Urteil des StGH Hessen vom 13.01.1988

StGH Hessen: rechtliches gehör, recht auf freiheit, einstellung des verfahrens, grundrecht, faires verfahren, hessen, rechtsstaatsprinzip, zinn, disziplinarverfahren, rüge

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1039
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 2 Abs 2 Verf HE, Art 2 Abs
3 Verf HE , Art 3 Verf HE, Art
24 Verf HE, Art 28 Verf HE
Leitsatz
1. Die bloße Benennung von Grundrechten genügt nicht der Darlegungspflicht gemäß §
46 Abs. 1 StGHG.
2. Weder die Rechtsweggarantie noch das Recht auf Freiheit von rechtsstaatswidrigen
Eingriffen der öffentlichen Gewalt (Art. 2 Abs. 2 HV) schützen gegen nachteilige
gerichtliche Entscheidungen, die auf einer verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandenden Anwendung einfachen Rechts beruhen.
3. Die Hessische Verfassung gewährt ein Grundrecht auf rechtliches Gehör.
a) Zur dogmatischen Herleitung:
aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs ist als objektive Verfahrensnorm Teil des auch
der Hessischen Verfassung immanenten Rechtsstaatsprinzips.
bb) Das Recht auf Gehör steht jedenfalls unter dem Schutz des Art. 3 HV und gewinnt
schon insoweit Grundrechtscharakter, als es nicht nur der Aufklärung der tatsächlichen
Entscheidungsgrundlage dient, sondern auch dem aus der Achtung und Würde des
Menschen folgenden Recht, in gerichtlichen Verfahren
tatsächliche und rechtliche Argumente vorzutragen und damit gehört zu werden.
b) Inhalt, Umfang und Grenzen des Rechts auf Gehör:
aa) Als Prozeßgrundrecht stellt das Recht auf Gehör sicher, daß eine gerichtliche
Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener
Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben.
bb) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nur dann erheblich, wenn das konkrete
Verfahrensergebnis auf ihr beruhen kann.
cc) Die Gerichte müssen nicht jedes Vorbringen von Beteiligten in den Gründen einer
Entscheidung ausdrücklich bescheiden. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen,
daß ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen von Beteiligten auch zur
Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat eine Gebühr in Höhe von 250,-- DM zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller unterrichtete seit...als Professor an der Fachhochschule des
Bundes für öffentliche Verwaltung. Mit seinem Einverständnis versetzte ihn der
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Bundes für öffentliche Verwaltung. Mit seinem Einverständnis versetzte ihn der
Bundesminister des Innern durch Erlaß vom... in den Geschäftsbereich des
Hessischen Ministers des Innern zur Verwendung bei der
Verwaltungsfachhochschule in Wiesbaden, Abteilung.... Dort ist der Antragsteller
seit... tätig.
Mit Erlaß vom 30. Mai 1983 leitete der Hessische Minister des Innern das förmliche
Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein. Im ersten Vernehmungstermin
am 4. August 1983 lehnte der Verteidiger des Antragstellers den bestellten
Untersuchungsführer wegen Besorgnis der Befangenheit ab, kündigte einen
Antrag auf Aussetzung des Verfahrens an und überreichte eine
Dienstaufsichtsbeschwerde vom 29. Juli 1983 gegen den Vertreter der
Einleitungsbehörde. Dieser legte das Ablehnungsgesuch mit den
Verfahrensunterlagen am 13. April 1984 der Disziplinarkammer beim
Verwaltungsgericht... vor. Darin sah der Antragsteller eine unangemessene
Verzögerung des förmlichen Disziplinarverfahrens. Er beantragte mit Schriftsatz
vom 12. Juni 1984 die Entscheidung der Disziplinarkammer im
Beschleunigungsverfahren gemäß § 61 der Hessischen Disziplinarordnung (HDO).
Er vertrat die Ansicht, das Disziplinarverfahren sei einzustellen, weil es nicht
wirksam eingeleitet worden sei. Hilfsweise sei eine Frist im Sinne von § 61 Abs. 2
Satz 1 HDO zu bestimmen.
