Urteil des StGH Hessen vom 08.10.2003
StGH Hessen: faires verfahren, rechtliches gehör, subsidiarität, hessen, 1919, rüge, willkür, rechtsschutz, quelle, stadt
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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1876
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 124 VwGO, § 124a VwGO, §
146 Abs 2 VwGO, Art 20 Abs 1
S 1 Verf HE, § 44 Abs 1 S 1
StGHG HE
(StGH Wiesbaden: Wegen fehlendem fristgemäßen Antrag
auf Zulassung der Berufung unsubstantiierte
Grundrechtsklage gegen Zurückweisung von
Richterablehnungsgesuchen)
Tenor
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
A
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen einen im Verfahren 1 E 421/99 ergangenen
Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. März 2003, mit dem das
Verwaltungsgericht unter Mitwirkung der abgelehnten Richter das
Ablehnungsgesuch der Antragsteller wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig
verworfen hat. Vorausgegangen waren Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom
10. Februar 2003 und 11. Februar 2003, mit denen die Kammer ebenfalls unter
Mitwirkung der abgelehnten Richter Ablehnungsgesuche des Antragstellers zu 1
wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig verworfen hatte.
In dem Ausgangsverfahren, in dem der Antragsteller zu 1 Bescheide der Stadt
Wiesbaden über die Festsetzung von Müllgebühren angefochten hatte und zu dem
der Antragsteller zu 2 beigeladen worden war, wies das Gericht sodann unter
Mitwirkung der abgelehnten Richter die Klage mit Urteil vom 20. März 2003 ab.
Den Antrag der Antragsteller auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil
lehnte der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 9. September
2003 wegen Versäumens der Monatsfrist für den Zulassungsantrag ab (5 UZI
723/03). Das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. März 2003 sowie
der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. September 2003
sind u. a. Gegenstand einer weiteren Grundrechtsklage der Antragsteller (P.St.
1919).
Mit ihrer am 22. April 2003 eingegangenen Grundrechtsklage rügen die
Antragsteller die Verletzung ihrer Grundrechte auf den gesetzlichen Richter,
rechtliches Gehör, effektiven Rechtsschutz und ein faires Verfahren durch den
Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. März 2003.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Antragsteller Bezug
genommen.
II.
Die Landesregierung und die Landesanwaltschaft hatten Gelegenheit zur
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Die Landesregierung und die Landesanwaltschaft hatten Gelegenheit zur
Stellungnahme.
III.
Der Staatsgerichtshof hat die Akten des Ausgangsverfahrens beigezogen.
B
I.
Die Grundrechtsklage ist unzulässig; ihrer Zulässigkeit steht der Grundsatz der
Subsidiarität verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes entgegen.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 20. März 2003 ist zwar
nach § 146 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - unanfechtbar und
damit ist der Rechtsweg erschöpft. Über das Erfordernis der Erschöpfung des
Rechtsweges hinaus verlangt der Grundsatz der Subsidiarität der
Grundrechtsklage jedoch, dass ein Antragsteller vor der Anrufung des
Staatsgerichtshofs alle zumutbaren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der
behaupteten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung
zu verhindern (ständige Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs - StGH -, vgl. etwa
Urteil vom 20.10.1999 - P. St. 1356 -, NZM 1999, 1088 [1090]).
Bei einem nach § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbaren Beschluss über ein
Ablehnungsgesuch handelt es sich um eine Entscheidung in einem
Zwischenverfahren. Grundrechtsklagen gegen Zwischenentscheidungen sind
grundsätzlich unzulässig, da Verfassungsverstöße noch mit der Anfechtung der
Endentscheidung geltend gemacht werden können (vgl. BVerfGE 1, 9; 21, 139;
BVerfG, Beschluss vom 19.06.1992 - 1 BvR 1150/89 -). Nur solche Entscheidungen
in Zwischenverfahren, die über eine für das weitere Verfahren wesentliche
Rechtsfrage abschließend befinden und sich in weiteren Instanzen nicht mehr
nachprüfen und korrigieren lassen können, können auch mit der
Verfassungsbeschwerde angegriffen werden (vgl. BVerfGE 1, 22; 21, 139; 24, 56;
53, 109).
