Urteil des StGH Hessen vom 13.09.2000
StGH Hessen: ablauf der frist, hessen, hochschule, rechtsschutzinteresse, klagefrist, rechtsnorm, quelle, universität, mitgliedschaft, gesetzesänderung
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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1398
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 45 Abs 2 StGHG HE
Leitsatz
1. Nach § 45 Abs. 2 StGHG kann eine Grundrechtsklage gegen eine Rechtsnorm nur
binnen eines Jahres erhoben werden.
2. Die Frist nach § 45 Abs. 2 StGHG ist eine Ausschlussfrist.
3. Tritt eine gesetzliche Vorschrift lediglich an die Stelle ihrer Vorgängernorm, ist für die
Berechnung der Jahresfrist des § 45 Abs. 2 StGHG ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu
dem die inhaltliche Vorgängernorm in Kraft getreten ist.
Tenor
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
A.
I.
Der Antragsteller studiert an der Q-Universität Y. Mit seiner Grundrechtsklage vom
2. Juni 1999, beim Staatsgerichtshof am 8. Juni 1999 eingegangen, wendet er sich
insbesondere gegen die Pflichtmitgliedschaft in der Studentenschaft der
Hochschule, wie sie sich aus dem Hessischen Hochschulgesetz - HHG - ergibt, und
rügt die Verletzung von Grundrechten aus der Verfassung des Landes Hessen -
kurz: Hessische Verfassung (HV) -.
Durch Gesetz zur Neuregelung des Hochschulrechts und zur Änderung anderer
Rechtsvorschriften vom 3. November 1998 (GVBl. I S. 431, ber. S. 559) waren die
bisherigen Bestimmungen des Hochschulgesetzes über die Aufgaben der
Studentenschaft geändert worden. Nach Eingang der Grundrechtsklage sind diese
Änderungen durch Gesetz vom 26. Juni 2000 (GVBl. I S. 326) sämtlich wieder
aufgehoben worden.
Mit der Klage greift der Antragsteller insbesondere die fortbestehende
zwangsweise Mitgliedschaft der Studierenden an, die nach dem Gesetz vom 3.
November 1998 in § 98 Abs. 1 HHG geregelt ist. Er sieht außerdem die
Erweiterung der den Studentenschaften übertragenen Aufgaben in § 99 Abs. 2
HHG und deren in Abs. 3 der Vorschrift neu vorgesehene Befugnisse im
Widerspruch zu den Gewährleistungen seiner Grundrechte in Art. 2 Abs. 1 und 15
HV. Die Erweiterung war nach Ansicht des Antragstellers besonders bedeutsam. Er
sieht in ihr im Ergebnis ein unzulässiges sog. "politisches Mandat" der
Studentenschaft. Grundsätzlich müsse der Gesetzgeber auch im Falle, dass
lediglich die Wahrnehmung hochschulpolitischer Belange der Mitglieder der
Studentenschaft zugelassen werde, den Studenten selbst überlassen, ob sie sich
zur gemeinsamen Wahrnehmung als gemeinsam empfundener Anliegen
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zur gemeinsamen Wahrnehmung als gemeinsam empfundener Anliegen
zusammenschlössen. Durch die Gesetzesänderung vom 3. November 1998 wurde
die Pflichtmitgliedschaft in der Studentenschaft nicht neu eingeführt. Diese
Vorschrift galt vielmehr bereits seit 1978. Sie war inhaltsgleich in § 62 Abs. 1 und 2
HHG vom 6. Juni 1978 (GVBl. I S. 319) enthalten. Schon zuvor war sie Bestandteil
der hessischen Hochschulrechtsbestimmungen. Absätze 1 und 2 des § 62 HHG
a.F. sind im Jahre 1998 lediglich zu Abs. 1 des § 98 HHG zusammengefügt worden.
§ 99 Abs. 3 HHG i.d.F. vom 3. November 1998 ist durch das Zweite Gesetz zur
Änderung des Hochschulgesetzes vom 26. Juni 2000 mit Wirkung seit dem 5. Juli
2000 wieder aufgehoben, § 99 Abs. 2 HHG zugleich inhaltlich der früheren
Ausgestaltung des § 63 Abs. 2 HHG a.F. wieder angeglichen worden. Der
Antragsteller hält nicht für erforderlich, vor der Grundrechtsklage den Rechtsweg
zu erschöpfen. Dies sei ihm unzumutbar, denn letztendlich werde der
Staatsgerichtshof mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm befaßt.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß festzustellen,
1. dass die Regelung über die Bildung der Studentenschaft aus den Studierenden
einer Hochschule in § 98 Abs. 1 HHG seine Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 und 15
HV verletzt,
2. dass § 99 Abs. 2 und 3 HHG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des
Hochschulrechts und zur Änderung anderer Rechtsvorschriften vom 3. November
1998, GVBl. I S. 431, gegen die Verfassung des Landes Hessen verstoßen hat.
II.
Der Hessischen Landesregierung und der Landesanwaltschaft ist Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben worden.
III.
Die Kanzlei des Hessischen Landtages hat mit Schreiben vom 13. Juli 1999
mitgeteilt, keine Stellung nehmen zu wollen.
B.
I.