Die Disziplinarkammer wies den Antrag durch Beschluß vom 19. November 1984 -
... - zurück: Nur der Hilfsantrag sei zulässig, jedoch nicht begründet, da der
Untersuchungsführer im Hinblick auf das Ablehnungsgesuch an der Fortführung
des Verfahrens gehindert gewesen sei. Die Vorlage des Gesuchs nach 8 Monaten
stelle keine unangemessene Verzögerung dar. Der Vertreter der
Einleitungsbehörde habe zunächst zu der Dienstaufsichtsbeschwerde Stellung
nehmen müssen und habe die weitere Verzögerung hinreichend erklärt.
Die Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos. In den Gründen seines
Beschlusses vom 29. Oktober 1985 -... - führte der Disziplinarhof beim Hessischen
Verwaltungsgerichtshof aus, die Befugnisse der Disziplinarkammer im
Beschleunigungsverfahren seien abschließend in § 61 Abs. 2 HDO geregelt.
Danach sei in den Fällen einer unangemessenen Verzögerung eine Frist zu
bestimmen, in der entweder die Anschuldigungsschrift vorgelegt oder das
Verfahren eingestellt werden müsse. Jedoch dürfe die Disziplinarkammer das noch
nicht bei ihr anhängige förmliche Disziplinarverfahren nicht schon auf den
Beschleunigungsantrag hin einstellen oder die Einleitungsbehörde zur Einstellung
des Verfahrens verpflichten. Die dahingehenden Anträge des Antragstellers seien
unzulässig. Die relativ lange Zeit von 8 Monaten seit der Stellung des
Ablehnungsgesuchs bis zur Vorlage bei der Disziplinarkammer sei aus den von der
Disziplinarkammer dargelegten Gründen noch nicht als unangemessene
Verzögerung des Verfahrens zu betrachten. Dabei sei auch zu berücksichtigen,
daß der Antragsteller und sein Verteidiger kein Interesse an einer zügigen
Fortführung des Disziplinarverfahrens bekundet, sondern im März 1983 einen
Aussetzungsantrag gestellt und im August 1983 einen weiteren Antrag
angekündigt hätten. Erst mit der Anrufung der Disziplinarkammer im Juni 1984
habe der Antragsteller zu erkennen gegeben, daß nunmehr ein zügiger Fortgang
des Disziplinarverfahrens begehrt werde.
Gegen diesen dem Antragsteller am 7. November 1985 zugestellten Beschluß
richtet sich die mit Schriftsatz vom 7. Dezember 1985 erhobene
Grundrechtsklage. Der Antragsteller macht eine Verletzung seiner Grundrechte
aus Artikel 2, 3, 24, 28 und 30 der Verfassung des Landes Hessen (HV) in
Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip geltend. Das förmliche
Disziplinarverfahren sei ohne gesetzliche Grundlage unter Verstoß gegen Art. 2
Abs. 2 HV eingeleitet worden, da der Hessische Minister des Innern gegen den
Antragsteller als Bundesbeamten keine disziplinarrechtlichen Befugnisse habe.
Dies habe der Disziplinarhof aufgrund seiner einschränkenden Auslegung des § 61
Abs. 1 HDO nicht überprüft. Darin liege ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 und 3 HV.
Die Auffassung des Disziplinarhofs zum Merkmal der Unangemessenheit in § 61
Abs. 2 Satz 1 HDO verletze das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundrecht des
Antragstellers auf ein faires Verfahren. Der Antragsteller rügt schließlich die
Verletzung seines Grundrechtes auf rechtliches Gehör. Der Disziplinarhof habe
sein Vorbringen zur Tätigkeit des Vertreters der Einleitungsbehörde nicht zur
Kenntnis genommen und ihm keine Gelegenheit gegeben, sich zu den
Aussetzungsanträgen zu äußern, die im übrigen nicht Gegenstand des
Beschleunigungsverfahrens gewesen seien. Der Disziplinarhof habe schließlich
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Beschleunigungsverfahrens gewesen seien. Der Disziplinarhof habe schließlich
unberücksichtigt gelassen, daß er, der Antragsteller, die bis zum Zeitpunkt der
Beschwerdeentscheidung andauernde Verzögerung des Disziplinarverfahrens
beanstandet habe.