Die Antragsteller waren gehalten, vor Erhebung ihrer Grundrechtsklage einen
Antrag auf Zulassung der Berufung gemäß §§ 124, 124a VwGO zu stellen und
darin den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters
und die weiteren behaupteten Grundrechtsverletzungen zu rügen. Das ist jedoch
nicht fristgerecht geschehen.
Zwar ist umstritten, ob bei einer Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Rechtswidrigkeit dieser nach § 146 Abs. 2
VwG() unanfechtbaren Entscheidung im Berufungszulassungs- und gegebenenfalls
Berufungsverfahren als Verfahrensfehler gerügt werden kann (vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, 13. Aufl., 2003, § 54 Rdnr. 22, § 124 Rdnr. 13; ablehnend: OVG Lüneburg,
NVwZ-RR 2002, S. 472; OVG Nordrhein-Westfalen, NVwZ-RR 2002, S. 541;
bejahend: Sächsisches OVG, SächsVBl. 2001, S. 10; einschränkend, nur bei
willkürlicher Entscheidung über das Ablehnungsgesuch: BVerwG, Beschluss vom
28.07.1999 - 9 B 165/99 -; Beschluss vom 21.03.2000 - 7 B 36/00 -; Hess. VGH,
DVBl. 1996. S. 1277; Beschluss vom 18. August 1999 - 8 UZ 2200/99 -). Da die
Antragsteller jedoch auch eine grob sachwidrige Behandlung ihrer
Ablehnungsgesuche rügen, war es ihnen unter dem Gesichtspunkt der
Subsidiarität zumutbar, diese Rüge zunächst in einem
Berufungszulassungsverfahren zu verfolgen. Denn der Grundsatz der Subsidiarität
verlangt über das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung nach § 44 Abs. 1 Satz 1
StGHG hinausgehend auch, dass ein Antragsteller Rechtsbehelfe vor den
Fachgerichten einlegt, deren Zulässigkeit in der fachgerichtlichen Rechtsprechung
nicht eindeutig geklärt ist (vgl. StGH, Beschluss vom 13.08.2003 - P.St. 1857 -,
StAnz. 2003, S. 3792; ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
vgl. etwa BVerfGE 70, 180 [185 f.]) Das gilt auch, wenn umstritten ist, ob die
Prüfung der angeführten Rechtsverletzungen der Beurteilung des angerufenen
Gerichts unterliegt. Unzumutbar ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs allerdings,
wenn dessen Zulässigkeit höchst zweifelhaft ist (vgl. BVerfG, NJW 1997, S. 649;
BayVerfGH, BayVBl. 1998, S. 350). Angesichts der oben aufgezeigten
Rechtsprechung war den Antragstellern eine Rüge des Verstoßes gegen den
Grundsatz des gesetzlichen Richters durch die Zurückweisung der
Ablehnungsgesuche im Berufungszulassungsverfahren zumutbar, auch wenn
überwiegend nur eine auf Willkür beschränkte Prüfung der Entscheidungen erfolgt;
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überwiegend nur eine auf Willkür beschränkte Prüfung der Entscheidungen erfolgt;
denn auch Willkür wird von den Antragstellern gerügt. Aus dem ebenfalls mit der
Grundrechtsklage der Antragsteller in dem Verfahren P.St. 1919 angegriffenen
Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Juli 2003 (5 TJ 1746/03)
geht zudem hervor, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung
der von den Antragstellern gegen die Ablehnungsentscheidung des
Verwaltungsgerichts Wiesbaden erhobenen Rügen im
Berufungszulassungsverfahren für zulässig erachtet.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 28 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.