Die Grundrechtsklage ist unzulässig. Die Klage gegen die Pflichtmitgliedschaft der
Studierenden in der Studentenschaft der Hochschule und gegen deren
überkommene Aufgaben ist verspätet. Im Übrigen fehlt der Klage das notwendige
Rechtsschutzinteresse.
Mit der Grundrechtsklage gegen die Pflichtmitgliedschaft der Studierenden hat der
Antragsteller die Jahresfrist des § 45 Abs. 2 StGHG nicht gewahrt. Nach dieser
Vorschrift kann eine Grundrechtsklage gegen eine Rechtsnorm nur binnen eines
Jahres erhoben werden. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist (zur gleichartigen
Bestimmung in § 93 Abs. 3 Gesetz über das Bundesverfassungsgericht - BVerfGG
- vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, NJW 1997, 650).
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ausschlussfrist bestehen nicht. Der
einfache Gesetzgeber kann nach Art. 131 Abs. 3 HV das Verfahren der
Grundrechtsklage regeln und deren Zulässigkeit davon abhängig machen, dass
bestimmte Fristen eingehalten werden (zur vergleichbaren Bestimmung des Art.
94 Abs. 2 Grundgesetz - GG -: BVerfG; a.a.O.).
§ 98 Abs. 1 HHG ist zwar durch das Gesetz zur Neuregelung des Hochschulrechts
und zur Änderung anderer Rechtsvorschriften vom 3. November 1998 neu in das
Gesetz aufgenommen worden. Die Bestimmung ist aber lediglich an die Stelle der
inhaltlich übereinstimmenden Regelung in § 62 Abs. 1 und 2 HHG a.F. getreten.
Für die Berechnung der Jahresfrist des § 45 Abs. 2 StGHG ist der Zeitpunkt
maßgeblich, zu dem die inhaltliche Vorgängernorm in Kraft getreten ist (StGH,
Beschlüsse vom 29.01.1993 - P.St. 1158 e.V. -, StAnz. 1993, S. 654 (656), und
vom 23.07.1993 - P.St. 1173 e.V. -, StAnz. 1993 S. 2124 (2126)). Der Antragsteller
konnte die Vorgängernorm allerdings nicht selbst binnen Jahresfrist nach ihrem
Inkrafttreten angreifen. Er hat damals noch nicht studiert und war deshalb von der
Norm auch nicht betroffen. Das steht dem Ablauf der Frist jedoch nicht entgegen
(vgl. BVerfG, a.a.O.). Nach Art. 131 Abs. 3 HV stand dem Gesetzgeber die
Regelung des Verfahrens der Grundrechtsklage frei. Er musste nicht notwendig
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Regelung des Verfahrens der Grundrechtsklage frei. Er musste nicht notwendig
durchgehend eine unbefristete und unmittelbare Grundrechtsklage gegen
Rechtsnormen eröffnen (entsprechend zu Art. 94 Abs. 2 GG: BVerfG, a.a.O.). Die
Ausgestaltung der Klagefrist in § 45 Abs. 2 StGHG hält sich daher im Rahmen der
Ermächtigung des Art. 131 Abs. 3 HV.
Nach diesen Grundsätzen ist die Klagefrist auch nicht gewahrt, soweit der
Antragsteller sich gegen diejenigen Aufgaben in § 99 Abs. 2 Ziffer 2 bis 6 HHG
wendet, die dem überkommenen Rechtszustand nach § 63 Abs. 2 HHG a.F.
entsprechen.
Ob demgegenüber die Frist für eine Klage gegen § 98 Abs. 1 HHG insoweit neu zu
laufen begonnen hat, als mit den Gesetzesänderungen vom 3. November 1998
Aufgaben der Studentenschaft neu gestaltet worden sind, braucht der
Staatsgerichtshof nicht zu entscheiden. Diese Änderungen sind durch Gesetz vom
26. Juni 2000 zurückgenommen worden.
Für die Grundrechtsklage gegen § 99 Abs. 2 und 3 HHG i.d.F. des Gesetzes zur
Neuregelung des Hochschulrechts und zur Änderung anderer Rechtsvorschriften
vom 3. November 1998 fehlt dem Kläger das Rechtsschutzinteresse. Die Angriffe
gegen die neugeregelte Aufgabenzuweisung in § 99 Abs. 2 HHG und gegen die
Befugnisse nach § 99 Abs. 3 HHG sind gegenstandslos geworden. Das Zweite
Gesetz zu Änderung des Hochschulgesetzes vom 26. Juni 2000 hat die
angegriffenen Normen ersatzlos aufgehoben. Die gegen diese gerichteten
Bedenken des Antragstellers sind damit in der Hauptsache erledigt. Eine Beschwer
des Antragstellers, die sich aus den geänderten Befugnissen der Studentenschaft
ergeben haben soll, liegt somit spätestens seit der Aufhebung dieser Normen
nicht mehr vor. Einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs über die aufgehobenen
Vorschriften bedarf es nicht. Der Antragsteller wird nach dem Wegfall der
behaupteten unmittelbaren Grundrechtsbeeinträchtigung auch nicht durch
Folgewirkungen belastet.
II.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 28 Abs. 1 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.