Der Hessische Ministerpräsident hält den Antrag für unzulässig. Soweit der
Antragsteller geltend mache, er sei Bundesbeamter, habe er den für diese
Feststellung eröffneten Rechtsweg nicht erschöpft. Die Rüge der Verletzung von
Grundrechten genüge als bloße Aufzählung nicht den Anforderungen des § 46 Abs.
1 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof (StGHG). Der Antragsteller mache
nicht geltend, in seinem durch Art. 2 Abs. 3 HV garantierten Recht auf Zugang zu
den Gerichten beeinträchtigt zu sein. Er wende sich lediglich gegen die Auslegung
einfachen Rechts und lege keine Tatsachen dar, aus denen sich eine
Grundrechtsverletzung ergeben konnte. Die Hessische Verfassung kenne kein
Grundrecht auf rechtliches Gehör.
Der Landesanwalt hat sich dem Verfahren nicht angeschlossen.
Die Akten der Disziplinarkammer beim Verwaltungsgericht... - ... - sowie die den
Antragsteller betreffenden Vorermittlungs- und Untersuchungsakten des
Hessischen Ministers des Innern (...) haben vorgelegen und sind Gegenstand der
Beratung gewesen.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Grundrechtsklage ist teilweise unzulässig, im
übrigen offenbar unbegründet.
1. Die Grundrechtsklage ist unzulässig, soweit der Antragsteller die Verletzung von
Grundrechten aus Artikeln 2, 3, 24, 28 und 30 HV rügt.
Nach Art. 131 Abs. 3 HV i.V.m. § 48 Abs. 3 StGHG kann jedermann den
Staatsgerichtshof anrufen, der geltend macht, durch die Entscheidung des
höchsten in der Sache zuständigen Gerichts in einem von der Hessischen
Verfassung gewährten Grundrecht verletzt zu sein.
a) Soweit die Grundrechtsklage auf die Artikel 3, 24, 28 und 30 HV gestützt wird,
ist sie unzulässig, weil der Antragsteller entsprechende Grundrechtsverletzungen
nicht hinreichend dargetan hat. Nach § 46 Abs. 1 StGHG muß der Antrag das
Grundrecht bezeichnen und mit Angabe der Beweismittel die Tatsachen darlegen,
aus denen sich der Mißbrauch oder die Verletzung des Grundrechts ergeben soll.
Es genügt nicht, ein Grundrecht nur zu benennen. Es kann daher dahingestellt
bleiben, ob Art. 24 HV mit Inkrafttreten des Grundgesetzes gemäß Art. 142 GG
durch Art. 104 Abs. 1 GG verdrängt worden ist (so im Ergebnis Zinn-Stein,
Verfassung des Landes Hessen, Bd. I 1954, Anm. 1 zu Art. 24). Gleichfalls kann
offen bleiben, ob die Artikel 28 und 30 HV überhaupt Grundrechte gewähren (vgl.
dazu StGH, Beschluß vom 04.08.71 - P.St. 649 -, ESVGH 22, 13; Zinn-Stein,
a.a.O., Anm. 1 und 3 zu Art. 28 und Anm. 1 zu Art. 30 HV).
b) Auch die Rüge einer Verletzung der Grundrechte aus Art. 2 Absätze 2 und 3 HV
entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Sie betrifft lediglich die
Anwendung einfachen Rechts.
Soweit der Antragsteller unter Hinweis auf Art. 2 Abs. 2 HV verlangt, das
Disziplinargericht müsse im Rahmen des Beschleunigungsverfahrens die wirksame
Einleitung des Disziplinarverfahrens überprüfen, macht er keine
Grundrechtsverletzung geltend, sondern beanstandet ohne
verfassungsrechtlichen Anhalt die Auslegung und Anwendung einfachen
Beamtenrechts im Ausgangsverfahren.
Eine Verletzung der Rechtsweggarantie des Art. 2 Abs. 3 HV hat der Antragsteller
ebenfalls nicht dargelegt. Er trägt nicht vor, daß ihm der Zugang zu den Gerichten
in irgendeinem Stadium des Verfahrens verwehrt worden sei.
