerichtsbarkeit anerkanntermaßen nicht auf den
Gesetzgeber in dieser seiner Funktion; gegenüber der förmlichen Gesetzgebung
ist ferner nicht der subsidiäre Rechtsweg gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG
gegeben, sondern nur die verfassungsgerichtliche Überprüfung vorgesehen
(Leibholz, Rinck, GG, 5. Aufl. Art. 19 Anm. 7). Die Erledigung einer Petition ist
jedoch ein nicht zur Rechtsetzung gehörender Akt der Legislative. Der
Volksvertretung obliegt neben der Rechtsetzung, der Bestellung und Abberufung
der Regierung u.a. deren politisch-parlamentarische Kontrolle und über die
Regierung die Kontrolle der vollziehenden und, soweit dies nicht das Wesen einer
unabhängigen Rechtspflege ausschließt, auch der rechtsprechenden Gewalt. In
diesen Bereich gehört die Prüfung von Bitten oder Beschwerden, die sich nicht auf
die Gesetzgebung, sondern auf die sonstige Staatstätigkeit beziehen und dem
Parlament unterbreitet werden. Auch bei Wahrnehmung solcher Nebenaufgaben,
bei parlamentarischen Hilfsakten (vgl. Dürig, a.a.O., Rdnr. 81), übt das Parlament
jedenfalls insoweit, als es nach außen tätig wird, öffentliche Gewalt aus. Unterteilt
man die Staatsgewalt in der modernen gewaltenteilenden Demokratie nach den
Formen ihrer Ausübung in Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und
Rechtsprechung (Art. 1 Abs. 3 GG), so handelt es sich im weitesten Sinne um
Verwaltung, die von der in ihrer Spitze durch die Regierung repräsentierten
Exekutive organisatorisch geschieden ist. Nicht alle parlamentarischen Hilfsakte
sind verfassungsrechtliche Hilfstätigkeiten, "... um die Verfassung... einzurichten
und in Gang zu halten" (Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 7),
das heißt, um die obersten Staatsorgane zu bestellen, die Parlamentstätigkeit zu
organisieren und anderes mehr (vgl. Forsthoff, a.a.O., S. 12). Unbeschadet der
Qualifizierung des Verhältnisses von Landtag und Landesregierung, die bei
Erledigung einer Petition durch den Landtag in Beziehung zueinander treten, als
eines verfassungsrechtlichen, spielt sich die Bescheidung des Petenten,
"jedermanns", der nicht einmal Staatsangehöriger sein muß und dem der
Verfassungsgeber mit dem Petitionsrecht keine Organstellung im
Verfassungsleben einräumen wollte, nicht auf der Verfassungs-, sondern auf der
Verwaltungsebene ab. Das Petitionsrecht, das auf eine formal korrekte Erledigung
der Petition gerichtet und beschränkt ist, wird durch die ordnungsgemäße
Behandlung der Eingabe erfüllt oder durch eine ordnungswidrige Behandlung
verletzt. Bei der Bescheidung einer solchen Eingabe wird die Volksvertretung in
ähnlicher Aufgabenstellung wie eine Verwaltungsbehörde tätig (vgl. OVG Hamburg,
a.a.O.).
d) Nicht jeder im objektiven Verfassungsrecht begründeten Pflicht muß im selben
Umfang ein vor dem Staatsgerichtshof verfolgbarer Anspruch eines anderen
Beteiligten gegenüberstehen. Es kann verfassungsrechtliche Pflichten geben,
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Beteiligten gegenüberstehen. Es kann verfassungsrechtliche Pflichten geben,
deren Feststellung durch den Staatsgerichtshof die Interessierten nicht betreiben
können (vgl. dazu BVerfGE Bd. 13, 54, 96, 97). Um einen solchen Fall handelt es
sich hier, soweit der Antragsteller rügt, der Bandtag habe sich des
Überweisungsrechts nur formell bedient und bei der Behandlung der Petition sein
Kontrollrecht gegenüber der Exekutive nicht sachentsprechend ausgeübt. Zwar
wird mit einer gegen ein Verhalten der Exekutive gerichteten Petition die
parlamentarische Kontrolle des Landtags gegenüber der Landesregierung im
konkreten Fall ausgelöst; doch kann der Petent im Streitfall nur den Umfang der
aus Art. 16 HV für das Parlament sich ergebenden "Erledigungspflicht" klären
lassen. Die in der Stellungnahme des Landesanwalts aufgeworfenen Fragen des
sog. Petitions-Informierungsrechts und des Petitions-Überweisungsrechts (Art. 94
HV) berühren allein das Rechtsverhältnis zwischen Landtag und Regierung. Nur sie
könnten gegebenenfalls an einer "verfassungsrechtlichen Streitigkeit" im Rahmen
des Art. 94 HV beteiligt sein, in der das Ausmaß der petitions-spezifischen
Kontrollrechte des Landtags abgegrenzt und die Frage nach einem
Sachentscheidungsrecht des Parlaments entschieden werden kann.