Es ist auch nicht erkennbar, in welcher Weise die Auffassung des Disziplinarhofs zu
den Befugnissen der Disziplinargerichtsbarkeit im Rahmen des
Beschleunigungsverfahrens und zum Merkmal der unangemessenen Verzögerung
in § 61 Abs. 2 Satz 1 HDO ein in Art. 2 Abs. 3 HV in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsprinzip enthaltenes Grundrecht des Antragstellers berühren könnte.
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Die vom Antragsteller angegriffene Auslegung des § 61 Abs. 2 Satz 1 HDO kann
nicht Gegenstand der Grundrechtsklage sein. Der Staatsgerichtshof ist nur in
engen Grenzen zur Nachprüfung gerichtlicher Entscheidungen befugt. Er kann
nicht gerichtliche Entscheidungen allgemein in ihrer sachlichen Richtigkeit sowie in
der Auslegung und Anwendung einfachen Rechts überprüfen, sondern nur unter
dem Gesichtspunkt einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts (ständige
Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs, vgl. zuletzt Beschlüsse vom 25.07.84 -
P.St. 965 -, S. 12 und - P.St. 997 -, S. 14). Die abweichende Auffassung des
Antragstellers zum Merkmal der Unangemessenheit in § 61 Abs. 2 Satz 1 HDO,
die er mit dem Ziel eines für ihn günstigen Ausgangs des Disziplinarverfahrens
darlegt, betrifft keine Grundrechtsverletzung. Sie hat - ebenso wie die Rüge einer
Verletzung von Art. 2 Abs. 2 HV - nur die Anwendung einfachen Disziplinarrechts
zum Gegenstand.
Weder die Rechtsweggarantie noch das Recht auf Freiheit von rechtsstaatswidrigen
Eingriffen der öffentlichen Gewalt (Art. 2 Abs. 2 HV) schützen gegen nachteilige
gerichtliche Entscheidungen, die auf einer verfassungsrechtlich nicht zu
beanstandenen Anwendung einfachen Rechts beruhen.
2. Im übrigen ist die Grundrechtsklage zulässig, jedoch offenbar unbegründet.
a) Die Hessische Verfassung gewährt ein Grundrecht auf rechtliches Gehör.
Dieses Grundrecht wird in der Hessischen Verfassung im Unterschied zum
Grundgesetz (Art. 103 Abs. 1) und zur Verfassung des Freistaats Bayern (Art. 91
Abs. 1) zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Dennoch ist der Schutz des rechtlichen
Gehörs als objektivrechtliches Verfahrensprinzip und als Grundrecht von der
Hessischen Verfassung garantiert (anders die bisherige Rechtsprechung des
Staatsgerichtshofs, vgl. Beschluß vom 09.02.72 - P.St. 648 -, ESVGH 22, 135;
zuletzt Beschluß vom 26.03.80 - P.St. 920 -; offengelassen im Beschluß vom
01.04.81 - P.St. 928 -).
Als objektive Verfahrensnorm ist das Gebot des rechtlichen Gehörs Teil des
Rechtsstaatsprinzips (in diesem Sinne schon: StGH, Beschluß vom 09.02.72 - P.St.
648 - aaO). Das Rechtsstaatsprinzip gehört zu den die hessische Verfassung
gestaltenden Grundsätzen und Leitideen, die nicht in besonderen Rechtssätzen
konkretisiert sind, weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild prägen, von dem
der Verfassunggeber ausgegangen ist (ständige Rechtsprechung des
Staatsgerichtshofs, vgl. Urteil vom 04.02.70 - P.St. 533 -, StAnz. 1970, 531; Urteil
vom 19.05.76 - P.St. 757 -, StAnz. 1976, 1134 sowie Beschluß vom 30.10.80 -
P.St. 908 -, StAnz. 1981, 1655; vgl. auch BVerfGE 2, 381, 403). Für ein
rechtsstaatliches Gerichtsverfahren ist das rechtliche Gehör konstitutiv und
grundsätzlich unabdingbar (BVerfGE 55, 1, 5 f.).
Es kann dahingestellt bleiben, ob auch der Grundrechtscharakter des Rechts auf
Gehör bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt. Jedenfalls ist es insoweit durch
Art. 3 HV geschützt, der die Würde des Menschen für unantastbar erklärt (im
Ergebnis ebenso, jedoch mit anderer Begründung: StGH, Beschluß vom 29.10.54 -
P.St. 162 -, ESVGH 11/II, 14; Barwinski, in: Zinn-Stein, Erläuterung B IV 9 zu Art.
131 - 133 HV sowie Zinn-Stein aaO., Bd. I 1954, Anm. 8 zu Art. 26 HV und Anm. 4
zu Art. 1 HV). Das Gebot des rechtlichen Gehörs dient nicht nur der Abklärung der
tatsächlichen Entscheidungsgrundlage, sondern auch der Achtung und Würde des
Menschen, der im gerichtlichen Verfahren das Recht haben muß, tatsächliche und
rechtliche Argumente vorzutragen und damit gehört zu werden (vgl. BVerfGE 55,
1, 5 f; 70, 180, 188).
Als Prozeßgrundrecht stellt das Recht auf Gehör sicher, daß eine gerichtliche
Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener
Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben
(BVerfGE 53, 219, 222). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist jedoch nur
dann erheblich, wenn das konkrete Verfahrensergebnis auf ihr beruhen kann
(BVerfGE 13, 132, 145). Auch müssen die Gerichte nicht jedes Vorbringen von
Beteiligten in den Gründen einer Entscheidung ausdrücklich bescheiden. Viel mehr
ist grundsätzlich davon auszugehen, daß ein Gericht das von ihm
entgegengenommene Vorbringen von Beteiligten auch zur Kenntnis genommen
und in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 22, 267, 274).
b) Diese Tragweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör verkennt der
Antragsteller. Er geht auch von unrichtigen Tatsachen aus. Entgegen seiner
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Antragsteller. Er geht auch von unrichtigen Tatsachen aus. Entgegen seiner
Darstellung hat der Disziplinarhof seine Einwendungen gegen die Würdigung des
Verhaltens des Vertreters der Einleitungsbehörde durch die Disziplinarkammer
ersichtlich zur Kenntnis genommen und in den Gründen seines Beschlusses auch
beschieden, indem er den Darlegungen der Kammer beigepflichtet und somit die
Gegenvorstellungen des Antragstellers zurückgewiesen hat. Auf weitere
Ausführungen des Disziplinarhofs hat der Antragsteller keinen Anspruch.
Insbesondere wird das Gebot des rechtlichen Gehörs nicht schon dadurch verletzt,
daß der Disziplinarhof auf Einwendungen des Antragstellers nicht ausdrücklich
eingegangen ist (BVerfGE 66, 211, 213).
Sein Vorbringen, er habe keine Gelegenheit gehabt, die in seinem Namen
gestellten Aussetzungsanträge zu erläutern, ist unerheblich, weil der Disziplinarhof
die Tatsache der Antragstellung nur als Indiz für ein seinerzeit fehlendes Interesse
des Antragstellers an einer Beschleunigung des Disziplinarverfahrens gewertet
hat. In der zusätzlichen Berücksichtigung dieser Tatsache liegt eine die
Entscheidung des Disziplinarhofs nicht tragende Hilfserwägung. Im übrigen hatte
der Antragsteller im Beschwerdeverfahren hinreichend Gelegenheit, sich zu dem
gesamten für die Frage der Beschleunigung des Disziplinarverfahrens relevanten
Sachverhalt zu äußern, also auch zur naheliegenden Frage nach der Bedeutung
der von ihm gestellten Aussetzungsanträge. Der Disziplinarhof war aufgrund des
Rechts auf Gehör nicht gehalten, den Antragsteller vorab darauf hinzuweisen,
welche rechtliche Würdigung der Aussetzungsanträge in Betracht komme.
Schließlich berührt auch die Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung einer
unangemessenen Verzögerung im Sinne von § 61 Abs. 2 Satz 1 HDO maßgebend
ist, nicht das Gebot des rechtlichen Gehörs, sondern die Anwendung einfachen
Disziplinarrechts. Sie war allein Sache des Disziplinarhofs, der hierbei spezifisches
Verfassungsrecht nicht verletzt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG. Da der Antrag zurückgewiesen
wird, hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.