Die Überlegungen des Landesanwalts richten sich insoweit in ihrem Schwerpunkt
auf die parlamentarische Kontrolle des Landtages gegenüber der
Landesregierung. Über dieses Kontrollrecht und seinen Umfang ist in dem
vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu entscheiden. Es kann auch unerörtert
bleiben, wie weit dieses Kontrollrecht im Rahmen der Behandlung einer Petition
reicht. Denn die Rüge des Antragstellers gegen die Erledigung seiner Petition kann
nur dazu führen, daß die Ordnungsgemäßheit der Behandlung durch den Landtag
geprüft wird. Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, der sieh
der Staatsgerichtshof anschließt, gibt das Petitionsrecht dem Petenten keinen
Anspruch auf eine bestimmte Entscheidung in seiner Sache. Die Erledigungspflicht
beschränkt sich auf die Entgegennahme, die sachliche Prüfung und die schriftliche
Mitteilung über die Art der Erledigung (vgl. Zinn-Stein, Die Verfassung des Landes
Hessen, Kommentar 1954, Art. 16 HV, Anm. 2, S. 139; Maunz-Dürig-Herzog,
a.a.O., Art. 17 Rdnr. 7; Dagtoglou, a.a.O., Art. 18 Rdnr. 131; Hamann/Lenz,
Kommentar zum Grundgesetz, 3. Aufl. 1971, Art. 17, A 1 und A 2; BVerfGE 2, 225,
230; Hess. VGH, Urt. vom 4. Juni 1974, a.a.O.; BVerwG, Urt. vom 28. November
1975, a.a.O.; OVG Berlin, Urt. vom 26. August 1975, a.a.O.). Zudem muß der auf
eine zulässige Petition (vgl. dazu Bayer.VerfGH in BayVGHE 20 II 138, 139 mit
weiteren Nachweisen) ergangene Bescheid keine Begründung enthalten, weil eine
solche Forderung das Grundrecht aus Art. 16 HV überspannen würde. Der Landtag
braucht also nicht in Form einer sachlichen Auseinandersetzung auf das Begehren
des Petenten im einzelnen einzugehen. Dem formellen Charakter des Rechts aus
Art. 16 HV, den der Antragsteller übersieht, ist bereits dann Genüge getan, wenn
ersichtlich ist, daß der Landtag die Sache entgegengenommen, sich mit ihr befaßt
und die Art der Erledigung ohne weitere Begründung dem Petenten mitgeteilt hat.
Durch diese deutliche Eingrenzung der Erledigungspflicht der Parlamente bei der
Behandlung von Petitionen, auf die der Präsident des Hessischem Landtags selbst
verwiesen hat, verlieren auch die rechtspolitischen Bedenken gegen die inzwischen
gefestigte Rechtsprechung an Gewicht. Der Überprüfung einer
Petitionsentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind damit so klare
Grenzen gesetzt, daß die Besorgnisse vor den Folgen der Zulässigkeit einer Klage
vor den Verwaltungsgerichten unbegründet erscheinen. Auch die Bereitschaft der
Parlamente, bei der Behandlung von Petitionen "in Einzelfällen unbürokratische
Lösungen jenseits der bereits erfolglosen Bemühungen der Verwaltungsbehörden
zu suchen" dürfte dadurch kaum nachteilig beeinflußt werden. Der politische
Ermessensspielraum des Parlaments wird nicht eingeengt. Der vom
Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 2, 225, 230) beschriebene Umfang der
Überprüfungsmöglichkeit von Petitionsentscheidungen ist sowohl in den vom
Landtagspräsidenten speziell angeführten Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel
vom 8. Februar 1972 - III E 177/70 - als auch in den oben genannten ober- und
höchstgerichtlichen Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit beachtet
worden. Wenn nur die Entgegennahme, die sachliche Prüfung und die schriftliche
Mitteilung über die Art der Erledigung zur Diskussion stehen, so wird damit der
Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereich der Verfassungsgerichtsbarkeit
zunächst nicht berührt. Vielmehr handelt es sich bei diesen Teilaspekten des
Petitionsrechts um Fragestellungen, die zuvor unterhalb der Ebene der
Verfassungsgerichte zu entscheiden sind.
e) Wenn nicht der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben wäre, so wäre
Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG durch die ordentlichen Gerichte noch vor der
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Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG durch die ordentlichen Gerichte noch vor der
Befassung des Staatsgerichtshofs mit einem Antrag auf Verteidigung der
Grundrechte zu gewähren. Es ist zwar denkbar, daß auch die Zuständigkeit eines
Verfassungsgerichts noch vor der Reservezuständigkeit der ordentlichen
Gerichtsbarkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG begründet sein kann (Schmelter,
a.a.O., S. 168 unter Bezugnahme u.a. auf Wernicke, Bonner Kommentar, Art. 19 II
4 f ß). Für den Antrag auf Verteidigung der Grundrechte gilt aber dasselbe wie für
die bundesrechtliche Verfassungsbeschwerde; beide setzen die Erschöpfung des
Rechtswegs voraus. Die Verfassungsbeschwerde ist ein letzter, nur auf Schutz der
Grundrechte beschränkter Rechtsbehelf, der nur gegeben ist, wenn alle sonstigen
Möglichkeiten zu allgemeiner richterlicher Nachprüfung erschöpft sind (vgl. Leiholz-
Rinck, a.a.O., Art. 19 Anm. 11 unter Hinweis auf BVerfG, Urt. vom 13. Juni 1952,
BVerfGE 1, 344).
2. Trotz der Unzulässigkeit der Grundrechtsklage sieht sich der Staatsgerichtshof
veranlaßt, noch folgende Bemerkungen in der Sache hinzuzufügen:
a) Tatsächlich hat der Hessische Landtag die Petition des Antragstellers vom 31.
Januar 1975 durch den Beschluß vom 22. Mai 1975 und den daraufhin ergangenen
Bescheid des Präsidenten des Hessischen Landtags vom 9. Juni 1975 erledigt. Die
Überweisung der Petition an die Landesregierung bzw. den zuständigen
Fachminister ist in Art. 94 HV vorgesehen. Sie verpflichtet diese dem Landtag
gegenüber, die Eingabe zu prüfen, sachlich zu behandeln und zu beantworten. Das
hat der Hessische Sozialminister mit Bescheid vom 24. Juni 1975 getan. Das
Petitions-Überweisungsrecht des Landtags ist einerseits eine zwangsläufige Folge
des Gewaltenteilungsprinzips, andererseits aber auch mehr als nur die
verwaltungsmäßige Weiterleitung eines Vorganges (vgl. Zinn-Stein, Verfassung
des Landes Hessen, Loseblattkommentar 1963 ff., Art. 94 Anm. 2). Sie setzt
voraus, daß sich der Landtag mit der Angelegenheit befaßt hat, d.h. die Umstände
des Falles und die Tätigkeit der Verwaltung prüft, um dann die Art der Erledigung
zu bestimmen. Das ist mit dem Beschluß des Hessischen Landtags vom 22. Mai
1975 geschehen. Dagegen hat die Überweisung der Petition keine Verpflichtung
der Landesregierung gegenüber dem Antragsteller begründet. Sein
verfassungsrechtlicher Anspruch aus Art. 16 HV auf einen Petitionsbescheid ist mit
dem Bescheid des Präsidenten des Hessischen Landtags vom 9. Juni 1975 erfüllt
(vgl. dazu Zinn-. Stein, 1963 ff., a.a.O.).
b) Der Hessische Landtag könnte auch nicht - wie es der Antragsteller verlangt -
die mit seiner Petition angegriffenen Bescheide des Präsidenten des
Landesarbeitsgerichts vom 12. Dezember 1974 und des Hessischen
Sozialministers vom 24. Januar 1975 aufheben. Der Antragsteller begehrt insoweit
verfassungsrechtlich Unmögliches, worauf der Landesanwalt zutreffend hinweist.
Der Landtag hat keine Exekutivgewalt. Der Verfassungsgrundsatz der
Gewaltenteilung schränkt seine Befugnisse gegenüber den anderen Gewalten, der
Verwaltung und Rechtsprechung, dahingehend ein, daß er weder
Verwaltungsmaßnahmen beschließen oder durchführen noch der Regierung, den
Behörden oder gar einzelnen Beamten verbindliche Einzelweisungen erteilen kann
(vgl. Zinn-Stein, 1963 ff., a.a.O., Art. 75 Vorbem. II 4 b). Deshalb kann er einer
Petition, die sich auf den Bereich der anderen Gewalten bezieht, nicht selbst
entsprechen, sondern nur solchen Petitionen, die sich auf seine eigene
Zuständigkeit als Gesetzgebungsorgan beziehen. Im übrigen ist die Überweisung
einer Petition nach Art. 94 HV die sachgerechte Form, in der sieh der Landtag mit
ihr befaßt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.